Im März 2021 hat die RuckgaberBrüggemann Orthopädie Service GmbH eine Klebstoffkaschierung für Polster und Einlagen-Bezugsmaterialien auf den Markt gebracht – „ARU Covertex“. „Das Material ist in zwei Varianten erhältlich“, erklärt Reiner Kaupp, Geschäftsführer der RuckgaberBrüggemann GmbH. So gibt es „ARU Covertex Red“ für Verklebungen mit PU-Materialien und „ARU Covertex White“, welches bei Verklebungen von Bezugsstoffen zum Einsatz kommt. Beide Varianten werden bei RuckgaberBrüggemann mit zwei Sondermaschinen produziert, die den Klebstoff in Verbindung mit Wärme und Druck auf das Material auftragen. Auf diese Weise entsteht die mit Klebstoff beschichtete Folie. Angeboten wird die Klebstoffkaschierung auf kleinen Rollen. Auch individuelle Wünsche seien möglich, sagt Kaupp: „Zum Beispiel, wenn ein Kunde die Klebstoffkaschierung auf einem speziellen Bezugsstoff haben möchte. Wir können alle bei uns am Lager befindlichen Minirollen von 11 bis 14 Zentimeter mit ARU Covertex kaschieren.“
Zeitersparnis bei Fachkräftemangel
„Die Idee dazu kam ursprünglich aus einer anderen Branche und wurde dann von uns auf die Orthopädieschuhtechnik adaptiert“, erzählt Reiner Kaupp. Die Vorteile liegen für Kaupp auf der Hand: „Der Klebstoff ist komplett lösemittelfrei und antiallergen.“
Als größten Benefit aber sieht er die Zeitersparnis, gerade auch mit Blick auf den Fachkräftemangel in der Branche. Nach dem Abziehen der Schutzfolie wird das Bezugs- bzw. Polstermaterial auf der Klebeseite auf eine Temperatur von 100 bis 120 Grad erwärmt. Beim Positionieren und Andrücken ist darauf zu achten, dass die Einlage sauber und staubfrei ist. Dann wird noch der Überstand abgeschnitten und die Kanten geschliffen. „Das Einstreichen entfällt, genauso wie die Ablüftezeit, und auf der Einlage sind keine Klebereste mehr, die entfernt werden müssen. Es geht deutlich schneller“, versichert Kaupp. Nach 24 Stunden sei das Produkt komplett ausgetrocknet, die Einlage könne aber sofort nach der Bearbeitung in den Schuh gelegt werden, da sich nichts mehr verschiebe.{pborder}
Nachhaltigkeit als wichtigster Aspekt
Auch die Lamparter GmbH hat eine solche Klebstoffkaschierung entwickelt, die jetzt ganz neu auf den Markt kommt. Für Geschäftsführer Martin Lamparter war aber nicht die Zeitersparnis, sondern der Nachhaltigkeits-Aspekt und die Gesundheit der Mitarbeiter in den Betrieben die hauptsächliche Motivation für die Entwicklung. „Im Einlagenbereich gibt es heute die Möglichkeit ohne Lösungsmittel zu arbeiten“, sagt Lamparter. Bereits seit 20 Jahren sei er auf der Suche nach Alternativen zu lösemittelhaltigen Klebstoffen, ein während dieser Zeit entwickeltes System sei allerdings wieder vom Markt genommen worden, da der Kleber nicht richtig fest wurde.
Nun hat Lamparter ein neues, lösungsmittelfreies Produkt entwickelt. „Wir haben jetzt die Möglichkeit, Klebstoff vorab aufzutragen“, erklärt Lamparter. Angeboten wird „Sileda fix“, ein Microfaser-Bezugsmaterial mit thermoplastischem Kleberücken, und „Sportex Ag+ fix“, ein Gewebe aus Baumwolle/Polyester mit einer Klebeschicht auf der Rückseite.
Temperatur von mindestens 90 Grad notwendig
Je nach Materialbeschaffenheit des Einlagenkerns kann entweder ohne zusätzlichen Klebstoffauftrag thermo-verklebt werden, alternativ nur eine Kunststoffseite partiell oder ganzflächig mit lösungsmittelfreiem Klebstoff behandelt und anschließend thermo-verklebt werden oder beide zu verbindende Materialien mit lösungsmittelfreiem Klebstoff eingestrichen werden. „Auf dem gebräuchlichsten Einlagenmaterial, EVA,
erfolgt die Verklebung allein durch Temperatur. Auf PU wird mit wässrigem, lösungsmittelfreiem Klebstoff zunächst vorgestrichen, nach dem Trocknen hält die Neuentwicklung auch darauf. Das Resultat sind gute Verbindungen mit allen Materialien“, sagt Lamparter.
