Wirkung von individuellen sensomotorischen Einlagen bei Patienten mit HWS-Syndrom
Von Arne Nagel, Daniela Ohlendorf, Wolfgang Schallmey, Ina ter Hamsel, Lydia Aich, Michael Möller und Simone Werner
Zusammenfassung
Das HWS-Syndrom ist eine verbreitete Diagnose bei Schmerzen, Verspannungen und eingeschränkter Beweglichkeit im Schulter- und Nackenbereich. Als Ursache werden neben strukturellen Veränderungen der Wirbelsäule vor allem muskuläre Dysbalancen genannt, die bewegungsarmen und einseitigen Alltagssituationen zugeschrieben werden. Das Ziel dieser Pilot-Studie war es, den Einfluss von Einlagen bei Patienten mit HWS-Syndrom zu untersuchen. Dazu wurden insgesamt 37 Teilnehmer (26 w/ 11 m) randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe wurde mit sensomotorischen Einlagen und die andere mit klassischen, stützenden Einlagen versorgt. Die Einlagen wurden über einen Zeitraum von sechs Wochen getragen, wobei jeweils vor und nach der Tragezeit der Einlagen Schmerzen und Verspannungen im Bereich des Schulter-Nacken-Bereichs mit einer visuellen Analog-Skala erfasst, die Balance mittels einer Druckmessplatte untersucht und Beweglichkeit der Halswirbelsäule mit einem Inklinometer getestet wurde.
Die Ergebnisse zeigen eine Linderung der Symptome des HWS-Syndroms durch das Tragen sensomotorischer Einlagen. Die empfundenen Schmerzen konnten im Vergleich Eingangs- zur Ausgangsmessung morgens, abends, im Mittel und am Tag der Eingangsmessung reduziert werden. Dieses Ergebnis ist analog zu den empfundenen Verspannungen. Diese wurden morgens, abends, im Mittel und am Tag der Eingangsmessung nach sechs Wochen verbessert. Bei der Untersuchung der Balance konnte nach dem Tragen der sensomotorischen Einlagen eine Stabilisierung der sagittalen Balance festgestellt werden. Der Druckschwerpunkt schwankte bei der Abschlussuntersuchung signifikant geringer als in der Eingangsmessung.
Bei allen Probanden konnte durch plantare Stimulation die Bewegung in Bezug auf die Rotation nach rechts und der Flexion signifikant erhöht werden.
Bei den klassischen, mechanisch wirkenden Einlagen konnten keine signifikanten Ergebnisse nachgewiesen werden.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, um Symptome beim HWS-Syndrom erfolgreich zu behandeln, sind sensomotorische Einlagen im Bereich der konservativen Behandlung eine wirkungsvolle Option.
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Die heutige Arbeitswelt mit wenig Bewegung und einseitiger Belastung trägt dazu bei, Fehlhaltungen zu entwickeln und zu manifestieren, die unter anderem langfristig zu Beschwerden im Bereich des Rückens führen [9]. Schmerzen und Verspannungen des Hals-, Nacken- und Schulterbereichs sind in der allgemeinen Bevölkerung ein häufiges Problem [10, 14], das mit geringer Bewegung und einseitiger Belastung einhergeht. Diese Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule oder des Schulter-Nacken-Kopf-Bereichs werden unter dem Begriff HWS-Syndrom beziehungsweise Cervicalsyndrom zusammengefasst, das Einschränkungen von Sensibilität und Beweglichkeit, Schmerzen und Verspannungen des Hals- Nacken- und Schulterbereichs sowie Kopfschmerzen als typische Symptome beinhaltet [3]. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, wie zum Beispiel Fehlhaltungen oder Traumata, die beispielsweise pathologische Veränderungen der Wirbel, Bandscheiben, Nerven und Weichteile der Halswirbelsäule hervorrufen können. Bei der Therapie kommen verschiedene Ansätze zum Einsatz. Medikamente und Physiotherapie gehören in der konservativen Therapie zu den gängigen Mitteln [15]. Im Bereich der Orthopädie(schuh)technik finden hier unter anderem verschiedene Einlagenkonzepte ihre Anwendung.
