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6. September 2021
Redaktion

Lieferengpässe führen zu Preiserhöhungen

ULRIKE KOSSESSA

 

Corona-bedingte Lieferengpässe treiben die Preise in vielen Branchen in die Höhe. Das kommt nun auch in der Orthopädieschuhtechnik an – die Betriebe erhalten zunehmend entsprechende Ankündigungen von ihren Lieferanten. Ein- und Ausblicke von verschiedenen Seiten der Branche.
Foto: Christian Volk

Während die dritte und die beginnende vierte Corona-Welle weltweit die unterschiedlichsten Entwicklungen nehmen, ziehen Industrie und Dienstleistung in den meisten europäischen Ländern wieder deutlich an. Verstärkt seit Frühjahr 2021 spürbar, werden aus Asien stammende Vorprodukte wie Metall, Plastik oder Chemikalien rar. „Hamsterkäufe“ im großen Stil verschärfen die Lieferengpässe, und die Blockade des Suez-Kanals trägt ihren Teil zur Verknappung bei. Die Medien berichten vorzugsweise über Notstände in der Auto- und in der Baubranche, über steigende Erzeugerpreise für Baustoffe wie Holz und Stahl. So verteuerten sich die Preise für importierte Vorleistungsgüter im Juni 2021 im Vergleich zum Vorjahresmonat durchschnittlich um 17,1 Prozent, wie Destatis am 28. Juli 2021 mitteilte. An der Spitze lagen hier, neben Eisenerz (+ 97,4 %), Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen (+ 40,9 %), gesägtem und gehobeltem Holz (+ 43,9 %) auch Kunststoffe in Primärformen (+ 44,0 %), die Basis für viele Produkte in der Orthopädieschuhtechnik sind. Letztere ist nicht so medien-, dafür aber systemrelevant. Aufgrund dessen durften die Orthopädieschuhtechnikbetriebe ihre Kunden auch während der Lockdown-Phasen weiterhin betreuen, litten aber mehr oder weniger schwer unter den verwaisten Innenstädten. Laufkundschaft fehlte genauso wie die Stammkunden. Viele schoben den Besuch beim Arzt zum Ausstellen eines Rezeptes aus Angst vor einer Ansteckung auf. Seitdem sich die Corona-Situation in Deutschland wieder entspannt hat, die Inzidenzwerte gesunken sind, zieht die Nachfrage auch in den Betrieben für Orthopädieschuhtechnik spürbar an. Zudem besteht Nachholbedarf. Doch wie sieht es hier mit den Warenketten aus, sind die nötigen Materialien  und Produkte in ausreichendem Umfang erhältlich – und zu welchem Preis? {pborder}„Die Lage ist sehr schwierig und hat sich im Sommer verschärft. Ständig werden die Preise erhöht – ohne große Vorlaufzeiten. In der Regel heißt es ‚ab sofort‘“ erklärt Anastasia Anastasiadou, Inhaberin von Footopia in Steinau an der Straße. Nicht alle Lieferanten, so ihre Erfahrung, machen sich schriftlich oder über den Außendienst die Mühe, bevorstehende Preissteigerungen anzukündigen bzw. zu verargumentieren. „Wahrscheinlich werden auch sie von ihren Vorlieferanten mit Fakten konfrontiert und geben den Druck dann an das nächste Glied der Kette weiter.“ Die Orthopädieschuhtechnik-Meisterin berichtet von Preiserhöhungen verstärkt seit Juli 2021, zum Beispiel für Klebstoffe (5 %), Lamellenscheiben (10 %), und EVA- bzw. Gummirohlinge (10 %) sowie Trittschäume (10 %). Weitere Firmen hätten Preiserhöhungen angekündigt, Kollegen hätten Ähnliches berichtet. Bei Leder und Schäften habe es für sie bisher keine Verteuerung gegeben. Und die Preise für Leder aus Italien gestalteten sich eh immer etwas anders, tendenziell grundsätzlich höher. Hier habe sie aber noch Vorrat. „Ich bin besonders froh, dass ich Hirschkleber zum Reparieren von Schuhen bevorratet habe, das ist nämlich wegen der mit BSE vergleichbaren Krankheit CWD (Chronic Wasting Disease) derzeit kaum zu bekommen.“

