Folgen Sie uns
17. Oktober 2018
Redaktion
Biomechanik

Vorfußentlastung durch Einlagen: die Konstruktionsprinzipien

Schuheinlagen- und Schuhmodifikationen werden zur Reduktion des plantaren Spitzendruckes eingesetzt. Die Effekte verschiedener Schuheinlagen und -konstruktionen zur Vorfußentlastung sind bisher unzureichend untersucht. Das Ziel dieser Studie war die Überprüfung des Einflusses von Einlagen- (retrokapitale Pelotte, Vorfußweichbettung, Kontrolle) und Schuhkonstruktionen (flexibel, steif) auf den Spitzendruck im Vorfuß.

Hintergrund und Fragestellung

Schuheinlagen können in der konservativen orthopädischen wie rheumatologischen Therapie eingesetzt werden, um Symptome zu mindern und Belastungen auf einzelne Fußstrukturen zu reduzieren (7, 21, 27). In der täglichen Praxis werden Schuheinlagen sehr häufig eingesetzt, obwohl die Evidenz durch randomisierte und kontrollierte Studien noch eingeschränkt ist. Für einzelne Beschwerdebilder, wie zum Beispiel das patellafemorale Schmerzsyndrom, die Plantarfasziitis oder einer Meta­tarsalgie, gibt es ermutigende Hinweise für den erfolgreichen Therapieeinsatz von Schuheinlagen, wenngleich weitere Therapiestudien gefordert werden (4, 10, 20, 25).
Bei Beschwerden des Vorfußes werden entlastende Maßnahmen für den Vorfuß gefordert. Dies könne durch weichbettende Einlagen und/oder Mittelfußpelotten, die retrokapital platziert werden, erreicht werden (18). Bezüglich der mechanischen Entlastung des Vorfußes werden in erster Linie diese beiden Konzepte genannt, wobei der retrokapitalen Pelotte am häufigsten eine Wirkung zugeschrieben wird.

Anthropometrische Charakteristika

Anthropometrie (n = 15)
Mittelwert ± SD
Alter (Jahre)
24 ± 3
Größe (cm)
169 ± 10
Gewicht (kg)
62 ± 10
BMI (kg/cm2)
22 ± 2
Trainingsumfang pro Woche (h)
3,5 ± 1

BMI Body-Mass-Index, SD Standardabweichung, h Stunden

Testkonditionen

Beschreibung Testkondition
Abkürzung Testkondition
Flexibler Schuh, neutrale Einlage
FN
Flexibler Schuh, Einlage mit retrokapitaler Pelotte
FP
Flexibler Schuh, Einlage mit Weichbettung
FW
Steifer Schuh, neutrale Einlage
SN
Steifer Schuh, Einlage mit retrokapitaler Pelotte
SP
Steifer Schuh, Einlage mit Weichbettung
SW

F flexibler Schuh, S steifer Schuh, P retrokapitale Pelotte, W Weichbettung, N neutrale Einlage (Kontrolle), Gesamtfuß

In orthopädischen Lehrbüchern wird traditionell vornehmlich die retrokapitale Pelotte als Mittel der Wahl (z. B. bei Metatarsalgie) beschrieben (5). Neben retrokapitalen Abstützungen, meist in Herzform, werden quere Abstützungen, sog. Stufenbettungen, zur Entlastung des Vorfußes beschrieben (2). Teilweise werden Vorfußweichbettungen in Kombination mit retrokapitalen Pelotten empfohlen (1). Selbst in aktuellen Lehrbüchern wird bei Metatarsalgie die retrokapitale Pelotte als einzige Methode der Wahl beschrieben (22, 29).

Geht es um die generelle Entlastung des Vorfußes mittels Schuhzurichtungen, werden Schuhmodifikationen durch Vorfußrollen („Schmetterlingsrolle nach Marquardt“) in Kombination mit retrokapitalen Abstützungen und Vorfußweichbettungen als optimal angesehen (22). Um die mechanische Entlastung des Vorfußes nachzuweisen, werden meist Analysen der plantaren Druckverteilung vorgenommen. Eine Studie konnte dabei zeigen, dass eine retrokapitale Pelotte („metatarsal pad“) gegenüber anders geformten Pads und im Vergleich zu einer Kontrolleinlage den Vorfuß am stärksten mechanisch entlasten kann (24). Diese Studie steht stellvertretend für weitere experimentelle Studien, die zeigen konnten, dass eine retrokapitale Pelotte („metatarsal pad“: Pelotte proximal der 2., 3., 4. Metatarsalköpfe) oder vergleichbare Abstützungen der Metatarsalia („metatarsal bar“, „metatarsal dome“: alle proximal der 2., 3., 4. Metatarsalköpfe platziert) die Druckbelastung im zentralen und medialen Vorfuß beim Gehen signifikant reduzieren können (6, 8, 11, 13, 15, 16, 19).

