Akademische Ausbildung bildet Vielfalt der technischen Orthopädie ab
Mikroprozessorgesteuerte Komponenten, digitalisierte Fertigungsverfahren oder elektronisch-biomechanische Messtechnik – die Hilfsmittelversorgung wird immer komplexer. Neben den klassischen handwerklichen Kompetenzen benötigen insbesondere die Fach- und Führungskräfte von Unternehmen der Orthopädie- und Rehatechnik sowie der Orthopädie-Schuhtechnik zusätzlich ingenieurwissenschaftliche, naturwissenschaftliche und medizinische Kenntnisse, um mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten oder sie voranzutreiben.
Seit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom März 2009 steht auch beruflich qualifizierten Bewerbern ohne Abitur, Fachhochschulreife oder fachgebundene Hochschulreife der Weg in ein Studium offen, um zusätzlich zu ihren handwerklichen auch wissenschaftliche Kompetenzen zu erwerben. Voraussetzung für eine Studienplatzbewerbung ist eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung sowie eine mindestens dreijährige Berufspraxis oder ein Meisterbrief plus gegebenenfalls ein Eignungstest an der jeweiligen Hochschule. Außerdem muss der gewünschte Studiengang fachlich zur Ausbildung und zur Berufspraxis passen. Jede Hochschule prüft und entscheidet eigenständig, ob die Bewerber die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen und zum gewünschten Studiengang zugelassen werden. Letzteres gilt auch für Bewerber, die direkt nach der Schule ein Studium anschließen möchten.
Zehn Bachelor- und Master-Studiengänge an fünf (Fach-)Hochschulen – für Orthopädie-Techniker und Orthopädie-Schuhmacher gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Möglichkeiten, eine akademische an die handwerkliche Ausbildung anzuschließen oder beide parallel durchzuführen. Dabei vertieft oder ergänzt jeder Studiengang einen anderen Aspekt der handwerklich so vielschichtigen Gewerke der Orthopädie-Technik und Orthopädie-Schuhtechnik: Vier Studiengänge – „Orthobionik“ (Bachelor), „Medizinische Orthobionik“ (Master) und „Biomedizinische Technik“ (Bachelor und Master) – legen Wert auf die Verbindung von technischen und medizinischen Themen. Die beiden Master-Studiengänge „Biomechanik-Motorik-Bewegungsanalyse“ und „Sports-/Reha-Engineering“ kombinieren Sportwissenschaft mit medizinischen und technischen Fragen, während die Studiengänge „Orthopädie- und Rehabilitationstechnik“ sowie „Technische Orthopädie“ sich stärker an den Ingenieurwissenschaften orientieren und diese mit der Kompetenzbandbreite der handwerklichen Ausbildung zum Orthopädie-Techniker verknüpfen. Zudem ist derzeit ein erster Studiengang „Orthopädie-Schuhtechnik“ in Planung. Je nach Fachbereich, an den die Studiengänge angeschlossen sind, können Absolventen die Abschlüsse „Bachelor“ bzw. „Master of Science“ und „Bachelor“ bzw. „Master of Engineering“ erwerben.
Praxisnah und Patientenorientiert: „Bachelor und Master of Orthopädie- und Rehabilitationstechnik“
Seit dem Wintersemester 2015/2016 bietet die Fachhochschule Dortmund im Fachbereich Informationstechnik in Kooperation mit der Bundesfachschule für Orthopädie-Technik (BUFA), der Handwerkskammer Dortmund und der Orthopädischen Klinik des Klinikums Dortmund die Bachelor- und Masterstudiengänge „Orthopädie- und Rehabilitationstechnik“ an. Beide Vollzeit-Studiengänge stehen für eine enge Verzahnung von Praxis und Theorie – zwischen ingenieurwissenschaftlichem Studium an der BUFA und praktischen Studieninhalten in der orthopädietechnischen Werkstatt sowie Exkursionen in die Klinik. Blockvorlesungen und praxisintegrierte Phasen wechseln sich ab. Diese enge Verbindung von Handwerk und Wissenschaft ermöglicht es zudem Orthopädietechnik-Meistern, ein Ergänzungsstudium (Bachelor) an der Fachhochschule abzulegen, da Teile ihrer Meisterausbildung bereits als Inhalte des Bachelorstudiums anerkannt werden können. Gleichzeitig können Bachelorabsolventen die Anerkennung einzelner Studienmodule für die Meisterprüfung beantragen.
Wer drei Jahre Berufserfahrung im Orthopädietechniker-Handwerk als Orthopädietechnik-Mechaniker, Orthopädie-Schuhtechniker, Orthopädieschuhtechnik-Meister oder Orthopädiemechaniker- und Bandagistenmeister aufweist und ein bestehendes Arbeits- oder Praktikumsverhältnis mit einem Orthopädietechnik-Unternehmen nachweist, erfüllt die Studienvoraussetzungen für den Bachelorstudiengang. Das sechs Semester umfassende Studium baut auf den Inhalten der dreijährigen Lehre im Orthopädietechniker-Handwerk auf. Es verbindet die Inhalte des Meisterberufsbildes in den allgemeintheo-retischen Fächern zu betriebswirtschaftlichen, rechtlichen, kaufmännischen und arbeitspädagogischen Themen und der Fachtheorie des Orthopädietechniker-Handwerks mit den naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Inhalten des Bachelor-Studienganges. Entsprechend breit gefächert ist der Modulplan in den sechs Semestern: Die Bandbreite reicht von Arbeitspädagogik über Biomechanik, Grundlagen der Betriebswirtschaft, der Natur- und Ingenieurwissenschaft sowie eine Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten bis hin zu Mess- oder Rehatechnik, Orthetik, Prothetik oder Rechnungswesen, um nur einige der 23 Modulthemen zu nennen. Besteht das Ziel, auch die Meisterprüfung abzulegen, können entsprechende Vertiefungsmodule zusätzlich belegt werden. Umgekehrt können sich Meister im Bachelor-Ergänzungsstudium auf Antrag bis zu 50 Prozent der in der Meisterprüfung erbrachten Prüfungsleistungen für das Studium anrechnen lassen. Je nach der Anzahl der angerechneten Prüfungsleistungen ergibt sich somit ein individueller Studienplan.