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6. Mai 2024
Annette Switala
Gesundheitszentrum Ludwigsau

Neu und förderungswürdig aufgestellt

Wachsen im ländlichen Raum? OSM Christian Kersch ist es gelungen. Zusammen mit seiner Frau, der Hausärztin und Diabetologin Dr. Dóra Kersch, hat er im hessischen Ludwigsau-Reilos ein sektorenübergreifendes Gesundheitszentrum gegründet, das mit Mitteln des Landes Hessen gefördert wurde.
Christian
Foto: C. Maurer Fachmedien
Im September 2023 eröffneten OSM Christian Kersch und Dr. Dóra Kersch ihr sektorenübergreifendes Gesundheitszentrum am vorherigen Standort des OST-Betriebs. Tochter Anna kennt sich bestens in den Bereichen aller beteiligten Partner aus.

Dreizehn Ortsteile hat sie – die nordosthessische Gemeinde Ludwigsau, die im Städtedreieck Bad Hersfeld, Bebra und Rotenburg an der Fulda liegt. „Der kleinste Ortsteil hat 59, der mit Abstand größte knapp über 1.500 Einwohner“, berichtet Christian Kersch, als er mich in das Industriegebiet am Rande des 576 Seelen zählenden Reilos fährt. Dort hat er im September 2023 ein neues Gesundheitszentrum eröffnet. „Ich wollte immer schon gern auf dem Land und am liebsten in meiner Heimat arbeiten“, verrät der 45-Jährige, der vor 20 Jahren, kurz nach der Meisterprüfung, seinen OST-Betrieb am gleichen Standort einrichtete.

„Die Betriebe hier waren so klein, dass sich niemand einen angestellten Meister leisten konnte“, begründet er, warum er nach der Meisterprüfung so schnell selbst gründete. Damals übernahm er die Lagerhalle eines Blumengroßhandels in der Industriestraße und richtete darin sein Sanitätshaus mit Schwerpunkt Orthopädieschuhtechnik ein – heute umgeben von Supermärkten und kleinen gewerblichen Unternehmen.

„In meiner Ausbildung habe ich eine Zeit lang in einem Stadtzentrum gearbeitet. Mir hat es nie gefallen, wenn Laufkundschaft, schwer bepackt von der Shopping-Tour, kurz reinschnupperte, um sich mal unverbindlich über Einlagen zu informieren. Wer hier auf dem Land zu mir kommt, hat ein verbindliches Anliegen und meist auch schon ein Rezept dabei“, erzählt Christian Kersch. Die nächsten OST-Betriebe liegen in Bebra und Bad Hersfeld. Der Bedarf an orthopädieschuhtechnischer Versorgung und die hohe Qualität, die ihm von Anfang an sehr wichtig war, führten schnell immer mehr Kundschaft zu ihm.

Die Parkplatzsituation ist großzügig, merke ich, als wir vor dem nun stark erweiterten Gebäude des neu eröffneten Gesundheitszentrums halten. An die ursprünglichen Räumlichkeiten von „Orthopädieschuhtechnik und Sanitätshaus Kersch“, die er im Laufe der Jahre mehrfach umgebaut hat, hat Christian Kersch zuletzt 2023 mit einem Architekten aus Thüringen und einem örtlichen Zimmerer einen Gebäudeteil in Holzständerbauweise angebaut und damit die Ursprungsfläche von 245 auf 365 Quadratmeter erweitert.

 

Gebäude
Foto: Kersch
„Wir bauen gern“, sagen Dr. Dóra und Christian Kersch. Nach mehreren Umbauten in den vergangenen Jahren wurden nun fast alle Räume umgestaltet oder renoviert und die Gesamtfläche durch einen Anbau stark erweitert. Nur 2 Wochen war der Betrieb während der 8-monatigen Umbauphase geschlossen.

Suche nach Arztpraxis als Auslöser

„Am Anfang der Erweiterungsidee stand die Suche nach Räumlichkeiten für meine Frau, die sich als Hausärztin niederlassen wollte“, erläutert der Unternehmer. Die Internistin, Notärztin und Diabetologin Dr. Dóra Kersch arbeitete zuletzt als Oberärztin im Klinikum Hünfeld und wollte ihren Wunsch verwirklichen, als niedergelassene Hausärztin dichter am Patienten und seinen Bedürfnissen arbeiten und auch Hausbesuche machen zu können. Dafür wünschte sie sich moderne, barrierefreie Räumlichkeiten, für die sie zunächst nichts Passendes im Umkreis fand. So fiel die Entscheidung, den vorhandenen Standort auszubauen.

