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29. Juli 2016
Redaktion

Dem Chaos keine Chance!

Die Versorgung von Patienten und das Arbeiten in der Werkstatt macht meistens mehr Spaß, als die Büroarbeit. Doch diese Last kann (fast) zur Lust werden. Von Stefan Slaby
Ja, soll ich jetzt auch noch Bürokauffrau lernen?“, Inga Stierlinski (43) ist sichtlich verzweifelt. Es ist das erste Mal, dass sich die Orthopädieschuhmachermeisterin um die Steuerklärung selbst kümmern muss. Bislang wurde sie in einem Gründerzentrum von einer „Fachkauffrau für Bürokommunikation“, die sich ebenfalls selbstständig machte, unterstützt.

Foto: Stefan Slaby

„Sie machte mein Büro und ich kümmerte mich um ihre Füße“, beschreibt sie die bequeme Symbiose. Doch das Projekt ist im Herbst beendet, die informelle Teamarbeit aus und vorbei. Den Büroservice bezahlen kann sie nicht, die Steuererklärung liegt an und das „Büro“ der Meisterin besteht aus drei Kartons und einem sehr aufgeräumten Schreibtisch…
Zugegeben: Nicht immer ist die Situation so desperat wie in diesem Fall. Doch selbstständige Büroserviceunternehmer wissen: Handwerker sind nicht unbedingt begnadete Bürokräfte. Müssen sie auch nicht. Doch ein paar Dinge sind schon zu beachten, wenn zum Beispiel die Steuererklärung nicht zum Fiasko werden soll.

Die Fehler

Sammler
Das kann man vielleicht noch gebrauchen. Nie ist dieser Satz verhängnisvoller als im Bürobetrieb. Der Katalog, ein Flyer der Konkurrenz, ein Werbebrief, Zeitungsausschnitte, Muster. „Mal eben“ wurden diese vermeintlichen Schätze zwischen Rechnungen, Belege, Bestellungen und Seminarunterlagen. Diese Art der Ablage gerät bereits nach wenigen Wochen außer Kontrolle. Alles wegwerfen geht jetzt nicht mehr. Alles behalten erst recht nicht. Zum Sortieren ist oft keine Zeit.

Zeit
Damit ist der zweite Kardinalfehler benannt. Ums Büro kümmere ich mich, wenn Zeit ist. Notfalls im Herbst. Was sich dann an Quittungen aufgehäuft hat, ist oftmals ohne Hilfe nicht mehr in den Griff zu bekommen.
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Flexibilität
Ja, was heute als Tugend schlechthin gefeiert wird – im Büro ist es ein Verhängnis. Reklamationen werden immer am selben Ort abgeheftet. Gibt es einen Ordner „Reklamationen“, dann heften versierte Bürobetreiber den Brief hierhin. Selbstverständlich? Keineswegs! Der ­Reklamationsbrief wandert manchmal
in den alphabetischen Kundenordner, manchmal in den Ordner für dies und das, der auf dem Rücken die Buchstaben von A – Z gekennzeichnet ist. Und wenn gerade Zeit, dann, aber nur dann, landet er im korrekten Ordner der ganz oben abgestellt wird.

Geiz
Ist im Büro definitiv nicht „geil“. Will heißen: Kartons sind gut zum Verpacken, als Büroablage taugen sie nicht. Ein wenig investieren muss schon, wer Ordnung und Übersicht schaffen will.