In jüngerer Zeit treten Vorfußweichbettungen, insbesondere im Sport, vermehrt in den Fokus (9). So konnte bei 23 Laufsportlern gezeigt werden, dass bei einer Laufgeschwindigkeit von 
10 km h–1 (2,78m s–1) nur eine Sportschuheinlage mit Vorfußweichbettung in der Lage ist, eine Druckreduktion zu realisieren. Demgegenüber konnte dies eine gleichartige Einlage mit retrokapitaler Pelotte im Vergleich zu einer Kontrolleinlage aus dem gleichen Basismaterial nicht erreichen (9). Im angloamerikanischen Raum und der Commonwealth-Region werden zudem konturierte Schuheinlagen zur Druckreduktion eingesetzt. Im Gegensatz zu Europa werden dort auch verstärkt vorgefertigte Einlagen („pre-fabricated“) angeboten und nicht ausschließlich eine individuelle Fertigung („customized“) angestrebt. Die stark konturierten Einlagen folgen dem Prinzip der Total-contact-Einlage mit dezidierter Rückfußfassung (28). Im europäischen Raum ist dies weitestgehend in jedem herkömmlichen Schuheinlagentyp realisiert. Eine dreidimensionale Konturierung ist deshalb als Standard anzusehen.

Eine englische Studie zeigt, dass unabhängig von der individuellen oder Standardfertigung konturierte Einlagen geringfügig die Druckbelastung im Vorfuß reduzieren können (28). Zudem wurde nachgewiesen, dass in Militärstiefeln getragene weichbettende Einlagen 
Spitzendruckbelastungen im Vorfuß reduzieren (14). Dies konnte in gleicher Weise eine weichbettende Einlage kombiniert mit retrokapitaler Pelotte erreichen (12). Wie oben angedeutet, kommt der Schuhversorgung zusätzlich eine wichtige Rolle zu. Der Schuh selbst (steife Sohle, flexible Sohle) wie auch konstruktive Merkmale wie Abrollhilfen können zusätzlich die Vorfußbelastung beeinflussen und bestenfalls reduzieren (22). Allerdings fehlen Untersuchungen, die in einem Testaufbau die Schuhkonstruktion (steife Sohle vs. flexible Schuhe) und die Konstruktionsprinzipien in Schuheinlagen (Vorfußweichbettung vs. retrokapitale Pelotte) kombiniert analysieren.

Das Ziel der Studie war deshalb die Analyse des plantaren Spitzendrucks im Vorfuß beim Tragen von verschiedenem Schuhwerk (steif und flexibel) mit Schuheinlagen mit retrokapitaler Pelotte oder Weichbettung im Vergleich zu einer Kontrolleinlage ohne spezifische Funktionselemente aus dem gleichen Ausgangsmaterial. Es wurde initial angenommen (Nullhypothese), dass keine Unterschiede zwischen dem Schuhwerk und den Schuheinlagentypen bezüglich möglicher Druckreduktionen im Vorfuß bestehen.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Studiendesign

Die Studie fand in einem Laborsetting im Querschnittdesign statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gingen mit einer Geschwindigkeit von 3,5 km h–1 (0,98m s–1) auf einem Laufband (Kettler® Marathon TX1, Kettler®, Ense-Parasit, D) in randomisierter Reihenfolge sechs Intervalle mit Kombinationen aus drei Einlagen (neutral, retrokapitale Pelotte, Vorfußweichbettung, Ortho-Team AG, Bern, CH) und zwei Schuhen (Modell: Preto, Sugar Shoes, Picada Café, BR: flexible Sohle, versteifte Sohle). Dabei wurde die plantare Druckverteilung mit einem In-Schuh-Sohlenmesssystem (pedar-x®, Novel®, München, D) erfasst.

