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2. Oktober 2019
Redaktion

Schuhsohlen – Material, Technik, Anforderungen, Prüfungen

Kein Schuh ohne Schuhsohle. Doch je nach Funktion und Einsatzgebiet werden ganz unter­schiedliche Anforderungen an Schuhsohlen gestellt, die entsprechend überprüft werden müssen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Materialien und Herstellungsverfahren für Schuhsohlen und welche Eigenschaften sie für die verschiedenen Einsatzgebiete besitzen müssen.


Funktion, Material, Aufbau und Herstellungsmethode einer Sohle hängen miteinander zusammen und können nicht unabhängig voneinander frei kombiniert werden. Bei der großen Mehrheit der hergestellten Schuhe werden Oberteil und Sohle in getrennten Prozessen und meist auch räumlich getrennt voneinander produziert. Es gibt allerdings auch Schuhe, bei denen die Sohle mit dem Oberteil als untrennbare Einheit hergestellt wird. Beispiele sind Schwimmschuhe, Badesandalen, Gummi- oder Polymerstiefel, Kunststoffsandalen, die als Monomaterialprodukte im Spritzgussverfahren kostengünstig hergestellt werden können, oder mittlerweile – ­teurer, aber dafür eventuell individualisiert – mit dem 3D-Drucker. Die Mehrzahl der Sohlen werden industriell als eigenständige Komponenten des Schuhs hergestellt, die in einem eigenen Prozessschritt mit dem Schuhoberteil dauerhaft verbunden werden. Die am häufigsten angewendete Fügemethode ist Kleben. Bestimmte Macharten, zum Beispiel Flexibel- oder Rahmengenäht, sehen das Nähen vor, meist von Ledersohlen, die dann nach Abnutzung ausgetauscht werden können. Dies wird beispielsweise bei auf Maß individuell gefertigten Schuhen durchaus praktiziert. Eine industrielle Alternative zum Kleben der Sohle ist das so genannte Direktbesohlen, bei dem die Laufsohle auf dem getrennt hergestellten Oberteil des Schuhs im Spritzgussverfahren hergestellt und gleichzeitig befestigt wird. Wie bei den meisten werkzeuggebundenen Urformverfahren werden hier stabile Formen benötigt, so dass die Formenkosten auf die Stückzahlen umgelegt werden müssen. Wie schon erwähnt, können Sohlenherstellung und -material nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Für die große Mehrzahl der Sohlen ist Spritzgusstechnik mit Polymerwerkstoffen der aktuelle Stand. Allerdings lassen sich nicht alle Sohlengeometrien und -strukturen technisch in Spritzgussformen abbilden. Im Orthopädiebereich werden Sohlen individuell entsprechend den Fußformen und Befunden angepasst. Dementsprechend werden bearbeitbare Sohlenmaterialien, Schuhkonstruktionen und Techniken gebraucht, die sich auch wirtschaftlich abbilden lassen. Dies schließt die Herstellung individueller Spritzgussformen meist aus. Aufgrund der Fortschritte der 3D-Druckmaterialien können individualisierte Sohlen, Sohlen mit komplexen Strukturen oder Texturen beziehungsweise Sohlen mit über Strukturelementen individuell angepassten, lokal unterschiedlichen Dämpfungseigenschaften mittlerweile per 3D-Druck hergestellt werden. Die Materialauswahl für dauergebrauchstaugliche Sohlen ist dabei allerdings immer noch eingeschränkt.

