Physiotherapeutische Übungen bei Plantarfasziitis
Plantarfasziitis ist eine Erkrankung der Plantarfaszie (Aponeurosis plantaris), die mit Schmerzen an der Fußsohle und am Übergang zur Ferse einhergeht. Die Endung -itis deutet dabei auf eine entzündliche Genese der Schmerzen hin. Jedoch gibt es Studien,1, 2, 3, 4, 5, 6 die die Ursache der Entzündungen in Frage stellen. In den Studien wurden größtenteils degenerative Veränderungen (z.B. Kollagendegeneration, erhöhte Mengen mukoider Grundsubstanz, angiofibroblastische Hyperplasie, Kalzifikation) der Plantarfaszie beobachtet. Entzündliche Veränderungen der Plantarfaszie wurden hingegen kaum beobachtet. Einige Wissenschaftler schlagen deshalb den Begriff Plantarfasziose als Alternative vor.7, 8, 9 Durch die Endung „-ose“ wird dabei auf den degenerativen Veränderungsprozess der Plantarfaszie hingewiesen. Jedoch wird in der Literatur auch der Begriff plantarer Fersenschmerz vorgeschlagen. Dieser Begriff berücksichtigt, dass ein unvorhersagbarer Zusammenhang zwischen Schmerz und Gewebeschaden besteht. Schmerz ist ein Output des Gehirns und kann nicht allein durch lokale, noxische Reize erklärt werden.10
Die Plantarfasziitis ist eine der am häufigsten vorkommenden muskuloskelettalen Beschwerden des Fußes.11 Es wird geschätzt, dass die Plantarfasziitis für 11 – 15 Prozent aller vorkommenden Symptome am Fuß verantwortlich ist. Genauere Angaben lassen sich über die Anzahl der Neuerkrankungen nicht machen. Jedoch weiß man, dass zirka 10 Prozent der Erkrankungen in Verbindung mit Laufen/Joggen entstehen. Die Plantarfasziitis kommt auch häufig bei Soldaten vor.12 Die Plantarfasziitis tritt am häufigsten im Alter von 40 bis 60 Jahren auf. Eine Ausnahme bildet die Gruppe der Läufer, bei denen die Plantarfasziitis auch in jungen Jahren vorkommt. Eine geschlechtsspezifische Einteilung bezüglich des Auftretens einer Plantarfasziitis lässt sich nicht feststellen. Ein Drittel der Plantarfasziitis tritt beidseitig auf.13{pborder}
Die Symptome der Plantarfasziitis sind ausstrahlende Schmerzen von der Ferse bis in die mediale Seite des Fußgewölbes. Die Schmerzen sind dabei charakteristischerweise besonders intensiv bei den ersten Schritten am Tag oder nach einer Pause.14 Bei einem Fortschreiten der Erkrankung kann es zu deutlichen Einschränkungen der Gehfähigkeit des Patienten kommen.
Die Entstehungsursache der Plantarfasziitis (bzw. der Plantarfasziose) ist unbekannt und höchstwahrscheinlich multifaktoriell.15 Die am häufigsten zitierte Ursache für die Plantarfasziitis ist die Überbelastung der Plantarfaszie, zum Beispiel durch übermäßig langes Stehen oder Laufen.16 Auch können Nerveneinklemmungen der Fußsohlennerven ein beitragender Faktor bei der Schmerzentwicklung der Plantarfasziitis sein.17, 18 Psychologische Faktoren, die bei der Entstehung beziehungsweise der Aufrechterhaltung der Beschwerden mitwirken, sollten auch bedacht werden.19, 20
Es herrscht kein übereinstimmender Konsens bezüglich der Stärke des Einflusses der möglichen intrinsischen und extrinsischen Risikofaktoren für die Ätiologie der Plantarfasziitis.21 Die Risikofaktoren, die einen starken Zusammenhang mit der Entstehung einer Plantarfasziitis aufweisen sind: BMI (bei Nicht-Sportlern)22, 23 und das Vorhandensein eines Fersensporns.24, 25
Wie steht es um die Evidenz?
