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26. Januar 2017
Redaktion

Sensomotorische Einlagenversorgung bei Peroneus-Parese und spastischem Spitzfuß

Auf die Idee, Patienten mit Peroneus-Parese sowie Patienten mit spastischem Spitzfuß mit unserer sensomotorischen Einlage zu versorgen, sind wir eher durch Zufall gekommen. Diese Einlagen hatten wir mit weniger starken Pelotten zuvor bei Kindern mit Sichelfüßen eingesetzt, bis wir auf die Idee kamen, sie auch bei diesen beiden anderen Krankheitsbildern zu erproben.

Wir stellten fest, dass wir hier eine erhebliche korrigierende und motorische Wirkung erzielen können.

Für die Wirkung und Wirkungsweise sensomotorischer Einlagen gibt es bislang keine wissenschaftlich abgesicherten Erklärungen. Das hier Dargestellte ist eine Beobachtung aus der Praxis, die die Wirkung der Einlagen nicht im Detail zu erklären vermag.

Der spastische Spitzfuß

Beim spastischen Spitzfuß besteht eine dauernde Tonuserhöhung der Wadenmuskulatur (M. soleus und M. gastrocnemius). Diese bewirkt eine Plantarflexionsstellung des Fußes. Je nach Ausprägung des Spitzfußes erscheint das Bein dadurch länger; die Dorsalflexion des Fußes und das Abrollen über die Großzehe sind nicht möglich, was den Gang erheblich erschwert.

Je nach Schweregrad stehen als Behandlungsmöglichkeiten Physiotherapie oder Quengelschiene zur Verfügung, des Weiteren operative Maßnahmen. Eine normale Funktion kann jedoch durch keine dieser Therapien erreicht werden.

Die schlaffe Peroneus-Lähmung

Die schlaffe Peroneus-Parese wird durch einen zentralen oder peripheren Ausfall mehrerer oder einzelner Nerven hervorgerufen. Betroffen sein können der Nervus peroneus communis, der Nervus peroneus superficialis oder der Nervus profundus. Als Folgeerscheinung ist der Patient nicht in der Lage, den Fuß zu heben; der Fuß hängt in leichter Supina­tionsstellung schlaff nach unten. Das Gangbild ist erheblich beeinträchtigt, häufig stolpert der Patient über die Großzehe. Charakteristisch für die Peroneus-Parese ist der sogenannte „Steppergang“, bei dem das Bein abnormal hoch gehoben wird und der Patient mit der durchhängenden Fußspitze aufsetzt.

Die Behandlung besteht, je nach Schweregrad der Erkrankung, in verschiedenen Arten von Peroneus-Schienen. Operative Therapieoptionen bestehen nicht.

Wirkung bei schlaffer Peroneus-Lähmung

Um einen Anhaltspunkt dafür zu bekommen, ob eine Einlage eine Verbesserung des Gangbildes bewirken kann, palpieren wir den Fuß zunächst und beobachten die Reaktionen des Fußes. Außerdem ­haben wir Mustereinlagen in verschiedenen Größen, mit denen wir testen können, ob die Einlagenversorgung erfolgversprechend ist.

Wenn dies der Fall ist, beobachten wir bei Patienten mit schlaffen Peroneus-Lähmungen meist ab dem ers­ten sensomotorischen Impuls, den die neue Einlagenversorgung gibt, eine motorische Reaktion.

Im Vergleich zur unversorgten Situation zeigt der Patient mit der Einlage eine verminderte Supination; der Vorfuß bewegt sich in eine leichte Pronation. Die Fußhebung beim Gang ist verstärkt, die Außenrota­tion des Beins vermindert.

Subjektiv berichten die Patienten über einen flüssigeren Gang und heben positiv hervor, dass sie sich nicht mehr so stark beim Gehen konzentrieren müssen. Sie stolpern nicht mehr über die Großzehe. Ein bis zwei Wochen lang können nach längerem Gehen muskelkaterähnliche Schmerzen im gesamten Unterschenkelbereich auftreten – einige Pa­tienten sagen: „Hier tut sich was“.

Wirkung beim spastischen Spitzfuß

Der Effekt bei der Versorgung von Spitzfüßen hängt entscheidend vom Ausgangsbefund ab: Je geringer der Spitzfuß ausgeprägt ist, umso deutlicher ist der therapeutische Effekt der sensomotorischen Einlage. Beim spastischen Spitzfuß ist die Wirkung der Einlagen deutlich ­geringer, da der Fuß für die Einlagen­versorgung voll beweglich sein muss. ­Besteht ein massiver Spitzfuß mit ­Kniebeugekontraktur, ist die Wirkung geringer oder bleibt ganz aus. In vielen ­Fällen lässt die Spastik der Wadenmuskulatur jedoch deutlich nach. Die Armabduktion der kontralateralen Seite, die beim spastischen Gangbild zu beobachten ist, ist deutlich vermindert bis aufgehoben.