Platz
Nicht viel Platz braucht das Büro, aber einen festen! Die Praxis sieht anders aus. Küche oder Schlafzimmer als Büro? Warum nicht! Hat nicht John Walton in der gleichnamigen Serie den Papierkram für seinen Tischlereibetrieb auch am „Sekretär“ in der Küche betrieben. Kann schon sein. Doch der hatte noch kein deutsches Finanzamt vor der Tür. Außerdem: Wer Büroarbeit an allen möglichen Orten erledigt, lässt entsprechende Papiere auch an allen möglichen Orten liegen…

Die Lösungen
Sammler brauchen eine Systematik. Im Büro wird das durch sogenannte Aufbewahrungsfristen geregelt. Wir bestimmen also keineswegs immer selbst, wie lange etwas aufbewahrt werden muss. Das Handelsgesetzbuch legt teilweise exakt fest, welche Fristen bei der Aufbewahrung von Schriftverkehr eingehalten werden müssen.
– Ohne Wert: Flyer, Kataloge, Gesprächsnotizen, Einladungs- und Glückwunschschreiben sind erst einmal für uns von Wert. Gesetzlich gelten diese Schriftstücke nichts. Hier sollte großzügig der Papierkorb eingesetzt werden. Regel: Was ich drei Monate nicht vermisse, weg damit! Für Kataloge und als wichtig erachtete Briefe wird ein Ordner mit Klarsichthüllen angelegt, fertig.
– Tageswert: Kunde ruft an. „Ich komme später!“ Das notieren wir auf einer im Bürohandel erhältlichen Gesprächsnotiz. Ist der Kunde später da, fliegt die Notiz in den Papierkorb.
– Prüfwert: Preislisten und Bestandslisten haben nur eine begrenzte Gültigkeit. Mit ihnen „prüfen“ und belegen wir bestimmte Sachverhalte. Wird für das neue Jahr eine andere Preisliste angelegt, dann kann die alte Liste entsorgt werden.
– Gesetzeswert: Quittungen, Belege, Rechnungen, Bilanzen. Hier ist Sorgfalt angesagt. Jedes Schriftstück, das zum Nachweis in der Steuererklärung dient, ist 10 Jahre aufzubewahren.

Zeitmanagement
Aufschieben und Chaos stehen im Büro im proportionalen Verhältnis. Irgendwann sind Korrespondenzen und Ablage nicht mehr zu handhaben. Dann ist die Rekrutierung eines Büroservice-Unternehmens meist die letzte Lösung. Damit es nicht soweit kommt, sollte einmal in der Woche außerhalb der normalen Arbeitszeit ein „Büroabend“ eingeführt werden.
Auch die Beachtung von Zeitmanagement-Methoden ist ein guter Weg. Alle Aufgaben werden einer ABC-Analyse unterzogen:
– A, sofort und selbst erledigen,
– B hat Zeit,
– C kann warten oder ganz entsorgt werden.
So werden Rechnungen umgehend bearbeitet, Quittungen sortiert, wenn Zeit ist und der Besuch eines Außendienstlers muss diese Woche ausfallen.

