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13. Juli 2018
Redaktion

Vom Trittschaum zum Leisten

Von Wolfgang Best: In Zeiten, in denen Innovationen in der Orthopädieschuhtechnik vor allem mit Computern, 
Fräsen oder Druckern zu tun haben, präsentiert OSM Tim Kutzner mit seiner „Kuickbox“ eine 
komplett analoge Innovation. Er stützt sich auf das altbekannte Verfahren des Trittschaums, 
der mit seiner Entwicklung die Grundlage für einen individuellen, gegossenen Leisten bietet.


Verfahren zur Leistenherstellung gibt es viele: Aus einem Holzklotz sägen und schleifen, den Fuß mit Gips abformen und die Form ausgießen oder den Fuß scannen und mit den Daten den Leisten fräsen oder drucken. OSM Tim Kutzner aus Delitzsch, der das 1932 
gegründete Familienunternehmen in der vierten Generation führt, machte sich 2012 dennoch auf die Suche nach einem neuen Verfahren.

Dies geschah auch vor dem Hintergrund, dass Beratung und bürokratischer Aufwand für Orthopädieschuhmacher ständig steigen und für das Handwerk immer weniger Zeit bleibt. Gleichzeitig müsse aber die Qualität weiter stimmen. Mit der Scan- und Frästechnik hatte er sich zwar beschäftigt, aber sie entsprach damals noch nicht seinen Vorstellungen von einer Methode, die einfach und mobil ist, und schnell zu einem Leisten führt, der nur noch wenig nachbearbeitet werden muss.

Trittschaumprinzip erweitert

Seine Lösung: Er erweiterte das Prinzip des Trittschaums für die Fußsohle um die Abformung von der Seite. Wenn man den kompletten Fuß mit Sprunggelenk und Unterschenkel schon in der richtigen Stellung mit Schaum abformt und diese Form ausgießt, so seine Überlegung, ist der Weg zum passenden Leisten nicht mehr weit.

„Die ersten Prototypen habe ich aus dünner Pappe gebaut“, erzählt Tim Kutzner. Damit erprobte er die dreidimen­sionale Abformung des kompletten Fußes mit Trittschaum. Erst als er sich sicher war, dass das Prinzip funktioniert, bat er einen Bekannten, ihm nach seinen Vorgaben eine Box aus Sperrholz zu bauen, mit der er seine Technik verfeinern konnte.

Das Herzstück der Kuickbox besteht auch heute noch aus Holz. Es besteht aus einer Grundplatte und den Seitenteilen, die mit Scharnieren daran befestigt sind und auf- und zugeklappt 
werden können. Darin werden die Trittschäume hineingelegt.

Die Abformung erfolgt im Sitzen, wobei zunächst der klassische Fußabdruck angefertigt wird, indem der Fuß geführt in den Trittschaum gedrückt wird. Dann werden die Seitenteile mit den Schäumen hochgeklappt, so dass sich die Form von Sprunggelenk und Unterschenkel eindrückt.

Mit einmaligem Zuklappen entsteht jedoch noch kein passgenauer Leisten. Das musste Tim Kutzner in der Entwicklungsphase feststellen. Er hatte die 
Widerstandsfähigkeit des Trittschaums unterschätzt. Dieser ist zwar alles andere als elastisch, hat aber doch eine gewisse Rückstellfähigkeit, wenn man ihn gegen das Sprunggelenk drückt. Man muss
bis zu einem gewissen Winkel nachdrücken, damit der Schaum dauerhaft die Form des Fußes annimmt. Das heutige Gerät hat deshalb einen zusätzlichen Anschlagswinkel, bis zu dem man drücken kann, wenn man zuvor das Seitenteil der Gegenseite heruntergeklappt hat.{pborder}

1 Tim Kutzner entwickelte die Kuickbox, für zeitsparendes Arbeiten und um die maßgenaue Leistenherstellung zu erleichtern

1 Tim Kutzner entwickelte die Kuickbox,
für zeitsparendes Arbeiten und um die maßgenaue
Leistenherstellung zu erleichtern

Fertige Leistenform im Trittschaum

Bei vielen Versorgungen muss der Fuß beim Abformen in bestimmten Positionen stehen. Tim Kutzner hat deshalb 
die Möglichkeit geschaffen, dass man unter den mittleren Schaum in der Kuickbox Fersenkeile, Höhenausgleichs­platten oder Außen- und Innenranderhöhungen unterlegen kann. Auch eine Vorfußerhöhung ist möglich, falls der Fuß in Hackenfußstellung abgeformt werden soll. Für den Fall, dass darüber hinaus der Fuß noch stärker in sich korrigiert werden muss, zum Beispiel im Sprunggelenk, fixiert Tim Kutzner die manuell erreichte Korrektur mit Tape. So kann der Fuß gleich in Korrekturstellung abgeformt werden. Das funktioniert in vielen Fällen, sagt Tim Kutzner. Nur bei ganz schweren Deformationen stoße man hier an Grenzen. Eine integrierte Abdruckkontrollfunktion gibt dem Anwender zusätzliche Sicherheit.

Nach dem Abformen  werden die Seitenteile zurückgeklappt und der Patient kann aus dem Trittschaum steigen. In drei unterschiedlichen Schäumen zeichnet sich nun die Form des Fußes ab.

