Folgen Sie uns
5. April 2018
Redaktion

Nicht nur angehört werden. Mitreden!

VON WOLFGANG BEST: Mehr Mitspracherecht in der Gesundheitspolitik und mehr gesunden Menschenverstand in der Hilfsmittelversorgung fordert Daniel Simnowski-Bürkner, der im Vorstand des Zentralverbandes Orthopädieschuhtechnik für die Öffentlichkeitsarbeit und die Verbandskommunikation verantwortlich zeichnet. Im Interview nimmt er zu den aktuellen und künftigen Aufgaben in der Verbandspolitik Stellung.


Gesundheitspolitik,
Foto: Daniel Simnowski-Bürkner

Herr Simnowski-Bürkner, die neue Bundesregierung hat ihre Arbeit aufgenommen, mit einem neuen, ehrgeizigen Gesundheitsminister. Ist schon absehbar, wie die neue Besetzung im Gesundheitsministerium und im Gesundheitsausschuss die Arbeit des Zentralverbandes auf politischer Ebene beeinflussen wird?

Wie Herr Spahn als Gesundheitsminister sein Amt ausfüllen wird, müssen wir abwarten. Wichtig ist für uns zunächst, dass nach derzeitigem Stand die für uns wichtigen Kontaktpersonen im Gesundheitsausschuss weitgehend gleich geblieben sind. Dietrich Monstadt aus Schwerin ist weiterhin Berichterstatter für die Volkskrankheiten Adipositas und Diabetes. Dr. Roy Kühne, mit dem wir in der vergangenen Legislaturperiode schon gut zusammengearbeitet haben, wird weiterhin ein wichtiger Ansprechpartner in der Gesundheitspolitik sein. Wir sind froh, dass die neue Regierung am Start ist und wir werden schnellstmöglich den Kontakt suchen, um unsere Anliegen zu vertreten.

Was sind die vorrangigen Ziele in der politischen Arbeit des ZVOS in den nächsten Monaten?

Aktuell müssen wir uns mit dem Vorhaben der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) auseinandersetzen, die Anforderungen für die Präqualifizierung zu verschärfen. Dabei soll zum Beispiel die Zahl der Begehungen im Gültigkeitszeitraum der Präqualifizierung erhöht werden. Damit greift die DAkkS ohne Berechtigung direkt auf das Verfahren zum Leistungserbringer durch. In der Praxis wird dies zu einem deutlichen bürokratischen Mehraufwand und Kostenbelastungen führen.{pborder}

Dagegen haben wir beim Bundesgesundheitsministerium protestiert. Zudem stehen wir in Kontakt mit den Politikern, gemeinsam mit den anderen Gesundheitshandwerken. Dort teilt man unsere Auffassung, dass diese Regelung zu einer Überforderung der Betriebe führt. Wir haben auf ein Einlenken der DAkkS gehofft, aber nach dem jetzigen Stand ist noch keine Klärung in Sicht.

Die Fortschreibung der Produktgruppe 31, Schuhe, wird uns in diesem Jahr ebenfalls fordern. Aktuell liegt noch kein Entwurf des GKV-Spitzenverbandes vor. In unseren Gremien haben wir jedoch schon erarbeitet, welche Punkte aus unserer Sicht geändert werden müssen. Leider haben wir auch hier nur ein Anhörungsrecht und kein Mitspracherecht. Wir wissen also noch nicht, ob unsere Vorschläge Gehör finden. Bei der Überarbeitung der Produktgruppe 08, Einlagen, mussten wir ja die Erfahrung machen, dass wir zwar viele Vorschläge eingereicht haben, sie aber keinen Eingang in die Fortschreibung fanden.

Auch mit der neuen EU-Medizinprodukteverordnung müssen wir uns auseinandersetzen, auch wenn die Übergangsfrist erst im Mai 2020 endet. Hier haben wir zwar kein Mitspracherecht bei der Ausgestaltung der Regelungen. Wir werden uns aber vehement dafür einsetzen, dass die in der Verordnung festgeschriebenen Regeln zur Qualitätssicherung und zur klinischen Bewertung von Hilfsmitteln von unseren Betrieben mit vernünftigem Aufwand umgesetzt werden können.

