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30. Januar 2023
Christina Baumgartner
Maßschuhe

Klassischer Schaft trifft modernen Bodenbau

Clara Sophia Böcker konnte bei den Bundeswettbewerben im Orthopädieschuhmacher-Handwerk 2022 gleich zweimal überzeugen: Sie wurde erste Bundessiegerin im Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks (PLW) und zweite Preisträgerin im Wettbewerb „Die gute Form im Handwerk“. Die Schuhe fertigte die 22-Jährige für eine modebewusste Kundin an – dafür kombinierte sie einen klassischen Schaft mit moderner Sohlengestaltung.
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Foto: Clara Sophia Böcker
Um einen möglichst komfortablen Einstieg in den Schuh zu ermöglichen, entschied sich Clara Sophia Böcker bei der Schaftgestaltung für einen Derbyschnitt. Als „Eyecatcher“ kommen eine aufgesetzte Hinterkappe und ein Schlupfriemen aus senfgelbem Veloursleder zum Einsatz.

Ihr Gesellenstück fertigte Clara Sophia Böcker für eine modebewusste Dame mit schlanken Füßen an. Aufgrund einer Peronaeuslähmung links, die die Folge eines Unfalls ist, wird die Kundin mit Maßschuhen versorgt. „Sie ist ein Fan klassischer, eleganter Lederschuhe“, sagt Clara Sophia Böcker. „Für den Alltag wollten wir allerdings eine klassische Optik des Schafts mit einem modernen Bodenbau kombinieren.“

Die Schaftgestaltung

Die 22-Jährige entschied sich bei der Schaftgestaltung für einen Derbyschnitt, um einen möglichst komfortablen Einstieg in den Schuh zu ermöglichen. Für eine optisch ansprechende Gestaltung des Schaftes arbeitete sie mit einer Lyra- und Golflochung auf dem Blatt und am Abschluss der aufgesetzten Vorderkappe. Die Golflochung findet sich auch am Ende des aufgesetzten Schnürteils wieder, das aus glattem, braunen Leder gearbeitet wurde – wie auch die aufgesetzte Flügelkappe in Form eines Budapester Longwing. Das Schnürteil setzte sie mit einem französischen Einfass aus einem helleren, braunen, etwas gröber genarbten Leder ab. Aus demselben Leder wurde auch das Quartier gearbeitet, das im oberen Drittel wiederum mit einem grob strukturierten, glänzenden, dunkelbraun gemusterten Leder abgesetzt ist. Als Eyecatcher fungieren eine aufgesetzte Hinterkappe und ein Schlupfriemen aus senfgelbem Veloursleder.

Der Boden soll mit dem Schaft harmonieren

Orthopädische
Foto: Clara Sophia Böcker
Für die Laufsohle kombinierte die Orthopädieschuhmacherin EVA-Material in den Farben Hellgrau und Orange. Zusätzlich brachte sie eine goldene Plakette mit dem Namen ihres Ausbildungsbetriebes an.

Für die Maßschuhe wurden Hinterkappen verwendet: Rechts ist eine Halbschuhkappe eingearbeitet, auf der linken Seite eine Peronaeuskappe, die versteift wurde. Die Vorderkappen sind aus „Agoflex“ gearbeitet.

„Das Ziel war, dass der Boden des Schuhes gut mit dem Schaft harmonieren sollte“, erklärt Clara Sophia Böcker. Deshalb entschied sie sich für einen klassischen Lederrahmen mit einer doppelten weißen Naht. Um den Boden optisch ansprechend und modern zu gestalten, wählte sie eine Zwischensohle aus orangefarbenem EVA. Diese harmoniert farblich mit dem senfgelben Leder, welches sie zuvor für die Hinterkappe und den Schlupfriemen ausgewählt hatte. „Das orangefarbene Material habe ich als Mittelfußrolle zugeschliffen, um das Abrollen zu erleichtern“, schildert die Orthopädieschuhmacherin. Darauf folgt eine zweite Zwischensohle aus Leder. Bei der Laufsohle kombinierte sie EVA-Material in den Farben Hellgrau (im Absatz und Sohlenbereich) und Orange (im Gelenk).