Probanden

Es wurden 15 anamnestisch gesunde Personen zwischen 18 und 35 Jahren rekrutiert. Einschlusskriterien waren eine sportliche Tätigkeit von mindestens zweimal pro Woche 60 Minuten, keine akuten Beschwerden der unteren Extremität oder des Rückens sowie keine Operation an der unteren Extremität in den letzten 24 Monaten. Die morphologische Fußform wurde beurteilt. Bei allen 15 Personen wurde das Längsgewölbe als unauffällig, ohne nennenswerte Seitendifferenzen klassifiziert.

Ausschlusskriterien waren muskuläre und/oder neurologische Verletzungen/Erkrankungen, allgemeine akute Infekte, Thrombosen, frische Frakturen, Knochentumoren, Gefäßerkrankungen, Alkoholabhängigkeit oder Schwangerschaft. Alle Teilnehmerinnen (n = 12) und Teilnehmer (n = 3) nahmen freiwillig an der Studie teil und unterschrieben nach schriftlicher und mündlicher Aufklärung einen nach Good Clinical Practice (GCP)-Richtlinien erstellten Informed Consent. Die lokale Ethikkommission erklärte aufgrund des geringen Risikos ihre Nichtzuständigkeit (Votum Z039/12 vom 16.10.2012). Die deskriptiven Charakteristika der Kohorte sind aus Tabelle 1 ersichtlich.

Protokoll

Nach Aufklärung, schriftlichem Einverständnis und Erfassung der demografischen Daten absolvierten alle Testpersonen ein fünfminütiges Warm-up auf dem Laufband mit der späteren Testgeschwindigkeit (3,5 km h–1/0,98m s–1).Anschließend erfolgten sechs Testintervalle à zwei Minuten mit den randomisierten Testkonditionen. Für die Testschuhkondition wurde ein flachsohliger Schnürschuh ohne Fersensprengung mit dünner und flexibler Zwischen- und Außensohle (Modell: Preto, Sugar Shoes, Picada Café, BR) 
gewählt (Kondition F: flexibler Schuh).Dieser lag in allen notwendigen Schuhgrößen vor und wurde entsprechend einer komfortablen Passform vom Probanden anprobiert und selbst gewählt. Ein Größensatz des Testschuhs wurde mit einer ganzsohligen Kunststoffversteifung versehen, um die Flexibilität der ursprünglichen Sohle einzuschränken (Kondition S: steifer Schuh). Die Einlagenkonditionen wurden aus ­einem Ethylen-Vinylacetat-Copolymer (EVA-Material: Nora Lunalastik, Nora Systems GmbH,Weinheim, D, Shore 40) gefertigt. Eine neutrale Kontrollkondition bestand aus einer ganzsohligen Einlage (4mm, Shore 40) ohne Konturen und Funktionselemente (Kontrollkondition N: neutral). Die Kondition mit der retrokapitalen Pelotte (Kondition P: Pelotte) bestand aus dem gleichen ganzsohligen Grundmaterial (4 mm, Shore 40).

Die Position der Pelotte wurde mithilfe eines plantaren Fußscans (paroScan 2D mobil, Paromed®, Neubeuern, D) definiert. Die maximale Höhe der Pelotte betrug 6mm. Die retrokapitale Pelotte reichte proximal bis zum Beginn des Fußballens. Größe und Höhe der Pelotte wurden durch Palpieren des Fußes durch den immer gleichen Orthopädietechniker bestimmt. Maßgebend war die Festigkeit des Gewebes. Je nach Komfortempfinden der Probanden wurden die Größe und die Höhe der Pelotte noch korrigiert. Dies ist das übliche Vorgehen in der orthopädietechnischen Praxis. Die Festigkeit der Pelotte war identisch mit der Festigkeit der übrigen Schuheinlage. Für die dritte Schuheinlagentestkondition wurde eine ganzsohlige Einlage mit Vorfußweichbettung 
(4 mm, Shore 18) verwendet (Kondition W: Weichbettung). Diese war ebenfalls ohne Konturen. Die Tabelle 2 fasst die sechs Testkonditionen zusammen.

