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4. September 2017
Redaktion
Nagelwall- und Nagelbettentzündungen

Wenn Strümpfe zu sehr drücken

Kleine Hautverletzungen an Zehen oder Fingern, durch die Mikroorganismen eindringen, können zu unspezifischen eitrigen Nagelwall- oder Nagelbettentzündungen – Panaritien – führen. Kompressionsstrümpfe begünstigen dies unter Umständen.
Foto: Renate Wolansky
Zu kurze und zu eng anliegende Kompressionsstrümpfe bei einer 67-jährigen Diabetikerin Typ 2 ohne Polyneuropathie mit Venenschwäche, die durch erheblichen Druck zu einer massiven Paronychie an den Großzehen führten.

Prädisponierende Faktoren für Nagelinfektionen sind ein geschwächtes Immunsystem, Durchblutungsstörungen, Immunerkrankungen, Infektionserkrankungen wie zum Beispiel Aids (HIV), ­Tuberkulose, Lues (Syphilis), Alkoholabusus, Drogenmissbrauch oder chronische Grundkrankheiten, wie zum Beispiel Diabetes mellitus.

Aber auch Menschen, die aufgrund ihres Berufes oder der Arbeitsumgebung besonderen Gefährdungen ausgesetzt sind – denken wir an medizinisches Personal, Köche, Landwirte, Beschäftigte in Wäschereien oder Fleischer – sind für ­eine Nagelinfektion anfällig.

Ursachen von Nagelwall- oder Nagelbettentzündungen

Panaritien beziehungsweise Paronychien entstehen durch Eindringen von Mikroorganismen infolge von Hautläsionen am Nagelwall, Nagelfalz oder Nagelhaut. Danach kann sich eine Infektion im Nagelbett ausbreiten.

Unterschieden wird zwischen einer infektiösen Paronychie, die durch Mikroorganismen ausgelöst wird, und einer nichtinfektiösen Paronychie, die durch eine chemische Schädigung durch Einnahme bestimmter Medikamente wie Retinoide (synthetische Derivate der ­Vitamin-A-Säure zur Behandlung von schweren Hauterkrankungen oder Leu-kämie) entstehen kann. Dies betrifft meistens mehrere Zehen oder Finger.

Nichtfachgerechte Nagelpflege mit minimalen Hauteinrissen, Schnittverletzungen, eingewachsene Nägel, Nagelkauen oder Fingerlutschen – hier vor ­allem bei Kleinkindern –, intensive ­Haut­reizungen oder Druck durch unpas­sendes Schuhwerk oder zu enge Kompressionsstrümpfe sind besonders für Bakterien als Eintrittspforte zu nennen (Abb. 1).

Als häufigste Auslöser der Infektion kommen Staphylokokken oder Streptokokken in Betracht. Weiterhin kommen Pseudomonasarten, Candida albicans (Schimmelpilze) oder selten Herpesviren als Auslöser der Infektion infrage.

Klinische Symptome

Betroffene geben meistens stark pulsierende Spontanschmerzen an. Die Region des infizierten Zeh- oder Fingernagels erscheint stark gerötet, geschwollen und reagiert auf Druck schmerzhaft (Abb. 2). Oftmals bildet sich Eiter. Es entwickelt sich eine Schonhaltung mit Funktionseinschränkung des Zehs oder Fingers. Häufig liegt eine Fluktuation (wellenförmige Flüssigkeitsbewegung) durch eine lokale seröse Flüssigkeit vor. Sind die Sehnenscheiden von der Infektion mit betroffen, erscheint besonders die passive Streckung des Zehs oder Fingers extrem schmerzhaft sowie Druck- und Klopfempfindlich. Der Zeh oder Finger befinden sich in einer leichten Beugestellung.

Im weiteren Verlauf treten Fieber und Schüttelfrost auf. Der Allgemeinzustand ist reduziert bezeihungsweise schlecht.

Dehnt sich die Infektion weiter aus und schreitet fort, kann es zur Anschwellung der regionalen Lymphknoten (Lymphadenitis) und Lymphbahnen kommen (Lymphangitis).

Komplikationen

Breitet sich die Infektion in die Tiefe aus, kann eine ischämische Sehnennekrose (Zelltod) auftreten. Des Weiteren können sich bei Nagelbettbefall durch eine zunehmende Infektionausbreitung eine Gelenkinfektion und ein periostaler Abszess entwickeln. Bei Mitbeteiligung des Knochens tritt als Folge gegebenenfalls eine Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung meistens mit Knochen- [Ostitis] und Knochenhautentzündung [Periostitis]) auf, die zur Fistelbildung mit Eiterung führen kann.

Im fortgeschrittenen Stadium besteht die Gefahr einer systemischen Infektion und lebensbedrohlichen Sepsis (Blutvergiftung).

Diagnostik

Zunächst spielt die Erhebung einer expliziten Anamnese in Anbetracht von Risikofaktoren und beruflicher Tätigkeit eine wichtige Rolle. Bestimmte Grundkrankheiten weisen oftmals schon auf ein geschwächtes Immunsystem hin.