Noch musste Oliver Adelmann die erhöhten Preise nicht an seine Kunden weitergeben. Das könnte sich schon bald ändern. Foto: Ulrike KossessaNicht nur fast alles, was mit Kunststoffen zu tun hat und daher größtenteils aus von Corona stark betroffenen Ländern bezogen wird, sei schwierig bzw. zu erhöhten Preisen zu erhalten. Auch bei Metall zeigten sich große Lieferengpässe. Da zu Anastasiadous Dienst- und Handwerksleistungen das Fertigen und Reparieren von Handtaschen und Gürteln gehört, ist sie auf die nun schleppende Lieferung von Schnallen und Schließen aus Italien angewiesen. Insgesamt klagt die engagierte Inhaberin aber nicht, denn ihr junges Geschäft Footopia hat sich als Marke weit über Steinau an der Straße hinaus etabliert und zeigt erfreuliche Wachstumsraten. Die Kunden kommen deutschlandweit, um sich Einlagen fertigen zu lassen. Sie schätzen die individuelle, kompetente und umsichtige Art der Orthopädieschuhtechnik-Meisterin. Diese gute Kundenbindung trägt auch über schwierige Zeiten hinweg. Der Store mit seinen originellen Produkten wie T-Shirts steuert zum Umsatz bei. Einlagen und Maßschuhe dominieren das Geschäft: „Bei Einlagen habe ich eine Karenz von 4 bis 5 Euro pro Produkt und profitiere daher von dem Luxus, erhöhte Preise bei Rohstoffen derweil nicht weitergeben zu müssen. Das hat letztlich mit meinem Businessplan zu tun. In zwei bis drei Jahren mag das anders aussehen. Es wäre aber grundsätzlich sehr wünschenswert, wenn die Krankenkassen die Mehrkosten der Pandemie langfristig mittragen würden.“ Das hofft auch Oliver Adelmann, der in Neuss einen renommierten OST-Betrieb leitet. Im Bereich der Schuhreparatur gab es coronabedingt einen starken Rückgang, das habe sich aber nach 8 bis 12 Monaten nun wieder auf Normalniveau eingependelt. Rund 10 Prozent vom Umsatz erwirtschaftet Oliver Adelmann mit Reparaturen, 75 Prozent mit Einlagen und Maßschuhen, 15 Prozent mit Schuhzurichtungen. Die insgesamt leichten Einbrüche habe er bislang verkraften und ausgleichen können, ohne Preise an die Kunden weiterreichen zu müssen. Das könne sich aber zeitnah ändern, denn für den Herbst wurden bereits Preiserhöhungen von 6 Prozent bei Fräsrohlingen und 5 Prozent bei EVA angekündigt. Klebstoffe habe er noch gut bevorratet und Metall komme bei ihm kaum zum Einsatz. Oliver Adelmann: „Was mich eher beunruhigt ist die Frage, wie es weitergeht, denn Corona ist nicht vorbei.“ Auch er wünscht sich kurz- und langfristig eine größere Unterstützung seitens der Krankenkassen. 
 
Preiserhöhungen weitergeben oder nicht? Hersteller und Lieferanten in der Zwickmühle
Befragt man die Hersteller und Lieferanten der Branche, inwieweit sie mit Preiserhöhungen konfrontiert sind oder diese an ihre Kunden aus der Orthopädieschuhtechnik weitergeben müssen, so zeigt sich ein ähnliches Bild. Auch sie haben mit häufig recht kurzfristigen, nicht immer angekündigten Preiserhöhungen zu kämpfen, müssen auf Lieferengpässe reagieren und Preis-Entscheidungen in einer schwer absehbaren Krisenzeit treffen. Wie gehen sie damit um? Einige Unternehmen geben Auskunft.
 
