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14. Juli 2016
Redaktion

Endspurt für Betriebsnachfolger

Die Reform der Erbschaftsteuer für Nachfolger wird konkreter und könnte im ersten Quartal 2016 ­Gesetz werden. Bis dahin sollten Orthopädieschuhtechnik-Betriebe noch die bessere aktuelle Regelung nutzen und viel Steuern sparen. Von Harald Klein

Foto: tiratore/Fotolia

Nachdem das Bundesverfassungs­gericht Ende 2014 eine grund­legende Reform der Schenkung- und ­Erbschaftsteuer für Betriebsnachfolger gefor­dert hat, nimmt der politische Streit zu. Denn spätestens ab Mitte 2016 muss das neue Gesetz in Kraft sein, so die Karls­ruher Richter eindeutig in ihrem ­Urteil. Vor allem Bayern, Baden-Württemberg und einige Ver­bände fordern, Familienunternehmen weiterhin zu entlasten. Berechnungen, nach denen die vom Bundesfinanzmi­nisterium vorgeschlagene Fassung 1,5 Milliarden Euro mehr in die Länderkassen spülen könnten, denen diese Steuer zusteht, ­heizen die Diskussion an.
„Bezogen auf die Basis 2013 wäre das eine Steuererhöhung um mehr als 30 Prozent“, so Prof. Christian Rödl, Chef der Steuerkanzlei Rödl & Partner in Nürnberg. Er rät kleinen und mittelständischen Betrieben, bei denen die Nachfolge ansteht, sich umgehend mit ihrem Steuerberater in Verbindung zu setzen. Zwar hat es das Bundesverfassungs­gericht zugelassen, dass die Neuregelung rückwirkend zum Datum des Urteils gilt. Der Gesetzentwurf sieht dies jedoch nicht vor. Bis zur Verkündung gelten die bisherigen Regeln.

Standardmodell:
85 Prozent steuerfrei
Beim beliebtesten Steuersparmodell für Nachfolger sind von vornherein 85 Prozent des Betriebsvermögens steuerfrei, wenn folgende vier Bedingungen erfüllt sind:

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Betriebsvermögen nachweisen
Das übertragene Vermögen muss mindes­tens zur Hälfte betrieblich genutzt sein. Der Reformentwurf des Bundesfinanz­ministeriums fordert 90 Prozent. Zum ­Betriebsvermögen gehören vor allem das Firmengebäude, Maschi­nen, Werkzeuge und Fahrzeuge. Zum Verwaltungsvermögen zählen etwa: An andere vermietete Immobilien, Anteile an einer externen GmbH mit 25 Prozent oder ­weniger, Wertpapiere und Forderungen, Verbindlichkeiten, Bankguthaben, Festgelder und ­Beteiligungen an anderen Gesellschaften. Maßgeblich sind die Beträge am Bewertungsstichtag. Von der Summe aus Gut­haben, Forderungen und anderen Posten einerseits, abzüglich Schulden an­der­er­seits darf der Nachfolger 20 Prozent des Unternehmenswerts abziehen. Der Restbetrag ist das Ver­wal­tungs­ver­mögen.  

Firma fortführen
Der Nachfolger muss den Betrieb min­destens fünf Jahre lang fortführen. Er darf weder die Firma insgesamt, noch Teilbereiche in dieser Zeit verkaufen. Eine Ausnahme gilt etwa dann, wenn der ­Betrieb zwar Teile verkauft, gleichzeitig aber wieder investiert. Hält sich der Nachfolger irgendwann im Fünfjahreszeitraum nicht an diese Regel, versteuert das Finanzamt die Übergabe rückwirkend ohne die Steuervorteile. Es bleibt dann nur der persönliche Freibetrag des Nachfolgers (400000 Euro für Sohn oder Tochter), bevor das Finanzamt die Steuer neu berechnet.

Nicht zu viel entnehmen
Die großen Steuervorteile sind ebenfalls verloren, wenn der Nachfolger außer ­seinen Einlagen und dem Gewinn innerhalb des Fünfjahreszeitraums mehr als 150000 Euro entnimmt, oder sich bei ­einer GmbH ausschütten lässt. Verluste der Firma bleiben dabei unberücksichtigt.