Subjektiv beschreiben die Patienten ihren Gang als rhythmischer und flüssiger; viele bemerken, dass sie sich nicht mehr so stark beim Gehen konzentrieren müssen.

Die Dauer des therapeutischen Effekts

Über die Langzeitwirkung der Einlage und die Dauer des therapeutischen Effekts wissen wir noch zu wenig. Vorstellbar sind aus unserer Sicht zwei Möglichkeiten:

  • Die sensomotorische Einlage führt nach einiger Zeit zu Gewöhnung und der sensorische Impuls ebbt ab. Bei unseren Patienten beobachten wir nach einem Jahr Einlagenversorgung jedoch keinen Gewöhnungseffekt; die Wirkung der Einlagen ist unverändert. Eine Langzeitbeobachtung steht noch aus.
  • Die sensomotorische Einlage führt zu einem Trainingseffekt. Hierüber können wir derzeit nur spekulieren. Anfängliche Schmerzen, die mitunter als Muskelkater gedeutet werden, könnten darauf hindeuten.

Kriterien unserer Versorgung

An unsere Versorgung von spastischen Spitzfüßen und schlaffen Peroneus-Lähmungen mit sensomotorischen Einlagen stellen wir folgende Anforderungen:

  • Die Diagnose muss valide sein; sie muss stimmig sein und sich mit den bestehenden Erfahrungen decken.
  • Bei fachgerechter Fertigung der Einlage muss bereits mit dem Rohling ein eindeutiger Effekt zu beobachten sein und per Video dokumentiert werden können.
  • Subjektiv muss der Patient eine deutliche Verbesserung spüren.
  • Die Wirkung der Einlagen muss jährlich kontrolliert werden; auch, um even­tuelle Gewöhnungs- oder Trainings­effekte zu erkennen.
  • Bei der Anfertigung der Einlagen müssen unsere Kriterien hinsichtlich der Position, der Höhe, der Anzahl und der Ausdehnung der Pelotten beachtet werden. Ebenso unsere Kriterien für die Auswahl des Materials. Die ausgewählten Eigenschaften der Pelotten richten sich nach den Ergebnissen der ausführlichen Palpation, die wir der Versorgung voranstellen.

Fazit

Wir sehen in unserer sensomotorischen Peroneus-Einlage eine Ergänzung zu den bisherigen Behandlungsmöglichkeiten bei schlaffer Peroneus-Parese sowie bei spas­tischem Spitzfuß. Auch wenn die Genese der Peroneus-Parese häufig unterschiedlich ist, ist die Wirkung unserer Einlage stets identisch und kann objektiv mittels Video-Analyse und subjektiv durch die Äußerungen der Patienten bestätigt werden. Die Wirkung stellt sich sofort mit dem sensorischen Impuls ein. Aus unserer Sicht stellt die sensomotorische Einlagenversorgung in ge­eigneten Fällen eine Alternative zur konservativen Schienenversorgung oder zu operativen Behandlungsmöglichkeiten dar.

Fallbeispiele

Die folgenden Fallbeispiele von Patienten mit Peroneus-Parese wurden von Dr. Ludwig Schoener, Facharzt für Orthopädie in Schwarzach, untersucht und dokumentiert. Die verwendeten Einlagen wurden nach unseren Kriterien hergestellt, individuell ange­passt und von Dr. Schoener orthopädisch begutachtet.

Fall 1: Unfallbedingte Peroneusparese

Der 54-jährige Mann hatte im August 2012 einen Motorradunfall erlitten. Dieser führte zu einer Weichteilverletzung des rechten Knies und einer Quetschung des Nervus peroneus in Höhe des rechten Fibulaköpfchens. Seitdem besteht eine komplette Peroneusparese rechts, welche per Elektromyografie gesichert ist.

Befund

Nach Fixierung der Bizepssehne besteht eine reizlose, breite Narbe über dem lateralen Fibulaköpfchen. Beim rechten Knie ist Strecken und Beugen möglich (0-0-90). Der Bandapparat ist fest; es besteht eine Dys­ästhesie im Peroneusbereich des rechten Unterschenkels. Rechts ist ein Fersenstand nicht möglich. Der Patellarsehnenreflex ist rechts und der Achillessehnenreflex ist beidseits vorhanden. Die Funktion des Großzehenhebers ist rechts aufgehoben.

