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11. Juni 2021
Redaktion
Aus der Praxis

Die Bestechnaht beim Haferlschuh

Haferlschuhschäfte aus mehreren Teilen wurden früher bestochen, das heißt die einzelnen Teile wurden mit einem Pechfaden ganz fein und mit kaum sichtbarer Naht zusammengenäht. Wie macht man das? Die Bestechnaht stammt aus der Zeit, als es noch keine Nähmaschinen gab und Schäfte noch von Hand genäht wurden.

FRANZ FISCHER
Foto: Franz Fischer

Heute wird diese Fertigungsweise  im Schuhmacherhandwerk nur noch selten angewandt und ist wenig bekannt. Bei Schuhliebhabern ist sie – oft in abgewandelter Form – noch manchmal zu finden. Haferlschuhschäfte aus mehreren Teilen wurden früher bestochen und die einzelnen Teile mit einen Pechfaden zusammengenäht. Trotz des Pechfadens und der Handnaht waren die Nähte so fein ausgeführt, dass die Naht kaum zu erkennen war. Für die Bestechnaht braucht es viel Übung. Das Nähmittel ist immer ein gepechter Draht. Er verhindert durch das Pech ein Auseinanderziehen der Naht, verschließt die Einstechöffnung und verhindert das Eindringen von Wasser. Meistens wurde das Bestechen bei etwas stärkeren pflanzlichen Oberledern (2 – 3 mm) angewandt. Sehr oft wurden die Schäfte ohne Futterleder gearbeitet und die Narbenseite des Oberleders zum Fuß und die Aasseite nach außen gelegt (Abb. 1). Bei derben Bergstiefeln mit sehr starken Oberledern wurden die Hinterkappen mit einer Bestechnaht sehr häufig außen am Oberleder aufgenäht (Abb. 2).

1. Haferlschuhschaft, mit der Aasseite nach außen gearbeitet, die Hinterkappe mit einer innenliegenden Bestechnaht fixiert. Foto: Franz Fischer 2. Bergstiefel mit außen aufgenähter Hinterkappe. Foto: Franz Fischer
Es gibt zwei verschiedene Ausführungen der Bestechnaht:
  • die geschlossene (verdeckte oder versenkte) Bestechnaht
  • die offene (sichtbare) Bestechnaht
Bei beiden Varianten gibt es eine innere und äußere Ausführung. Bei der äußeren liegt die Bestechnaht an der Außenseite des Leders und ist sichtbar, bei der inneren befindet sie sich in der Innenseite des Schuhs. Das Besondere an der Bestechnaht ist, dass die Naht das Leder nie in seiner ganzen Stärke durchdringt, sondern nur bis zur Mitte. Bei einer Oberlederstärke von 2 – 2,5 mm nicht durchzustechen, ist nur mit viel Übung zu bewerkstelligen.

Vorgehensweise bei der Fersennaht

3. Zunächst wird eine Linie im Abstand von zirka 6mm parallel zum Fersenbogen angezeichnet. Mit dem Messer wird das Oberleder entlang der angezeichneten Linie um zirka ein Drittel schräg eingeschnitten. Foto: Franz Fischer 4. Mit dem Reibknochen wird der Schnitt geöffnet. Mit der zweiten Seite des Fersenbogens wird genauso verfahren. Foto: Franz Fischer 5. Auf beiden Seiten wird die Stichlänge von zirka 6 mm angezeichnet. Mit der Ahle wird vorgestochen. Dabei wird die Ahle von dem geöffneten Rist eingeführt und an der Kante des Fersenbogens in der Mitte des Leders herausgestochen. Foto: Franz Fischer
6. Das Innen- und das Außenteil des Fersenbogens werden auf diese Weise vorgestochen. Foto: Franz Fische 7. Der Pechdraht wird angefertigt (3 – 4 Fäden eines Flachsgarns). Die beiden Kanten des Fersenbogen werden mit den Schnittkanten zusammengelegt und mit der Ahle noch einmal vorgestochen. Das Innen- und Außenteil werden Stich für Stich mit dem Pechfaden unter leichtem Zug zusammengenäht. Beim letzten Stich wird nur ein Pechfaden durchgezogen und der Pechfaden mit einem zweimal durchschlungenen Knoten in den Rist eingezogen. Foto: Franz Fischer

Knoten mit Pechdraht

8. Der Pechdraht wird einmal durchgeschlungen. Foto: Franz Fischer 9. Ein Ende des Pechdrahts wird noch einmal durchgefädelt. Foto: Franz Fischer 10. Die beiden Enden werden jeweils mit dem linken und dem rechten Daumen und Zeigefinger genommen. Mit wechselndem Zug von linker und rechter Hand wird der Knoten in den Rist gezogen. Foto: Franz Fischer

Im Gegensatz zum normalen doppelten Knoten ist diese Ausführung ganz flach. Der Pechdraht verklebt und ergibt eine sehr zuverlässige Verbindung.  Mit der gleichen Technik können Lederhinterkappen im unteren Bereich zusammengenäht werden. Das ergibt eine stabile Hinterkappe, ohne dass die Naht zu stark aufträgt und später außen am Schuh sichtbar wird.

