Social Media für Gesundheitshandwerke
Facebook, Twitter und Co. bieten Unternehmen die Chance, ihre Zielgruppen direkt und zeitnah zu erreichen. Gerade die Betriebe der Gesundheitshandwerke können ihre Kunden so informieren und gleichzeitig binden. Doch Accounts auf Social-Media-Plattformen sollten kompetent betreut werden. Wie können Unternehmen sich vor „Shitstorms“ schützen und sich die neuen Medien zunutze machen? von Stefan Slaby
Das Thema Homöopathie polarisiert. Eine Krankenkasse sollte das wissen. Die Techniker Krankenkasse (TK) wurde jedenfalls von diesem Umstand völlig überrascht. Und das kam so: Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter wurde die Krankenkasse mit Nachfragen über die Finanzierung und Wirksamkeit von Homöopathie konfrontiert. Die Antwort der Techniker war wenig geschmeidig:
„Lieber IlloSZ, können sie (sic!) uns saubere, wissenschaftliche Studien nennen, die die Nicht-Wirksamkeit von Homöopathie belegen?“
Dazu gibt es Studien, von der die Krankenkasse aber anscheinend nichts weiß. Anstatt vorher zu recherchieren, wird der User mit dieser unreflektierten Antwort in Vorteil gesetzt. Der lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen und antwortet prompt:
„DieTechniker Lenken Sie nicht ab. Bei Kostenübernahme aus Beiträgen müssen Sie die Wirksamkeit belegen, nicht ein Mitglied die Unwirksamkeit.“
Es folgt ein harter Schlagabtausch über die Finanzierung von Brillen, die im Gegensatz zur Homöopathie nicht finanziert werden, und schließlich ein sogenannter „Shitstorm“, in den viele Twitter-Nutzer verwickelt sind.
Die TK sah in dieser Affäre alles andere als gut aus, das Social-Media-Image ist ramponiert, das Wort vom „Praktikanten“ am Twitter-Account macht in der Netzgemeinde, wie so oft, die Runde. Der TK-Vorfall ist nicht der einzige, immer wieder rennen offensichtlich unprofessionelle Social-Media-Mitarbeiter bei Institutionen und Unternehmen in die Falle. Sie verursachen durch eine Mischung von Überheblichkeit und Kaltschnäuzigkeit erboste Reaktionen von Kunden und Beobachtern. Was tun?
Kein Social-Media-Engagement ist auch keine Lösung
„Da halte ich mich raus“ – diesen Satz hört man gerade von Kleinbetrieben im Gesundheitshandwerk oft, wenn es um Social-Media-Engagement geht. Auf den ersten Blick erspart man sich doch eine Menge Ärger oder nicht? Nur auf den ersten Blick. Denn einmal bieten Social Media wie Facebook und andere auch Chancen. Kundendialoge, interaktive Werbung, Empfehlungsmarketing: All das wird kostengünstig möglich.
Es wäre also töricht, auf diesen Kanal grundsätzlich aus Prinzip zu verzichten. Zugleich bedeutet Abstinenz keine Sicherheit vor Klatsch. Das ist ungefähr so, als ob jemand eine Familienfeier meidet, weil er hofft, dass dann nicht über ihn geredet wird. So ähnlich ist es mit sozialen Netzwerken auch. Nur, weil jemand dort nicht vertreten ist, heiß das nicht, dass ein gehörnter Kunde nichts Negatives dort verbreitet. Man merkt es nur nicht. Der Klatsch oder die Kritik bauen sich faktisch hinter dem Rücken auf. Erst vor der Ladentheke kommt die Überraschung: „Wissen Sie, was man sich über Ihren Laden im Internet erzählt?“ oder „Ihr Mitbewerber ist dort sehr aktiv und konnte Kunden von sich überzeugen.“ Denn auch das ist Fakt: Viele Unternehmen sind in sozialen Netzwerken vertreten. Wer nicht mitspielt, kann auch nicht profitieren.
Am Ende hängt die Entscheidung wie immer von der Zielgruppe ab. Verkehrt die nicht auf Facebook, dann macht das Engagement keinen Sinn. Ist nur ein Mitarbeiter dort vertreten und äußert sich zu unternehmerischen Fragen, dann braucht es Regeln. Davon soll jetzt die Rede sein.

1. Unternehmen, die nicht auf Social-Media-
Plattformen aktiv sind, lassen sich eine
wertvolle Gelegenheit zur Kundenbindung
entgehen (Foto: rondabroc.com/Fotolia){pborder}
Was sind Social-Media-Guidelines?
