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13. November 2019
Redaktion
Praeparatio-Tutorial

Schaftvarianten im Vorderblatt

Fußgerechte Schuhe oder Schuhe für Menschen mit Bewegungseinschränkungen zu konstruieren, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Gegenüber dem normalen Fabrikschuh wirkt der breitere und längere Vorfuß des orthopädischen Schuhs mitunter unschön. Ein sportlich gestalteter Schaft ermöglicht es, die optischen Nachteile auszugleichen. Für die Gestaltung des Vorderblatts gibt es verschiedene Möglichkeiten.

FRANZ FISCHER
Grafik: Franz Fischer

Die Schaftgestaltung im Vorderblatt ist meist einfacher zu bewerkstelligen als das Design im Quartierbereich. Meistens haben wir bei den Maßschuhen verschieden geformte Leistenkopien. Der Unterschied zwischen rechts und links und oft auch zwischen innen und außen machen die Schaftgestaltung im Quartierbereich sehr aufwändig. Werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Möglichkeiten beim Schaftbau im Bereich des Vorderblattes. Der sogenannte „Spiegel“ ist ein gutes Mittel, um den orthopädischen Schuh schmaler wirken zu lassen. Es gibt verschiedenen Möglichkeiten einen Spiegel zu gestalten. Die ersten Schritte bleiben bei den verschiedenen Ausführungen immer die gleichen. Der Leisten ist mit einer Mittellinie, wie bei der Leistenkopie, geteilt. Der Ballen- und Hochspannpunkt ist eingezeichnet (Abb. 1a). Ein Stück Modellpapier (Abb. 1) haben wir unter den vorderen Teil des Leistens geschoben und den Umriss des Leistens im Vorfußbereich auf das Modellpapier übertragen (Abb. 2). Je nach Modell kann das Muster zwischen 5 mm und 15 mm kleiner ausgeschnitten werden. Das hilft, die Breite des Vorfußes optisch zu unterbrechen und der Schuh erscheint von oben schmäler. Zur Kontrolle legen wir das ausgeschnittene Modellpapier auf den Leisten (Abb. 3). Um das Modell später im Grundmodell des Schaftes richtig positionieren zu können, werden die Mittellinie von der Leistenspitze und im Ballenpunktbereich auf das Muster übertragen. Ebenso verfahren wir mit dem Ballenpunkt (Abb. 4). Das markierte Muster des Leistens mit den übertragenen Linien (Abb. 5) wird entlang der Mittellinie mit dem Messer getrennt (Abb. 6). Bedingt durch die asymmetrische Leistenform ist das Außenteil meist breiter. Bei der Modellgestaltung sind später beide Wege offen. Der Schaft kann mit einem symmetrischen Spiegel gearbeitet werden, mit der Folge, dass die Linie des Spiegels im Außenbereich nicht symmetrisch mit der Leistenkante verläuft. Oder der Schaftbauer übernimmt die Form des Leistens eins zu eins und die Spiegelkante verläuft im Vorfußbereich parallel mit der Leistenkante. Im nächsten Schritt übertragen wir das angefertigte Muster auf das Grundmodell. Wichtig: Der übertragene Ballenpunkt muss um ca. 1 cm im Grundmodell nach hinten gesetzt werden (Abb. 7)! Das ist nötig, damit der Spiegel später beim Zwicken nicht über die vordere Leistenkante nach unten fällt. Jetzt kann das Muster im Grundmodell an den zurückversetzten Ballenpunkt positioniert werden und die Kontur der Außenseite auf das Grundmodell übertragen werden (Abb. 8). Mit der Innenseite wird genauso verfahren (Abb. 9).

Das fertige Grundmodell mit dem übertragenen Spiegel (Abb. 10) ist die Basis für die einzelnen Teile.

1. Modellpapier zum Übertragen der Leistenform 1a. Leisten mit Mitellinie und vorgezeichnetem Ballen- und Hochspannpunkt 2. Leistenspitze mit Modellpapier und übertragenem Umriss des Leistens 3. Das abgeschnittene Modellpapier wird zur Kontrolle auf den Leisten gelegt 4. Mittellinie und Ballenlinie werden auf das Modellpapier gelegt
5. Muster mit übertragenen Linien 6. Am Verlauf der Mittellinie getrenntes Muster 7. Markierung ca. 1 cm hinter dem Ballenpunkt  8. Übertragen der Außenseite des Musters  9. Übertragen der Innenseite des Musters

 10. Das fertige Grundmodell mit dem übertragenen Spiegel

Variante 1

Zuerst fertigen wir eine Spiegelvariante, bei der der Spiegel auf das untere Teil des Vorderblattes aufgesetzt wird (Abb. 11). Das Oberleder wird anhand der einzelnen Papiermuster ausgeschnitten. Wichtig: Bei dieser Ausführung ist der Untertritt für den Spiegel am Außenteil (Abb. 12)! Nach dem Zusammenkleben der einzelnen Lederteile werden die Teile je nach Modellgestaltung mit einer gröberen oder feineren Naht befestigt (Abb. 13). Nach dem Zwicken verläuft der aufgesetzte Spiegel, je nach Konstruktion, parallel mit der Leistenkante (Abb. 14).

11. Einzelteile des Vorderblatts für den aufgesetzten Spiegel 12. Ausgeschnittenes Leder für den aufgesetzten Spiegel 13. Zusammengesetzte Lederteile, genäht 14. Aufgezwickter Schaft mit Spiegel

 

Variante 2

Eine weitere Ausführung besteht darin, das Außenteil auf den Spiegel zu setzen. Bei dieser Variante befindet sich der Untertritt am inneren Teil des Musters (Abb. 15). Nach dem Ausschneiden und Schärfen der Lederteile (Abb. 16) werden diese mit Hilfe der aufgezeichneten Linie zusammengesetzt (Abb. 17) und anschließend genäht (Abb. 18). Auch hier verläuft die Kante des Spiegels je nach Gestaltung parallel mit der vorderen Leistenkontur (Abb. 19).