Anhand der klinischen Symptome kann bereits bei der Inspektion die Diagnose gestellt werden. Ferner weisen erhöhte Entzündungsparameter wie zum Beispiel die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und das C-reaktive Protein (CRP) auf eine vorliegende Infektion hin. Ein Abstrich bei persistierenden Symptomen sollte durch Inzision zur Erreger- und Resistenzbestimmung (Antibiogramm, Test zur Bestimmung der Empfindlichkeit der Erreger auf Antibiotika) möglichst rasch erfolgen, um gezielt mit einer notwendigen systemischen Antibiotikumtherapie zu beginnen. Zum Ausschluss einer Ausbreitung der Infektion im Knochen werden die Röntgendiag­nostik und Magnetresonanztomografie eingesetzt. Typisch sind dann Verschmälerung des Gelenkspaltes, Entkalkung und gegebenenfalls Substanzverluste im Knochen.

Prophylaxe einer Paronychie an den Zehen

Für Diabetiker ist wichtig, dass Betroffene abends die Füße – inklusive Zehen, ­Zehennägel und Zehenzwischenräume – auf Verletzungen inspizieren. Die Fußsohlen werden mit einem Spiegel betrachtet, bei Problemen gegebenenfalls durch eine Hilfsperson. Dies empfiehlt sich auch unmittelbar nach dem Tragen neuer Schuhe.

Aufgrund einer häufig vorliegenden diabetischen Polyneuropathie mit gemin­dertem oder aufgehobenem Schmerzempfinden, werden kleinste ­Verletzungen häufig nicht bemerkt.

Passendes Schuhwerk aus atmungsaktivem Leder verhindert Druckschäden auch an den Fußnägeln. Zudem sollten die Schuhe täglich auf Fremdkörper ausgetastet werden. Ferner weisen Absonderungen wie seröse Flüssigkeit oder Blut im Schuhinneren, auf Fußbettungen, Einlagen oder Strümpfen bereits auf Hautläsionen hin, durch die Mikroorganismen eindringen und eine Infektion auslösen können.

Weiterhin dürfen notwendige Kompressionsstrümpfe durch übermäßigen Druck, infolge falscher Größe, an den Zehennägeln nicht zu Hautverletzungen führen.

Therapie

Bei einer geringen Entzündung an den Nägeln können Kamillen- (allerdings nicht bei vorliegender Allergie gegen Korbblütler), Arnikaumschläge oder Teebaumöl angewendet werden.

Ratsam ist es, die Füße mehrmals am Tag im handwarmen Wasser zu baden und dadurch die Haut zu erweichen. Dies beschleunigt und erleichtert den Eiterabfluss.

Als Desinfektionsmittel mit antiseptischer Wirkung kommt Povidon-Iod  (PVP-Iod) als 10%ige wässrige Lösung infrage. Es handelt sich um ein bakterizides, fungizides und viruzides Mittel. Kontraindikationen sollten bei Hyperthyreose (Überfunktion der Schilddrüse), Schwangerschaft und Stillzeit streng abgewogen werden. Ebenso ist eine Desinfektion mit Octenisept ratsam (Abb. 3). Das Mittel in Sprayform besitzt einen unspezifischen, antimikrobakteriellen Wirkstoff gegen Bakterien, Pilze und unbehüllte Viren. Systemische Nebenwirkungen bestehen nicht. Die Anwendung während der Schwangerschaft ist möglich. Die schmerzfreie Anwendung, schneller Wirkungseintritt und breites Wirkungsspektrum erweisen sich als vorteilhaft.

Eine Immobilisierung mithilfe eines Vorfußentlastungsschuhs oder einer plantaren Gipsschiene des betroffenen Zehs ist vorübergehend bis zum Abklingen der pulsierenden Schmerzen und Entzündungszeichen unverzichtbar.

Nicht selbstbeherrschbare Infektionen an Zehen oder Finger erfordern eine ärztliche Behandlung. Unter Leitungsanästhesie nach Oberst – ein lokal-anästhetisches Verfahren, das bei Eingriffen an Fingern beziehungsweise Zehen verwendet wird – erfolgt eine operative Sanierung mithilfe einer Inzi-sion und Einlegen einer Drainage parallel zum seitlichen Nagelrand. Gleich­zeitig werden entzündetes und abgestorbenes Gewebe entfernt.

Die Wundspülung geschieht zum Beispiel mit Chinosol (in verdünnter Form). Des Weiteren kommen antibiotische ­Verbände mit Gentamicinsalbe infrage. Anschließend sollten der Zeh oder Finger auf einer gepolsterten Schiene ruhig­gestellt werden. Ein Verbandswechsel ­unter ärztlicher Kontrolle sollte täglich erfolgen.

Bei tiefen Panaritien ist eine systemische Antibiotikumtherapie aus der Wirkstoffgruppe der Penicilline, möglichst nach einem Antibiogramm (Abstrich zur Erreger- und Resistenzbestimmung) zum Beispiel mit Dicloxacillcin für vier bis sieben Tage angezeigt. Zur Linderung des Wundschmerzes kommen Analgetika (nicht steroidale Schmerzmittel) zum Beispiel Ibuprofen infrage. Infektionen durch Pilze sind mit Antimykotika zu behandeln. Nichtinfektiöse Paronychien heilen nach Absetzen der auslösenden Medikamente schnell ab. Podologische Behandlungen sind erst nach Abklingen des Panaritium beziehungsweise der Paronychie durchzuführen.

Anschrift der Verfasserin:
Dr. Renate Wolansky
Liesenstraße 26
06618 Naumburg

 

Von Dr. Renate Wolansky

Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
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