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19. März 2024
Christina Baumgartner
Deutsche Meisterschaft im Handwerk

Farbenfroh zum Bundessieg

Anna Allmaier aus Mengen fertigte als Gesellenstück eine auffallende Stiefelette für eine Patientin mit Poliomyelitis an. Mit dieser Versorgung gewann sie den ersten Platz in der Deutschen Meisterschaft im Handwerk (DMH).
Das
Foto: Birgit Funk-Kleinknecht
Farbenfroh und auffallend: Das Gesellenstück von Anna Allmaier. Mit der Stiefelette gewann die 23-Jährige die Deutsche Meisterschaft im Handwerk (DMH).

Ihre Ausbildung machte Anna Allmaier im elterlichen Betrieb Orthopädie-Schuhtechnik Allmaier im baden-württembergischen Mengen, wo sie derzeit auch als Gesellin arbeitet. „Am meisten reizt mich an diesem Beruf die Kreativität und das Zusammenspiel mit den medizinischen Hintergründen. Man kann jeden Schuh individuell gestalten und – dank der jünger werdenden Kundschaft – auch immer mehr Farbe mit einbringen“, erklärt die Orthopädieschuhmacherin.

Farbenfroh gestaltete die 23-Jährige auch ihr Gesellenstück: Sie fertigte eine auffallende Stiefelette für eine Patientin an, die an Poliomyelitis (Kinderlähmung) leidet und aufgrund dessen links eine Beinlängendifferenz von 11 Zentimetern mit kontraktem Spitzfuß hat. „Ich wollte zeigen, dass orthopädische Schuhe nicht schwarz oder braun sein und schon gar nicht klobig und unförmig aussehen müssen“, so Anna Allmaier über die Idee, die hinter ihrer Arbeit steckt. „Ich wollte etwas Auffälliges, Einzigartiges machen, das modern und trotzdem anspruchsvoll ist“.

Schaftgestaltung

Der Schaft der Schuhe wurde komplett aus Leder gefertigt. Für das Futter verwendete Anna Allmaier beigefarbenes Kalbsleder. Das Obermaterial besteht aus Nubukleder in den Farben Blau, Pink und Schwarz sowie aus schwarzem Printleder mit bunten Musterungen. Für den Rahmen bezog sie eine Schnur mit schwarzem Nubukleder, welches dafür gespalten wurde.

Der Boden besteht aus buntem Poro-Material (geschäumtem Gummi), das die Farben des Schafts aufgreift. Die Sohle ist aus blauem Gummi. Den Bodenbau probierte sie im Vorfeld mehrmals aus und auch den Schaft nähte Anna Allmaier bereits im Vorfeld der Prüfung im Betrieb. Hierfür fertigte sie passgenaue Muster an, die nach jedem genähten Probeschaft optimiert wurden. Als sie mit allen Mustern zufrieden war, begann sie, den Schaft für ihr Gesellenstück zu nähen: „Ich hatte nur einen Versuch, da ich das Printleder nur in kleinen Mengen vorrätig hatte. Somit war die Anspannung deutlich höher, auch weil mir die Routine im Nähen noch fehlte“.

Anna
Foto: Orthopädie-Schuhtechnik Allmaier
Anna Allmaier arbeitet aktuell als Gesellin im elterlichen Betrieb Orthopädie-Schuhtechnik Allmaier in Mengen.

Boden mit Kanten

Am Morgen des ersten Prüfungstages stand dann zunächst die Anfertigung der Hinterkappen auf dem Programm. Nach der Mittagspause schliff Anna Allmaier das Einlagen-Sondermodell, an dem sie immer in den Trockenzeiten arbeitete: „Das hat super geklappt“. Noch am ersten Prüfungstag brachte sie eine Ausballung aus Kork an und raute den Rahmen sowie den Zwickeinschlag auf. In den nächsten Prüfungstag startete Anna Allmaier dann bereits deutlich entspannter. „Ich habe zunächst den Rahmen angebracht und die erste blaue Aufbauschicht vorbereitet, die ich dann warm angepresst habe“, erklärt die Gesellin. „Die Schicht schliff ich auf eine Dicke von genau 3 Millimetern gleichmäßig zurecht und fräste zwischen diese Schicht und den Rahmen eine Kante hinein – somit setzte sich die blaue Schicht ab“. Anschließend raute sie die nächste Schicht auf, die aus einer 3 Millimeter dicken schwarzen und einer 3 Millimeter dicken pinken Schicht besteht, welche bereits vorher zusammengeklebt wurden. Nach dem Anbringen wurden die drei Schichten sogleich ausgeputzt.

Als Halbsohle und Absatz brachte Anna Allmaier die nächste Schicht in Schwarz an: „Hier fräste ich ebenfalls eine Kante ein, damit sich auch diese Schicht absetzt“. Nachdem sie den Schuh auf Stand geschliffen hatte, konnte sie die Halbsohle und den Absatzfleck in Blau anbringen. „Damit ergibt sich ein leichtes Plateau in einer modernen, extravaganten Art“, beschreibt die junge Orthopädieschuhmacherin. „Beim Fräsen der Kanten darf man sich keinen Fehler erlauben, wenn man einmal aus der Spur kommt, kann man das nicht ausbessern“. Übrigens: Die Frässcheibe, die Anna Allmaier verwendete, wurde von ihrem Opa selbst angefertigt.

Besonders stolz ist die 23-Jährige, die gerne noch den Meister machen möchte, auf die Passform des Schaftes sowie die in den Boden gefrästen Kanten. Für die Formgebung, die Weiterführung der Form in den Sohlenbereich und die Abgrenzung der einzelnen Schichten habe es seitens der Prüfungskommission Lob gegeben, erläutert Allmaier. Kritisiert worden sei dagegen eine Stelle am Schaftabschluss, die durch das enge Fesselmaß eine leichte Faltenbildung aufweise.

Größte Herausforderung: Die Aufregung

„Die größte Herausforderung bei der Prüfung lag darin, meine Aufregung in den Griff zu bekommen. Dabei haben mir meine Klassenkameraden sehr geholfen“, erinnert sich Anna Allmaier. Ein sehr emotionaler Moment sei für sie auch die Siegerehrung in Berlin gewesen. „Vor der Veranstaltung gab es einen Probelauf. Am allerschönsten war, als wir dort zum ersten Mal mit Musik in den Saal eingelaufen sind“, meint die Gesellin. „In dem Saal war – bis auf die Veranstalter – niemand, doch in dem Moment wurde mir zum ersten Mal wirklich bewusst, dass ich es geschafft habe“.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
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