15. Papiermuster - Untertritt am inneren Teil des Spiegels 16. Ausgeschnittenes Leder mit aufgezeichnetem Untertritt 17. Zusammengesetztes Oberleder 18. Oberleder, genäht

 

Variante 3

Bei der nächsten Ausführung wird ein ca. 12 mm breiter Lederstreifen als Spiegel auf das Vorderblatt gesetzt. Mit Hilfe des Grundmodells erstellen wir ein ganzes Vorderblatt mit der übertragenen Linie des Spiegels. Je nach gewünschter Breite des Spiegels setzen wir die Linie des Spiegels um ca. 12 mm nach innen (Abb. 19). Die Vorderblattteile werden aus dem Oberleder ausgeschnitten und wie gewohnt geschärft. Zusätzlich benötigen wir einen ca. 2 cm breiten Lederstreifen für den aufgesetzten Spiegel. Wichtig: Der Lederstreifen wird in einem leichten Bogen ausgeschnitten und sollte sich in der Länge gut dehnen. Ebenso wichtig ist es, den Streifen mit Hilfe der Oberlederschärfmaschine sehr dünn zu egalisieren (breiter Fuß bei der Schärfmaschine) (Abb. 20). Mit Hilfe der Oberledernähmaschine wird der Lederstreifen entlang der nach innen versetzten Linie auf das Vorderblatt aufgenäht (Abb. 21). Wichtig: Die konkave Seite, also die kürzere Seite des Lederstreifens, unter leichtem Zug des Lederstreifens auf das Vorderblatt nähen. Wird der Lederstreifen später nach außen geschlagen, entsteht weniger Spannung im Leder, da die längere Seite dem größeren Radius leichter folgen kann (Abb. 22). Der Lederstreifen sollte auch nicht zu breit geschnitten werden, da auch dies das Nach-außen-Klappen erschwert. Im nächsten Schritt bereiten wir das Verkleben und Nähen vor. Mit der Messerspitze wird das Oberleder des Vorblattes leicht aufgeraut (Abb. 23). Das Oberleder wird mit Klebstoff eingestrichen (Abb. 24) und der Streifen nach außen geklappt. Mit Hilfe des Abstandseisens oder eines Zirkels wird die Breite des aufgesetzten Spiegels festgelegt (Abb. 25). Im nächsten Schritt nähen wir den Lederstreifen mit der Oberledernähmaschine entlang der aufgezeichneten Linie am Vorderblatt fest. Die Stärke richtet sich je nach Modell, es können auch eine feine und eine grobe Naht kombiniert werden (Abb. 26, 28 und 28a). Mit Hilfe der Schere beschneiden wir das Oberleder entlang der Naht (Abb. 27).
In der nächsten Folge des Praeparatio-Tutorials werden drei weitere Varianten für die Gestaltung des Vorderblatts vorgestellt.

18a. Aufgezwickter Schaft mit auf dem inneren teil des Spiegels aufgesetztem Unterteil 19. Muster, Oberledervorderblatt mit eingezeichnetem Spiegel 20. Oberleder mit egalisiertem Lederstreifen für den Spiegel 21. Der Lederstreifen wird auf das Vorderblatt genäht
 22. Angenähter Lederstreifen  23. Das Oberleder wird im Bereich der späteren Verklebung aufgeraut  24. Vorderblatt und Lederstreifen werden mit Klebstoff eingestrichen  25. Das Oberleder wird nach außen geschlagen und die Breite des Spiegels festgelegt
 26. Der Spiegel wird entlang der Linie mit dem Vorderblatt vernäht  27. Der Lederstreifen wird mit Hilfe der Schere entlang der Naht beschnitten  28. Zusätzliche grobe Ziernaht  28a. Aufgezwickter Schaft mit aufgesetztem Spiegel

Anschrift des Verfassers:
Franz Fischer
Praeparatio e.V.
Schlachthausstraße 11
92224 Amberg
Tel.: 096021/1838
info@praeparatio.com
www.praeparatio.com

Praeparatio-Tutorial: Schnürstiefel mit Modellwinkel zeichnen (Teil 2)

Aufgabe 10 des Praeparatio-Tutorials steht im Internet auf www.ostechnik.de unter dem Menüpunkt Werkstatt/Praeparatio zum Download bereit. Wir zeichnen darin einen Schnürstiefel mit Modellwinkel. Der Schnürstiefel ist in der Orthopädie nicht wegzudenken. Viele Krankheitsbilder brauchen eine Versorgung, die über den Knöchel geht. Einen Stiefel zu fertigen, erleichtert uns den Leistenbau, wir haben keine Sorgen, einen fußgerechten Schuh zu bauen und uns dem ewigen Kampf mit dem Fersenanschluss zu stellen. Die sportlichen Modelle helfen uns, viele optische Nachteile in der Orthopädie auszugleichen. Sneakers und ihre optischen Brüder sind salonfähig geworden. Einen sportlichen Schuh zum Anzug zu tragen, ist heutzutage kein Problem mehr. Im neuen Download finden Sie die Oberlederkonstruktion eines sportlichen Stiefels. Viel Spaß beim Zeichnen. Wenn Sie unsere Unterstützung brauchen, senden Sie Ihre Zeichnung an info@praeparatio.com, wir helfen Ihnen, die Aufgabe zu lösen.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
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