Ablage mit System
Doppelablagen, Gelegenheitsablagen, Kartons – wir hatten oben registriert, dass diese Vorgehensweise über kurz oder lang ins Verderben führt. Doch wie vorgehen? Kehren wir zurück zum Büro im „Rohzustand“ unserer verzweifelten Büromanagerin wider Willen: Zunächst haben wir eine Arbeitsplatzablage und eine Zentralablage geschaffen. Erstere nimmt noch laufende Vorgänge auf, letztere alle Vorgänge, die bereits erledigt sind. Konkret: Der laufende Steuerjahrgang wird in einer liegenden Ablage am Schreibtisch platziert, erledigte Korres­pondenz in einem Ordner im Kellerregal.
Die sogenannte Arbeitsplatzablage besteht insgesamt aus drei liegenden Ablagen: Eingang, Ausgang, Ablage.
Im Eingang platzieren wir Vorgänge, die herein kommen oder noch erledigt werden müssen. Alles landet hier, Sonderplätze und Hemdtaschen sind tabu, Schuhkartons auch. Im Ausgang landet die Ausgangspost. Und im Ablagefach platziert unsere Kandidatin alle erledigten Vorgänge. Diese Ablage wird von Zeit zu Zeit in Ordnern im Regal fest abgeheftet. Diese Ordner im Regal lassen sich nach verschiedenen Kriterien beschriften: Ein Thema für sich, aber für das Gesundheitshandwerk eignen sich das alphabetische und sachbezogene System. Alphabetisch legen wir Kunden (von A bis Z) ab, nach Sachgebieten legen wir immer dann ab, wenn wir „Reklamationen“ oder „Rechnungen“ gesondert abheften. Aber Vorsicht: Betrifft dann eine Reklamation den Kunden „Huber“, muss doppelt abgeheftet werden. Unter H wie Huber und unter Reklamationen. Viele bevorzugen deshalb gleich die alphabetische Ablage und legen nur für alle Vorgänge, die nicht Kunden betreffen, Sachordner an. Beispiel wäre hier ein „Lieferantenordner“ für Rechnungen. So leerte sich der Karton unserer Meisterin nach und nach. Den traurigen Rest, darunter viele Flyer, Glückwunschschreiben und Anfragen nach Kooperationspartnern entsorgten wir umgehend in der Papiertonne. Mit Ausnahme vertraulicher Dokumente, Zeugniskopien und ältere Kontoauszüge. Die wurden in einem Aktenvernichter aus dem Baumarkt zerkleinert.
Einige liebgewonnene Flyer und Kataloge fanden dann doch noch ihren Weg in einen Ordner mit Klarsichtfolien. Quittungen wurden aufgeklebt und nach Datum über die Monate sortiert.
Was aber passiert mit Vorgängen, die zwar heute hereinkommen, aber bis Juni Zeit haben: Hierzu gehören Vertragskündigungen und einzuhaltende Fristen. Für die gibt es die Wiedervorlagemappe. Diese Mappe enthält Pappeinlagen, die von 1 bis 31 durchnummeriert sind. Kommt zum Beispiel am 1. April ein Schreiben herein, das uns daran erinnert, einen Vertrag am 31. August zu kündigen, dann platzieren wir dieses Schreiben unter der Nummer 31. In jedem Monat, wenn die 31 von uns geöffnet wird, finden wir alle Vorgänge, die an diesem Tag erledigt werden müssen, so auch unsere Kündigung. Vergessen kann so niemand mehr etwas.
Last but not least, Material und Platz: Wer geizig ist, zahlt am Ende doppelt. Wer also die Kosten für ordentliches Büromaterial scheut, zahlt drauf, zum Beispiel in Form von Mahngebühren oder dem Engagement eines Büroservices. Der Einkaufszettel für das Büro ist dabei gar nicht so lang. Los geht es mit PC und Drucker, Klarsichthüllen, liegende Ablagen aus Metall oder Plastik.
Stehende Ablagen eigenen sich dagegen für die monatliche Fachzeitschrift. Drei klassische Aktenordner für Korres-pondenz und Steuer reichten in unserem oben beschriebenen Fall für den Anfang aus. Innerhalb der Ordner sorgten wir mit Registern nach Zahl und Buchstabe für Übersichtlichkeit.
Hinzu kommen noch Hefter, Locher und Hängeregistraturen für Quittungen und Steuerunterlagen nach Monaten geordnet.
Zu erwähnen wäre noch eines der nützlichsten Hilfsmittel des Büros: Die Wiedervorlagemappe. Sie ist in verschiedenen Farben, aber immer mit einheitlichen Systemen von 1 bis 31 im Einsatz. A bis Z oder Januar bis Dezember sind seltenere aber denkbare Lösungen.
Bleibt für viele das Platzproblem. Auch wenn Betriebe keinen eigenen Büroraum entbehren können, so ist mit Kombischränken Platz in der kleinsten Hütte. Ausziehbare Tischplatte und Abstellfläche für den PC inklusive!
So ausgestattet kann die Steuerklärung jederzeit kommen und Büroarbeit wird von der Last (fast) zur Lust! z  
Anschrift des Verfassers
Stefan Slaby
Schleswiger Str. 30
48147 Münster
www.rot-network.de

Ausgabe 4/2016

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Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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