Social-Media-Guidelines werden hier und da als Leitplanken für das betriebliche Social-Media-Engagement gesehen. Und das trifft es ziemlich gut. Richtlinien für den Umgang von Betrieb und Mitarbeitern in Social Media sind notwendig, um Vorgänge, wie oben geschildert, zu vermeiden. Die Guidelines regeln den Umgang von Unternehmen und Mitarbeitern mit Social-Media-Plattformen, sie stellen Benimmregeln und Reaktionsmuster auf, einfach gesagt, sie definieren eine sogenannte „Netiquette“, die Umgangsformen im Netz.
Sie beziehen sich darauf, welche Plattformen genutzt werden (dürfen), regeln private und berufliche Nutzung, Kennzeichnung von individuellen Meinungsäußerungen, Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen, Verbreitung unternehmensrelevanter Daten, Umgangsformen, Sorgfalt bei der Quellenauswahl und -nutzung.
Social-Media-Guidelines werden idealerweise und – falls vorhanden – aus eigenen allgemeinen Verhaltensregeln abgeleitet (Corporate Behaviour). Viele Firmen haben diese Regeln schriftlich im sogenannten Corporate-Identity-Handbuch festgelegt.
Was regeln Social-Media- Guidelines?
Sind auch Umfang und Formulierung von Social-Media-Guidelines unterschiedlich, so gibt es inhaltlich branchenübergreifend Parallelen.
Wichtig: Die Regelungen sollen verbindlich sein. Nicht vor jedem Angriff von außen, vor allem nicht auf private Äußerungen von Mitarbeitern, sollte das Unternehmen zurückweichen. Das ist leider immer öfter der Fall und zeugt von wenig Selbstbewusstsein der betroffenen Firmen.
Zunächst einmal regeln die Guidelines, wo sich das Unternehmen engagiert. Plattformen und Foren mit ruppigem Ton und mit zweifelhaftem Publikum sollten außen vor bleiben.
Die Arbeitnehmer sollten angehalten werden, sich über die eigene Firma nur nach gründlicher Überlegung zu äußern. Betriebsgeheimnisse, politische Äußerungen im Namen der Firma und Beleidigungen sind tabu.
Persönliche Äußerungen über Kollegen und Chefs gehören nicht in die Öffentlichkeit.
Die Mitarbeiter sollten sich niemals im Namen der Firma äußern. Das ist Aufgabe der PR-Abteilung. Wer für das Unternehmen offiziell schreiben darf, ist verbindlich festzuhalten.
Datenschutzrechtlich ist in Social Media auf den verantwortungsvollen Umgang mit Passwörtern, Namen und Bildern hinzuweisen. Entsprechende Verweise auf das Urheber-, Persönlichkeits- und Wettbewerbsrecht müssen bereits außerhalb der Guidelines erfolgen.
Freizügiger Umgang mit Standortpositionen, sogenanntes Geo-Tracking, ist zu unterlassen. Externen wäre es sonst möglich, Bewegungsprofile von Mitarbeitern zu erstellen.
Gesondert hinzuweisen ist in den Guidelines auf Schnittstellen zwischen Arbeitsvertrag und Richtlinien für Social Media. Beispiel ist die immer wieder aufkeimende Diskussion über die Internetnutzung während der Arbeitszeit.
Schließlich ist es absolut sinnvoll, über die Nutzung von Links und Quellen zu informieren. Auf was verweist die Firma während einer Diskussion über das Gesundheitswesen? Zweifelhafte Studien lassen sich durch eine Überprüfung in Suchmaschinen finden und bewerten. Im Zweifel gilt eine alte journalistische Regel: Bestätigen zwei voneinander unabhängige seriöse Quellen eine Angabe, dann darf die Firma die dort niedergelegte Information ohne Bedenken wiedergeben. Gerade der letzte Hinweis ist mit Blick auf die sogenannte „Fake-News-Debatte“ (Fake News sind bewusste Falschnachrichten) zu beherzigen.
Werden zum Beispiel auf privaten Accounts des Anbieters Facebook-Meldungen über Betrügereien eines Wettbewerbers aus dem Gesundheitshandwerk verbreitet, gehört das nicht ins eigene Nachrichtenportal.

2. Guidelines für den Umgang mit Social
Media sollten mit allen betroffenen Mitarbeitern
gemeinsam erarbeitet werden
(Foto: Rawpixel.com/Fotolia)
Wer macht was? Die Ausarbeitung von Guidelines
Social-Media-Guidelines bedürfen der schriftlichen Ausarbeitung und sind Chefsache. Ihre Erarbeitung erfolgt sinnvollerweise im Team und nach den Grundlagen des „Modells der vollständigen Handlung“:
1) Analyse,
2) Planung,
3) Erstellung,
4) Kontrolle.