Nico Teutsch. Foto: BauerfeindBauerfeind AG
Nico Teutsch, Leiter Zentraler Einkauf: „Als Hilfsmittelhersteller mit besonderem Augenmerk auf Qualität arbeitet Bauerfeind vorrangig mit Lieferanten aus Deutschland und dem europäischen Raum. Hier führen wir sehr intensive Gespräche über Preissteigerungen und stabile Lieferfähigkeit. Denn es ist zunehmend bedeutender geworden, die Verfügbarkeit von Materialien sicherzustellen: Rohstoffe und Vormaterialien für die Produktion, vor allem Kunststoffe und chemische Erzeugnisse, sind im globalen Kontext stärker nachgefragt und damit knapper geworden. Neben den verknappten Ressourcen ist eine weitere Herausforderung, dass es für bestimmte Vormaterialien nur sehr wenige Anbieter gibt. Das betrifft zum Beispiel auch chemische Erzeugnisse oder Farbstoffe. Das Absichern von stabilem Sourcing und zuverlässigen weltweiten Lieferketten sind in dieser Konstellation enorm wichtig. Unverhoffte Kostentreiber wie Ereignisse höherer Gewalt, Containermangel oder Containerschiffe, die Lieferkanäle blockieren, sind dabei nicht ausgeschlossen und nicht beeinflussbar. Angesichts dessen engagieren wir uns in hohem Maße, ein zuverlässiger Partner für den Fachhandel zu sein – insbesondere hinsichtlich der Lieferfähigkeit. Dafür haben wir zum Beispiel unsere Lagerreichweiten für Rohmaterialien deutlich erhöht. Preiserhöhungen bemerken wir am Ende vor allem bei Kunststoffen und Metallen. Kunststoffe kommen in unseren Produkten in vielfältigster Form zum Einsatz – in nahezu jedem Einlagenrohling, aber auch als synthetische Fasern für die Kompressionsstrumpf- und Bandagenherstellung. Wir geben die Preissteigerungen nur sehr moderat weiter und in unausweichlichen Situationen – vornehmlich dann, wenn wir dadurch die Lieferfähigkeit unserer Kunden aufrechterhalten können. Viele Menschen sind auf unsere Produkte angewiesen. Unser oberstes Gebot ist es, dieses Vertrauensverhältnis nicht zu enttäuschen.“
 
Eric Sprenger. Foto: Nora SystemsNora Systems GmbH 
Eric Sprenger, Vertriebsleiter Deutschland: „Natürlich sind auch wir von Lieferengpässen bei gleichzeitig steigenden Rohstoffpreisen betroffen, die zunehmend Auswirkungen auf unser weltweites Geschäft haben. Das betrifft nicht nur spezielle EVA- und Kautschuk­typen, sondern zum Beispiel auch Holz für Paletten, Engpässe bei Containertransporten und generelle Speditionsdienstleistungen. Hier sind nicht nur die Preise deutlich gestiegen, sondern wir nehmen teilweise auch eine Verknappung von Personal und Containern wahr, die eine pünktliche Lieferung erschwert. Als deutscher Hersteller hochwertiger EVA-Schäume mit spezifischen Rezepten und Eigenschaften sind wir schon immer auf die Belieferung mit gleichbleibenden EVA-Rohstoffqualitäten fokussiert und agieren mit entsprechender Bevorratung und größeren Abnahmemengen von langjährigen zertifizierten Lieferanten. Dies sichert uns eine gewisse Liefertreue zu, aber wenn bestimmte Rohstoffe nicht mehr verfügbar sind, trifft uns das konsequenterweise ebenso. Sich nicht von einem einzigen Lieferanten abhängig zu machen, sondern mehrere Möglichkeiten für eine zuverlässige Rohstoffversorgung zu gewährleisten, wurde im Zuge der Risiko-Minimierung (QM-Zertifizierung) schon immer entsprechend bedacht. Aber natürlich steigen bei Verknappung von Rohstoffen, wie zum Beispiel bei bestimmten EVA-Typen, die Preise deutlich und wurden teilweise in diesem Jahr schon mehrfach erhöht, oder die Ware ist nur zu hohen Tagespreisen erhältlich. Entsprechende Preiserhöhungen weiterzugeben wird auf Dauer unvermeidbar sein. Für Nora-Materialien gab es im Frühjahr 2021 eine angesichts der aktuellen Marktsituation moderate Preiserhöhung; aber sollte sich diese Situation nicht entspannen, lassen sich weitere Preissteigerungen wohl kaum vermeiden. Um unseren Kunden trotzdem eine größtmögliche Planungssicherheit zu ermöglichen, versuchen wir aber, von allzu kurzfristigen Preiserhöhungen abzusehen, sofern dies wirtschaftlich tragbar ist. Seit Beginn der Pandemie wurden im Industriepark Weinheim frühzeitig Maßnahmen getroffen, die die Lieferketten zum Großhandel und der Industrie durchgängig aufrechterhalten haben, so dass es hier kaum zu Einschränkungen kam. Steigende Nachfrage und hohe Auftragseingänge haben in den letzten Monaten zu guten Umsätzen, aber damit folglich auch zu geringeren Möglichkeiten der Produktbevorratung geführt. Wir hoffen, dass wir auch in den nächsten Monaten alle Rohstoffe in ausreichender Menge erhalten, um unsere Kunden mit entsprechenden Materialien beliefern zu können.“
 