Die in dieser Studie verwendeten sensomotorischen Einlagen basieren auf dem Konzept des französischen Neurologen René Jaques Bourdiol, dessen Basis eine flache und flexible Sohle ist, in die spezielle Elemente aus festem Material mit einer Stärke von 1 bis 3 Millimeter eingearbeitet sind. Diese Elemente sollen durch ihre Lokalisation und Stärke sensomotorische Strukturen der Fußsohlenmuskulatur beeinflussen und beispielsweise den Muskeltonus stimulieren. Auf diese Weise wird nicht nur die Fußsohlenmuskulatur beeinflusst, sondern entlang von Muskelketten kann die Position des Körperschwerpunktes aber auch die gesamte Körperstatik beziehungsweise -dynamik optimiert werden. Auch Bewegung werden auf diese Weise verbessert und Schmerzen gelindert [1, 2, 22, 24]. Folglich ist diese Einlage nicht mit einer anderen orthopädischen Einlage zu vergleichen, die zur Unterstützung, Bettung oder Korrektur des pathologischen Fußes eingesetzt wird.
Im Versorgungsalltag finden sensomotorische Einlagen bereits ihre regelmäßige Verwendung, wobei ihre Wirkung und Funktion bisher noch nicht umfassend wissenschaftlich belegt ist. Dass es grundsätzlich möglich ist mit sensomotorischen Einlagenelementen gezielt Muskelaktivität zu beeinflussen, zeigen Ludwig et al. [16] in ihrer Arbeit an Hand von EMG-Messungen. Sie nutzen ein spezielles Element an der lateralen Ferse, um den M. peroneus longus gezielt zu aktivieren. Den positiven Einfluss von sensomotorischen Einlagen auf Haltung und Schmerzempfinden belegen Ohlendorf et al. [22] in ihrer Arbeit. In einer weiteren Arbeit kann Ohlendorf [21] aufzeigen, dass neben rehabilitativem Muskelaufbautraining auch das Tragen sensomotorischer Einlagen zu Verbesserungen von Gang und Haltung führen. Auch Müller-Gliemann et al. [18] erforschen den Einfluss sensomotorischer Einlagen auf Haltung. Dabei erfassen sie den Verlauf der Wirbelsäulenkrümmung in der Sagittalebene mittels Rasterstereographie ohne dabei Veränderungen der Wirbelsäule signifikant zu belegen. Weitere Untersuchungen zeigen, dass mit Hilfe plantarer Stimulation auch das Gleichgewicht positiv beeinflusst werden kann [13, 20].
Häufig werden klassische, mechanisch wirkende Einlagen genutzt. Diese sollen über eine Verbesserung von Stellung und Funktion des Fußes eine optimierte Haltung bewirken und so Schmerzen, zum Beispiel auf Grund überlasteter Gelenke, reduzieren. Ihr Einsatz, ihre Funktion und ihre Wirkung werden kontrovers diskutiert [4, 6, 23, 25].
Wie bereits oben beschrieben sollen diese stimulierenden Einlagen allgemein Haltung und Bewegung verbessern und so zur Linderung von Schmerzen führen. Ob dies auch speziell für Beschwerden im Schulter-Nacken-Bereich gilt, soll mit der vorliegenden Pilotstudie untersucht werden, in dem die Wirkung sensomotorischer und klassischer, stützender Einlagen auf Symptome des HWS-Syndroms (Schmerzen, Verspannungen, Balance und Beweglichkeit) analysiert werden. Die Ergebnisse sollen im Weiteren Rückschlüsse für eine Beurteilung zulassen, ob diese Einlagenkonzepte eine sinnvolle Ergänzung zur konservativen Behandlung des HWS-Syndroms darstellen.
