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6. Juni 2017
Redaktion

3D-Druck: Badeschuh mit Verkürzungsausgleich als Masterarbeit

Im April 2017 habe ich den Master-Studiengang „Digital Media“ an der Hochschule Rhein-Waal in Kamp-Lintfort abgeschlossen. Weil meine Eltern Orthopädieschuhmacher sind, wählte ich für meine Masterarbeit das Projekt, einen Schuh zu drucken. Da ich an einer Beinverkürzung und einem Spreizfuß leide, wollte ich einen Verkürzungsausgleich einbauen. Ein Erfahrungsbericht. Von Kai Gau

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Foto: Kai Gau

Für meine Masterarbeit „Die Möglichkeiten von digitalen Fabrikationen innerhalb der Orthopädie und Schuhtechnik“ führte ich zunächst eine Umfrage unter Orthopädieschuhmachern durch. Ich erhielt Rückmeldungen von 79 Personen. Nur drei von ihnen gaben an, den 3D-Druck für ihr Kerngeschäft zu nutzen. Obwohl viele mit Scannern oder CAD/ CAM arbeiteten, glaubte der Großteil der Befragten nicht, dass man einen Schuh mit orthopädischen Eigenschaften im 3D-Druck fertigen kann. Diejenigen, die den 3D-Druck nutzten, versuchten Einlagen und Leisten damit zu drucken.

Von 58 Orthopädieschuhmachern, die digitale Fertigungsmöglichkeiten nutzten, verwendeten 15,5 Prozent sie seit über 20 Jahren, 10,3 Prozent seit über 15 Jahren, 27,6 Prozent über 10 Jahre und 32,8 Prozent erst knapp über 5 Jahre. Daraus schloss ich, dass die Möglichkeiten digitaler Fertigungsprozesse in der Orthopädie­schuhtechnik noch nicht ausgeschöpft sind und dass insbesondere der 3D-Druck dort erst ganz am Anfang steht. Mit meiner Masterarbeit wollte ich zeigen, dass der Einsatz des 3D-Drucks in der Ortho­pädieschuhtechnik keine unrealistische Zukunftsvision ist.

Da ich eine Beinverkürzung von einem Zentimeter und Spreizfüße habe, trage ich seit Jahren Einlagen. Bei großen Belastungen bekomme ich Schmerzen im Leistenbereich, wenn ich keine Einlagen verwende. Für mein Hobby Windsurfen, für das es kein spezielles Schuhwerk gibt und bei dem das Tragen von Einlagen nicht möglich ist, wollte ich eine offene Badeschuh-Sandale mit Verkürzungsausgleich fertigen.

Der Fertigungsprozess

Da viele der Befragten, die keine digitalen Möglichkeiten nutzen, finanzielle Gründe dafür angaben, war es mir wichtig, ein möglichst preiswertes 3D-Druck-Verfahren zu verwenden. Daher setzte ich größtenteils Open-Source-Programme ein.

Für das Scannen meiner Füße verwendete ich den EVA-Scanner von Artec. Mit der kostenlosen Browser-App von Gensole importierte ich die 3D-Daten und konzipierte damit auf Grundlage der Fußdaten die Innensohle, in die ich einen Verkürzungsausgleich einbaute. Mit „RCS 3D Design“ gestaltete ich den Schuh digital. Mit dem Open-Source-Programm „Mesh­mixer“ von Autodesk setzte ich die Innensohle digital mit dem Schuh zusammen und exportierte die fertige Datei im stl-Format.{pborder}

Für den Druck wollte ich das FDM-Verfahren nutzen (Fused Deposition Modeling), da FDM-Drucker im Vergleich zu 3D-Druckern, die mit Harzen oder Pulvern arbeiten, günstiger und platzsparender sind und umweltfreundlichere Materialien nutzen. Nachdem ich verschiedene FDM-Drucker und Slicing-Programme (diese dienen der Aufbereitung der Daten für den 3D-Druck) ausprobiert hatte, entschied ich mich schließlich für „Cura“ für die Aufbereitung der Daten und für den „Prusa I3“ von RepRap für den 3D-Druck. Bei „Cura“ sah ich den Vorteil, dass es kostenlos und einfach zu handhaben ist, außerdem ist es mit dem „Prusa I3“-Drucker kompatibel. Für diesen Drucker entschied ich mich, weil es aus meiner persönlichen Sicht keinen besseren 3D-Drucker im Preissegment zwischen 500 und 700 Euro gibt. Außerdem ist die Rep­Rap-Community sehr groß, so dass man sich über das Internet und ­verschiedene 3D-Druck-Zentren gut darüber austauschen kann.

Als Material wählte ich „FilaFlex“, da es sehr elas­tisch und beschleifbar ist und laut Hersteller haut- und umweltfreundlich sein soll. Der Druckprozess selbst dauerte 20 Stunden (für einen Schuh). Am Ende musste der Schuh dann noch von überflüssigem Material gereinigt werden.

Fazit

Da die Zeit für die Masterarbeit begrenzt war und sie im Winter entstand, konnte ich den Schuh noch nicht in der Praxis erproben. Daher kann ich keine Aussagen darüber treffen, wie strapazierfähig er im Alltag tatsächlich ist. Am Fuß fühlt sich der Schuh relativ bequem an.

Es ist mir gelungen, einen Schuh mit einem orthopädischen Element (Verkürzungsausgleich) per 3D-Druck zu fertigen. Dabei konnte ein sehr preiswertes Verfahren verwendet werden. Da der Schuh nur aus einem Material gedruckt wurde (es gibt auch Drucker, die mehrere Materialien gleichzeitig drucken können), beliefen sich die Materialkosten auf 25 Euro pro 500 Gramm. Davon wurde jedoch nicht alles aufgebraucht, so dass nach meiner Methode mit 12 bis 17 Euro Material­kosten pro (einzelnem) Schuh zu rechnen ist.

Die Dauer des Druckprozesses erscheint mir für die individuelle Fertigung von Einzelstücken ideal, doch für die „Massenproduktion“ zurzeit noch zu zeitintensiv.

Für diesen Artikel wurde nur der Druck des Badeschuhs dargestellt. Die Masterarbeit beschreibt darüber hinaus einen Workflow für den 3D-Druck in der Orthopädieschuhtechnik und eine Wertschöpfungskette. Die Masterarbeit kann bei mir angefordert werden, auch für Fragen stehe ich zur Verfügung.

 

Ausgabe 06 / 2017

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
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