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27. Oktober 2021
Redaktion

Weltweit erstmals möglich: Echtzeitüberwachung der Knochenheilung nach Brüchen

Professor Dr. med. Michael Johannes Raschke, Kongresspräsident des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) in Berlin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), schätzt „Intelligente Implantate“ als Revolution in der Unfallchirurgie ein. Mit dieser Technik können Ärzte weltweit zum ersten Mal kontinuierlich die Knochenheilung nach Brüchen in Echtzeit beobachten und daraus Erkenntnisse gewinnen, um einen unterstützenden Einfluss auf den Heilungsprozess zu nehmen.



Foto: intercongress

Wächst der Knochen zusammen? Besitzt der Knochen schon genug Stabilität? Unterstützen die Medikamente den Heilungsprozess? Kann die Platte schon entfernt werden? Diese Fragen konnten Chirurgen bisher nur auf Basis der Erfahrung, auf Grundlage der Patientenberichte oder anhand von bildgebenden Untersuchungen beantworten. Röntgenuntersuchungen sind nicht immer hundertprozentig zuverlässig und Patientenantworten können ungenau sein. Zudem können Heilungsstörungen auftreten. Mit „Intelligenten Implantaten“ besitzen Ärzte nun die beobachtende Möglichkeit, dass Sensoren am Implantat Daten übermitteln.

Raschke erklärt das Prinzip: „Je härter der Knochen wird, desto stabiler wird er auch. Das können Ärzte nun exakt messen.“ Daraus kann der Arzt oder die Ärztin Rückschlüsse ziehen, wie die Rehabilitationsmaßnahmen wirken. Diese Daten helfen, früh Interventionen zur Verbesserung des Heilungsprozesses anzuordnen, was die Behandlungszeit und die Kosten reduziert. Raschke: „Wir erhalten nun eine Echtzeitinformation über die Knochenheilung.“ Etwa jeder zehnte Patient mit Knochenbrüchen leidet unter einer gestörten Knochenheilung. Genau hier sieht der Präsident deutliche Verbesserungen, da nun rechtzeitig auf den Heilungsprozess Einfluss genommen werden kann. Die Übertragung geschieht mittels Bluetooth an das Handy des Patienten. Dieser kann diese Daten bequem an das Ärzteteam weiterleiten oder diese Daten vor Ort zeigen.

3D-Drucker ermöglichen Herstellung individueller Implantate
Eine weitere Entwicklung bewertet Raschke, zugleich stellvertretender Präsident der DGOU (Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie), als zukunftsweisend: „In einigen Jahren wird ein 3D-Drucker neben dem OP-Tisch stehen. Dann erstellt der 3D-Drucker individuelle Platten bei komplizierten Frakturen.“ Der Experte vermutet, dass in naher Zukunft bei Frakturen, die bei der Computertomografie zu sehen sind, mit Augmented Reality (AR) gearbeitet wird. Dabei wird eine Platte virtuell am Bildschirm angepasst und diese Informationen werden direkt an den 3D-Drucker gesendet. Raschke: „Wenn wir zukünftig die Knie- und Hüftgelenke sowie Platten passgenau aus dem 3D Drucker erhalten, brauchen wir keine teure Lagerhaltung mehr.“ Neben den Vorteilen und Möglichkeiten sieht der Präsident derzeit bei der 3D-Produktion noch zwei Herausforderungen. Erstens: Die Fertigung beansprucht aktuell mindestens zwei Wochen, was eine hohe körperliche Belastung für die Patienten bedeute. Spezialhüftgelenke benötigen bis zu sechs Wochen. Zweitens: Die Kosten für die individuelle Herstellung aus dem 3D-Drucker übersteigen die eines herkömmlichen Standardproduktes aktuell erheblich.

Innovationsstandort Deutschland in Gefahr
Der Kongresspräsident beurteilt den Innovationsstandort Deutschland als überragend: „Bei Innovationen in der Orthopädie und Unfallchirurgie ist Deutschland spitze.“ Deutschland sei der zweitgrößte Medizintechnikhersteller der Welt. Dennoch beunruhigen Raschke die zunehmenden Hemmnisse für neue Entwicklungen und deren Umsetzung durch gestiegene gesetzliche Vorgaben: „Regularien schützen Menschen. Zu viele Regularien schaden der Innovation. Wir verlassen den richtigen Weg dazwischen.“

So stört Raschke, dass Produktionsrichtlinien bei der Verpackung oder Langzeittests auch bei kleinen Änderungen, wie einem neuen Design, hohe Kosten verursachen: „Kleine Optimierungen ziehen teure Langzeittests nach sich. Das ist übertrieben. Ein Autohersteller muss auch keine neuen Crashtests durchführen, nur weil das Handschuhfach größer wird.“

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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