Material

Entscheidend für Funktion, Performance und Aussehen von Sohlen sind im Wesentlichen die Materialien, aus denen die Sohlen aufgebaut sind. Aufgrund der unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften, Rohstoffkosten und Verarbeitbarkeit der unterschiedlichen Materialien sind Schuhsohlen meist Verbundkonstruktionen. Die unterste Sohlenschicht, die eigentliche Laufsohle, muss abriebfest sein. Hier wird häufig thermoplastisches (spritzgussfähiges) Polyurethan-Material (TPU) beziehungsweise thermoplastischer Gummi (TPR) oder vulkanisierter Gummi eingesetzt, entweder als synthetischer Kautschuk wie Styrol-Butadiene-Rubber (SBR) und Ethylen-Propylen-Dien (EPDM). Wenn chemische Beständigkeit gegen Kraftstoffe gefordert ist, wird Nitrilkautschuk (Nitrile-Butadiene-Rubber/NBR) verwendet. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Materialdichte und Abriebfestigkeit, so dass die Dichten dieser Materialien relativ hoch sind (SBR ca. 1.2 – 1.4 g/cm3, NBR ca. 1.2 – 1.4 g/cm3). Daher werden die Laufsohlen aus Gewichtsgründen relativ dünn gehalten. Für den Aufbau der Sohlenhöhe und der Absatzsprengung sowie die Optimierung der Dämpfungs- und Komforteigenschaften der Schuhe werden leichtere, kostengünstigere Zwischensohlen verwendet. Am häufigsten findet hier Polyurethan (PU) Anwendung (Dichte ca. 0.3 – 0.6 g/cm3) aber auch EVA (Dichte 0.9 g/cm3), das aufgrund guter Abriebwerte auch für die Lauffläche geeignet ist. Die gute mechanische Bearbeitbarkeit macht EVA für die Orthopädieschuhtechnik interessant. Hier wird auch Leichtgummi eingesetzt (Dichte 0.3 – 0.5 g/cm3). Schuhe mit geklebter Laufsohle haben häufig eine Brandsohle aus Leder, Karton, Lederfaserstoffen oder anderen Verbundmaterialien. Über eine (im Orthopädiebereich üblicherweise individuell angepasste) Einlegesohle wird die Fußgeometrie definiert. Eine eventuell vorhandene Decksohle aus Textil oder Leder stellt den direkten Kontakt zur Socke oder Haut des Fußes her. Ebenfalls genutzte ­Werkstoffe für Lauf­sohlen sind Leder, Textil, Naturkaut­schuk/Latex, Korkverbünde, Holz, PVC usw. Neben der Dichte ist die Härte der Materialien eine wichtige Kenngröße. Für Sohlenkunststoffe wird die Härte üblicherweise in Shore A angegeben. Die dementsprechend ermittelte Härte entspricht der Eindringtiefe eines definierten (mehr oder weniger spitzen) harten Dorns in die Materialoberfläche bei definierten Kräften. Dorn und jeweilige Eindringtiefe variieren entsprechend der Härteskala. Typische Härten von Laufsohlen sind 50 – 70 Shore A. Die Härte, wie auch die Dichte von Spritzgussteilen, wird bestimmt über Material, Spritzgussdruck, Temperatur, Füllstoffe und weitere Faktoren. Zu beachten ist, dass die Härte eine Eigenschaft beschreibt, die an der Oberfläche eines Körpers gemessen wird. Über die physikalischen Eigenschaften einer Sohle, wie zum Beispiel die Dämpfung und die Steifigkeit, entscheiden ganz wesentlich auch die Sohlenstruktur und die Konstruktion. Auch die Art der Befestigung der Sohle am Schuh beeinflusst die Steifigkeit des ganzen Schuhs entscheidend.

Qualität

Wie bei allen Gegenständen des täglichen Bedarfs gilt es auch bei Schuhen, den Erwartungen des Verbrauchers möglichst gerecht zu werden. Die Sohle sollte nicht vor der erwarteten Nutzungsdauer kaputt gehen. Gründe, welche die Nutzungseignung einer Sohle am Schuh beenden, sind unter anderem

  • Schäden, wie Riss in der Laufsohle, Bruch der Sohle oder einer Komponente, zum Beispiel Gelenk oder Durchtrittschutz, die vor dem Ende der normalen Nutzungsdauer durch Belastung eintreten,
  • durch Nutzung zu erwartende Veränderungen an der Sohle, wie beispielsweise Verschleiß durch Sohlenabrieb,
  • vorzeitige Alterung, beispielsweise eine sich auflösende oder abfallende Sohle, weil die Klebung nicht dauerstabil ist oder weil die Hydrolyse einer Zwischensohle zugesetzt hat.