Die hellgraue Laufsohle wurde von ihr vorab individuell geprägt. Sie soll farblich für einen modernen Kontrast zum Rest des Schuhes sorgen. „Mir war die Farbgebung des Bodens besonders wichtig. Ich konnte allerdings keine fertige Sohle finden, die meiner Vorstellung entsprach, daher habe ich selbst eine geprägt“, beschreibt sie die Vorgehensweise. Für die Prägung der Sohle und des Absatzflecks erwärmte sie EVA und presste das Material auf eine Fertigsohle. „So sind meine Laufsohle und mein Absatzfleck mit grobem Profil entstanden, die auch von den Prüfern besonders gelobt wurden, nicht zuletzt wegen ihres geringen Gewichts“.

Rutschfeste Sohle mit goldener Plakette

Der Aufbau des Blockabsatzes erfolgte dann erneut aus Leder. Den Absatz versah sie mit einer leichten Absatzrolle. „Ich habe mich bei der Gestaltung des Bodens für die Verarbeitung von verschiedenen Elementen aus Leder entschieden, da dieses klassische Material gut mit dem Schaft harmoniert und für eine stimmige Optik sorgt“, erklärt Clara Sophia Böcker. Als Lauffleck dient ein ebenfalls aus hellgrauem EVA individuell geprägter Absatzfleck, der als Inlays drei Punkte aus orangem EVA beinhaltet. Damit die Sohle rutschfest und im Alltag funktionell ist, fiel die Wahl auf eine recht grobe Profilierung. Zusätzlich brachte sie eine goldene Plakette mit dem Namen ihres Ausbildungsbetriebes – der Hüneke und Jahns OHG in Bremen – an.

Abwechslung macht den Beruf so interessant

„Mir hat die Gestaltung des Schaftes und auch der Bau der Schuhe sehr viel Spaß gemacht und ich bin mit dem Ergebnis äußerst zufrieden. Für mich sind diese Schuhe eine gelungene Kombination von modernen Elementen mit klassischen Materialien. Sie wirken sportlich chic und sind sowohl im Alltag tragbar als auch zu einem eleganten Anlass“, resümiert die Gesellin, die inzwischen im Zweitbetrieb ihrer Eltern, der Schlagenwerth Orthopädie-Schuhtechnik GmbH im nordrhein-westfälischen Dorsten, arbeitet. Ab März wird sie berufsbegleitend mit Teil 3 und 4 der Meisterschule beginnen.

Clara
Foto: Linus Framme
Clara Sophia Böcker wurde als erste Bundessiegerin im PLW und zweite Preisträgerin im Wettbewerb „Die gute Form im Handwerk“ ausgezeichnet. Nach ihrer Ausbildung bei der Hüneke und Jahns OHG in Bremen arbeitet sie nun als Gesellin im Betrieb Schlagenwerth Orthopädie-Schuhtechnik in Dorsten.

Von Anfang an sei es ihr Ziel gewesen, an den Wettbewerben PLW und „Die gute Form im Handwerk“ teilzunehmen, die sie bereits durch ihren Vater Christoph Böcker kannte, der selbst seinerzeit Bundessieger geworden ist. In der Orthopädieschuhtechnik fand Clara Sophia Böcker ihren Traumberuf: „Bereits zu Grundschulzeiten war es mein Wunsch, Orthopädieschuhmacherin zu werden. Jetzt berate ich in unserem Betrieb in vierter Generation Kunden bei Problemen rund um ihre Füße. Ich freue mich jeden Tag aufs Neue, ganz verschiedene Arbeiten in der Werkstatt zu machen und gleichzeitig in Kontakt mit Menschen zu kommen und ihnen zu helfen. Gerade diese Abwechslung ist es, die den Beruf für mich so interessant macht.“

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
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