Während der Testintervalle wurde für 60 Sekunden die plantare Druckverteilung mit einer Messfrequenz von 100 Hz aufgezeichnet. Dafür wurde ein In-Schuh-Sohlenmesssystem verwendet (pedar-x®- System, Novel®, München, D). Jede Messsohle umfasst 99 kapazitive Sensoren. Dies resultiert abhängig von der verwendeten Sohlengröße in 
einer örtlichen Auflösung von rund einem Sensor pro zwei Quadradzentimeter. Das Messsystem wird als valide und reliabel für die Analyse der plantaren Druckverteilung angesehen (17, 26). Die Reihenfolge der Testkonditionen wurde anhand des Online-Tools „randomization.com“ zufällig gestaltet. Die Testpersonen wurden nicht über die 
Unterschiede der Testkonditionen aufgeklärt. Sie waren auch nicht über den genauen Zeitpunkt der Datenaufzeichnung informiert. Damit sollten Störvariablen wie psychologische Einflüsse auf das Gangmuster minimiert werden (23).

Die Daten wurden anschließend mit der Herstellersoftware auf Plausibilität geprüft (pedar-x® Recorder, Version 19.3.30, Novel®, München, D). Bei 
allen Bodenkontakten wurden ein initialer Kontakt mit dem Rückfuß und ein kontinuierlicher Verlauf des Center-of-Pressure verifiziert. Inkomplette Bodenkontakte wurden von der weiteren Auswertung ausgeschlossen. Danach wurde pro Testkondition aus 10 einzelnen Bodenkontakten eine repräsentative Druckverteilung (Novel® Scientific Software, Version 19.3.42, Novel®, München, D) berechnet (28).

Outcomes und Statistik

Aus den berechneten repräsentativen plantaren Druckverteilungen pro Kondition wurden folgende Outcomes extrahiert:

1. Primäres Outcome

Als primäres Outcome diente der planta­re Spitzendruck („peak pressure“ = im Vor­-fuß (kPa). Die Reliabilität dieses Outcomes wurde vorab in unserem Labor im Test-Retest-Design an 17 anamnes­tisch gesunden Probanden geprüft. Der Spitzendruck im Vorfuß zeigte eine ­ex­-zellente Reliabilität mit einem Intra-Class-Koeffizienten (ICC) von 0,97 und einer Test-Retest-Variabilität von 4,9 ± 6,5 Prozent. Der systematische ­Fehler („bias“) lag bei 4,1 kPa mit „limits of agreement“ nach Bland und Altman (Standardabweichung* 1,96) von 49,5 kPa (17).

2. Sekundäre Outcomes

a. Plantarer Spitzendruck („peak pressure“) im Gesamtfuß (kPa). Dort ergab die vorab gemachte Reliabilitätsanalyse einen ICC von 0,97, eine Test-Retest-Variabilität von 4,7 ± 4,5 Prozent und einen Bias von 1,2 kPa („limits of agreement“: 49,1 kPa) (17). Die Daten des Gesamtfußes werden dargestellt, um unabhängig von der Hauptfragestellung und unabhängig von möglichen methodologischen Unterschieden eine Vergleichbarkeit mit anderen Studien herzustellen und die Beurteilung der generellen Plausibilität sowie externen Validität mit der Literatur zu ermöglichen.

b. Plantarer Spitzendruck („peak pressure“) im Mittelfuß (kPa). Bezogen auf die Reliabilität konnte dort ein ICC von 0,90, eine Test-Retest-Variabilität von 10,1 ± 9,3 Prozent  und ein Bias von 
3,7 kPa („limits of agreement“: 31,5 kPa) erreicht werden (17). Der Spitzendruck im Mittelfuß wird beurteilt, um insbesondere Auswirkungen der Pelotte auf die Spitzendruckbelastung im Mittelfuß beurteilen zu können. Zur Definition des Vorfuß- und Mittelfußareals wurde der Fuß zunächst nach Cavanagh et al. (3) in Rückfuß, Mittelfuß, Vorfuß und Zehenbereich unterteilt.

Damit die individuell platzierte retrokapitale Pelotte nicht in den Vorfuß hineinreicht und dort fälschlicherweise Druckspitzen aufgrund der Erhöhung gemessen werden, wurde die Grenze zwischen Mittelfuß und Vorfuß individuell nach plausiblem Ausschluss der Pelotte vom Vorfußareal bestimmt. Dies hatte folgende geometrische Unterteilungen beginnend mit der Ferse 
(0 %) bis zur Fußspitze (100 %) zur Folge:
a. Vorfuß: Übergang Mittelfuß-Vorfuß individuell (66% ± 2) bis 80 Prozent der Fußlänge, primäres Outcome,
b. Gesamtfuß: 0 – 100 Prozent der Fußlänge, sekundäres Outcome,
c. Mittelfuß: 27 Prozent  der Fußlänge bis Übergang Mittelfuß-Vorfuß individuell (66% ± 2), sekundäres Outcome.