Der nationale Diabetesplan ist im Koalitionsvertrag der Großen Koalition verankert. Welche Chancen ergeben sich daraus für die Orthopädieschuhtechnik?

Unser Ziel ist, dass die Orthopädie­schuhtechnik noch stärker in interdisziplinäre Versorgungs- und Vorsorgekonzepte eingebunden wird. Alle wollen Amputationen vermeiden und sprechen davon, die Prävention zu stärken. Momentan werden aber viele Hilfsmittel erst bezahlt, wenn schon eine Verletzung entstanden ist. Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, dass der Orthopädieschuhmacher frühzeitig Füße und Schuhe inspiziert und dass diese Leistung auch honoriert wird. Dies kann im Rahmen der Kooperation mit spezialisierten Fußbehandlungseinrichtungen geschehen oder über Integrierte Versorgungsverträge.

Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Punkte für eine erfolgreiche politische Arbeit?

Wir brauchen den direkten Kontakt zu den handelnden Personen in der Gesundheitspolitik. Dazu veranstalten wir Parlamentarische Abende, führen Hintergrundgespräche mit Politikern oder laden zu einem Parlamentarischen Frühstück gemeinsam mit den anderen Gesundheitshandwerken ein. Wir müssen die Politiker und die Mitarbeiter im Ministerium für unsere Probleme sensibilisieren. Unser Ziel ist, dass nicht der Selbstverwaltung der Kassen überlassen wird, wie neue Gesetze umgesetzt werden, und dass die Politik verbindliche Rahmenbedingungen festlegt, die auch unsere Bedürfnisse berücksichtigen. Es kann nicht sein, dass jede Krankenkasse ihren eigenen Rahmenvertrag schreibt. Das bedeutet für alle mehr Aufwand, ohne dass jemand einen Nutzen davon hat. Ein Musterrahmenvertrag pro Produktgruppe genügt.

Mittelfristig verfolgen wir das Ziel, dass man uns in den Stellungnahmeverfahren nicht nur ein Anhörungsrecht, sondern ein Mitspracherecht einräumt. Es ist untragbar, dass wir immer konstruktive Vorschläge machen und die Krankenkassen dann doch machen, was sie wollen. Ich weiß, dass das ein dickes Brett ist, das wir bohren müssen. Doch irgendwann, so hoffen wir, wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es doch besser ist, uns im Vorfeld mit an den Tisch einzuladen, als immer wieder die Fehlentwicklungen durch die Gesetzgebung und das Verhalten der Krankenkassen korrigieren zu müssen. Glücklicherweise sind wir uns hier mit den anderen Verbänden aus dem Hilfsmittelbereich einig.

Der wissenschaftliche Nachweis für die Wirkung von Hilfsmitteln wird immer häufiger gefordert. Wie wichtig ist dies, wenn man die eigenen Interessen gegenüber der Politik und dem GKV-Spitzenverband vertritt?

Wir sind gerne dazu bereit, den wissenschaftlichen Nachweis für unsere Arbeit zu erbringen. Mit der Schaffung von Kompetenzzentren und dem Verein für das Bildungs- und Forschungsmanagement (BiFo) sind wir auf einem guten Weg. Die erste Studie ist schon in Auftrag gegeben.

Wir sind aber der Meinung, dass auch unsere empirische Erfahrung zählen muss. Nach dem zweiten Weltkrieg hat auch keiner nach einem Nachweis zur Wirksamkeit unserer Schuhe gefragt. Da war man froh, dass unser Handwerk die zahlreichen Kriegsversehrten wieder auf die Beine und in Lohn und Brot gebracht hat. Wir haben längst gezeigt, dass wir das können.