Dr. Rainer Buchholz. Foto: ReniaRenia GmbH
Dr. Rainer M. Buchholz, Geschäftsführer: „Die Gesamtlage ist sehr herausfordernd: Bei uns gehen ständig Preiserhöhungen ein. Sogar bereits bestehende Verträge werden von Seiten der Lieferanten im Nachhinein nach oben hin geändert. Die Rohstofflieferanten haben selbst Probleme mit der Beschaffung, und wenn sie feststellen, dass sich ihre chemischen Produkte in Asien einfacher und zu höheren Margen absetzen lassen, dann wirkt sich das für uns spürbar aus. Noch verfügen wir über alle Rohstoffe, die wir benötigen; das liegt auch daran, dass wir schon lange mit vertrauensvollen Partnern zusammenarbeiten und keinesfalls immer nur das Billigste wählen. Bislang ist es noch nicht vorgekommen, dass wir dem Kunden sagen mussten ,das haben wir zurzeit leider nicht vorrätig; auch weil wir unsere Lager immer schon vorsorglich gut gefüllt haben. Für uns war ein Just-in-Time-Modell nie realisierbar – andere mögen so operiert haben, die Konsequenzen sieht man jetzt. Dies funktioniert aber leider nicht bei allen Waren. Gerade Lösungsmittel, für die derzeit Tagespreise mit einem Plus von bis zu 300 Prozent gegenüber dem Niveau von vor einigen Jahren gelten, sind grundsätzlich sehr gut lagerfähig. Aber versuchen Sie einmal, kurzfristig die Genehmigung für einen zusätzlichen Lösungsmitteltank zu erhalten! Grundsätzlich ist die Problematik in der Chemie sehr komplex, wo Produkte aus einer Vielzahl einzelner Stoffe zusammengestellt werden. Fehlt ein Stoff, ein Glied, zum Beispiel wegen Anlagenstillstands, dann hat das Folgen für die gesamte Kette. Klebstoffe basieren letztlich auf Nebenprodukten der Rohölindustrie. Das Wiederanlaufen der Weltwirtschaft bei trotzdem immer noch geringerem Rohölbedarf, die Wetterstörungen in Texas, die Blockade des Suez-Kanals, all das hat zu einer Verknappung der Rohstoffmenge geführt und wirkt sich nun aus. Insgesamt spüren wir, dass aufgrund der Gesamtsituation die Produktion von Grundstoffen global im letzten Jahr teils deutlich heruntergefahren wurde. Das erneute Anspringen der Wirtschaft braucht seine Zeit. Das sehen wir auch auf der Nachfrageseite, gerade im Schuh- und Lederbereich: Allein durch den Einbruch des Tourismus und durch Aspekte wie das Homeoffice werden deutlich weniger Schuhe und Taschen gekauft. Es ist als hätte jemand 2020 einen dicken Schraubenschlüssel ins Getriebe der Weltwirtschaft geworfen und wir müssen nun die Bruchstücke der Zahnräder wieder kitten, während der Motor läuft. Vor Ende des Jahres erwarten wir hier keine wesentliche Änderung. Im Gegenteil: Das dicke Ende kommt noch, denn das Geld für die vielfältigen Hilfszahlungen wird zwangsläufig Steuererhöhungen und eine Teuerung von Produkten und Dienstleistungen nach sich ziehen. Der Handel kann Preiserhöhungen in der Regel weitergeben. Wie wir bei Renia mit diesem Thema umgehen? Zum 1. Juli haben wir unsere Preise global um 5 Prozent erhöht und unsere Kunden im Vorfeld dazu informiert – weit weniger, als unsere Lieferanten teils ohne Vorankündigung umgesetzt haben. Die meisten Kunden haben dann im Juni noch zum alten Preis eingekauft. Diese einheitlichen 5 Prozent auf alle Produkte werden eher akzeptiert und sind auch für uns insgesamt einfacher zu handhaben als eine sprunghafte Erhöhung einzelner Warenbereiche, die dann später gegebenenfalls wieder zurückgenommen werden müsste. Ich denke, so sind wir gut in der Balance mit uns und unseren Kunden.“
 