Gute Argumente für einen gemeinsamen Sitz gab es allzumal: Einen Schwerpunkt von Christian Kersch machen schon seit vielen Jahren Diabetes-Versorgungen aus – und Dr. Dóra Kersch hatte sich in Schenklengsfeld, wo sie bereits im Angestelltenverhältnis als Hausärztin arbeitete, zur Diabetologin fortbilden lassen.

„Die Wochen und Monate nach unserem Entschluss waren mehr als spannend“, sind sich beide einig. Zunächst musste sich Dr. Dóra Kersch um einen Kassensitz bemühen, ohne den weder Bankkredite noch sonstige Fördermöglichkeiten beantragt werden konnten. Bei der Genehmigung des Kassensitzes durch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen im Januar 2023 erfolgte die Vorgabe, dass die Praxis spätestens im September 2023 eröffnet werden müsse.

„Ein An- und Umbau in 8 Monaten bei laufendem Betrieb – das war sportlich für uns!“, sagt Christian Kersch, zumal sich beide um Förderungen kümmern wollten. Da die KV nur eine bestimmte Menge an Arztpraxen in einem Gebiet fördert, nahm Christian Kersch Kontakt mit dem Hessischen Sozialministerium auf, das die integrierte Versorgung im ländlichen Raum durch die Förderung lokaler Gesundheitszentren verstärken möchte. Dabei wird die Zusammenarbeit von Vertragsärzten untereinander oder mit anderen Leistungserbringern mit 40 bis 80 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben unterstützt.

„Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration zeigte sich für unser Vorhaben gleich sehr aufgeschlossen. Unser Ansprechpartner war immer erreichbar für uns und hat uns mit zahlreichen Tipps unterstützt“, blickt Kersch zurück. Im Austausch mit dem Ministerium entstand die Idee, ein sektorales Gesundheitszentrum aufzubauen, in dem mehrere Professionen zusammenarbeiten – unterstützt durch das Programm „Richtlinie zur Förderung der gesundheitlichen Versorgung in ländlichen Räumen“ des Hessischen Sozialministeriums.

Maßraum
Foto: C. Maurer Fachmedien
Dieser Maßraum ist nicht nur mit einer Video-Bewegungsanalyse mit integrierter Fußdruckmessung und einem Laufgang ausgestattet. An der linken Wand kann eine Leinwand heruntergelassen werden, so dass der Raum auch für Diabetesschulungen genutzt werden kann.
Maßraum
Foto: C. Maurer Fachmedien
Ein weiterer Maßraum mit Fuß- und Bodyscanner wird überwiegend für die Kompressionsversorgung genutzt – oder wenn Maßraum 1 belegt ist. Vor dem Umbau war hier die Podologie untergebracht.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit trägt Früchte

Weitere Partner für das Projekt zu finden, fiel den Kerschs nicht schwer. Der Orthopädieschuhmacher-Meister hatte schon früh die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen gesucht. Seit über 20 Jahren arbeitet er mit der Podologie-Praxis Fußwerk aus Bad Hersfeld zusammen, die bereits früher gegen Miete in einem seiner Räume Termine für die Patienten aus Ludwigsau anbot. In dem geplanten Gesundheitszentrum sollten nun eigene Praxisräume für sie geschaffen und die podologischen Behandlungen ausgebaut werden.

Auch mit den Ludwigsauer Pflegeengeln, einem mobilen Pflegedienst, bestand bereits vor dem Umbau Kontakt: Christian Kersch hatte dem zehnköpfigen Team bis dahin einen Gebäudeteil und Parkplätze vermietet. Diesen Mietvertrag musste er dem Pflegedienst zwar kündigen, da die Parkplätze für die neue Arztpraxis gebraucht wurden, doch bietet der Pflegedienst in einem anderen Raum weiterhin Gesprächstermine für seine Kunden an.