In den Labors des PFI werden alle diese und weitere mögliche Ausfallursachen tagtäglich an Schuhen und Sohlen überprüft. Fast immer geschieht das an neuen Schuhen, bevor sie in den Verkehr gebracht werden. Hier besteht die Aufgabe, über Prüfungen im Neuzustand Mängel festzustellen, welche die zu erwartende Nutzungsdauer einschränken. Bei den Prüfungen sollen aber auch generell Mängel erkannt werden, die ein Inverkehrbringen infolge gesetzlicher Vorgaben verbieten oder riskant machen, weil für den Händler beziehungsweise Hersteller ein erhöhtes Reklamationsrisiko besteht. Gründe, die das Inverkehrbringen verbieten, sind Schadstoffe im Schuh, oder das Nichteinhalten standardisierter technischer Vorgaben aus Normen, zum Beispiel im Bereich Persön­licher Schutzausrüstung (PSA). Neben den Eigenschaften im Neuzustand spielt hierbei die Dauergebrauchstauglichkeit eine wesentliche Rolle. Da ein Schuhleben viele Jahre dauert, mit eventuell hunderttausenden von Schritten, ist die Kunst hierbei, im Labor die möglichen Ausfälle in wenigen Tagen oder gar Stunden festzustellen. Insbesondere für Verschleißaussagen müssen die physikalischen Belastungen an Schuh und Sohle gegenüber der normalen Nutzung deutlich erhöht werden, um während der relativ kurzen Prüfdauer Aussagen treffen zu können. Eine Laufsohle wird hierbei zum Beispiel vor der Dauerbelastungsprüfung mit Einstichen gezielt geschädigt und das Risswachstum nach Sohlenbiegungen in einer normierten Maschine als Beurteilungskriterium herangezogen. Eine durchtrittsichere Einlegesohle aus Metall oder Textil wird mit einer Frequenz von 16 Hz eine Million Mal gebogen, um Brüche beim Abrollen während des Gehens festzustellen. Für Polymerwerkstoffe lassen sich aufgrund der internen Dämpfung derart hohe Prüffrequenzen nicht ohne weiteres anwenden. Sie würden sich zu stark erwärmen und damit die Aussagekraft der Prüfungen in Frage stellen.Ein Beispiel, das die Notwendigkeit beschleunigter Alterung im Labor darlegt, werden nicht wenige aus eigner Erfahrung kennen: Ein Paar Schuhe, das länger unbenutzt im Schrank stand, wird beim Anziehen noch als einwandfrei empfunden, aber irgendwann wird das Gehen „komisch“ und man muss beobachten, wie die Zwischensohle eines der beiden Schuhe nach und nach zerbröselt. Ursache ist hier die Hydrolyse, bei der die Verbindungsstrukturen des Materials durch Wasserdampf und Wärme aufgelöst werden. Dies kann insbesondere bei PU-Sohlen auftreten. Für diese Art der Prüfung wird die künstliche Alterung im Labor durch Anwendung von erhöhter Temperatur, Luftfeuchtigkeit und starker Einwirkung von UV-Licht simuliert.

Weitere typische Mängel, die im PFI an Sohlen immer wieder festgestellt und auf die entsprechend geprüft wird, sind

  • Brüche der Laufsohle,
  • Ablösen der Sohle vom Schuh,
  • Ablösen des Absatzes,
  • Brechen des Absatzes bei hoch­gesprengten Schuhen,
  • Bruch des Gelenks,
  • Farbveränderungen,
  • erhöhter Abrieb,
  • nicht ausreichende Gleitsicherheit,
  • nicht ausreichende Wasserdichtigkeit.

An Sicherheitsschuhen kommen noch weitere Fehlerquellen, beziehungsweise Prüfungen hinzu, wie zum Beispiel

  • nicht ausreichender Schutz vor Nageldurchtritt/Bruch der durchtrittsicheren Einlegesohle,
  • zu hohe oder zu niedrige elektrische Leitfähigkeit,
  • ungenügende thermische Isolation gegen Kälte und Hitze,
  • zu geringe Energieaufnahme/Dämpfung im Fersenbereich.