Franz-Rudolf Zimmer. Foto: Euro-LederEuro-Leder GmbH & Co. KG
Franz-Rudolf Zimmer, Geschäftsführer: „Unter Lieferengpässen litten und leiden wir nicht wirklich. Unsere größten Sorgen machten wir uns vor dem Lockdown im März/April 2020 – das Virus war in China ausgebrochen und mittlerweile in Italien angekommen – um mögliche Lieferengpässe bei Produkten, die von unseren Lieferanten aus Fernost importiert wurden. Also haben wir im Vorfeld vorsorglich unsere Lager gefüllt, zum Beispiel mit Bezugsstoffen aus Mikrofaser und ähnlichen Produkten. Wir konnten uns in dieser Phase nicht vorstellen, dass es in Demokratien zu einem totalen Lockdown kommen kann, und hatten diese Möglichkeit nicht in unsere Überlegungen eingebaut. Durch den Lockdown kam es natürlich zu einem Nachfragerückgang bei unseren Zielgruppen, da zum Teil die Geschäfte geschlossen bleiben mussten oder die Kunden fernblieben. Auch wenn Orthopädieschuhmacher als systemrelevant eingestuft wurden, fehlte ihnen ein Teil der Kundschaft; es wurden weniger Rezepte für fußorthopädische Maßnahmen verschrieben. Im Sommer und Herbst entspannte sich die Situation und den leichten Einbruch im Umsatz konnten wir bis Ende letzten Jahres wieder nahezu ausgleichen. In diesem Jahr werden wir zum Teil mit Preiserhöhungen von 3 bis 10 Prozent konfrontiert, nicht bei Leder, aber vor allem bei Klebstoffen, EVA- und Gummiprodukten. Produkte auf Basis von Metall, wie etwa Werkzeuge, sind bei uns von eher untergeordneter Bedeutung im Sortiment. Wir versuchen natürlich, unsere Preise so stabil wie möglich zu halten und bei notwendigen Preiserhöhungen die vorhandenen Lagerbestände vor Preiserhöhung mit zu berücksichtigen. Die Preise für unsere Diabetikerschuhe ,Sanova’ haben wir leicht erhöhen müssen, was aber im Wesentlichen mit der seit dem 26. Mai 2021 in Kraft getretenen EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) zu tun hat. Hier waren entsprechende Anpassungen bei Materialien erforderlich. Die Qualität der Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten ist in 90 Prozent der Fälle so vertrauensvoll, dass diese uns regelmäßig im Vorfeld über anstehende Preiserhöhungen informieren. Als Einkaufsverbund bzw. Großhandels-Kooperation informieren wir unsere Abnehmer ebenfalls zeitnah über erforderliche Preissteigerungen. Der Großhandel entscheidet dann, inwieweit er diese an seine Kunden weitergibt. Ob einmal erhöhte Preise wieder reduziert werden? Bei zwei unserer Lieferanten habe ich das tatsächlich schon erlebt, aber im Normalfall nicht.“
 