Nach Versorgung mit der Peroneuseinlage links

Ein Video vom Gangbild des Patienten ohne und mit Einlagen finden Sie auf www.ostechnik.de unter Service/InfoPlus.

Wenn der Patient die Einlage trägt, ist der Steppergang verschwunden. Er stolpert nicht mehr über die Großzehe. Es findet am linken Fuß eine Dorsalflektion und eine Pronation statt. Der Gang ist flüssig. Die Armabduktion der kontralateralen Seite ist mit dem Tragen der Einlage verschwunden.

Subjektiv ist der Patient sehr zufrieden. Er kann frei und, wie er sagt, ohne dauernde Konzentration auf den Fuß gehen. Während der ersten zwei Wochen traten muskelkaterähnliche Schmerzen, am linken Unterschenkel auf.

Fall 2: Peroneusparese mit ungeklärter Ursache

Bei der 40-jährigen Patientin trat vor sechs Jahren plötzlich eine Peroneusparese links auf, welche bis heute andauert. Eine intensive neurologische und interne Diagnostik konnten keine klare Diagnose stellen. Das EMG im Peroneusbereich links ist pathologisch. Die Patientin kommt zur Einlagenversorgung wegen Fersenschmerzen links. Sie ist mit einer Peroneusschiene versorgt, die sie aus kosmetischen Gründen selten benutzt.

Befund

Komplette Peroneusparese links mit Dys­ästhesie im gesamten Peroneusbereich am linken Unterschenkel und gering abgeschwächter Dysästhesie interdigital an D1/D2. Links ist ein Fersenstand nicht möglich. Es liegt kein Anhaltspunkt für einen Fersensporn vor.

Nach Versorgung mit unserer Peroneuseinlage links

Auf dem Video unter www.ostechnik.de/

InfoPlus ist erkennbar, dass der Steppergang verschwunden ist. Die Patientin stolpert nicht mehr über die Großzehe. Am linken Fuß ist die Dorsalflektion und Pronation möglich. Der Gang ist flüssig.

Subjektiv ist die Patientin sehr zufrieden; sie kann frei und ohne dauernde Konzentration auf den Fuß gehen. Der Fersenschmerz ist nach einigen Tagen verschwunden. Während der ersten Woche traten muskelkaterähnliche Schmerzen am linken Unterschenkel auf.

Fall 3: Peroneusparese nach Bandscheiben-Operation

Bei dem 69-jährigen Mann besteht seit einer OP, die 2012 an der Bandscheibe durchgeführt wurde, eine komplette Peroneusparese links. Seit 2003 besteht eine Totalendoprothese des linken Hüftgelenks, mit einer Beinverkürzung um 1 cm.

Befund

Das linke Hüftgelenk ist frei beweglich, es liegen eine reizlose Narbe und eine Beinverkürzung um einen Zentimeter vor. Links besteht eine komplette Peroneusparese; der Fuß steht in leichter Supinationsstellung. Der Patient zeigt einen typischen Steppergang mit leichter Außenrotation des linken Beins. Links ist ein Fersenstand nicht möglich.

Nach Versorgung mit der Peroneuseinlage links

Das Video auf www.ostechnik.de zeigt, dass mit der Einlagenversorgung der Steppergang weitgehend verschwunden ist. Der Patient stolpert nicht mehr über die Großzehe. Es findet am linken Fuß eine Dorsalflektion und eine Pronation statt. Der Gang ist flüssig. Die Außenrotation ist verschwunden Subjektiv ist der Patient sehr zufrieden. Er kann frei, ohne dauernde Konzentration auf den Fuß gehen. Während der ersten zwei Wochen traten Schmerzen, ähnlich wie bei Muskelkater am linken Unterschenkel auf.

Fazit

Bei allen drei Fallbeispielen zeigt sich eine deutliche Verbesserung des Gangbildes; durch die sensomotorische Einlagenversorgung verschwindet der Steppergang weitgehend. Die Patienten zeigten sich mit der Versorgung sehr zufrieden und fühlten sich nach eigenen Angaben sicherer in der Schrittabwicklung.

Anschrift der Verfasser

Robert und Michael Zwickl

Schuhhaus Zwickl OHG

Stadtplatz 45

94327 Bogen

Ausgabe 12 / 2016

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Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
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