Material und Methode
Teilnehmer
Die vorliegende Arbeit wurde als eine kontrollierte und randomisierte Studie an einer freiwilligen Kohorte an Probanden mit HWS-Syndrom konzipiert. An der Untersuchung haben 37 Personen (26 w, 11 m) im Alter von 20 bis 57 Jahren teilgenommen. Sie waren im Durchschnitt 39,4 ± 10,6 Jahre alt. Die Voraussetzung für die Teilnahme an den Messungen waren Schmerzen, eingeschränkte Beweglichkeit und/oder Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule beziehungsweise des Schulter-Nacken-Bereichs
und gegebenenfalls Kopfschmerzen oder Kribbeln im Arm („eingeschlafener“ Arm). Personen mit fester Zahnspange, starken strukturellen Veränderungen (z. B. Spondylose, Spondylodese, Bandscheibenvorfall etc.) oder Träger von Hörgeräten waren von der Studie ausgeschlossen. Die Zulassung beziehungsweise der Ausschluss zur Teilnahme an der Studie erfolgte auf Basis der subjektiven Angaben der potenziellen Teilnehmer.
Vor Beginn der ersten Messungen fand mit jedem Teilnehmer ein Anamnesegespräch statt. Mit einem Fragebogen wurden die anthropometrischen Daten der Probanden erfasst und die oben genannten Kriterien abgefragt, die zur Teilnahme beziehungsweise zum Ausschluss der Studie führen. Anschließend wurden die Teilnehmer randomisiert in zwei Gruppen gemäß der jeweiligen Einlagenversorgung aufgeteilt. Die Teilnehmer sind über das Ziel der Studie und den Ablauf informiert worden und gaben ihre schriftliche Einwilligung.
Einlagen
Für die Teilnehmer der Studie wurden je nach Gruppeneinteilung von einem Orthopädie(schuh)techniker zwei unterschiedliche Einlagentypen hergestellt. Zum einen wurden sensomotorische Einlagen mit einer dünnen und flexiblen Basis sowie 1 bis 3 Millimeter starken Elementen aus festem Kunststoff gefertigt (Abb. 1). Die Anpassung erfolgt individuell nach Fußabdruck und Analyse von Haltung, Funktion, Beweglichkeit und Muskeltonus der einzelnen Teilnehmer. Hierbei kommen verschiedene Einlagenelemente mit unterschiedlicher Stärke an unterschiedlichen Bereichen der Fußsohle zum Einsatz. Dabei kann das Einlagenpaar für beide Füße mit unterschiedlichen Elementen konstruiert werden [18]. Die möglichen Elemente und ihre Platzierung unter der Fußsohle wurde durch Ohlendorf et al. [22] bereits beschrieben.
Zum Anderen wurden klassische, stützende Einlagen auf der Basis eines individuellen Abdrucks mit thermoplastisch nachformbaren Medi-Flex-Rohlingen (Orthopädie Kall GmbH, Remscheid, Deutschland) gefertigt (Abb. 2). Neben der klassischen Längsgewölbestütze verfügen diese über eine tropfenförmige, retrokapitale Gummipelotte. Beide Einlagentypen waren mit einem Mikrofasergewebe bezogen.
VAS-Skala
Die VAS-Schmerzskala, eine visuelle Analogskala, diente der Erfassung von Schmerzen und Verspannungen. Bei der Eingangsuntersuchung wurden Schmerzen und Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich morgens, abends und im Mittel in den letzten sechs Wochen vor der Einlagenversorgung sowie am Untersuchungstag selbst erfragt. In der Abschlussuntersuchung wurde dies erneut während der Tragezeit der Einlagen und am Tag der Untersuchung abgefragt.