Frank J. Wisgalle. Foto: ZELZentralverband Europäischer Lederhändler (ZEL)
Frank J. Wisgalle, Vorstandsmitglied: „Die derzeitige Situation empfinden wir als katastrophal. Jede Woche erreichen uns neue Preiserhöhungen. Damit lässt es sich sehr schwer sowohl kalkulieren als auch planen. Betroffen sind vor allem Produkte, die in irgendeiner Weise chemische Substanzen enthalten, wie zum Beispiel EVA, Kork, Bezugsstoffe und viele andere. Es passiert regelmäßig in der jüngsten Vergangenheit, dass Lieferpreise innerhalb einzelner Wochen von Lieferung zu Lieferung erhöht werden. Was uns hilft, sind die langjährigen guten Beziehungen zu unseren Lieferanten, denn ein Ausweichen auf andere Lieferanten oder Artikel ist weder die Lösung des Problems, noch in unserem Sinne, denn im Grunde sind alle von der derzeitigen globalen Rohstoffknappheit und der damit verbundenen Preisentwicklung betroffen. Als Europas größter Materialversorger des Schuhhandwerks bemühen wir uns ständig, die Belieferung unserer Mitglieder und Kunden jederzeit sicherzustellen, damit diese ihre Kunden, beispielsweise die Orthopädieschuhtechniker, ebenfalls möglichst just in time beliefern können. Letztere sind mit ihren Materialien vertraut; da kostet es viel Überzeugungskraft, ein lediglich optisch leicht modifiziertes anderes Produkt zu verkaufen. Wir haben bereits zu Beginn der Krise vorsorglich unser Lager aufgestockt. Dennoch kommt es vor, dass einzelne Artikel – wenn wir in unserem Informationsdienst einen Hinweis veröffentlichen, dass hier zeitnah mit Lieferengpässen zu rechnen ist – binnen Tagen ausverkauft sind. Ein kurzfristiges Wiederauffüllen dieses Bestands wird dann natürlich zur Herausforderung, denn alles, was augenblicklich rar am Markt ist, werden wir künftig, wenn überhaupt, nicht kurzfristig und nur mit großen zeitlichen Verzögerungen und deutlich teurer einkaufen können. Schwierig bzw. sehr zeitaufwändig gestaltet sich im Augenblick auch die ständige Bearbeitung von Preiserhöhungen. Auf über 4000 Quadratmetern lagern in Bochum mehr als 15 000 verschiedene Artikel, die wir teilweise in anderen Einheiten einkaufen als sie an unsere Kunden weitergegeben werden. Eine Preisänderung bedeutet daher oftmals ein zeitintensives manuelles Eingreifen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in das EDV-System. Neben chemischen Produkten ist Stahl in jeder Form absolute Mangelware und das wird sich auch in den nächsten Monaten nicht entspannen. Darüber hinaus haben wir Schwierigkeiten, Artikel aus Fernost zu bekommen. Allein die logistischen Probleme um das Fehlen von Containern am Versandort treiben uns, neben den drastisch gestiegenen Transportkosten, oftmals die Schweißperlen auf die Stirn. Über all diese Probleme in den Lieferketten kommunizieren wir offen mit unseren Mitgliedern und bemühen uns darüber hinaus täglich, sie trotz aller Hindernisse bestmöglich zu beliefern. Darin sehen wir aktuell und auch in der Zukunft unsere Existenzberechtigung am Markt. Für die Zufriedenheit unserer Kunden kämpfen wir Tag für Tag.“
 
Andreas Bucher. Foto: Götz Service GmbHGötz Service GmbH
Andreas Bucher, Geschäftsführer: „EVA, Kunststoffe, Gummiteile – bereits im Frühjahr wurden wir mit massiven Preiserhöhungen konfrontiert, und jetzt erneut. Das gilt auch für Metall, allerdings nicht wirklich für Werkzeug. Letzteres wird oft hochwertig eingekauft und der Bedarf ist dann für eine Zeit gedeckt. Grundsätzlich ist die Gesamtsituation belastend und erfordert gute Nerven und Fingerspitzengefühl: Wir vereinbaren mit unserem Lieferanten einen bestimmten Preis, kommunizieren diesen im Internet, und dann wird das Angebot kurzfristig im Nachhinein preislich erhöht. Wie sollen wir so zuverlässig kalkulieren? Normalerweise gelten Preise für ein halbes oder ein ganzes Jahr. Nun variieren sie bisweilen von Woche zu Woche, ergänzt durch Teuerungszuschläge. Wir arbeiten mit 600 Lieferanten; täglich kommen Preiserhöhungen rein. Wir versuchen, diese zu bündeln. Unser Außendienst erklärt den Kunden den Sachverhalt. Diese akzeptieren die Preissteigerung in der Regel. Ob deshalb bei uns weniger geordert wird, können wir aktuell noch nicht sagen bzw. feststellen. Es geht hier eventuell weniger um den Preis unserer Waren als darum, dass sich wegen Corona beim Endkunden eine Kaufzurückhaltung bemerkbar macht, die dann auch langfristig bei uns ankommt. Bei Roh- bzw. Verarbeitungsmaterialien verzeichnen wir teilweise überproportional hohe Preiserhöhungen von 10 bis 20 Prozent. Deshalb können und wollen wir aber nicht zu anderen Lieferanten wechseln. Fraglich ist, ob diese überhaupt günstiger liefern würden; sie stehen vor den gleichen Problemen. Zudem haben wir gewachsene Kontakte zu Lieferanten von Markenprodukten, zum Beispiel bei den Klebstoffen oder den Tackerklammern, die letztlich auch zum Modell des Tackers passen müssen. Im Grunde haben wir alles verfügbar, ein breites Sortiment. Sollte zum Beispiel mal eine EVA-Platte nicht lieferbar sein, kann der Kunde mit einer anderen EVA-Platte Vorlieb nehmen. Meines Erachtens werden sich die gestiegenen Preise nicht wieder reduzieren, es sei denn, es geht konkret um Teuerungszuschläge wie im Metallbereich.“
 
Anschrift der Verfasserin:
Ulrike Kossessa
Meertal 39
41464 Neuss
 
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