Wichtige Kriterien zum Einsatz einer Schuhsohle sind die Gleitsicherheit und das Abriebverhalten. Geprüft werden können diese nach verschiedenen Verfahren. Wenn die Prüfungen entsprechend der Sicherheitsschuhnorm ISO 20344 erfolgen, dann liegt der Gleitsicherheit ein Maschinenverfahren zugrunde, das im Wesentlichen einen Gleitkoeffizienten unter definierten Bedingungen ermittelt. Hierbei wird der zu prüfende Schuh auf eine (evtl. mit einer Gleitflüssigkeit benetzte) Stahlplatte oder Fliese mit einer definierten Kraft aufgesetzt und relativ zum Boden mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, wobei die Horizontal-(Reib-)Kräfte erfasst werden und hierüber ein gemittelter Reibkoeffizient errechnet wird. Die Ermittlung des Abriebwiderstandes erfolgt nach DIN ISO 4649, indem ermittelt wird, wie stark der Abrieb eines fest stehenden, zylindrischen Prüfkörpers aus dem Sohlenmaterial beim Bewegen über einen drehenden, auf einer Walze aufgebrachten Schmirgelbogen ist. Die Einflüsse der Sohlengeometrie und des Sohlenprofils auf Abrieb und Gleitsicherheit wurden in einem Forschungsprojekt am PFI untersucht und hieraus Gestaltungsrichtlinien abgeleitet. In einem selbst aufgebauten Kontaktflächenmessgerät wurden die Einflüsse von Kontaktflächen und Profilkanten untersucht sowie Stauchungseffekte während des Gleitvorgangs. Insbesondere bei feuchten Untergründen sind die führenden Profilkanten sehr wichtig (Scheibenwischereffekt).

Ein nachträgliches leichtes Abschleifen vorher scharfer Kanten führte beispielsweise zu signifikant reduzierten Reibkoeffizienten. Über eine Sohle, die nach dem Baukastenprinzip hergestellt werden kann, wurden die Einflüsse von Profilformen, Oberflächenhärten, Mikrostruktur der Oberflächen und Kontaktflächen untersucht. Bei letzteren zeigten kleinere Kontaktflächen bessere Reibwerte, aber infolge höherer Drücke auch höheren Abrieb.

Eintauchschutz von Kappen

Eine wesentliche Anforderung an Sicher­heitsschuhe ist der Schutz der Zehen, beispielsweise vor herabfallenden Gegenständen oder vor schweren Gewichten, wie es unter anderem in ISO 20345 beschrieben ist. In der Sicherheitsschuh-Norm ISO 20344 wird ein Fallversuch beschrieben, bei dem die Verformung im Vorfußbereich während der ganzen Belastungsdauer begrenzt sein muss. Dazu wird im Innern der Kappe ein Plastilinzylinder platziert, der das tatsächliche Einsinken der Kappe erfasst, auch wenn die Kappe nach der Belastung wieder zum Teil in den Ursprungszustand zurückgeht. Es ist einleuchtend, dass diese Anforderung die Schutzkappen direkt berührt. Auf den ersten Blick weniger ersichtlich ist, dass auch die Sohle einen signifikanten Beitrag zum Schutz liefern muss. In einem Forschungsprojekt hat das PFI den Schutz beim Überrollen des Vorfußes durch einen Stapler untersucht (Abb. 5). Dabei zeigte sich, dass sich die Kappen unter Umständen sehr weit in die Sohle oder mit der Sohle gar in den Untergrund des Schuhs drücken. Selbst wenn also die Kappe der Belastung Stand hält, kann dies durch das Einsinken der Kappe in die Sohlen fatale Folgen für den Vorfuß des Trägers haben. Material und Konstruktion der Sohle, insbesondere die Ankopplung der Kappen sind hier relevante Größen, die es zu beachten gilt. Neben dem Schutz des Fußes von oben müssen Sohlen in Sicherheitsschuhen auch Nägel von Füßen fernhalten. Dies ist ebenfalls in ISO 20345 beschrieben und wird mit einem Nageldurchtritt-Versuch geprüft. Hierbei wird ein Nagel mit festgelegter Geometrie an vier oder fünf verschiedenen Stellen langsam (10 mm/min) in die Sohle gedrückt. Je nach Material des Durchtrittschutzes und des Nagels wird die Maximalkraft herangezogen, die immer größer als 1.1 kN sein muss, oder mit einer definierten Kraft (1.1 kN) gedrückt, ohne dass die Nagelspitze nach innen durchdringen (sichtbar werden) darf. Der elektrische Durchgangswiderstand einer Sohle beschreibt im Grunde, welcher Strom fließt, wenn eine elektrische Spannung zwischen dem Körper des Trägers und dem Untergrund besteht. Da schon ein Strom von wenigen Milliampere für den Menschen gefährlich werden kann, sollte der elektrische Widerstand von Schuhen zum Schutz vor einem elektrischen Schlag, zum Beispiel bei Elektroarbeiten, möglichst groß sein. Da ein hoher elektrischer Widerstand der Sohlen andererseits aber die Neigung zur elektrischen Aufladung erhöht, sollte im Sinne geringer antistatischer Aufladung und zum Schutz elektrostatisch gefährdeter Bauteile (ESD) der elektrische Widerstand möglichst klein sein. Reale Werte liegen im Bereich von 10 MΩ (107 Ohm) bis 10 GΩ (1010 Ohm). Beteiligt an elektrostatischer Aufladung sind immer die Reibpartner Bodenbelag und Schuhsohle. In einem aktuellen Forschungsprojekt untersucht das PFI zusammen mit dem Teppichforschungsinstitut in Aachenund dem Institut für Holztechnologie Dresden die Möglichkeit, die elek­trischen Aufladeeigenschaften von Bodenbelägen in einem Maschinenverfahren zu erfassen. Das aktuelle Verfahren beruht auf Gehversuchen durch Prüfpersonen. Den subjektiven Einfluss des Menschen möchte man ersetzen durch ein möglichst einfaches, aber trotzdem reproduzierbares Maschinenverfahren, das kompatibel zu den Ergebnissen der aktuellen Methode ist.