Vor der statistischen Analyse wurde eine Normalverteilung (Shapiro-Wilk-Test) der Daten bestätigt. Für das primäre Outcome (Spitzendruck in kPa im Vorfuß) und die sekundären Outcomes wurden Mittelwert, Standardabweichung (SD) und 95 Prozent-Konfidenz­intervalle berechnet und dargestellt (Tab. 3). Lediglich für das primäre Outcome Spitzendruck im Vorfuß fand eine statistische Prüfung statt. Angelehnt an die initiale Fragestellung (Einfluss der Schuheinlagenkonstruktion und/oder Einfluss des Schuhwerks auf den plantaren Spitzendruck im Vorfuß), wurde die Hypothesenprüfung anhand einer zweifaktoriellen ANOVA mit Messwertwiederholung (Faktor 1: Schuhwerk, Faktor 2: Schuheinlage, Signifikanzniveau: 5 %)vorgenommen. Die statistische Analyse erfolgte mit der Software JMP (SAS Institute Version 22.0, IBM® SPSS Inc., Chicago, USA).

Plantare Spitzendruckbelastung (kPa) im Vorfuß (Darstellung von Mittelwert, Standardabweichung [SD] und 95 %-Konfidenzintervall pro Messkondition). F flexibler Schuh, S steifer Schuh, N neutrale Einlage (Kontrolle), P retrokapitale Pelotte, W Weichbettung

Ergebnisse

Der Spitzendruck beziehungsweise „peak
pressure“ (kPa) im Vorfußbereich unterschied sich beim Faktor Schuhwerk statistisch signifikant (p< 0,0001). Die Spitzenbelastungen im steifen Schuh waren unabhängig von der Kondition gegenüber den Belastungen im flexiblen Schuh reduziert (Abb. 1). Bei der Prüfung auf Unterschiede für den Faktor Schuheinlage zeigte die ANOVA (mit anschließendem Post-hoc-Test nach Tukey) ebenfalls einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Konditionen (p = 0,0099).

Dies betraf den Unterschied zwischen Kontrolleinlage und retrokapitaler Pelotte beziehungsweise zwischen Kontrolleinlage und Vorfußweichbettung. Zwischen den Einlagenkonditionen retrokapitale Pelotte und Vorfußweichbettung bestand dagegen kein Unterscheid (p> 0,05) (Abb. 1). Betrachtet man das Ausmaß der Druckreduktion durch den steifen Schuh, so kann eine mittlere Reduktion der Spitzendruckbelastung im Vergleich zum flexiblen Schuh von 15 Prozent festgehalten werden. Die Druckreduktion durch die Einlagenkonditionen retrokapitale Pelotte und Vorfußweichbettung im Vergleich zur neutralen Kontrolleinlage (N) beträgt im flexiblen Schuh rund 9 Prozent und im steifen Schuh 11 Prozent (Tab. 3).

Verglichen mit dem flexiblen Schuh mit Kontrolleinlage kann eine Kombination aus steifem Schuh und retrokapitaler Pelotte oder die Kombination aus steifem Schuh und Vorfußweichbettung die Druckspitzen um 24 Prozent reduzieren. Für den Gesamtfuß werden 
mittlere Spitzendruckwerte von 286 – 316 kPa gemessen. Die niedrigsten Spitzendruckwerte treten in den Konditionen mit Vorfußweichbettung auf. Die Unterschiede sind jedoch als nicht relevant einzustufen (Tab. 3).
Die Analyse der Spitzendruckbelastung im Mittelfuß verdeutlicht eine wesentliche Spitzendruckerhöhung durch die retrokapitale Pelotte im steifen Schuh. Diese beträgt gegenüber der neutralen Kontrolleinlage 11 Prozent und rund 18 Prozent gegenüber der Vorfußweichbettung (Tab. 3).