Als Sachverständiger für das Orthopädieschuhmacher-Handwerk und Gutachter für das Präqualifizierungsverfahren führt Christian Kersch Betriebsbegehungen im Rahmen der Präqualifizierung durch. Bei einem solchen Anlass lernte er Dennis Köchling, Orthopädietechnikmeister und Geschäftsführer des Sanitätshaus Friedhoff, kennen, das als Vollsortimenter Patienten, Kliniken und Pflegeheime mit seinen 82 Mitarbeitern von Korbach, Bad Arolsen und Warburg aus betreut. Sie beschlossen zusammenzuarbeiten: Christian Kersch übernimmt seitdem Schuhzurichtungen und Maßschuhversorgungen für das Sanitätshaus Friedhoff. Er macht alle zwei Wochen Hausbesuche bei dessen Kunden oder vereinbart Termine im Sanitätshaus. Umgekehrt versorgt das Sanitätshaus Friedhoff Patienten und Heime aus Ludwigsau bei Bedarf mit allem, was an Außer-Haus-Versorgung im Sanitätshausbereich anfällt. Aus dieser Zusammenarbeit heraus konnte das Sanitätshaus Friedhoff nun auch als Partner für das neu gegründete sektorale Gesundheitszentrum gewonnen werden.

Empfangsbereich
Foto: C. Maurer Fachmedien
Der Empfangsbereich ist mit zwei Front-Office-Arbeitsplätzen ausgestattet, damit eintretende Kunden gleich begrüßt werden können. Die beiden Türen führen zu Christian Kerschs Büro und einem Besprechungsraum, der auch vom Mobilen Pflegedienst für Erstgespräche mit Neupatienten genutzt werden kann.
Eingangsbereich
Foto: C. Maurer Fachmedien
Auch auf die Leistungen von Sanitätshaus Friedhoff wird im Eingangsbereich des OST-Betriebs hingewiesen. Sanitätshaus Friedhoff übernimmt im Sanitätshausbereich die Außer-Haus-Versorgungen und darf auch die Werkstatt nutzen. Christian Kersch und sein Team machen die „In-house-Versorgung“, z. B. Bandagen- und Kompressionsversorgung.

„Wir haben überwiegend offene Türen eingerannt“

Nach der Zusage der Wunschpartner hieß es, Konzepte und Absichtserklärungen zu schreiben und Stellungnahmen einzuholen. „Wir haben Nächte vor dem Computer gesessen“, sagt Christian Kersch. Sehr positiv fiel die Stellungnahme des Landkreises Hersfeld-Rotenburg zum geplanten Unternehmen aus: Eine Hausärztin und Diabetologin, Sanitätshaus, Orthopädieschuhtechnik, Podologie und ambulante Pflege – das stufte der Landkreis als attraktives Angebot für die Bürger ein.

Als Voraussetzung für eine finanzielle Förderung gab das Sozialministerium vor, dass die geplante Praxis von Dr. Dóra Kersch Lehrpraxis einer hessischen Universität werden sollte. „Das war gar nicht so einfach, denn die Praxis gab es ja noch gar nicht“, erzählt Dóra Kersch. Doch nach persönlichen Gesprächen über ihre Qualifikationen und bisherigen Tätigkeiten gab die Universität Marburg grünes Licht dafür, dass künftig Medizinstudierende in der Praxis von Dóra Kersch ihre Famulatur machen dürfen.

Nach endlich erteilter Baugenehmigung konnten binnen der verbleibenden 7 Monate der komplette Anbau der Arztpraxis sowie die gesamte Renovierung mit großen Änderungen im Grundriss am Bestandsgebäude fertiggestellt werden.

„Die Rückmeldungen von den Patienten sind insgesamt sehr positiv“, freut sich Christian Kersch. „Viele sagen: Endlich macht mal einer etwas Vernünftiges, bei dem alles Wichtige beieinander ist.“ Sektorenübergreifende Versorgungszentren verfolgen das Ziel, den Patienten Wege zu ersparen und ein interdisziplinäres Versorgungsangebot an einem Standort zu schaffen – gerade diese Aspekte werden von den Patienten immer wieder gelobt.

