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13. Juli 2018
Redaktion

Engagierte Chefin mit Esprit

PETRA ZIMMERMANN


Neue Wege mit Begeisterung und Leidenschaft gehen – das ist das Naturell von Ulrike Schröder-Schubert. Die Geschäftsführerin der Orthopädie-Schuhtechnik Schwarzenberg GmbH hat dank ihrer Idee, individuelle Maßschuhe aus zertifizierten ungewöhnlichen ­Lederarten anzubieten, einen Nerv getroffen und viel mediale Resonanz erfahren. Und 
auch in anderer Hinsicht ist ihr Betrieb ­außergewöhnlich.


Die Berufspläne von Ulrike Schröder-Schubert waren ursprünglich ganz andere: In Schwarzenberg wuchs sie als Tochter eines Finanzbuchhalters einer PGH der Orthopädie-, Maß- und Reparaturschuhmacher auf. Die junge Frau wollte auf jeden Fall etwas anderes machen, wurde Ergotherapeutin und ging für acht Jahre nach Bayern an den Tegernsee. Dort arbeitete sie an einer orthopädischen Fachklinik, bildete sich weiter und war als Berufsschullehrerin für Ergotherapie tätig.

Aus einer Laune heraus, schrieb sie an einem verregneten Wochenende eine Spontanbewerbung an ihre alte Berufsschule in Zwickau. Dort wurde eine Vertretung für drei Jahre gesucht. Gesagt, getan, in Zwickau wollte man sie unverzüglich, das hieß Umzug und Neuorientierung. „Auch hier habe ich neue Herausforderungen gesucht, meine Fachhochschulreife samt Diplom nachgemacht und war dort insgesamt fünf Jahre als Berufsschullehrerin tätig.“

1 Ulrike Schröder-Schubert, Geschäfts führerin der Orthopädie- Schuhtechnik Schwarzenberg GmbH 1. Ulrike Schröder-Schubert, Geschäfts führerin
der Orthopädie- Schuhtechnik Schwarzenberg GmbH

Nachfolge: Nein danke

Ihr Vater Dietmar Schröder machte sich zu dieser Zeit Gedanken um die Unternehmensnachfolge der Orthopädie-Schuhtechnik Schwarzenberg. Seit 1973 in der damaligen PGH tätig, wandelte er gemeinsam mit zwei anderen Gesellschaftern den Betrieb in eine 
GmbH um. Leider starb ein Geschäftspartner kurz darauf und Schröder musste 1991 alleine weitermachen. Seine Ehefrau war ausgebildete Krankenschwester und schulte zur Podologin um. „Unser ganzes Familienleben war auf die Firma ausgerichtet und deshalb habe ich auf die Frage meines Vaters nach der Nachfolge ,nein‘ gesagt“, erinnert sich die Tochter heute.

2. Die Idee, individuelle Maßschuhe aus zertifizierten, ungewöhnlichen Lederarten anzubieten, hat funktioniert und das Unternehmen bundesweit bekannt gemacht (Quelle: ost-szb.de, Foto: Sven Gleisberg) 3 Auf der Handwerksmesse in München freute sich das Team über das große Interesse der Medien und Besucher (v.l.: Ulrike Schröder-Schubert, Sebastian Schulze und Christin Dietze). Sogar das ARD/ZDF Mittagsmagazin kam vorbei (Foto: Schröder-Schubert)
2. Die Idee, individuelle Maßschuhe aus
zertifizierten, ungewöhnlichen Lederarten
anzubieten, hat funktioniert und das Unternehmen
bundesweit bekannt gemacht
(Quelle: ost-szb.de, Foto: Sven Gleisberg)
3. Auf der Handwerksmesse in München freute
sich das Team über das große Interesse der Medien
und Besucher (v.l.: Ulrike Schröder-Schubert,
Sebastian Schulze und Christin Dietze). Sogar das
ARD/ZDF Mittagsmagazin kam vorbei
(Foto: Schröder-Schubert)

Ein Interessent für den großen Gebäudekomplex mit Nutzfläche war schnell gefunden, aber dieser wollte etwas ganz anderes daraus machen. Damit war Ulrike Schröder-Schubert gar nicht einverstanden und überlegte es sich anders. Als angestellte Ergotherapeutin unter dem gemeinsamen Firmendach war sie durchaus bereit, den Vater zu unterstützen. Sie wollte keine Sonderstellung als Tochter im Unternehmen und war sich für keine Aufgabe und keine Überstunde zu schade. Nach anderthalb Jahren gewann sie die Erkenntnis „der Spagat zwischen Ergotherapie und Geschäftsführung ist nicht mehr zu schaffen“, deshalb übergab sie ihre Abteilung einer Angestellten und übernahm 2011 den Großteil der Geschäftsführung.

