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22. Oktober 2019
Redaktion

Weltweit hochwertige Hilfsmittelversorgung mit Hilfe einheitlicher Ausbildungsstandards

Im September 2018 verabschiedete die International Society for Prosthetics and Orthotics (ISPO) neue Standards für Ausbildungs­angebote im Bereich der Technischen Orthopädie.

Alle Bildungs­träger, die ihre Ausbildungsprogramme seit September 2018 bei der ISPO re- oder neu akkreditieren wollen, müssen einen Nachweis erbringen, dass sie die in den Standards geforderten Ausbildungs­ziele, materielle sowie personelle Ressourcen und die nötige Infra­struktur zur Verfügung stellen können, um die Fähigkeiten, Kompe­tenzen und Fertigkeiten aller an der orthetischen und prothetischen Versorgung beteiligten Berufsgruppen auf einem gleichermaßen qualitativ hochwertigen Niveau zu gewährleisten. Hintergrund: Die Ausbildungspfade für Ärzte, Wissenschaft­ler und Handwerker im Bereich der Technischen Orthopädie sind weltweit stark verschieden angelegt. Die ISPO will nach eigener Aussage mit den neu gesetzten Ausbildungsstandards für die ISPO-Akkreditierung von Ausbildungsprogrammen langfristig dazu beitragen, dass alle Menschen auf der Welt, die auf orthopädie­technische Hilfsmittel angewiesen sind, die gleiche hochwertige Versorgung erwarten können. Denn derzeit hat nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nur jeder zehnte Patient, der eine Hilfsmittelversorgung benötigt, Zugang zu einer Versorgung, die zudem sehr unterschiedlich ausfällt. Die neuen Standards wurden in Zusammenarbeit mit der WHO und in Übereinstimmung mit den Berufsanforderungen der beteilig­ten Gesundheitsberufe, in Abstimmung mit Institutionen wie dem Internationalen Roten Kreuz, der United States Agency for Interna­tional Development (USAID) und dem Exceed Institute of Safety, Management & Technology (EISMAT) sowie der gemeinnützigen Organisation Handicap International zwischen 2010 und 2018 er­arbeitet. Sie basieren auf den 2017 von der WHO und der USAID neu formulierten 60 Standards für die Versorgung von Patienten mit Prothesen und Orthesen (siehe Broschüre der beiden Institutionen „Standards for Prosthetics and Orthotics“). Die 15 neuen Standards, die in der Broschüre „ISPO Education Standards for Prosthetic/Orthotic Occupations“ detailliert erläutert werden, lösen die seit 1991 gültigen Category-I-, -II- und -III-ISPO-Ausbildungsstandards ab. Sobald die individuelle Laufzeit einer bestehenden Akkreditierung bei der ISPO endet, müssen sich die Ausbildungsanbieter mit ihren Programmen um eine neue Akkredi­tierung bemühen, bei der dann die neuen Standards berücksich­tigt werden, wobei die ISPO-Akkreditierung ein freiwilliger Prozess ist, wie die ISPO betont. Er könne aber, so die Organisation, der Qualitätssicherung und Vergleichbarkeit von internationalen Aus­bildungsprogrammen dienen und zudem als Benchmark für Politi­ker und Entscheider bei der Ausbildungsgestaltung auf nationaler Ebene genutzt werden.

Erstmals: On- und Offline-Akkreditierungsprozess

Die ebenfalls im September 2018 in Kraft getretenen neuen Akkredi­tierungswege erleichtern den Antragstellern den Akkreditierungs­vorgang. So können sie einen Teil des Antrags online abschicken. Hierzu gehört das Erstellen einer „Selbstdarstellung des entspre­chenden Bildungsträgers“ und das Hochladen von Evidenznach­weisen und Dokumentationen, was durch ein von der ISPO vor­gegebenes Format geschieht. Ein Besuch vor Ort ist nach wie vor Bestandteil des Akkreditierungsvorganges. Idealerweise erfolgt der Vor-Ort-Termin durch die ISPO-Experten, wenn das zu prüfende Bildungsprogramm gerade eine Abschlussprüfung durchführt, da dies den Evaluierenden der ISPO erlaubt, sich auch einen Eindruck vom Wissensstand sowie den Fähigkeiten und Fertigkeiten der Ab­solventen zu verschaffen. Der gesamte Vorgang wird mit dem ISPO-Headquarter in Brüssel im Vorfeld abgestimmt, um entsprechende Termine festzulegen. Wie sich Ausbildungsanbieter im Detail on- oder offline akkredi­tieren können, erfahren sie im ausführlichen ISPO-Handbuch „ISPO Education Standards Handbook: Process and Procedures for Accre­ditation“. Wer sich für eine ISPO-zertifizierte Ausbildung interessiert, sollte die neuen Kriterien kennen.