Diskussion

Die Untersuchung hatte zum Ziel, den Effekt zweier Schuheinlagenkonstruktionen (retrokapitale Pelotte, Vorfußweichbettung) und zweier Schuhe (flexibel, steif) auf die plantare Druckverteilung des Vorfußes zu prüfen. Dieser rein mechanische Effekt wurde mit gesunden Testpersonen analysiert. Es zeigte sich, dass bei moderater Ganggeschwindigkeit, ein steifer Schuh gegenüber einem flexiblen Schuh die Druckbelastung 
des Vorfußes reduzieren kann. Zusätzlich können Einlagenfunktionselemente wie eine retrokapitale Pelotte oder eine Weichbettung im Vorfuß den Druck im Vorfuß verringern. Das Ausmaß der Reduktion ist vergleichbar mit ähnlichen Studien. Jackson et al. berichten über 
eine Reduktion der Vorfußbelastung durch eine retrokapitale Pelotte um 
12 Prozent (33 kPa) (15). In der vorliegenden Studie konnte eine Reduktion um 25 kPa bzw. 9 Prozent  erreicht werden.

Vergleichbare Ergebnisse für eine Weichbettung finden sich ebenfalls in der Literatur (12). Der kombinatorische Effekt von steifem Schuh plus Weichbettung oder Pelotte wurde so in keiner vergleichbaren Studie geprüft. Gegenüber einem flexiblen Schuh ohne Einlage wurde dadurch der Spitzendruck im Vorfuß um bis zu 24 Prozent reduziert. Es kann deshalb von einem additiven 
Effekt von Schuh und Hilfsmittel gesprochen werden. Einschränkend muss hier auf die Beeinflussung benachbarter Fußareale durch die Pelotte hingewiesen werden. Im Gegensatz zur Weichbettung kommt es durch die Pelotte zu erhöhten Druckspitzen im Mittelfuß.

Die gemessenen Druckwerte sind vergleichbar mit der Literatur. Die Range der Spitzendruckwerte lag im Vorfuß zwischen 210 und 275 kPa. Dies ist deckungsgleich mit einer vergleichbaren Untersuchung an 11 älteren Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis. Dort wurden bei selbst gewählter Ganggeschwindigkeit Druckwerte zwischen 216 und 275 kPa gemessen (15). Für die Werte des Gesamtfußes kann eine Vergleichbarkeit zur Literatur ebenfalls festgehalten werden. Eine Reliabilitätsstudie mit 53 Probandinnen und Probanden zur plantaren Druckverteilung in einem komfortablen Freizeitschuh bestätigt die Werte für den Spitzendruck. Dort wurden im Durchschnitt ebenfalls bei selbst gewählter Ganggeschwindigkeit Druckspitzen von 280 ± 83 kPa gemessen (26).

Eine weitere Studie mit 15 symptomfreien Probanden zur Druckverteilung bei verschiedenen individuell konfigurierten Einlagen im Vergleich zu vorgefertigten Einlagen berichtet von Spitzendruckwerten von im Mittel 345 ± 
83 kPa. Die gemittelten Spitzendruckwerte in der vorliegenden Studie waren 300 ± 53 kPa. Unterschiede in den absoluten Druckspitzen sind hauptsächlich durch unterschiedliche Schuhkonstruktionen und Einlagenmaterialien zu erklären (9). Die generelle Validität der Messungen ist jedoch gegeben. Bei der getesteten moderaten Ganggeschwindigkeit von 3,5 km h–1 war kein Unterschied zwischen den Einlagenfunktionselementen ersichtlich.

Dies steht im Gegensatz zu einer aktuellen Studie bei einer Laufgeschwindigkeit von 10 km h–1. Dort konnte bei größerer Dynamik und folglich höheren plantaren Belastungen nur bei der Vorfußweichbettung eine Druckreduktion festgestellt werden. Eine Testkondition mit retrokapitaler Pelotte war dagegen nicht in der Lage, gegenüber einer neutralen Einlage die Druckbelastung zu reduzieren (9). Offensichtlich muss in der praktischen Versorgung neben der Schuhwahl auch die zu erwartende Bewegungsdynamik mit einbezogen werden.

Limitationen

Für eine abschließende Bewertung der Ergebnisse sind folgende Limitationen zu beachten: Die vorliegende Studie prüfte lediglich die Effekte einer möglichen mechanischen Entlastung durch die gewählten Hilfsmitteloptionen. Der Test erfolgte zudem an anamnestisch gesunden Personen ohne Symptome oder Fehlstellungen. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Ergebnisse zum Beispiel bei Per­sonen mit ausgeprägtem Spreizfuß anders darstellen. Zusätzlich müssen in Zukunft prospektive klinische Studien klären, ob Patientinnen und Patienten mit den mechanisch nachgewiesenen Interventionen zur Reduktion der Vorfußbelastung auch hinsichtlich ihrer Beschwerdesymptomatik profitieren.