 

Performance

Im Orthopädiebereich ist die Funktionalisierung und Anpassung eines Schuhs auf die Bedürfnisse und Anforderungen des Trägers über Sohlen und Einlegesohlen tägliche Praxis, so dass individualisierte, oft komplex aufgebaute Schuhböden entstehen. Aber auch in nicht-orthopädischen Schuhen wird in das Sohlendesign einiges an Aufwand gesteckt. Angetrieben von gesetzlichen Vorgaben im Sicherheitsschuhbereich, dem Anspruch auf hohe Performance der Produkte und ­einem ansprechenden, modischen ­Design entstehen sowohl konstruktiv als auch materialtechnisch anspruchs­volle Sohlen. Insbesondere Sportschuhhersteller ent­wickeln immer wieder neue Sohlenkonstruktionen. Sie sollen die Schuhe noch etwas leichter machen und in der Dämpfung effektiver werden. Weiterhin sollen sie dem Träger in der Abhebephase des Schritts die beim Aufsetzen in der Sohle gespeicherte Bewegungsenergie wieder zurückgeben oder die Traktion beim Beschleunigen und Bremsen an die Erfordernisse der jeweiligen Aktivität anpassen. So hat jede Sportart mittlerweile ihren angepassten Schuhtyp. Entsprechend vielfältig sind die möglichen Aufbauten von Schuhsohlen. Neben Mängeln, die durch Prüfen erfassbar sind, gibt es dementsprechend weitere messbare Eigenschaften von Sohlen, die eher auf Komfort, Funktionalität und Performance der Schuhe Auswirkung haben. Beispielsweise sind dies

  • Gewicht der Sohle,
  • Dicke der Sohle,
  • Dämpfungseigenschaften, insbesondere im Fersenbereich,
  • Härte der Sohlenoberfläche,
  • Flexibilität der Sohle,
  • passformrelevante Größen, wie Schuhlänge, Weite, Sohlenkonstruktionsmaße,
  • Klimaparameter, wie thermisches Isolationsvermögen, Wärmekapazität,
  • Wasserdichtigkeit.

