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26. Januar 2021
Redaktion

Wahljahr 2021: Hilfsmittel-Leistungserbringer formulieren vier Forderungen an die Politik

Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT), die EGROH eG, Reha-Service-Ring, rehaVital Gesundheitsservice GmbH und Sanitätshaus Aktuell AG haben gemeinsam vier Schwerpunkte für den Bundestagswahlkampf 2021 definiert, die aus ihrer Sicht von der nächsten Regierungskoalition besonders dringend umgesetzt werden sollten. Dazu gehören die Anerkennung als systemrelevanter Versorgungsbereich, der Abbau überbordender Bürokratie, die Festschreibung von Leitverträgen für transparente Versorgungsstandards sowie die effektive Digitalisierung.

Foto: Anja/Adobe Stock

Knapp 25 Prozent der gesetzlich Versicherten in Deutschland benötigen eine Versorgung mit Hilfsmitteln, die ihnen Teilhabe und Lebensqualität ermöglichen, erklären die Leistungserbringer-Organisationen. Die Versicherten würden dabei auf eine wohnortnahe und qualitätsgesicherte Versorgung vertrauen, die dem Stand der Technik entspricht. Nicht zuletzt in der Corona-Krise habe sich eine funktionierende, wohnortnahe Hilfsmittelversorgung als eines der zentralen Elemente im Gesundheitswesen erwiesen, um beispielsweise Krankenhausaufenthalte zu verkürzen, Handicaps auszugleichen oder Folgeerkrankungen bzw. drohender Behinderung vorzubeugen. In der Pandemie hätten sich jedoch ebenso die wichtigsten Herausforderungen der kommenden Jahre für eine qualitätsgesicherte Hilfsmittelversorgung herauskristallisiert. Daraus resultieren vier Themenbereiche, die BIV-OT, EGROH, Reha-Service-Ring, rehaVital und Sanitätshaus Aktuell in den Bundestagswahlkampf 2021 hineintragen wollen. 

1. Hilfsmittelversorgung als #systemrelevant definieren und Mitbestimmung sichern
Für eine reibungslose Versorgung benötigen die Leistungserbringer rechtssicher Zugang zu den entsprechenden ambulanten und stationären medizinischen, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen sowie ebenfalls zu persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Schnelltests, Impfstoff und nicht zuletzt Notbetreuung für die Kinder der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, betonen die fünf Organisationen. Eine ausdrückliche Anerkennung als systemrelevanter Versorgungsbereich auf allen Ebenen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und die Einbindung in Unterstützungsmaßnahmen seien deshalb unabdingbar.

Dazu zähle auch die unbürokratische Übernahme der PSA-Kosten. So sei zwar mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) geregelt worden, dass auch in der Hilfsmittelversorgung der Mehraufwand an PSA zu vergüten ist. Allerdings müssten demnach zunächst Verhandlungen mit etwa 100 Krankenkassen geführt werden. Hier brauche es eine praktikable ergänzende Umsetzungsverordnung seitens des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), fordern die fünf Organisationen.

Sie setzen sich zudem für mehr Beteiligung bei den Entscheidungen des G-BA ein: “Für die Zukunft sollten Gesundheitshandwerk und Hilfsmittelleistungserbringer in die Strukturen der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens eingebunden und wie Ärzte, Krankenkassen und Patientenvertretungen gleichberechtigt an den Entscheidungen über Versorgungsplanung und -gestaltung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beteiligt werden.”

2. Transparente Versorgungsstandards durch Leitverträge 
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) sowie Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit gleichermaßen sichern und einen Preiswettkampf auf dem Rücken der Versicherten verhindern. BIV-OT, EGROH, Reha-Service-Ring, rehaVital und Sanitätshaus Aktuell weisen darauf hin, dass dennoch einzelne Krankenkassen die Möglichkeit nutzen, nach wie vor Einzelverträge abschließen zu können, und dabei unzulässige Open-House-Konstruktionen mit Preisdiktat zulasten der Versorgungsqualität durch die Hintertür etablieren. Die Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS), habe diese mangelhafte Umsetzung des gesetzgeberischen Willens bestätigt.