Balancemessung
Mit Hilfe der Druckmessplatte GP MultiSens und dem GP Balance-Modul (GeBioM, Münster, Deutschland) wurde die Balance der Teilnehmer untersucht
(Abb. 3). Die Abmessung der Druckmessplatte beträgt 550 Millimeter x 455 Millimeter x 4 Millimeter mit einer Messfläche von 38 Zentimeter x 38 Zenti-
meter und 2304 Sensoren. Bei den Messungen betrug die Abtastfrequenz 100 Hertz pro Sensor. Um die Balance bewerten zu können, wurde der Druckschwerpunktverlauf im Rahmen einer Standanalyse aufgezeichnet. Die zugehörige Software erlaubt die Analyse des Druckschwerpunktverlaufs in frontaler und sagittaler Ebene.
Beweglichkeitsmessung
Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule bezüglich Rotation, Flexion, Extension und lateraler Flexion wurde mit dem CROM-Inklinometer (Performance Attainment Associates, Saint Paul, USA) gemessen, was bereits im Rahmen einer Untersuchung von Capuano-Pucci et al. [5] beschrieben wurde (Abb. 4).
Untersuchungsablauf
Bei der Eingangsuntersuchung wurden zunächst die anthropometrischen Daten der Probanden erfasst. Nach Einweisung der Teilnehmer in den Fragebogen mit den visuellen Analogskalen, füllten diese die Bögen zur Erfassung von Schmerzen und Verspannungen selbst aus.
Im Rahmen der Standanalyse mit der Druckmessplatte wurde der Verlauf des Druckschwerpunktes zur Auswertung der Balance in einem Zeitraum von 10 Sekunden aufgenommen. Für die Standanalyse nahmen die Teilnehmer eine neutrale Position mit entspannter Körper- und einer geraden Kopfhaltung ein, wobei die Arme locker neben dem Rumpf hängen und die Füße etwa schulterbreit auseinander barfuß auf der Messplatte standen.
Anschließend bekamen die Probanden das Inklinometer wie bei Capuano-Pucci et al. [5] beschrieben auf dem Kopf positioniert. Verbal und visuell erfolgte die Information über die Durchführung vorgegebener Bewegungen. Dabei wurde die Halswirbelsäule rotiert, flektiert, extendiert und lateral flektiert. Ein Untersucher verhinderte Bewegungen aus anderen Gelenken als der Halswirbelsäule durch Fixieren der Schultern während der Messungen. Ein weiterer Untersucher las die Messwerte ab und dokumentierte sie. Die Untersuchung mit dem Inklinometer fand barfuß statt und mit an der Fußsohle unterlegten sensomotorischen Elementen. Die sensomotorischen Elemente bestanden aus Kunststoff mit einer Stärke von 0,5 bis 3 Millimeter und wurden an definierten Eingangszonen individuell unter der Fußsohle nach vorgegebenem Schema positioniert [1, 18, 21, 22].
Nach den ersten Messungen (Eingangsuntersuchung) wurden die Probanden randomisiert in zwei Gruppen geteilt. Die Probanden in der ersten Gruppe wurden mit individuell hergestellten, sensomotorischen Einlagen versorgt und die in der zweiten mit klassischen, mechanisch wirkenden Einlagen. Alle Einlagen mussten sechs Wochen lang täglich getragen werden. Dann fanden die zweiten Messungen (Abschlussuntersuchung) statt. Mit der VAS-Skala wurden erneut Schmerzen und Verspannungen während des Tragens der Einlagen erfragt. Die Balancemessungen mit der Druckmessplatte wurden wiederholt.
Statistik
Um eine statistische Auswertung durchführen zu können, wurden alle Messungen jeweils dreimal wiederholt. Es wurden Mittelwerte und ihre entsprechenden Standardabweichungen berechnet.
Die Messdaten wurden auf Normalverteilung geprüft. Da bei den vorhandenen Daten keine Normalverteilung festzustellen war, wurde der Friedmann-Test eingesetzt. Als Post-Hoc-Test wurde der Wilcoxon-Test für verbundene Stichproben verwendet. Anschließend wurden die Daten einer Bonferroni-Holm-Korrektur unterzogen. Das Signifikanzniveau lag bei p ≤ 0,05.