Ein geringes Gewicht eines Schuhs ist eine Eigenschaft, mit der gerne geworben wird und in die auch einiges an Entwicklungsarbeit gesteckt wird. Eine überschlägige Rechnung zeigt, dass Einsparungen von wenigen Gramm am Schuh nur im Hochleistungssport, bei hohen Geschwindigkeiten und Schrittfrequenzen spürbar werden können. Die Dämpfungseigenschaften einer Sohle lassen sich sowohl statisch als auch dynamisch messen. Bei Sicherheitsschuhen wird die Prüfung der Energieaufnahme im Fersenbereich von Sicherheitsschuhen (Schutz vor Fersenbeinbrüchen) mit einem Druckstempel, der sich mit 10 mm/min bewegt, getestet. Dass damit Aussagen zur Performance der Sohle gemacht werden können, darf bezweifelt werden. Aussagekräftiger sind hier Versuche, mit denen die Energieabsorption und Kraftverläufe eines Fallversuchs erfasst werden. In Abbildung 7 ist zur Erläuterung der Verlauf der Kraft während des Aufpralls eines fersenförmigen metallenen Prüfkörpers auf den Absatzbereich einer Sohle über der Eindringtiefe dargestellt und zum Vergleich der Verlauf einer linearen Feder, gemessen jeweils mit einer PFI-Schockabsorptions-Prüfmaschine. Die Fläche zwischen s-Achse und der roten Kurve entspricht der Energie, die durch die fallende Masse in die Ferse eingebracht wird. Die Fläche zwischen der s-Achse und der grünen Kurve entspricht der Energie, die von der Sohle wieder zurückgegeben wird. Dementsprechend ist die Fläche innerhalb des Bereichs, der durch die rote und grüne Kurve umrahmt wird, die von der Sohle absorbierte – und in Wärme umgewandelte – Energie. Die inneren schwarzen Kurven beschreiben den zweiten und dritten Aufprall bis zum Ausschwingen bei einem durch das Gewicht der fallenden Masse und der Steifigkeit der Sohle bestimmten Punkt. Bei der linearen Feder ist zu sehen, dass hier fast keine Energie absorbiert wird und eine entsprechend hohe Anzahl an weiteren Aufschlägen auf die Feder auftritt. Die Steigung der Kurve entspricht der Federkonstante nach dem aus dem Physikunterricht bekannten Hooke‘schen Gesetz. Wie gezeigt, wird bei der passiven Dämpfung in Sohlen ein Teil der Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt. Hier stellt sich die Frage, ob nicht diese Energie anderweitig genutzt werden kann. Eine Abschätzung der zu erwartenden Energiemenge einer 70 Kilogramm schweren Person beim Fersenauftritt und Zusammendrücken der Sohle um 5 Millimeter liefert pro Schritt Wschritt= m g h = 70 kg 9.81 m/s2 0.005 m = 3.4 J Bei einer Schrittfrequenz von f = 1Hz (Gehen) ergibt sich eine Leistung von P = ½ f Wschritt = 1.7 W pro Schuh. Einen wirklich guten Wirkungsgrad eines elektrischen Generators dieser Größenordnung vorausgesetzt, kann beim Gehen und aktiver Dämpfung im Fersenbereich bestenfalls eine elektrische Leistung von 1 Watt im Schuh erzeugt werden. Zusammen mit dem Institut für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft e.V., HSG-IMIT hat das PFI in einem Forschungsprojekt elektronische Komponenten zum Generieren und Speichern elektrischer Energie, die aus der Bewegung abgeleitet wird, entwickelt. Diese so genannten Energy-Harvester können die ungenutzte Energie aus Systemen der Umwelt entnehmen und für sensorische Anwendungen nutzbar machen. In einem weiteren Projekt hat das PFI ein System entwickelt, bei dem während des Abrollens nach dem dynamoelektrischen Prinzip elektrischer Strom erzeugt wird, der dann über eine aktiv belüftete Sohle gesteuert zum Klimatisieren im Schuh genutzt wird. Der praktische Nutzen dieser Generatoren liegt darin, dass beim Gehen elektrische Energie erzeugt werden kann, mit denen sensorische Anwendungen im Schuh dauerhaft, ohne Austausch oder Nachladen von Batterien bzw. Akkus, möglich werden.Hinsichtlich Sensorik im Schuh haben ISC und PFI beispielsweise in einem AiF-Forschungsprojekt einen sensorbasierten Schuh entwickelt, in dem ein Messsystem zur Ganganalyse und Trainingskontrolle vollständig integriert ist (Abb. 8). Dieser Schuh könnte die ambulante Rehabilitation von Verletzungen oder Erkrankungen, die sich auf den menschlichen Gang auswirken, unterstützen und möglicherweise sogar verbessern.All die Schutzfunktionen, die ein Schuh dem Fuß bietet, haben selbstverständlich auch Auswirkungen auf Biomechanik und Gang des Trägers. Grob gesagt: Je mehr Schutz und Abkopplung von der Umwelt, desto mehr entfernt sich der Gang vom Barfußlauf. Ein wichtiges, messbares Kriterium ist die Flexibilität bei Torsion und Biegung (Abrollen) des Schuhs, die maßgeblich von der Sohle beeinflusst wird (Abb. 9). Über eine Prüfmaschine kann die Flexibilität von Schuhen und Sohlen quasistatisch und dynamisch erfasst werden. In einem Forschungsprojekt und in Studienarbeiten am PFI wurde diese untersucht. Ein interessantes Ergebnis war, dass die meisten Schuhe – wie zu erwarten – nach mehreren Belastungszyklen weniger steif waren und sich asymptotisch einem bleibenden Wert näherten, aber nach den Prüfungen und einer Erholungszeit wieder annährend die Anfangssteifigkeiten annahmen. Offensichtlich werden anfänglich feste interne Strukturen durch Bewegung und Wärmeentwicklung gelockert, die sich nach Ende der Bewegung wieder „setzen“.Für verschiedene Tragesituationen wäre es vorteilhaft, wenn Sohlensteifigkeit und Dämpfung adaptiv angepasst werden könnten. Technische Möglichkeiten hierzu wurden in einem Forschungsprojekt „Smarter Schuhkomfort – Entwicklung von smarten Innenbodenteilen zur situativen Komfortanpassung von Schuhen“ mit der Hochschule Kaiserslautern, dem ISC und dem PFI entwickelt. Eine weitere Untersuchung an ISC und PFI befasste sich mit der Frage nach dem optimalen Querschnitt des Fußbetts im Metatarsal-Bereich von Schuhen. Aktuell weisen Leisten dort einen plantar konvexen Sohlenverlauf auf, d.h. Metatarsal-Strahl 3 liegt tiefer als die Metatarsal-Strahlen 1 und 5, was bedeutet, dass die Vorfußpartie der darüber gefertigten Schuhe ganz und gar nicht der Form der menschlichen Vorfußanatomie folgen. Es wurde untersucht, ob ein flacher Querschnittsverlauf die biomechanischen Anforderungen im Schuh nicht besser abbilden würde und wie dies unter Berücksichtigung der speziellen anatomischen und biomechanischen Gegebenheiten des Vorfußes über innovative Leistenformen im Schuh umgesetzt werden kann (Abb. 10). Entsprechende ergonomische Leisten wurden entwickelt und darüber gefertigte Schuhe vermessen und bewertet. Insbesondere bei Tests im Biomechaniklabor des ISC bestätigten sich die erwarteten Verbesserungen im Vorfußbereich.