Im Team sollten Mitarbeiter und Führungskräfte vertreten sein. Dazu gehören auf jeden Fall internetaffine Köpfe. Abgucken ist nicht nur erlaubt, sondern geboten. Das Internet ist reich an Beispielen, die als Ideenbaukasten dienen können. Mit dem Suchbegriff „Social Media Guidelines“ lassen sich attraktive Treffer erzielen.
In der Analysephase wird der Ist-Stand des Internetengagements erhoben.
– Wo ist das Unternehmen im Internet aktiv?
– Wer spricht wie über unsere Firma?
– Welche Netzwerke nutzen die Mitarbeiter? (Freiwillige Auskunft!)
– Ist mit Blick auf unsere Zielgruppen ein Engagement sinnvoll?
– Welche Erfahrungen hat das Gesundheitshandwerk gesammelt?
– Welche Chancen und Risiken birgt unser Engagement?
– Wie erfahren sind Firma und Mitarbeiter?
In der Planungsphase legt das Team fest, wer für das Unternehmen welche Inhalte auf Social-Media-Plattformen posten darf. Hier sollten auch Regelungsumfang und Tabus festgelegt werden. Gibt es arbeitsvertragliche Grundlagen, dann sollten sie an dieser Stelle abgewogen und diskutiert werden. Ein Zeitplan für die Erarbeitung und ein Konzept über die zu regelnden Aspekte stehen am Ende dieser Phase.
In der Erstellungsphase steht die konkrete Formulierung an. Zu jedem vorher vereinbarten Inhalt werden ein bis zwei Sätze formuliert. Als Rohentwurf und dann in der Feinarbeit. Wichtig: Die Mitarbeiter sollten an der Formulierung beteiligt sein.
In der Kontrollphase bekommen alle Mitarbeiter den Entwurf zum Lesen vorgelegt. Kritik kann angebracht und die Guidelines noch einmal überarbeitet werden.

3. Ein sogenannter Shitstorm auf Facebook
kann Unternehmen ernsthafte Imageprobleme
bereiten (Foto: Brad Pict/Fotolia)
Die Praxis
Social-Media-Guidelines sollten verständlich formuliert werden. Fachbegriffe werden in einem Glossar erläutert. Gesetzesauszüge in einem Anhang abgedruckt. Der Text ist wie eine Aufzählung gestaltet, wichtige Aspekte heben die Verfasser durch Fettdruck hervor. Der Text kann gedruckt und digital zur Verfügung stehen. Sicherzustellen ist, dass alle Mitarbeiter von den Richtlinien erfahren. Ansprechpartner für Fragen sind am Schluss mit Kontaktdaten anzugeben. Besprechungen sind immer geeignet, die Richtlinien einzuführen.
In der Umsetzung kann das dann so aussehen:
– Wir reagieren nie eigenmächtig.
– Wir schreiben höflich und in freundlichem Tonfall.
– Wir meiden emotionale Reaktionen.
– Wir zitieren nur seriöse Quellen und prüfen diese vorher.
– Wir behaupten nichts, was wir nicht belegen können.
– Privat schreiben wir nichts im Namen des Unternehmens.
– Privat sprechen wir nur über eigene Erfahrungen.
– Wir geben nie firmeninterne Daten an.
– Wir beschimpfen oder beleidigen nie.
– Wir äußern Kritik immer unternehmensintern und nicht über soziale Netzwerke.
– Wir verbreiten keine Gerüchte über Unternehmen, Kollegen oder Vorgesetzte.
– Das Unternehmen meidet sensible Themen wie Religion oder Politik.
– Wir sammeln Kritik und verärgerte Kommentare zum Unternehmen und geben sie an das Social-Media-Team weiter.
– Wir achten die Rechte der Person und der Urheber.
Gerade der letzte Aspekt verlangt Fachwissen und Know-how. Es kann deshalb nicht schaden, zum rechtlichen Komplex ein Seminar zu veranstalten. Auch ein Schreib- und Kommunikationstraining sollte den Mitarbeitern angeboten werden. Und am Ende steht vor allem der Rat, mit der Arbeit in den sozialen Medien vor allem Personen mit Wissen über das Internet zu betrauen. Amateure werden schnell erkannt und entsprechend abgestraft, zum Schaden des Unternehmens.
Anschrift des Verfassers:
Stefan Slaby, rot Network
Schleswiger Straße 30
48147 Münster
Ausgabe 12 / 2017
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