Ergebnisse VAS-Skala
Das sechswöchige Tragen der sensomotorischen Einlagen führte zu einer Verringerung des subjektiv empfundenen Schmerzniveaus. So wurden im Einzelnen die empfundenen Schmerzen morgens
(p ≤ 0,05; -1,6), abends (p ≤ 0,05; -2,4), im Mittel (p ≤ 0,05; -1,7) und am Tag der Eingangsmessung im Vergleich zur Ausgangsmessung (p ≤ 0,05; -2,1) reduziert (Abb. 5).
Auch die subjektiv empfundenen Verspannungen konnten im Vergleich der beiden Messungen nach sechs Wochen insgesamt verbessert werden. Innerhalb der Gruppe, die sensomotorische Einlagen trugen, war es mit p ≤ 0,05 signifikant verbessert (Abb. 6).
Demgegenüber konnten in der anderen Einlagengruppe keine Signifikanzen festgestellt werden.
Balancemessung
Die Schwankung des Druckschwerpunktes in der Frontalebene war in der Gruppe mit den sensomotorischen Einlagen im Vergleich von Eingangs- und Ausgangsuntersuchung unverändert (Abb. 7). In der zweiten Gruppe war die Schwankung in der frontalen Ebene nach dem Tragen der klassischen, stützenden Einlagen erhöht.
In der Sagittalebene schwankte der Druckschwerpunkt in der Gruppe mit
den sensomotorischen Einlagen bei
der Abschlussuntersuchung signifikant (p ≤ 0,05; -2,2 mm) geringer als in der Eingangsmessung (Abb. 7).
Die zweite Gruppe mit den klassischen Einlagen zeigte im Bezug auf den sagittalen Druckschwerpunktverlauf keine signifikante Wirkung.
Beweglichkeitsmessung
Bei der Gruppe mit sensomotorischen Einlagen wurde die Beweglichkeit der Halswirbelsäule in Bezug auf Rotation nach rechts (+5,2°) und Flexion (+4,9° Beugung) durch die plantare Stimulation mit den sensomotorischen Elementen
im Vergleich zur Barfußmessung verbessert. Die Verbesserung war mit jeweils p ≤ 0,05 signifikant (Abb. 8).
Die Versorgung mit der klassischen Einlage zeigt keine signifikanten Unterschiede.
Diskussion
Die vorliegende Studie vergleicht den Einfluss von sensomotorischen und klassischen, stützenden Einlagen auf Schmerzen und Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich, die Beweglichkeit der Halswirbelsäule sowie die posturale Kontrolle bei Erwachsenen mit HWS-Syndrom.
Die visuelle Analogskala zeigt, dass das Tragen von sensomotorischen Einlagen zu weniger Schmerzen und Verspannungen im Bereich von Schultern und Nacken führt. Dies kann das Ergebnis von optimierter Haltung, Bewegung und Muskelspannung sein. Den schmerzreduzierenden Effekt und den optimierenden Einfluss sensomotorischer Einlagen auf Haltung und Bewegung konnten Ohlendorf et al. bereits in ihren Arbeiten nachweisen [21, 22]. Dass stimulierende Einlagen prinzipiell in der Lage sind gezielt muskuläre Strukturen zu aktivieren, weisen Ludwig et al. [16] in ihrer Studie nach, in der der M. peroneus longus gezielt aktiviert werden konnte. In wie weit dies auch auf die Muskulatur im Schulter-Nacken-Bereich zutrifft, muss in weiterführenden Studien untersucht werden. Die VAS-Skala ist eine bewährte Methode zur Schmerzerfassung [19], welche in wissenschaftlichen Arbeiten ihre Verwendung findet [28]. Darüber hinaus findet sie auch als Prüfmethode zum Nachweis von Behandlungsmethoden ihren Einsatz [12, 26].