Recycling
Es wurde erwähnt, dass es Laufsohlen gibt, die auch ausgetauscht werden können. Das gilt für über 99 Prozent der in Umlauf befindlichen Schuhe nicht. Die Sohlenbefestigung am Schuh ist üblicherweise nicht reversibel ausgelegt. Wenn sich Sohlen ablösen lassen, so ist dies meist ein unerwünschter Effekt. Das Recycling von Schuhen wird in aktuellen Schuhkonstruktionen und Herstellungsverfahren nur in vernachlässigbarem Umfang berücksichtig. Für das PFI ist das Thema „Recycling von Schuhen“ stets auch Gegenstand der Forschung. Untersucht wurden die Möglichkeiten der Kompostierung von Schuhen und Verwendung nachwachsender Rohstoffe, insbesondere von Biopolymeren. Hierbei ist die Sohle als volumen- und massemäßig meist dominierende Komponente eines Schuhs von besonderem Interesse. Da die Pflicht, Recyclingkonzepte vorzulegen zu müssen, eher früher als später auch die Schuhindustrie betreffen wird, bereitet das PFI hier aktuell ein Forschungsprojekt vor.

Anschrift des Verfassers:
Dipl.-Ing. Peter Schultheis
Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e.V.
Marie-Curie-Straße 19
66953 Pirmasens

Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
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