„Ich arbeite aber seit vielen Jahren mit mehreren Ärzten aus der Umgebung zusammen – und meine Frau sagt ihren Patienten, dass sie mit ihrem Rezept zu einem Orthopädieschuhmacher ihrer Wahl gehen können. Aber ein Großteil von ihnen nutzt natürlich die Gelegenheit, direkt im gleichen Haus versorgt werden zu können“, erzählt Kersch. Seit der Gründung der Arztpraxis kommen sukzessive immer mehr Diabetespatienten aus dem Umland zu ihm – auch viele seiner bisherigen Diabetespatienten sind nun zu Dr. Dóra Kersch gewechselt. „Wir möchten aber andere Ärzte und Orthopädieschuhmacher nicht verärgern und forcieren das selbst nicht aktiv.“

 

Praxisräume
Foto: C. Maurer Fachmedien
Die neu gebaute Arztpraxis ist mit voll ausgestattetem Labor und einer Diagnostik wie in einer Mini-Klinik, vier Behandlungsräumen und einem Raum für die Diabetesberatung so angelegt, dass auf Dauer auch ein weiterer Arzt ins Team hinzugenommen werden kann.
Eingangsbereich
Foto: C. Maurer Fachmedien
In der neu eingerichteten Podologiepraxis möchte Anna-Lena Flinner von „Fußwerk“ Bad Hersfeld künftig noch mehr Termine anbieten. Insbesondere die Diabetes-Patienten werden von dem neuen Gesundheitszentrum profitieren, ist sie überzeugt.

Selbstständige Partner

Die Gebäudeteile sind deutlich voneinander getrennt, jede Profession hat ihren eigenen Eingang und die Verbindungstüren sind für Patienten geschlossen. „Eine Anforderung des Sozialministeriums war allerdings, dass wir eine gemeinsame Kontaktaufnahmemöglichkeit anbieten“, erzählt Kersch. Diese hat er auf der Internetseite des Gesundheitszentrums eingerichtet, die eintreffenden Nachrichten werden dann durch die Arzthelferinnen an die Adressaten weitergeleitet. „Wenn jemand mehrere Anliegen hat oder von weit her kommt, versuchen wir auch, die Termine so zu koordinieren, dass alles bei einem Besuch erledigt werden kann“, berichtet der Orthopädieschuhmacher-Meister.

Der Bedarf nach einer guten Versorgung des Diabetischen Fußes ist groß, sagt er. Immer wieder kommen Patienten neu zu ihm, deren Ulkus nicht abheilt und die sichtlich falsch schuhversorgt sind. Auch an Ärzten, die auf das Diabetische Fußsyndrom spezialisiert sind, und an diabetesgerechter Wundversorgung ist Bedarf, wie er an den neu kommenden Patienten sieht. Selbst seine Berufs-Kollegen fragen teilweise schon, ob sie ihre Kunden auch zu Dr. Dóra Kersch schicken können.

Nachdem ihre neu gegründete Praxis seit Oktober 2023 Diabetes-Schwerpunktpraxis ist, hat Dr. Dóra Kersch die Anerkennung als spezialisierte Einrichtung für die Behandlung des Diabetischen Fußes bei der Kassenärztlichen Vereinigung beantragt. Die damit verbundene Anforderung der Kooperation mit einem Podologen, einem Orthopädieschuhmacher und von geschultem medizinischen Assistenzpersonal mit Kompetenz in lokaler Wundversorgung erfüllt die Einrichtung nun.

Die Wundbehandlung – auch bei den Patienten daheim – nimmt Dr. Dóra Kersch sehr ernst. Teilweise besucht sie oder ihre als VERAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) und NäPa (nicht-ärztliche Praxisassistentin) qualifizierte medizinische Fachangestellte Judith Rüger die Patienten, dazwischen übernimmt oft der Pflegedienst die Wundversorgung. „Ich bin in ständigem Austausch mit verschiedenen Pflegediensten, erkläre ihnen, was der Patient braucht, und biete an, dass sie mich jederzeit anrufen können“, sagt sie. „Die Zusammenarbeit klappt super.“

Angesichts des deutlichen Bedarfs und des schon jetzt großen Zulaufs rechnet Dr. Dóra Kersch damit, noch in diesem Jahr mit ihrer Praxis voll ausgelastet zu sein. Über kurz oder lang kann sie sich vorstellen, einen weiteren Arzt mit in die Praxis hineinzunehmen. Denn die neuen Räumlichkeiten geben das her: Entstanden ist eine modern ausgestattete Praxis mit einem Labor nach klinischen Maßstäben, vier Behandlungsräumen, zwei Funktionsräumen für Sonographie und EKG und einem Raum für die Diabetesberaterin.

Auto
Foto: Kersch
Für die Wundbehandlung besuchen Dr. Dóra Kersch und Judith Rüger die Diabetes-Patienten im Bedarfsfall auch gern zuhause und halten engen Kontakt zum Pflegedienst.