Die aktuelle Evidenzlage zur Behandlung der Plantarfasziitis mit physiotherapeutischen Maßnahmen ist dürftig.26 Eine Übersichtsarbeit von Sweeting et al.27 stellt fest, dass es zu wenige Studien gibt, um feststellen zu können, ob Stretching zur Behandlung der Plantarfasziitis effektiv ist oder nicht. Jedoch stellten die Untersucher auch fest, dass es Hinweise darauf gibt, dass das Dehnen der Plantarfaszie effektiver ist als die Dehnung der Wadenmuskulatur. Neuere Übersichtsarbeiten kommen zu ähnlichen Schlüssen.28, 29 Die Dehnung der Wadenmuskulatur sollte eher als Ergänzung zur Dehnung der Plantarfaszie gesehen werden. Eine Dehnung der Wadenmuskulatur macht nur Sinn, wenn Flexibilitätsdefizite der Wadenmuskulatur vorliegen.30 Ansonsten ist die ausschließliche Dehnung der Plantarfaszie ausreichend, um die Plantarfasziitis zu behandeln.
Es konnten zwei Studien, die sich mit der Behandlung der Plantarfasziitis mit Hilfe von Krafttraining auseinandersetzen, identifiziert werden.31,32 Rathleff et al.33 untersuchten, dabei die Wirkung von hochintensivem progressivem Krafttraining im Vergleich zu einem Stretchingprogramm der Plantarfaszie. Bei einem deutlich geringeren Zeitaufwand erzielte das spezielle Krafttraining der Plantarflexoren deutlich höhere Veränderungen des Fuß-Funktions-Index als das Stretchingprogramm es tat. Der Follow-up betrug dabei ein Jahr.
In einer Studie von Kamonseki et al.34 wurden drei Gruppen gebildet. Alle Gruppen führten ein Stretchingprogramm für die Hamstrings, Plantarflexoren und die Plantarfaszie durch. Die anderen Gruppen führten entweder ein zusätzliches Krafttraining der Fuß- und Wadenmuskulatur oder ein zusätzliches Krafttraining der Hüftmuskulatur durch. Nach einem achtwöchigen Follow-up konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen beobachtet werden. In dieser Studie erfolgte jedoch nur ein kurzes Follow-up und die Kräftigungsübungen der Fuß- und Wadenmuskulatur wurden nicht mit einem progressiven Krafttrainingsprotokoll trainiert.
Kräftigungsübungen für die Fuß- und Wadenmuskulatur weisen nur eine schwache Evidenz auf.35 Die Studie von Rathleff et al.36 ist momentan die qualitativ hochwertigste Studie. Das dort dargestellte Programm stellt eine gute Alternative für ein Dehnungsprogramm dar.
Mögliche Übungen
Dehnungsübung für die Plantarfaszie
1. Setzen Sie sich mit übereinander geschlagenen Beinen hin. Das betroffene Bein liegt oben auf.
2. Nehmen Sie die Hand der betroffenen Seite und legen Sie die Finger über die Grundgelenke aller Zehen. Ziehen Sie die Zehen in Richtung des Schienbeins, bis Sie eine Dehnung im Fuß bemerken (Abb. 1).
3. Vergewissern Sie sich, dass Sie wirklich die Plantarfaszie dehnen, indem Sie die Spannung der Plantarfaszie mit der freien Hand abtasten (Abb. 2).
4. Anschließend verstärken Sie die Dehnung mit der freien Hand, indem Sie das Fersenbein in die Gegenrichtung der Zehen schieben (Abb. 3). Dadurch entsteht eine stärkere Dehnung der Plantarfaszie, da diese nun von zwei Seiten verstärkt gedehnt wird. (Dieser Schritt ist optional. Eine Dehnung der Faszie entsteht auch ohne den letzten Schritt.)
5. Die Dehnung sollte 10 Sekunden gehalten werden und 10-mal hintereinander durchgeführt werden. Insgesamt soll die Dehnungsübung dreimal am Tag durchgeführt werden. Die erste Dehnung sollte direkt nach dem Aufstehen vor dem ersten Schritt durchgeführt werden.
Dehnung der Plantarfaszie für Fortgeschrittene
Die folgenden beiden Varianten der Dehnung der Plantarfaszie sind für Patienten geeignet, die schon weiter fortgeschritten sind oder präventiv arbeiten wollen.
Kombinierte Dehnung der Plantarfaszie und Achillessehne
1. Stellen Sie sich vor eine Wand.
2. Drücken Sie Ihren Fuß so gegen die Wand, dass alle Zehen gleich- mäßig gedehnt werden (Abb. 4). Wenn Sie den Fuß weiter Richtung Boden bewegen, verstärkt sich die Dehnung der Plantarfaszie.
