Folgen Sie uns
8. Februar 2018
Redaktion

Aus Alt mach Neu: 
Wie entsteht ein Upcycling-Maßschuh

Von Johannes Herges
Weltweit wachsende Müllberge führen seit einigen Jahrzehnten zu einem steigenden Umweltbewusstsein in der Gesellschaft. Ein gegenwärtiger Trend ist das sogenannte „Upcycling“, die stoffliche Aufwertung von Abfallprodukten. Vor einem Jahr fiel bei der Schuhmanufaktur Herges die Entscheidung, das Projekt „Upcycling-Maßschuh“ zu verwirklichen.


Alt
Foto: Johannes Herges

Zunächst ging es darum, sich einen Überblick zu verschaffen, wie die aktuelle Marktsituation für Upcycling-Artikel ist und wie das Mitbewerberfeld aussieht. Dabei hat sich herausgestellt, dass es bereits einige Marken und Produkte im Schuhbereich gibt, die sich dem Thema „Upcycling“ widmen, jedoch der Großteil dieser Upcycling-Schuhe im Bereich „casual footwear“ beheimatet ist.

Einen klassischen Schuh und/oder Maßschuh, der unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und Wiederverwertung von Materialen steht, gibt es in dieser Form scheinbar noch nicht. Zudem werden zumeist Abfall- oder Restmaterialien aus anderen Industriezweigen verwendet und diese dann zu einem Schuh kombiniert. Das Re- und Upcycling von Leder oder Lederresten findet dagegen kaum Beachtung.{pborder}

1 Zu Beginn wird eine Skizze als Entwurf erstellt und die Materialauswahl getroffen. 4 Die Folie wird üblicherweise als Werbebanner genutzt. Dieser Fehldruck konnte für den Upcycling Schuh verwendet werden. Die einzelnen Teile für den Schuh werden am Material-Schneidetisch zugeschnitten.
2 Ein abgefahrener Rennradreifen ist ebenso nützlich … 3 … wie Tanzbodenreste , die später im Absatz Verwendung finden. 5 Hier ist ein Schaftteil zu sehen.
6 Auch ein ausrangierter Kaffeesack muss nicht im Müll landen. 7 Der Kaffeesack wird für die Verarbeitung vorbereitet. Er dient als Teil des Obermaterials. 8 Es folgt die Herstellung der Absatzform.
9 Der fertig ausgegossene Absatzblock. Aus diesem werden die einzelnen Absätze herausgeschnitten. 10 So sieht der fertige Absatz aus in Harz gegossenen Tanzbodenresten aus.

1 Zu Beginn wird eine Skizze als Entwurf erstellt und die Materialauswahl getroffen. 2 Ein abgefahrener Rennradreifen ist ebenso nützlich …
3 … wie Tanzbodenreste , die später im Absatz Verwendung finden. 4 Die Folie wird üblicherweise als Werbebanner genutzt. Dieser Fehldruck
konnte für den Upcycling Schuh verwendet werden. Die einzelnen Teile für den Schuh werden am Material-Schneidetisch zugeschnitten.
5 Hier ist ein Schaftteil zu sehen. 6 Auch ein ausrangierter Kaffeesack muss nicht im Müll landen. 7 Der Kaffeesack wird für die Verarbeitung
vorbereitet. Er dient als Teil des Obermaterials. 8 Es folgt die Herstellung der Absatzform. 9 Der fertig ausgegossene Absatzblock. Aus diesem
werden die einzelnen Absätze herausgeschnitten. 10 So sieht der fertige Absatz aus in Harz gegossenen Tanzbodenresten aus. 

Wie ist Upcycling umzusetzen?

Es ergaben sich folgende Ziele für die Realisierung des Projektes:

– 
Entwicklung eines nachhaltigen und aus Abfallmaterialien hergestellten Schuhs;

– 
Symbiose aus Restmaterialien von regionalen Unternehmen, in der Schuhproduktion anfallenden Abfalls und hochwertigen Neumaterialien;

– 
ökointelligente und ressourcenleichte Gestaltung;

– 
ungewöhnliches Design, das Aufmerksamkeit erregt, kombiniert mit der Qualität und dem Tragekomfort eines Maßschuhs.