„Was man auf jeden Fall braucht, ist eine Wärmequelle – einen Föhn, auch in Kombination mit einem Trockenschrank“, erklärt er. Ein Trockenschrank allein reiche nicht aus, denn um den Klebstoff zu aktivieren, sei eine Temperatur von über 90 Grad nötig. „Diese Temperatur braucht man, sonst funktioniert es nicht“, sagt Lamparter. Wie Reiner Kaupp sieht auch Martin Lamparter einen Vorteil der Klebstoffkaschierungen darin, dass keine Klebereste entstehen. Die Neuentwicklung ist auf Minirollen und als gestanzte Teile erhältlich, in den letzten Monaten konnten Pilotanwender diese bereits testen.
Hauptzielgruppe ist die Orthopädieschuhtechnik. „Das Produkt ist für den Einlagenbau ausgelegt, kann aber gegebenenfalls auch in der Orthopädietechnik verwendet werden“, so Lamparter. Von seinen Pilotanwendern habe er bisher positive Rückmeldung erhalten – sie hätten ihm auch berichtet, dass tatsächlich eine Zeitersparnis festzustellen sei.
Memopur-Klebesystem von Spannrit
Lösungsmittelfrei ist auch das neue Klebesystem der Spannrit GmbH, welches auf das Memopur-Konzept und Memopur-Oberflächen abgestimmt ist. Es handelt sich dabei um Oberdecken bzw. Bezugsmaterialien kaschiert mit Polsterschaum und Klebefolie, die durch Hitze – beispielsweise durch einen Heißluftföhn oder im Ofen – aktiviert werden kann.

„Die Klebeschicht wird bei 140 Grad aktiviert. Bei dieser Temperatur fängt die Beschichtung an zu glänzen und kann dann auf den Rohling verklebt werden“, erklärt Daniel Völker von der Spannrit GmbH. Der Einlagenrohling wird mit dem Heißluftföhn zunächst leicht angewärmt, dann wird die kaschierte Oberdecke gleichmäßig erwärmt, bis sie zu glänzen beginnt. Falls gewünscht, kann nun noch eine Pelotte individuell gesetzt werden, bevor die Oberdecke mit dem Rohling durch festes Andrücken verklebt wird. Auch bei dem Memopur-Klebesystem entfällt das Einstreichen und die Ablüftezeit. Da das Material sehr gut hafte, könnte es eventuell etwas schwieriger sein, Korrekturen durchzuführen als bei der herkömmlichen Verklebung, meint Völker. Die kaschierten Oberdecken und Polsteroberdecken von Spannrit sind seit Juli 2021 auf dem Markt. Derzeit in Entwicklung sind Bauteile, die mit der hitzeaktivierbaren Klebefolie ausgestattet werden, eine Rigidus-Zusatzversteifung ist bereits erhältlich. Weitere Bauteile sollen noch im ersten Halbjahr 2022 auf den Markt kommen.
„Schnellere, gesündere Verklebung“
Daniel Völker geht davon aus, dass sich die klebstoffkaschierten Materialien im Einlagenbau durchsetzen werden. „Das wird die Zukunft sein – eine schnellere, gesündere Verklebung“. Die Erfahrungen mit Kunden seien bisher durchweg positiv. „Anfangs mussten die Orthopädieschuhmacher allerdings auch erst Erfahrung sammeln, wann die richtige Temperatur mit dem Föhn erreicht ist“, erzählt Völker.
Und auch bei RuckgaberBrüggemann ist man von der Klebstoffkaschierung überzeugt: „Wir bekommen von Kunden die Rückmeldung, dass sie die klebstoffbeschichteten Materialien sehr schätzen, sagt Kaupp. Etwas Überzeugungsarbeit sei allerdings im Voraus schon nötig gewesen, räumt er ein – „weil die Produktionsprozesse verändert werden“. Und natürlich gebe es auch weiterhin Orthopädieschuhmacher, die herkömmliche Arbeitsweisen bevorzugen.
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