Reinwachsen in die Chefrolle

„Meine Vorstellung, dass ich als Chefin einfach so weitermachen könnte, wie vorher als Angestellte, stellte sich als Illusion heraus“, resümiert Ulrike Schröder-Schubert. „Das hatte allerdings nichts damit zu tun, dass ich eine Frau war, sondern eher mit meiner Herangehensweise an die Dinge.“ Sie sei halt sehr emanzipiert und sage die Dinge gerade heraus, manchmal könnte sie auch etwas derb rüberkommen. „Ich bin in meinem Denken und Wollen vielleicht etwas zu forsch und modern“, und erinnert sich an ihren ersten Eindruck einer Orthopädieschuhmacher-Versammlung: „Der Altersdurchschnitt der meist männlichen Besucher war sehr hoch, das war mir alles zu verstaubt, zu unmodern, zu eingefahren. Meiner Meinung nach fehlt unserem Berufsstand der Mut und die Freude, aber auch eine Risikobereitschaft für die Zukunft.“

Deshalb hofft die 41-jährige Firmeninhaberin auf motivierten Nachwuchs. Über eine Frau als Bewerberin für den anstehenden Ausbildungsplatz freut sich Ulrike Schröder-Schubert besonders und hofft, dass es klappt. Auch auf der Handwerksmesse in München war die Orthopädie-Schuhtechnik Schwarzenberg der einzige Messestand, an dem ihr Team mit der eigenen Hände Arbeit etwas herstellte, um sie herum nur neue digitale Welten. „Da wurden wir von jungen Leuten teilweise angeguckt, als kämen wir aus der Steinzeit.“ Youtube sei halt schicker als sich die Hände im Handwerk schmutzig zu machen. „Und die Orthopädieschuhtechnik gilt als unerotisch“. Eine Imagefrage, dieses traditionelle Schuhhandwerk habe sich auf den Früchten der Vergangenheit ausgeruht und jahrelang versäumt, das eigene Image aufzupolieren und Handwerk als zukunfts­weisend und krisensicher darzustellen. „Deshalb haben wir heute Nachwuchsprobleme.“

Frauen in der Mehrheit

Heute beschäftigt die Orthopädie-Schuhtechnik Schwarzenberg GmbH insgesamt 30 Mitarbeiter, davon 23 Frauen und sieben Männer, die alle in der Werkstatt tätig sind. Als einziger Betrieb in Deutschland (und der Biografie der Geschäftsführerin geschuldet) vereint dieser eine eigene Ergotherapie-Abteilung unter seinem Dach. Daneben gibt es noch die Abteilungen Orthopädieschuhtechnik, Maßschuh-Anfertigung, Podologie / Fußpflege und Ladenverkauf im Bequemschuh-Center. Zum 25-jährigen Bestehen rückte die Firma näher an ihre Kunden und richtete eine elegante Schuh Lounge in der örtlichen Bahnhofstraße ein.

Altes Handwerk wieder fördern

Der größte Vorteil des Unternehmens ist der reiche Erfahrungsschatz seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Zehn Angestellte der Manufaktur fertigen orthopädische Schuhe an, das macht rund 85 Prozent des Umsatzes aus. Seit 2014 werden exquisite Maßschuhe angefertigt. „Damals wollte ich unsere langjährig erfahrenen Schuhmacher aus der Routine des standardisierten orthopädischen Schuhhandwerks herausholen und ihre alten Fertigkeiten wieder beleben“, erinnert sich Ulrike Schröder-Schubert. Gleichzeitig wurde der Mindestlohn für die Stepperinnen eingeführt, diese zusätzlichen Ausgaben erforderten einen finanziellen Ausgleich.

Auf einmal bekannt

Die exquisite Maßanfertigung von Herrenschuhen aus außergewöhnlichen Lederarten hat das Unternehmen bundesweit bekannt gemacht. 2016 brachte es Ulrike Schröder-Schubert den sächsischen Gründerinnenpreis ein. „Nach mehrmaligen erfolglosen Versuchen als Orthopädieschuhtechniker, schlug die Bewerbung als Maßschuh-Handwerker mit außergewöhnlichen ­Ledern sofort ein.“

Ihre fehlende Urkunde bei der Preisverleihung war zwar peinlich, aber bescherte ihr den Besuch der sächsischen Staatsministerin Petra Köpping sowie der Oberbürgermeisterin Heidrun Hiemer, die ihr dann die fehlende Urkunde mitbrachten und sich für das Handwerk interessierten. Leider nur ein strategischer Besuch vor der Kommunalwahl, die der regionalen Orthopädieschuhtechnik nicht weiterhalf.