3. Wenn Sie dazu noch das Knie etwas beugen, dann entsteht zusätzlich noch eine Dehnung der Achillessehne (Abb. 5).
Kniende Dehnung der Plantarfaszie
1. Knien Sie sich hin.
2. Stellen Sie einen Fuß auf. Die Ferse dieses Fußes positionieren Sie so nach außen, dass alle Zehen gleichmäßig gedehnt werden (Abb. 6).
3. Verlagern Sie ihr Körpergewicht so weit nach hinten, bis Sie eine Dehnung spüren.
4. Alternativ können Sie die Übung auch mit beiden Füßen gleichzeitig machen (Abb. 7). Das kann jedoch eine noch stärkere Dehnung auslösen!
Dehnung der Wadenmuskulatur
Eine Dehnung der Wadenmuskulatur ist nur bei bestehenden Verkürzungen der Wadenmuskulatur indiziert.
Eine gute Übung zur Dehnung der Wadenmuskulatur ist die Dehnung der Wade gegen eine Wand. Dabei sollten zwei unterschiedliche Variationen der Übung durchgeführt werden, um alle Anteile der Wadenmuskulatur gezielt zu dehnen. Einmal mit gebeugtem Bein, um den M. soleus und den Bereich der Achillessehne zu dehnen, und einmal mit gestrecktem Bein, um den M. gastrocnemius zu dehnen. Die Übung (beschrieben für die Dehnung der rechten Wade):
1. Suchen Sie sich eine Wand, an die Sie sich lehnen können.
2. Stehen Sie zirka 3 – 4 Schritte von der Wand entfernt. Platzieren Sie Ihre Hände flach gegen die Wand. Die Ellenbogen sind gestreckt.
3. Machen Sie einen Schritt vorwärts und beugen Sie das linke Bein. Verlagern Sie dabei Ihr Gewicht auf das linke Bein. Die rechte Ferse soll flach auf dem Boden bleiben. Das rechte Knie bleibt bei der Dehnung des M. gastrocnemius gestreckt (Abb. 8) und bei der Dehnung des M. soleus gebeugt (Abb. 9). Der rechte Fuß zeigt gerade nach vorn. Dehnen Sie nur so weit, bis die Ferse versucht, sich vom Boden zu lösen.
4. Sie sollten eine Dehnung im oberen Anteil der Wade (M. gastrocnemius) oder im Bereich der Achillessehne spüren (M. soleus), je nachdem welche Variation der Übung Sie durchführen.
Wadenheben mit einem Handtuch unter den Zehenspitzen
Für diese Übung benötigen Sie eine Treppe und ein Handtuch. Falten Sie das Handtuch so, dass die Zehenstreckung beim Ausführen der Übung maximal wird.
1. Stellen Sie sich mit Ihrem betroffenen Fuß auf die Stufe. Das Handtuch befindet sich unter den Zehen.
2. Senken Sie Ihre Ferse soweit es geht ab. Das ist die Ausgangsposition der Übung (Abb. 10).
3. Heben Sie Ihre Ferse in drei Sekunden so weit, wie es möglich ist. Der Fuß und die Zehen sind jetzt gestreckt (Abb. 11).
4. Halten Sie diese Position für zwei Sekunden.
5. Senken Sie den Fuß innerhalb von drei Sekunden in die Ausgangsposition ab. Das ist eine Wiederholung der Übung. Eine Wiederholung der Übung dauert also acht Sekunden.
6. Beginnen Sie mit drei Sätzen à 12 Wiederholungen. Dabei sollen die Bewegungen bis zum Muskelversagen trainiert werden. Das bedeutet, dass keine weitere Wiederholung der Übung in korrekter Ausführung durchgeführt werden kann.
7. Führen Sie die Übung jeden zweiten Tag aus.
8. Die Übung kann durch den Einsatz eines Rucksacks (z. B. Bücher als Gewicht) progressiv gesteigert werden.
9. Falls Sie zu schwach sind, um die Übung einbeinig auszuführen, führen Sie die Übung mit beiden Beinen aus, bis Sie stark genug sind, diese Übung einbeinig auszuführen.
Anschrift des Verfassers:
Tobias Saueressig
Hainbuchenweg 33
42109 Wuppertal
Artikel aus OST-Ausgabe 03 / 2018