Wer einen Fuß abgipst und die Form ausgießt, muss anschließend noch die Leistenspitze ansetzen. Das erledigt Tim Kutzner bei seiner Kuickbox schon vor dem Ausgießen. Mit einem passenden Leisten wird die Schuhspitze in den Trittschaum gedrückt. Wie beim Trittschaumabdruck für Einlagen, besteht natürlich auch hier die Möglichkeit, den Trittschaum mit den Händen nachzuformen, um zum Beispiel Druckstellen besonders zu berücksichtigen.

Werden die Seitenteile wieder hochgeklappt, entsteht eine Hohlform, die praktisch den Fußmaßen entspricht – mit bereits angeformter Leistenspitze. „Je nach Routine und Schwere der Fehlstellung dauert die Abformung etwa 10 Minuten für einen Patienten“, sagt Tim Kutzner.

Für den Trittschaum kooperiert Tim Kutzner mit einem Hersteller, der speziell für die Kuickbox einen weichen Schaum entwickelt hat. Zusammen mit einer von Tim Kutzner und Partner entwickelten Kartonhülle nimmt man den Trittschaum nach dem Abformen einfach heraus, legt einen neuen ein und ist sofort wieder bereit für den nächsten Patienten. Durch die Kartonhülle ist der Trittschaum auch geschützt, so dass er gut transportiert oder auch per Paket verschickt werden kann.

Die Kuickbox dient gleichzeitig als Einfüllbehälter für Leistengießharze. Zuvor werden die Schäume mit Plastikfolie ausgekleidet, damit der Trittschaum nicht mit dem Leistenschaum reagiert und dadurch Leistenvolumen verloren geht. Ist die Box verschlossen, kann der Leistenschaum eingefüllt werden. Hierzu kann jeder beliebige Schaum verwendet werden. Die Empfehlung liegt bei einem nicht so stark drückenden Schaum. Nach dem Aushärten kann dann der fertige Rohleisten entnommen und nach dem Aushärten weiter bearbeitet werden.

2. Drei Schaumteile und eine auf- und zuklappbare Holzbox: Das ist die Grundidee der Kuickbox für die einfache und schnelle Herstellung von Schuhleisten 3. Der vorgefertigte Karton mit den Schäumen wird eingelegt und dann wird der Fuß im Trittschaum positioniert (Abb. 2)
2. Drei Schaumteile und eine auf- und
zuklappbare Holzbox: Das ist die Grundidee
der Kuickbox für die einfache und schnelle
Herstellung von Schuhleisten
3. Der vorgefertigte Karton mit den Schäumen
wird eingelegt und dann wird der Fuß
im Trittschaum positioniert (Abb. 2)
4 Nachdem der plantare Abdruck genommen wurde, werden die Seitenteile hochgeklappt, um den Abdruck von der Seite zu nehmen. 5. Nachdem die Schäume mit Folie ausgekleidet wurden, kann die Form ausgegossen werden
4. Nachdem der plantare Abdruck genommen
wurde, werden die Seitenteile hochgeklappt,
um den Abdruck von der Seite zu nehmen
5. Nachdem die Schäume mit Folie ausgekleidet
wurden, kann die Form ausgegossen werden
6 Weil schon im plantaren Abdruck eine Leistenspitze mit eingedrückt wurde, hat die ausgegossene Fußform schon die erforderliche Spitzenzugabe in der gewünschten Form 7. Die Kuickbox hat Seitenteile aus Aluminium, die in die Maßbox eingesteckt werden und daraus einen praktischen, tragbaren Koffer machen. Sie bieten zudem Platz für die Ausgleichsplatten und Keile
6. Weil schon im plantaren Abdruck eine
Leistenspitze mit eingedrückt wurde, hat die
ausgegossene Fußform schon die erforderliche
Spitzenzugabe in der gewünschten Form
7. Die Kuickbox hat Seitenteile aus Aluminium,
die in die Maßbox eingesteckt werden
und daraus einen praktischen, tragbaren
Koffer machen. Sie bieten zudem Platz für die
Ausgleichsplatten und Keile

Vom Prototyp zum Produkt

Nachdem sich der Prototyp in der Praxis bewährte, machte sich Tim Kutzner daran, seine Erfindung in eine marktgerechte Form zu bringen. Ein Designer entwarf die heutige Form, bei der die eigentliche Maßbox von einer Aluminiumhülle umschlossen wird. Die beiden äußeren Seitenteile, die an die Grundplatte gesteckt werden, dienen dabei nicht nur als Tragesystem, sondern bieten im Innern auch noch Fächer, in denen die Unterlegkeile transportiert werden können. Man hat also einen Koffer, in dem man immer alles dabei hat. Die Kuickbox wird in Deutschland in zwei Varianten produziert. Die höhere Version ist für Beinleisten, die niedrigere für Halbschuh- und Knöchelleisten gedacht. Eine Version für den stationären Einsatz im Maßraum ist derzeit in der Entwicklung.

So analog die Erfindung im Kutzners auch wirkt, sie kann auch Teil eines 
digitalen Produktionsprozesses sein: Das entstandene Negativ im Trittschaum, das ja einen teilbelasteten, korrigierten Abdruck repräsentiert, lässt sich einscannen und am Computer zu einem dreidimensionalen Leistenmodell zusammensetzen. Das kann per CAD bearbeitet und entweder gefräst oder gedruckt werden. Erste Anfragen dazu hat Tim Kutzner schon erhalten.

Ausgabe 07-08 / 2018

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Bilder aus dem Artikel:

Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
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