In der Literatur wird ein Zusammenhang von HWS-Syndrom und eingeschränkter Beweglichkeit bereits beschrieben [11, 26]. Mit einem Inklinometer kann die verbesserte Beweglichkeit der Halswirbelsäule bei Menschen mit HWS-Syndrom durch Stimulation mit sensomotorischen Elementen gezeigt werden. Auch dies könnte auf optimierte, ausgeglichene Muskelspannungen zurückzuführen sein, sowie einer verbesserten Haltung, worauf vorausgegangene Arbeiten bereits hingewiesen oder entsprechende Nachweise liefern konnten [16, 21, 22].
Hierbei gilt die Untersuchung der cervikalen Beweglichkeit als eine übliche Methode die Wirkung einer Behandlung zu überprüfen [7, 11, 26, 28]. Für derartige Untersuchungen hat sich das Inklinometer als ein geeignetes Messinstrument erwiesen, da es intra- und interreliable Ergebnisse liefert [5, 7].
Einen positiven Einfluss üben die sensomotorischen Einlagen auch auf die Balance aus, was mit Hilfe einer Analyse des Körperschwerpunktverlaufs mit einer Druckmessplatte nachgewiesen wurde. So wird die Position des Körperschwerpunkts im Hinblick auf die Unterstützungsfläche am Boden durch die Einlagen möglicherweise dahingehend verbessert, dass weniger ausgleichende und stabilisierende Kräfte und Bewegungen nötig sind, um die Balance aufrecht zu halten. Eine Erklärung könnte eine insgesamt durch die sensomotorischen Einlagen hervorgerufene, gesteigerte Muskelaktivität sein, die die gelenkigen Verbindungen des Körpers besser stabilisiert [16]. Der positive Einfluss von stimulierenden Einlagen auf die Balance konnte bereits mit früheren Studien nachgewiesen werden [17, 27]. Auch die Untersuchung der Balance an Hand der Schwankungen des Verlaufs des Druckschwerpunktes in der sagittalen und frontalen Ebene mittels Druckmessplatte hat sich bereits als passende Methode erwiesen [8, 27]. Wie es sich allerdings konkret bei der haltungsregulierenden Muskulatur verhält, ist bislang nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht worden.
Grundsätzlich bestätigt die vorliegende Studie den positiven Einfluss sensomotorischer Einlagen auf Schmerzen, Balance und Beweglichkeit der Halswirbelsäule vorangegangener Studien. Das Tragen herkömmlicher, klassischer Einlagen führt in dieser Studie zu keiner Linderung von Schmerzen und Verspannungen sowie zu keiner verbesserten Balance. Es sind lediglich deskriptive Verbesserungen zu erkennen, jedoch keine signifikanten Ergebnisse zu belegen.
Hieraus lässt sich schließen, dass die positive Wirkung von Einlagen durch gezielte, individuelle Stimulation der Fußsohle mit entsprechenden Einlagenelementen, wie sie bei sensomotorischen Einlagen genutzt werden, erzielt werden kann.
Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dieser Arbeit um eine Pilotstudie handelt, die eine Grundlage für weiterführende Untersuchungen bietet.
Zusammenfassung
Sensomotorische Einlagen können beim HWS-Syndrom als Ergänzung konservativer Behandlungsmethoden in Betracht gezogen werden. Denn die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass plan-
tare Stimulation über sensomotorische Einlagenelemente Symptome bei HWS-Syndrom verbessern können. Schmerzen und Verspannungen können signifikant verringert werden. Balance und eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule können signifikant verbessert werden. z
Anschrift für die Verfasser
Dr. Arne Nagel
Möller Orthopädie-Schuh-Technik
Johann-Krane-Weg 40
48149 Münster
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Ausgabe 2/2016
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