„Mir ist es wichtig, dass das Fachwissen und die Versorgung in unserem Handwerk bleiben“, sagt OSM Martin Bischoff aus Ansbach. Deshalb hat er eine Internet-Plattform entwickelt, auf der ausschließlich Orthopädieschuhtechniker digitale Fußabdrücke ihrer Kunden erhalten können. Wir werden die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht aufhalten können“, meint Martin Bischoff. „Telematik-Infrastruktur, elektronische Patientenakte, E-Rezept: all diese Entwicklungen werden durch die derzeitige Gesundheitspolitik und die gesamtgesellschaftliche Entwicklung stark beschleunigt.“ Er ist überzeugt, dass sich das Gesundheitshandwerk wappnen muss, weil nicht zuletzt durch die IT-Entwicklungen der letzten Jahre immer mehr Hersteller, Großhandelsplattformen und branchenfremde Anbieter den direkten Weg zum Endkunden suchen, statt über den Fachhandel zu gehen. Wie stark auch branchenfremde Investoren am Markt der Einlagenversorgung interessiert sind, kann man derzeit am Beispiel des Einlagen-Versandhandels Get Steps verfolgen, der innerhalb kurzer Zeit einen finanzstarken Hintergrund gewonnen hat, auch wenn dem Berliner Unternehmen zumindest in „Höhle der Löwen“ eine Absage der dort auftretenden Investoren erteilt worden ist – unter anderem deshalb, weil bei Get Steps die Abdrucktechnik des Fußes noch nicht digital funktioniert. Martin Bischoff beobachtet die Veränderungen im Gesundheitssystem mit wachem Blick. „Wir müssen etwas tun, damit unser Handwerk mit seiner Expertise der erste Ansprechpartner für die Einlagenversorgung bleibt. Auch dann, wenn die Menschen immer stärker neue Kanäle nutzen werden.“{pborder}
Internetplattform nur für die OST
Wer Kunden auf digitalem Weg ansprechen oder ortsunabhängig individuell versorgen will, braucht einen digitalen Fußabdruck. Viele Anbieter versenden Trittschäume oder Abdrucksets ähnlich dem Blauabdruck, doch Martin Bischoff wollte einen Weg finden, der mehrfache Versände vermeidet ohne großen Aufwand einen verwertbaren Fußabdruck liefert. Seine Lösung beginnt beim Endkunden ganz einfach: mit Wasser und Papier. „Beides gab dem Verfahren auch den Namen: PAW steht für Paper and Water“, erklärt Bischoff. Der Endkunde befeuchtet seinen Fuß mit Wasser, tritt auf ein DIN-A4 Papier und fotografiert zuerst seinen Fuß von oben und dann das Blatt mit diesem Fußabdruck. Wichtig ist, dass alle vier Ecken des DIN-A4-Bogens sichtbar und möglichst gut ausgeleuchtet sind, auch sollten sie nicht auf einem weißen Untergrund liegen. Die Fotos lädt der Endkunde auf www.paw-blueprint.de hoch. Zusätzlich gibt er seine Körpergröße, Gewicht und Schuhgröße an. Auf der Plattform werden Foto und Abdruck mit einem Algorithmus ausgewertet. Durch das DIN-A4-Papier als Bezugsgröße kann die Software die genauen Größenverhältnisse des Fußes ermitteln. Aus Abdruck und Fußfoto werden verschiedene Ansichten erstellt, die der OSM mit Hilfe von Reglern in Farbtiefe und Kontrast verändern kann. Darunter findet sich eine Ansicht, in der der Fußumriss besonders hervorgehoben ist, und mehrere, in denen Fußabdruck und Foto übereinander gelegt sind. „Das hat den Vorteil, dass man zusätzlich zu den Druckverhältnissen auch den tatsächlichen Umriss des Fußes sieht, der ja umfangreicher als die belastete plantare Fläche ist“, erkläutert Bischoff. Der Orthopädieschuhmacher prüft die verschiedenen Ansichten und wenn er mit dem Ergebnis zufrieden ist, kann er ein PDF mit den gewünschten Abdrücken herunterladen. Diese kann er entweder analog oder in CAD-, Fräs- und Druckprogrammen weiterverwenden.


Die Daten bleiben beim OSM
Damit die Daten des Kunden ausschließlich beim OSM liegen, verzichtet PAW auf eine App, die der Endkunde auf seinem Smartphone installiert, lediglich ein Assistent (Wizard) hilft ihm durch den Abdruckvorgang. Auch kann der Endkunde nur dann seinen Fußabdruck auf der Plattform hochladen, wenn er eine ID vom teilnehmenden OSM erhält. „Man braucht also keine Angst zu haben, dass der Kunde die Technik verwendet und zur Einlagenbestellung woandershin abwandert“, sagt Bischoff. Seine Vorstellung ist, dass der OSM die Kunden über seine eigene Homepage anspricht, zum Beispiel, indem er PAW in seine dortige Präsentation der Einlagen oder seinen eigenen Shop einbindet. Auch neue stationäre Kunden oder Stammkunden könne man auf den Service hinweisen – Martin Bischoff stellt hierfür Flyer bereit. „Für die Orthopädieschuhtechnik kann der digitale Fußabdruck viele Vorteile bieten“, ist Bischoff überzeugt. Wer seine Einlagen rein digital für Selbstzahler vertreiben will, erhalte so verwertbare Fußabdrücke. Aber auch für die Vorbereitung der stationären Versorgung mit Rezept könnte ein vorab eingereichter Fußabdruck dazu beitragen, dass der OSM Einlagen schon vorbereiten und beim Kundenbesuch nur noch genauer auf den Fuß und den Schuh anpassen müsse. Dem Kunden erspare das doppelte Wege, was gerade für ältere Patienten eine Entlastung bedeuten könne. „Und wer mit Pflegeheimen zusammenarbeitet, kann von den Pflegern digitale Abdrücke machen lassen, um auf den Besuch im Heim optimal vorbereitet zu sein“, so Bischoff. Nicht zuletzt könne man neue Zielgruppen für die Einlagenversorgung gewinnen. Während der Testphase erhielt Martin Bischoff von seinen jüngeren Software-Entwicklern und deren Angehörigen die Rückmeldung: „Wenn es über das Internet so leicht möglich ist, an eine passende Einlage zu kommen, dann möchte ich auch eine haben.“ Dadurch, dass keine Trittschäume oder Abdrucksets verschickt werden müssen, sei seine Methode zudem umweltfreundlicher als die vieler Internetanbieter. Um zu vermeiden, dass branchenfremde Anbieter die Plattform nutzen, muss der PAW-Partner einen Meisterbrief oder eine Präqualifizierung vorweisen oder seine Expertise als stationärer Schuhfachhändler nachweisen. Anmelden kann man sich kostenlos und muss keine Software anschaffen. Der OSM zahlt erst beim Herunterladen des PDFs (10 Euro je PDF). Eine Mindestmenge muss nicht abgenommen werden. „In der Verwendung der Abdrücke machen wir keine Vorgaben“, erklärt Martin Bischoff. Jeder teilnehmende OSM kann seine eigenen Einlagen anbieten. „Wir sind offen für viele Möglichkeiten und wollen auf Wünsche und Anregungen der Kollegen eingehen“, so der Ansbacher. Er hat eigens einen IT-Experten in seinem nun dreiköpfigen Betrieb eingestellt, der die PAW-Plattform betreut und weiterentwickelt. Hier möchte Bischoff noch nichts verraten: „Die jetzige Plattform ist erstmal die Basis, wir haben schon viele weitere Ideen, wie das Ganze erweitert werden kann.“
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