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16. Juni 2021
Redaktion

TechnikRadar 2021: Digitalisierung verändert das Arzt-Patienten-Verhältnis

Elektronische Patientenakte, Telemedizin, digitale Vernetzung der Akteure: Das deutsche Gesundheitswesen steht vor einem tiefgreifenden Umbruch, da sind sich Ärzte sowie Vertreter von Krankenhäusern, Pharmaunternehmen und Patientenverbänden einig. Das zeigt das TechnikRadar 2021 von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, der Körber-Stiftung und dem Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart (ZIRIUS). Die Experten gehen davon aus, dass sich im Zuge der digitalen Transformation das Arzt-Patienten-Verhältnis grundsätzlich wandelt.

Foto: Rostislav Sedlacek/Adobe Stock

Demzufolge würden sich Ärzte zu „Informationsbrokern“ entwickeln, die nicht nur selbst diagnostizieren, sondern auch weitere Informationen und Daten für die Patienten einordnen, bewerten und richtigstellen müssen. Patienten hingegen biete die Digitalisierung die Chance, die eigene Souveränität zu stärken: Sie würden in Gesundheitsfragen häufiger selbst recherchieren, dadurch besser informiert und zunehmend mündiger. Die für den TechnikRadar 2021 befragten Akteure befürchten durch diese neue Situation aber auch Ohnmachtserfahrungen und eine Entmenschlichung des Gesundheitssystems.

Künstliche Intelligenz kann und darf Mediziner nicht ersetzen
Wie acatech ausführt, sind die Treiber dieses Wandels Gesundheitsdaten, die mit der Einführung der elektronischen Patientenakte und der digitalen Vernetzung des Gesundheitssystems schon bald in höherer Quantität und Qualität verfügbar sein werden. Patienten können diese Daten selbst verwalten und auch bestimmen, wofür sie genutzt werden. Ärzte haben dagegen die Möglichkeit, Daten mithilfe Künstlicher Intelligenz zu analysieren und abzugleichen – um am Ende bessere Diagnosen zu stellen und passgenauere Therapiemöglichkeiten abzuleiten, so acatech. In diesem Zusammenhang betonen die befragten Experten jedoch, dass Algorithmen und Künstliche Intelligenz Mediziner nicht ersetzen können und dürfen. Vielmehr sollen sie unterstützend eingesetzt werden.

“Digital Health Literacy” gefragt – verzerrte Daten können zu Fehlbefunden führen
„Die digitale Transformation des Gesundheitswesens ist kein Selbstläufer. Sowohl Ärzte als auch Patienten benötigen digitale Gesundheitskompetenz – Digital Health Literacy –, um das neue datenbasierte Wissen bewerten und nutzen zu können. Je souveräner der Umgang mit digitalen Technologien gelingt, desto größer sind die Aussichten auf einen allgemeinen Zugewinn und mehr Selbstbestimmung“, kommentiert Cordula Kropp, wissenschaftliche Projektleiterin und Soziologin vom Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart (ZIRIUS).

So müssten Patienten sowie Leistungserbringende beispielsweise darauf hingewiesen werden, dass Algorithmen mit Daten „trainiert“ werden. Sind diese Daten verzerrt, könne es zu Fehlbefunden kommen. Medizinische Studien würden beispielsweise zumeist an jungen, weißen, männlichen Probanden durchgeführt, vernachlässigten also Geschlecht, Alter und Ethnie. Wenn eine Künstliche Intelligenz auf Basis derartig verzerrter Daten Urteile falle, müssen diese entsprechend hinterfragt und eingeordnet werden.

Datenschutz erforderlich
„Gesundheitsrelevante Dienstleistungen, wie zum Beispiel der Einsatz von Algorithmen zur Diagnose oder Früherkennung von Krankheiten, haben ein großes Potenzial, vielen Menschen ein gesünderes und sichereres Leben zu ermöglichen. Gleichzeitig ist es aber erforderlich, dass persönliche Daten geschützt und ihre kommerzielle Nutzung streng reguliert wird. Wie wir Chancen nutzen, ohne die Risiken aus dem Blick zu verlieren, darüber sollten wir uns als Gesellschaft schon in einer möglichst frühen Phase von Innovationen verständigen,“ so Ortwin Renn, TechnikRadar-Projektleiter und acatech-Präsidiumsmitglied.

Tatjana König, Vorständin der Körber-Stiftung, macht deutlich: „Technischer Wandel ist nur mit den Menschen machbar. Sie müssen wissen, was auf sie zukommt, welche neuen Möglichkeiten, Fragen, Entscheidungen und Kompetenzen zukünftig erforderlich sind. Die digitale Transformation des Gesundheitswesens wird uns deshalb nur gelingen, wenn wir sie durch eine umfassende Aufklärung aller Bürgerinnen und Bürger begleiten und nicht zuletzt so einer möglichen Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken.“

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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