Reste aus der Schuhproduktion

Um den hohen Qualitätsstandards und den Erwartungen der Kunden an Passform und Tragekomfort auch mit diesem besonderen Schuh gerecht zu werden, wurden Materialien verschiedenen Ursprungs verarbeitet. Zum einen für die traditionelle Schuhfertigung eher ungewöhnliche Materialien aus anderen regionalen Unternehmen und Handwerksbetrieben. Zum anderen Restmaterialien, die in der regulären Schuhproduktion anfallen. Bei den Teilen des Schuhs, die maßgeblich zum Tragekomfort beitragen oder als Grundlage für den Schuhaufbau benötigt werden (Futter, Decksohle, Brandsohle), kommen neuwertige Materialien zum Einsatz.

Lange Lieferwege vermeiden

Durch die Verwendung von Materialien, die nicht aus der Schuhfertigung stammen, sollen die vielfältigen Möglichkeiten des Upcycling dargestellt und dem Verbraucher das Thema zugänglicher gemacht werden. Es wird gezeigt, dass Materialreste, die scheinbar unbrauchbar oder kaputt sind, für andere von 
Nutzen sein können, um Neues zu schaffen.

Der Vorteil der Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen liegt in der Vermeidung von langen Lieferwegen und -zeiten und hilft zusätzlich die Verbindung und Unterstützung der Handwerksbetriebe untereinander zu festigen. Mit der Verwendung der in der regulären Schuhproduktion anfallenden Restmaterialien können geringere Herstellkosten durch bessere Materialausnutzung und geringere Abfallkosten erzielt werden.

11 Das Obermaterial (der Schaft) des ersten Schuhs ist fertig. 13 Auch kreativ: Der Schaft des zweiten Schuhs.
12 Hier finden wir den Rennradreifen wieder. 14 Die Schäfte werden nun auf den Leisten gezogen. Die Sohle aus hochwertigem Gummi wird farblich passend ausgesucht.

11 Das Obermaterial (der Schaft) des ersten Schuhs ist fertig.
12 Hier finden wir den Rennradreifen wieder.
13 Auch kreativ: Der Schaft des zweiten Schuhs.
14 Die Schäfte werden nun auf den Leisten gezogen. Die Sohle aus hochwertigem
Gummi wird farblich passend ausgesucht.
(Fotos 1–14: Johannes Herges) 

Fazit: Jedes Paar ein Unikat

Durch das Projekt „Upcycling – Maßschuh“ ist es gelungen, ein Produkt zu entwickeln, das sowohl die Aspekte der Nachhaltigkeit und des Umweltbe­wusstseins, als auch des innovativen Designs und Tragekomforts in sich vereint. Zukünftig können Kunden der Schuhmanufaktur Herges sich aus zwei verschiedenen Designs und unzähligen Materialkombinationen ihren eigenen Upcycling-Schuh zusammenstellen. Jedes Paar ist ein Unikat, das einen im wahrsten Sinne des Wortes ökologisch wertvollen Fußabdruck hinterlässt.

Die Schuhmanufaktur Herges …

… wurde im Jahr 1935 von Johann Herges in Saarbrücken gegründet. Seit 1980 wird das Familienunternehmen von Otmar und Karin Herges weitergeführt. Seit 2008 wird die Schuhmanufaktur von Johannes Herges Dipl.-Ing. (FH) für technische Orthopädie und Maßschuhmacher in dritter Generation unterstützt. Die Schuhmanufaktur beschäftigt derzeit im Schnitt 16 Fachkräfte. Anfangs stellte das Unternehmen in erster Linie orthopädische Schuhe her. Bald folgte die Anfertigung individueller Einlagen, dann wurden die ersten Maßschuhe von Hand angefertigt. Der Einsatz neuer Technologien in Analyse und Fertigung prägen das Bild der Unternehmensentwicklung ebenso wie die gleichzeitige Erhaltung der Handwerks­tradition.

Anschrift des Verfassers:
Johannes Herges
Dipl.-Ing. (FH) Technische Orthopädie
Johann Herges GmbH
Am Ludwigsberg 31
66113 Saarbrücken

Ausgabe 02 / 2018

Artikel als PDF herunterladen

Herunterladen

Bilder aus dem Artikel:

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
Zurück
Speichern
Nach oben