In methodischer Hinsicht kann kritisch angemerkt werden, dass lediglich der „peak pressure“ also der auftretende Spitzendruck im Vorfuß als Zielgröße diente. Häufig wird daneben das Druck-Zeit-
Integral (Pressure-Time-Integral) mit dargestellt, da es den zeitlichen Verlauf der Druckbelastung mitberücksichtigt (15, 26, 28). Allerdings ist die dadurch gewonnene Zusatzinformation äußert gering, da beide Messgrößen hoch korrelieren (30). Es ist deshalb gerechtfertigt, nur den Spitzendruck („peak pressure“) als Outcome heranzuziehen (9, 30). Das eingesetzte plantare Druckverteilungsmesssystem zur Messung im Schuh wird als reliabel und valide zur Messung der vertikal auftretenden Belastung angesehen (26). Allerdings sind keine Aussagen über mögliche Scherkräfte möglich (19). Die Analyse von Effekten durch mögliche dreidimensionale Ausformungen von Schuheinlagen ist deshalb nur eingeschränkt möglich. Allerdings trifft dies im vorliegenden Fall nur für den Bereich des Mittelfußes zu.

Plantare Druckverteilung (kPa) in den Fußarealen Vorfuß, Mittelfuß, Gesamtfuß

Kondition
Mittelwert ± SD (kPa)
Lower 95 %-Konfidenz-intervall (kPa)
Upper 95 %-Konfidenz-intervall (kPa)
Vorfuß
FN
275 ± 58
253
296
FP
250 ± 61
227
273
FW
249 ± 59
227
271
SN
237 ± 54
216
257
SP
210 ± 52
191
230
SW
210 ± 56
189
231
Mittelfuß
FN
210 ± 53
190
230
FP
202 ± 31
192
214
FW
188 ± 44
172
205
SN
183 ± 42
168
199
SP
205 ± 20
198
213
SW
169 ± 41
154
185
Gesamtfuß
FN
316 ± 49
297
334
FP
297 ± 51
278
316
FW
288 ± 57
267
310
SN
311 ± 59
289
333
SP
297 ± 57
276
318
SW
286 ± 58
264
308

Darstellung von Mittelwert, Standardabweichung (SD) und 95%-Konfidenzintervall pro Messkondition, F flexibler Schuh, S steifer Schuh, P retrokapitale Pelotte, W Weichbettung, N neutrale Einlage (Kontrolle)

Dort sorgte die retrokapitale Pelotte für eine inkonsistente Oberfläche. Die Validität der dort erhobenen Druckwerte kann deshalb eingeschränkt sein. Zug- und Scherkräfte auf die Drucksensoren der Messsohle können daher eine exakte Datener­hebung verhindern. Für das Zielareal Vorfuß und die zugehörige Hauptzielgröße Spitzendruck („peak pressure“) im Vorfuß gilt dies jedoch nicht. Dort lag die Messsohle ohne Verwerfungen glatt auf der Messoberfläche auf. Die Messwerte dort sind deshalb in jedem Fall vertrauenswürdig. Dies bestätigen auch die oben genannten Vergleiche mit der Literatur. Es kann festgehalten werden, dass alleine eine Änderung der Schuhwahl von einem Modell mit flexibler Sohle auf ein Modell mit steifer Sohle die Spitzendruckbelastung im Vorfuß reduziert. Die Schuheinlagenkonstruktionen mit retrokapitaler Pelotte oder mit Vorfußweichbettung können eine weitere Belastungsreduktion erreichen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei mangelnder Compliance vonseiten der Träger bereits durch eine der beiden Maßnahmen eine Verbesserung der Vorfußbelastung resultiert.

Sollte folglich der praktische Rat, einen steiferen Schuh zu verwenden, ignoriert werden, dann sorgt immerhin eine getragene Schuheinlage für einen positiven Effekt. Ebenso kann beim Nichttragen einer Einlage zumindest die richtige Schuhwahl eine Verbesserung der Druckbelastung erzeugen. Selbstverständlich verspricht am meisten Entlastung, wenn der kombinatorische Effekt von Schuh und Einlage berücksichtigt wird. Denkbar wäre hier zusätzlich zur Einlage auch eine Sohlenversteifung (ggf. zusätzlich eine Abrollhilfe) zu rezeptieren, um den Patientinnen und Patienten den maximalen Effekt zu ermöglichen.