Der gesunde Menschenverstand sollte öfters in der Hilfsmittelversorgung zur Anwendung kommen. Nicht nur die Controller, die nur nach Zahlen und Daten entscheiden, dürfen das Sagen haben. Heute denken die Krankenkassen vielfach in Ressorts und jedes Ressort versucht, Geld zu sparen. Dabei wird nicht mehr daran gedacht, dass durch das Sparen Kosten an anderen Stellen entstehen, weil sich der Zustand des Patienten verschlechtert und in der Folge eine teurere Behandlung nötig wird.

Es wird nicht gefragt, welche Kosten entstehen, wenn man ein Hilfsmittel nicht genehmigt. Unsere Schuhe kosten vielleicht 1300 Euro. Aber was kostet es, wenn der Patient nicht mobil ist, wenn er deswegen Hilfe und Pflege braucht oder eine Amputation durchgeführt werden muss? Diese Verhältnismäßigkeit wird heute nicht mehr gesehen.

Ihre Aufgabe im Vorstand beinhaltet nicht nur die Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch die Kommunikation innerhalb des Verbandes. Wie können die angeschlossenen Innungen mit Ihren  Mitgliedern stärker in die Arbeit des ZVOS eingebunden werden?

Aus Nachfragen aus den Innungen wissen wir, dass dort ein großes Bedürfnis nach Informationen über die politischen Aktivitäten, die Verhandlungen mit den Kassen und die Arbeit des Zentralverbandes besteht. Eine Strukturkommission hat herausgearbeitet, welche Aufgaben der Zentralverband übernehmen kann und soll, und welche Aufgaben die Innungen übernehmen. Das wollen wir transparent kommunizieren. Hier wollen wir uns künftig noch stärker engagieren, um den Informationsfluss über die Innungen weiter zu verbessern. Das funktioniert schon gut über unser Fachorgan „Orthopädieschuhtechnik“. Unseren Newsletter „Orthoinfo“ werden wir noch weiter ausbauen.

Wir benötigen einen guten Austausch zwischen Bund und Land, damit wir nicht von den Krankenkassen untereinander ausgespielt werden können. Die Krankenkassen sind überregional vernetzt, deshalb müssen wir uns auch vernetzen. Für die Verwaltung der Vertragsdaten ist die Anschaffung einer Software ins Auge gefasst, welche die entsprechenden Daten verwalten kann, so dass sich die handelnden Personen immer aktuell informieren können.

Wir haben eine engagierte Geschäftsstelle, deren Leistungsfähigkeit wir erhalten müssen, damit wir diese Anforderungen auch erfüllen können. So können wir überregional agieren und unsere Mitgliedsinnungen auf dem Laufenden halten.

Wie viele Berufe steht auch die Orthopädieschuhtechnik im Wettbewerb um motivierten und qualifizierten Nachwuchs. Was wird beim ZVOS getan, um den Beruf für den Nachwuchs interessant zu machen?

Bei der Nachwuchswerbung stehen wir natürlich im Wettbewerb mit vielen anderen Berufen. Aber gerade durch den Kontakt mit der jüngeren Generation wissen wir, dass wir einen attraktiven Beruf haben, für den sich viele begeistern können. Wir hatten auf der Messe in Köln ein tolles Treffen mit jungen Orthopädieschuhmacherinnen und -machern, aus dem wir viele Ideen und Anregungen für die Nachwuchsgewinnung in unserem Handwerk mitnehmen konnten. Das soll kein einmaliges Ereignis gewesen sein. Wir wollen daran anknüpfen und weitere Treffen organisieren. Wir sind sehr an den Ideen der neuen Generation interessiert. Die müssen wir natürlich auch in die Betriebe tragen, damit die Mitglieder vor Ort wissen, wie sie junge Leute für den Beruf begeistern und eine interessante Ausbildung anbieten können.

Ausgabe 04 / 2018

Artikel als PDF herunterladen

Herunterladen

Bilder aus dem Artikel:

 

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
Zurück
Speichern
Nach oben