11. Die Hinterkappe wird an der Narbenseite, die später die Innenseite des Haferlschuhs bildet, eingenäht. Dazu wird die Hinterkappe am Fersenbogen ausgerichtet und positioniert. Foto: Franz Fischer

Haferlschuh mit gewendetem Oberleder

Bei dieser Art des Haferlschuhs wird die Narbenseite zum Fuß hin und die Aasseite nach außen liegend gearbeitet. Dabei wird die Hinterkappe innen mit einer Bestechnaht eingenäht. Die Hinterkappe wird ausgeschnitten und die Form im Schaft überprüft. Die obere Kante sollte zirka 3 – 4 mm unterhalb des Schaftabschlusses liegen. Die Hinterkappe wird im nächsten Schritt von der Aasseite her auf Null ausgeschärft. Für das Bestechen der Hinterkappe benötigen wir einen dünnen Pechfaden (3 – 4 Fäden des Hanfgarns).

12 – 13. Mit einer kleinen Ahle wird im Abstand von zirka 2mm von der Kante der Hinterkappe eingestochen und ca. 2 mm von der Kante entfernt im Oberleder wieder ausgestochen. Die Hinterkappe wird mit einem Schlaufenstich eingenäht, um zu verhindern, dass sich die Kante der Hinterkappe umschlägt. Im Abstand von zirka 4mm wird der zweite Stich gesetzt. Die Ahle darf das Oberleder nicht ganz durchstechen, die Naht ist später außen am Schaft nicht sichtbar. Mit derselben Technik können Lederhinterkappen im unteren Bereich zusammengenäht werden. Das ­ergibt eine stabile Hinterkappe, ohne dass die Naht zu stark aufträgt und später außen am Schuh sichtbar wird. Foto: Franz Fischer
14 - 15. Im ersten Schritt wird die ausgeschärfte Hinterkappe am Leisten vorgezwickt. Steht die Hinterkappe im unteren Bereich der Ferse zu stark ab, wie links zu sehen, ist es schwierig, das Material ohne Faltenbildung zu zwicken. Foto: Franz Fischer 16. Die Hinterkappe wird mittig an der Ferse eingeschnitten und das überschüssige Material abgeschnitten. Die Hinterkappe liegt Stoß auf Stoß zusammen. Im nächsten Schritt im Abstand von zirka 6–8 mm den Rist einschneiden, er sollte ungefähr bis zur Mitte der Hinterkappe eingeschnitten werden. Foto: Franz Fischer 17. Anschließend wird der Schnitt mit dem Reibknochen geöffnet, am besten wieder entgegengesetzt der Schneidrichtung. Foto: Franz Fischer
18. Die Hinterkappe wird mit dem vorbereiteten Pechdraht zusammengenäht. 3–4 Fäden Hanfgarn sind für diesen Bereich ausreichend. Mit der Ahle wird, beginnend von oben, von einer Seite des Ristes zur anderen Seite durchgestochen. Der Verlauf liegt wieder, wie hier zu sehen, ungefähr in der Mitte der Hinterkappe. Foto: Franz Fischer 19. Anschließend wird ein Ende des Pechdrahts durch das vorgestochene Loch durchgefädelt. Foto: Franz Fischer
20 – 21. Beide Enden der Hinterkappe werden Stich für Stich zusammengefügt. Diese Technik ergibt einen glatten Übergang der beiden Kanten und eine stabile Hinterkappe in diesem Bereich. Der letzte Stich wird wie oben beschrieben verknotet. Die Hinterkappe liegt nun ohne großen Zwischenraum am Leisten an und kann ohne Mühe im Fersenbereich gezwickt werden. Foto: Franz Fischer 22. Haferlschuh mit außen bestochener Hinterkappe (Abb. 21). Foto: Franz Fischer
23. Er hat‘s gezeigt: Geselle Danilo Hein ist der Experte für den Bodenbau bei Fischer Fuß Fit in Amberg. Foto: Franz Fischer
Anschrift des Verfassers:
Franz Fischer
Schlachthausstraße 11
92224 Amberg
Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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