Orthopädieschuhtechnik wächst

Schon jetzt führt das neue Gesundheitszentrum immer mehr Patienten auch in die Orthopädieschuhtechnik, „dabei waren wir vorher auch schon gut ausgelastet“, berichtet Christian Kersch. Das Wachstum der letzten Jahre hat sein Unternehmen geschafft, obwohl sein Orthopädieschuhtechnik-Betrieb eher klein ist: Neben ihm selbst arbeiten in der Werkstatt eine Auszubildende und für zwei bis drei Tage wöchentlich ein tatkräftiger 74-jähriger Alt-Geselle. „Ich würde gern noch ein oder zwei Gesellen einstellen, doch der Fachkräftemangel ist hier auf dem Land besonders stark zu spüren“, so Kersch. „Auch Arztpraxen müssen teilweise schließen, weil sie keine medizinischen Fachangestellten oder Praxishelferinnen mehr finden.“

Er selbst arbeitet seit jeher viel in der Werkstatt, was auch deshalb möglich ist, weil er für den Empfangsbereich, die Kompressionsversorgung und die Abgabe von Sanitätshausprodukten eine versierte Fachkraft eingestellt hat – eine weitere befindet sich in Elternzeit. Im nächsten Jahr möchte er einen zweiten Auszubildenden in der Orthopädieschuhtechnik einstellen, der bereits mehrere Praktika bei ihm absolviert hat.

„Ich habe einen hohen Qualitätsanspruch und möchte dem auch mit wenigen Mitarbeitern gerecht werden“, sagt Christian Kersch. „Wenn ich den Menschen hier auf der Straße begegne, möchte ich ihnen ins Gesicht schauen können.“ Früher habe er mit seinem Gesellen alle Einlagen selbst gezogen und die Maßschuhe selbst gefertigt. Da die Aufträge immer mehr wurden, musste er nach anderen Lösungen suchen. „Ich habe meine eigenen Einlagenbasen – „Rohlinge“ finde ich in diesem Fall den falschen Begriff – entwickelt und mir dann einen Hersteller gesucht, der sie für mich fertigt. Die individuellen Komponenten und Polster modellieren, ziehen und schleifen wir individuell ein, statt sie nur aufzukleben“. Einige Einlagen lässt Kersch auch extern fräsen. Die meisten Maßschuhe werden seit über zehn Jahren außer Haus gefertigt, was sehr gut funktioniere. Seiner Auszubildenden möchte er im zweiten Lehrjahr jedoch ermöglichen, selbst Maßschuhe zu fertigen, und die Maßschuhfertigung dann teilweise in den Betrieb zurückholen.

Neue Wege denkbar

„Für die Zukunft kann ich mir vieles vorstellen“, sagt der Unternehmer, „Denkbar ist für mich auch, nicht mehr selbstständig zu sein, sondern den Betrieb als Angestellter, zum Beispiel eines Sanitätshauses, weiter zu leiten. „Das würde mich von der Bürokratie, der Verwaltungsarbeit und den hohen Grundkosten stark entlasten. Auch deutlich günstigere Einkaufspreise, die große Häuser genießen, stellen ein großes Potenzial dar“, gibt er zu bedenken.

Für ihr Gesundheitszentrum denkt das Ehepaar Kersch weiter an Wachstum. „Derzeit führen wir Gespräche mit Anbietern für Diabetiker-Bedarf“, sagt Christian Kersch. Die Präqualifizierung dafür hat er bereits erworben, mit der Diabetesberaterin Selina Göpfarth und den medizinischen Fachangestellten von Dr. Dóra Kersch verfügt das Gesundheitszentrum über das erforderliche fachkundige Personal.

„Wir wollen aber nicht im Übermaß wachsen, sondern für uns ist wichtig, dass die Qualität unserer Arbeit stimmt. Nur Rohlinge oder Fertigversorgungen über die Ladentheke abgeben, das wollen wir nicht. Es kommt bei uns so gut wie nie vor, dass jemand unzufrieden mit seiner Versorgung ist – und darauf legen wir beide großen Wert“, betont der Orthopädieschuhmacher-Meister und schmunzelt: „Wenn wir uns etwas für unser Leben wünschen dürften, wäre es mehr Freizeit.“

Dieser Artikel erschien in der Fachzeitschrift Orthopädieschuhtechnik 4/2024. 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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