NEU: Drei Berufsqualifikationen

Die ISPO stuft die Berufe im Bereich der Technischen Orthopädie in drei Qualifikationskategorien ein: „Prosthetists/Orthotists“, „As­sociate Prosthetists/Orthotists“ und „Prosthetic/Orthotic Technici­ans“. Unter „Prosthetic/Orthotic Technicians“ versteht die ISPO Be­rufe, die für die Herstellung von Prothesen und Orthesen zustän­dig sind und über die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkei­ten verfügen. Sie sind nicht für die Anpassung der Prothesen und Orthesen am Patienten verantwortlich, sondern gehören im au­ßerklinischen Bereich ohne direkten Patientenkontakt zum Versor­gungsteam der auf Hilfsmittel angewiesenen Patienten. „Prosthe­tic/Orthotic Technicians“ arbeiten unter der Leitung der „Prosthe­tists/Orthotists“. Gleiches gilt für die „Associate Prosthetists/Or­thotists“. Sie gehören zum klinischen Teil des Versorgungsteams. Ihre Aufgabe ist es, den klinischen Behandlungsplan für die Versor­gung mit Hilfsmitteln aufzustellen. Dafür verfügen sie zusätzlich zu den Kompetenzen und Fähigkeiten der „Prosthetic/Orthotic Tech­nicians“ über vertieftes Wissen zu evidenzbasierten Verfahren auf dem Gebiet der Prothetik und Orthetik und der klinischen Bewer­tung. Die höchste Kategoriestufe nehmen die „Prosthetists/Ortho­tists“ ein, die über einen höheren Bildungsgrad verfügen als die Kollegen. Sie sind für die medizinisch anspruchsvolle Versorgung am Patienten in der Klinik unter Einbindung wissenschaftlicher Erkenntnisse zuständig. Da sie die beiden anderen Berufsgrup­pen anleiten, müssen sie zusätzlich zu den fachlichen Qualifikatio­nen Führungs- und Schulungskompetenzen aufweisen. Allerdings empfiehlt die ISPO zwei verschiedene Stufen der Supervision von „Prosthetic/Orthotic Technicians“ und „Associate Prosthetists/Or­thotists“ durch die „Prosthetists/Orthotists“: selbstständig und di­rekt. Erfahrene Kollegen sollten innerhalb ihrer Kernkompetenzen „selbstständig“ ihrer Arbeit nachgehen. „Prosthetists/Orthotists“ übernehmen hier eher eine Rolle als Mentor, der für Fragen zur Verfügung steht. Verfügen die „Prosthetic/Orthotic Technicians“ und „Associate Prosthetists/Orthotists“ nicht über ausreichende Berufserfahrung, übernehmen die „Prosthetists/Orthotists“ die „direkte“ Aufsicht über deren Arbeit. Achtung: In Deutschland arbeitet der Orthopädie-Techniker nicht unter Anleitung, sondern in Abstimmung mit den Mitgliedern des Versorgungssystems in der Klinik, und er passt die Hilfsmittel am Pati­enten sowohl in der Klinik als auch außerklinisch an. Der Orthopädie- Techniker weist auch nach der WHO-Definition die Berufsqualifika­tionen eines „Prosthetist“ auf, der „von den nationalen Behörden autorisiert ist, Prothesen zu planen, zu erstellen und anzupassen“, sowie die des „Orthotist“, der „von den nationalen Behörden auto­risiert ist, Orthesen zu planen, zu erstellen und anzupassen“. Eine von der ISPO zertifizierte Weiterbildung ist für in Deutschland aus­gebildete Orthopädie-Techniker von Vorteil, wenn sie in Ländern tätig werden wollen, in denen die ISPO-Zertifizierung von den staat­lichen Stellen anerkannt und der Gesellen- oder Meisterbrief jedoch nicht anerkannt wird. Das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich.

Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
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