Werkstatt ist einsehbar

In der öffentlich einsehbaren Werkstatt, die hinsichtlich der Einrichtung bewusst an alte Zeiten erinnern will, werden nur zertifizierte Leder verwendet: „Da wir als Gesamtbetrieb umweltzertifiziert sind“, erklärt Ulrike Schröder-Schubert. Hier setzt man für den Maßschuhbau noch alte Techniken ein, wie das Nähen mit Pechfäden oder die Bearbeitung der Sohlen mit Glasscherben.

Mit André Heyde und Bernd Werner hat das Unternehmen zwei langjährig erfahrene Meister, die dieses Handwerk noch in der Ausbildung gelernt haben und an ihre Kollegen Sebastian Schulze und Christin Dietze weitergeben.

„So eine exklusive Schuhauswahl können kleine Manufakturen kaum zeigen“, freut sich die Chefin. „Seit wir damit angefangen haben, sind wir zu einem Geheimtipp im Businessbereich geworden. Zu uns kommen Kunden aus ganz Deutschland allein durch Mundpropaganda.“ Mit 1200 bis 1500 Euro pro Paar sind die Maßschuhe trotzdem nicht für jedermann erschwinglich – doch anderswo zahlen Kunden leicht das Doppelte. Drei Monate dauert es, bis die handgenähten Schuhe fertig sind. Wer mag, kann den Schuhmachern dabei zuschauen: Ein Schaufenster gibt Passanten den Blick in die Werkstatt frei.

Nur zertifizierte Leder

Angefangen mit der Fußvermessung, der Modellauswahl, der Form und des Absatzes, kommt dann der Höhepunkt: die exklusive Lederauswahl. Ob Rind, Kalb, Pferd oder Rochen, Strauß, Wasserschlange oder Ochsenfrosch – den Kundenwünschen sind keine Grenzen gesetzt. „Alle Leder, die wir anbieten und verarbeiten, sind zertifiziert, das heißt Artenschutz und Aufzucht werden strengstens kontrolliert. Unser Berliner Lederhändler muss nachweisen, aus welcher Zuchtfarm das Tier kommt. Zusätzlich muss er einen Lebensmittelbetrieb finden, der das Fleisch abnimmt, denn das Tier muss vollständig verwertet werden. Erst dann bekommen wir das Leder. Zum Beispiel kommt der Rochen aus Asien, sein Fleisch wird zu 40 Prozent in EU-Gourmetrestaurants verzehrt.“

An das erste Mal einer Rochenhaut-Lieferung kann sich die Firmenchefin noch gut erinnern: „Wir standen alle ehrfürchtig um den Tisch herum und wollten es anfassen. Und bei der Verarbeitung kommt kein Laut aus der Werkstatt. Denn Rochenhaut lässt sich sehr schwer verarbeiten, aber der optische Eindruck ist der Hammer, denn sie glänzt und glitzert.“ Groteskerweise sei Rochenhaut mittlerweile leichter und billiger zu bekommen als Straußenleder. „Durch die artgerechte Haltung entwickeln die Tiere mehr Muskeln, das führt zu Hautrissen, die die Qualität einschränken, aber für die Tiere ist es natürlich besser.“

Botschafterin für das Erzgebirge

Von engstirnigen Menschen, die auf eingefahrenen Pfaden unmotiviert dahinsiechen, lässt sich Ulrike Schröder-Schubert nicht negativ beeinflussen. „Wenn das irgendwann so wäre, müsste ich etwas ändern“, schmunzelt die engagierte Unternehmerin. Sie wurde zur Botschafterin des Erzgebirges ernannt, die sich sozial für die Schwarzenberger Tafel, die Aktion Kinderherzen, für ortsansässige Sportvereine sowie die Feuerwehr und für die starke wirtschaftliche Vernetzung regionaler Firmen einsetzt. Eine solche Wandlung hin zum Passiven kann man sich bei der Schwarzenbergerin auch überhaupt nicht vorstellen.

Anschrift der Verfasserin:
Petra Zimmermann
Freie Fachjournalistin
Schleswiger Straße 30
48147 Münster

Ausgabe 07-08 / 2018

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Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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