Arbeitsplätze erhalten
Schließlich muss der Nachfolger mit
85 Prozent Steuerrabatt Arbeitsplätze in der übertragenen Firma erhalten. Konkret bemisst dies das Gesetz daran, ob die Summe aller Löhne am Ende des Fünfjahreszeitraums mindestens 400 Prozent der Lohnsumme am Anfang beträgt. Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern sind von der Lohnsummenregel befreit. Diesen Punkt hatte das Bundesverfassungs­gericht besonders kritisiert, weil damit über 90 Prozent der Betriebe pauschal von der Nachweispflicht befreit werden. Die Reform sieht deshalb ein Stufen­modell vor: Bis zu drei Beschäftigten gibt es ­keine Prüfung. Zwischen vier und zehn Mitarbeitern muss der Nachfolger am Ende des Fünfjahreszeitraums im Ver­­gleich zum Beginn mindestens eine Lohnsumme von 250 Prozent nach­weisen. Zwischen elf und 15 Be­schäftigten muss die Lohnsumme dann
300 Prozent betragen. Und ab 16 Mit­arbeitern soll die bisherige Regelung ­weitergelten – der Arbeitsplatzerhalt ­wäre also auch künftig mit 400 Prozent der Lohnsumme nach dem Ablauf von fünf Jahren zu belegen.

Wert feststellen
Doch bevor das Finanzamt die Steuer berechnet, muss erst einmal feststehen, wie viel die Firma eigentlich wert ist. Hierfür gibt es mehrere Modelle. Handwerksbetriebe können von einem Betriebsberater ihrer Kammer vorab das Betriebs­vermögen im AWH-Verfahren berechnen lassen. Es dient zwar in erster Linie der Berechnung des möglichen Verkaufspreises, kann aber auch als erster Anhalts­wert für steuerliche Überlegungen dienen. Das Kürzel AWH steht für ­„Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk“. Es berücksichtigt zum Beispiel das An­lagevermögen, die Abhängigkeit vom Unternehmer, die Mitarbeiterstruktur, das Leistungsangebot, die Kunden- und die Lieferantenstruktur.
Für die steuerliche Berechnung ist
das vereinfachte Ertragswertverfahren, ­alternativ ein Gutachten des Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers maß­geblich. Das Ertragswertverfahren gilt
für Einzelunternehmen, Personengesellschaften (wie etwa KG, OHG, GbR), nicht börsennotierte Anteile an Kapitalgesellschaften (GmbH, AG). Vereinfacht ausgedrückt ­ergibt sich aus dem Jahresgewinn und einem Kapitalisierungsfaktor das Betriebsvermögen. Anfang jedes Jahres nennt das Bundesfinanzministerium die Berechnungsgrundlage hierfür. Für 2015 gilt abgerundet der Faktor 18. Der Faktor für 2016 liegt aufgerundet
bei 18.
Beispiel: Der Betrieb hat einen ­Jahresgewinn von 100000 Euro ausgewiesen. Sein Betriebsvermögen beträgt 100000 mal 18 und damit 1,8 Millionen Euro. Das sind im Moment astro­no­mische Werte. Experten empfehlen daher in Fällen, bei denen die Übergabe wegen des hohen Betrags nicht steuerfrei möglich ist, ein Gutachten einzuholen. Wer vorab selbst rechnen will, sollte vom Faktor sechs bis acht ausgehen, so ein ­Experte. Grundlage hierfür wäre der durchschnittliche Ertrag der vergangenen drei Jahre. Für die Nachfolge­regelung im Detail sollten Unternehmer mehrere Wochen bis Monate einplanen, je nachdem welche Besonderheiten in Firma und Familie zu berücksichtigen sind. Mit dem fertigen Konzept gehen Unternehmer und Nachfolger zum Notar, der rechtlich berät und die Schenkung beurkundet. Der Notar berechnet nur die Beurkundung, die gründliche Beratung liefert er inklusive.
Die meisten Nachfolger in Ortho­pädieschuhtechnik-Betrieben können so noch von den jetzigen Vorteilen profitieren. Uwe Fransen, Steuerberater der Kanzlei Ecovis in Kleve warnt jedoch vor hektischen Aktionen: „Wichtig ist vor ­allem, dass sich die Familie einig ist
und klare Vorstellungen von der ­Betriebsnachfolge und Vermögensver­teilung hat.“
 

Anschrift des Verfassers
Harald Klein
Dorfstraße 76
72074 Tübingen

Abbildungen: 2. tiratore/fotolia

Ausgabe 2/2016

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Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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