Die fünf Organisationen fordern angesichts dessen, transparente Versorgungsstandards durch Leitverträge zu setzen: “Mehr als 1.000 verschiedene Verträge in der Hilfsmittelversorgung sorgen für weitgehende Intransparenz, was letztlich den Patientinnen und Patienten ihr verbrieftes Wahlrecht des Leistungserbringers erschwert sowie hohen administrativen Aufwand bedeutet. Für eine flächendeckende, wohnortnahe, qualitätsgesicherte, transparente und wirtschaftliche Versorgung unabhängig von Einzelinteressen gilt es deshalb, den Abschluss von Leitverträgen durchzusetzen. Damit wären die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, Vertragsverhandlungen ausschließlich mit den maßgeblichen Spitzenverbänden oder maßgeblichen sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer zu führen.”

3. Effektive und valide Digitalisierung
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen werde ohne frühzeitige Einbindung der Hilfsmittelversorgung nur Stückwerk bleiben, so die Leistungserbringer-Organisationen. Der Referentenentwurf zum Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) seitens der Bundesregierung stelle hier richtige Weichen. Bislang sei die Anbindung aller Leistungserbringer an die elektronische Patientenakte (ePA) jedoch nur unzureichend umgesetzt. Gerade vor dem Hintergrund einer interdisziplinären Versorgung sei es aber entscheidend, den Lese- und Schreibzugriff auf alle für die Hilfsmittelversorgung relevanten Versicherteninformationen in der ePA gesetzlich zu verankern.

Dabei fordern die Organisationen: “Die vielfältigen und mobilen Versorgungsstrukturen sind in der zugrundeliegenden Telematikinfrastruktur (TI) zu berücksichtigen – darunter die wohnortnahe Versorgung, vielfach in der häuslichen Umgebung der Patientinnen und Patienten. Hand in Hand damit geht eine Erstattung der für die Hard- und Softwareerstausrüstung notwendigen Investitionskosten, wie dies im ärztlichen Bereich schon vorgesehen ist. Bereits existierende Parallelstrukturen bzw. Insellösungen, unter anderem durch Pilotprojekte von Krankenkassen, sollten beendet werden. Darüber hinaus sind Versuche zu unterbinden, das Recht der Versicherten auf freie Wahl des Leistungserbringers auszuhebeln: Das Makelverbot (§33 Abs. 6 SGB V und §7 Abs. 3 Hilfsmittel-Richtlinie) ist auch in digitalen Strukturen durchzusetzen.”

4. Weniger Bürokratie bei der Präqualifizierung zur Hilfsmittelversorgung
Bei der Präqualifizierung kritisieren  BIV-OT, EGROH, Reha-Service-Ring, rehaVital und Sanitätshaus Aktuell, dass die DAkkS über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehe und unnötige Bürokratie schaffe, indem etwa zusätzlich zu den Betriebsbegehungen, welche die PQ-Stellen bei Erst- bzw. Folgepräqualifizierung der Leistungserbringer durchführen, weitere Begehungen alle 20 Monate festgesetzt wurden. “Diese kosten- und verwaltungsintensive Überwachung überschreitet das Maß des Notwendigen”, betonen die fünf Leistungserbringerorganisationen . “Zudem ist sie weder aus den gesetzlichen Vorschriften noch den entsprechenden Empfehlungen des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) ableitbar. Erforderlich ist deshalb, die Arbeit der PQ-Stellen wieder auf die gesetzlichen Vorgaben bzw. die Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands zu beschränken.”

Die politischen Forderungen von BIV-OT, EGROH, Reha-Service-Ring, rehaVital und Sanitätshaus Aktuell erläutert das Dossier „Wir versorgen Deutschland”. Die fünf Organisationen vertreten über 120.000 Mitarbeiter und mehr als 8.000 Leistungserbringer der Orthopädietechnik, Orthopädieschuhtechnik, Reha-Technik und Homecare.

Zum Dossier “Wir versorgen Deutschland” auf der Internetseite des BIV-OT (PDF)

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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