Fazit für die Praxis

Ist eine mechanische Entlastung des Vorfußes das Behandlungsziel einer Schuheinlagenversorgung, so kann dies bei moderater Dynamik (Ganggeschwindigkeit: 3,5 km h–1/0,98 m s–1) sowohl durch eine retrokapitale Pelotte als auch durch eine Weichbettung im Bereich des Vorfußes erreicht werden.
Bei der retrokapitalen Pelotte ist zu beachten, dass damit im Mittelfuß erhöhte Druckspitzen resultieren. Die Schuhwahl hat zusätzlichen Einfluss. Schuhe mit steifer Sohle entlasten den Vorfuß im Vergleich zu Schuhwerk mit flexibler Sohle. Dies bestätigt theoretische Überlegungen und praktische Erfahrungen der Orthopädieschuhtechnik (vgl. auch Abrollhilfen als Schuhkonstruktionsmerkmale).

Zusammenfassung

Hintergrund: Schuheinlagen- und Schuhmodifikationen werden zur Reduktion des plantaren Spitzendruckes eingesetzt. Die Effekte verschiedener Schuheinlagen und -konstruktionen zur Vorfußentlastung sind bisher unzureichend untersucht.

Fragestellung: Ziel war die Überprüfung des Einflusses von Einlagen- (retrokapitale Pelotte, Vorfußweichbettung, Kontrolle) und Schuhkonstruktionen (flexibel, steif) auf den Spitzendruck im Vorfuß.

Material und Methoden: In die Studie wurden 15 gesunde Probanden eingeschlossen. Die plantare Druckverteilung wurde mit einem In-Schuh-System während des Gehens (3,5 km h–1) auf einem Laufband gemessen und der durchschnittliche plantare Spitzendruck (kPa) im Vorfuß berechnet. Die hypothesenprüfende Statistik erfolgte mittels zweifaktorieller ANOVA mit Messwertwiederholung (Faktoren: Schuh, Einlage; α = 0,05).

Ergebnisse: Sowohl die Einlage mit retrokapitaler Pelotte als auch die mit Vorfußweichbettung führten im Vergleich zur Kontrolleinlage zu einer Reduktion des Spitzendrucks (p= 0,009). Zwischen den beiden Einlagen bestand kein Unterschied (p> 0,05). Der Schuhvergleich zeigte eine signifikant geringere Vorfußbelastung im steifen Schuh im Vergleich zum flexiblen (p = 0,0001). Im Mittelfuß führte die Pelotte zu einem Druckanstieg von 12 und 21 % gegenüber der Kontrolleinlage und der Weichbettung.

Diskussion: Eine Druckentlastung des Vorfußes kann mittels Weichbettung oder mittels retrokapitaler Pelotte erreicht werden. Durch die Pelotte resultiert jedoch auch ein erhöhter Spitzendruck im Mittelfuß. Die Schuhwahl ist entscheidend, da ein steifer Schuh den Spitzendruck im Vorfuß stärker reduziert als ein flexibler Schuh. Ob Metatarsalgiepatienten von den getesteten Interventionen klinisch profitieren, muss zukünftig eine prospektive Therapiestudie untersuchen.
Beschwerden des Vorfußes sind häufig Begleiterscheinungen rheumatischer Erkrankungen, können jedoch auch isoliert auftreten (z. B. Metatarsalgie). Orthopädische Hilfsmittel unterstützen die konservative Therapie mit dem Ziel, Symptome zu reduzieren. Dabei wird meist eine mechanische Entlastung der betroffenen Fußstrukturen durch geeignetes Schuhwerk und konstruktive Elemente in Schuheinlagen angestrebt. Der Einfluss des Schuhwerks auf die mechanische Entlastung des Vorfußes ist jedoch nur unzureichend untersucht. Neue Erkenntnisse können unmittelbar helfen, die Versorgungspraxis zu optimieren.

 

{abo}

Anschrift für die Verfasser:
Dr. Heiner Baur
Fachbereich Gesundheit, Physiotherapie
Berner Fachhochschule
Bern, Schweiz
heiner.baur@bfh.ch

 

Ausgabe 10 / 2018

 

Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
Zurück
Speichern
Nach oben