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27. April 2023
Redaktion
Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)

Hilfsmittelversorgung bei komplexen Behinderungen

Der Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hat angekündigt, die Hilfsmittel-Versorgung für Menschen mit komplexen Behinderungen zu überprüfen und zu verbessern - und dabei den Fokus insbesondere auf Kinder und Jugendliche zu legen. Dazu soll die Hilfsmittel-Richtlinie überarbeitet werden.
Mutter
Foto: Antipina/Adobe Stock

Menschen mit schweren, komplexen oder mehrfachen Behinderungen sind oft auf viele unterschiedliche und individuell angepasste Hilfsmittel angewiesen. Das Feststellen des Bedarfs, die ärztliche Verordnung und der Genehmigungsprozess sind hier sehr anspruchsvoll und zeitintensiv. Vor allem für Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern können damit verbundene Verzögerungen eine erhebliche Belastung darstellen. Denn gerade bei Heranwachsenden können sich die Bedarfe schnell ändern, was wiederum eine häufige Antragstellung auslöst. Mit dem Ziel, die Versorgungsprozesse im Sinne der Betroffenen zu optimieren, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 20. April auf Antrag der Patientenvertretung beschlossen, Beratungen zur Überprüfung der Hilfsmittel-Richtlinie aufzunehmen.

„Unser Ziel ist es, das aufwändige Verfahren zur Verordnung für Menschen mit komplexen Behinderungen zu verkürzen und zu vereinfachen”, erklärt Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied im G-BA und Vorsitzende des zuständigen beratenden Gremiums. “Hilfsmittel sollen bei einer Behinderung eine ausgleichende Unterstützung sein, um die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern und ihre Selbstständigkeit erhöhen. Derzeit gibt es bei der bedarfsgerechten Versorgung Defizite, vor allem bei der Prüf- und Genehmigungspraxis, die von den Betroffenen als aufwändig und nicht zielführend erlebt wird. Gemeinsames Ziel der Beratungen ist daher eine Erleichterung für die Betroffenen, vor allem für Kinder und Jugendliche.“

Ablauf der Beratungen

Der Antrag zur Anpassung der Hilfsmittel-Richtlinie stammt von der Patientenvertretung im G-BA. Im G-BA beginnen nun die internen Beratungen, um eine Änderung vorzubereiten. Sie sollen entsprechend des gesetzten Zeitplans Mitte November 2024 abgeschlossen sein.

Nach derzeitiger Planung wird das schriftliche und mündliche Stellungnahmeverfahren zu den vorgesehenen Richtlinienänderungen im Sommer 2024 stattfinden. Verbände haben dann die Gelegenheit, sich zum Beschlussentwurf zu äußern. Danach schließen sich erneut interne Beratungen zu der Frage an, ob ggf. Erkenntnisse oder Anregungen aus dem Stellungnahmeverfahren zu berücksichtigen sind. Stimmt das Bundesgesundheitsministerium dem für Ende 2024 erwarteten Beschluss zur Anpassung der Hilfsmittel-Richtlinie als Rechtsaufsicht zu, kann der Beschluss Anfang 2025 im Bundesanzeiger veröffentlicht werden und in Kraft treten.

Positive Resonanz aus der Hilfsmittel-Branche

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) unterstützt die Ankündigung des G-BA, die Hilfsmittel-Versorgung für Menschen mit komplexen Behinderungen zu überprüfen und zu verbessern. „Wir begrüßen dieses Vorhaben zu hundert Prozent. Die besonderen Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Menschen mit Behinderungen müssen in der Versorgungsrealität stärkere Beachtung finden“, sagt BVMed-Hilfsmittelexpertin Juliane Pohl.

Als ein Beispiel für Defizite nennt der BVMed die Versorgung von Kindern in sozialpädiatrischen Zentren. Diese unterliegt bislang einem Genehmigungsverfahren durch die Krankenkassen, obwohl die entsprechenden Versorgungsempfehlungen von Spezialisten bzw. Expertengremien vorgenommen werden. Hier sollte die Überprüfung der ärztlich veranlassten Versorgungen beispielsweise für Hilfs- und Heilmittel nachgelagert erfolgen, so der BVMed.

Ein weiteres Beispiel ist aus Sicht des BVMed, dass multidisziplinäre Behandlungszentren, die speziell für die medizinische Behandlung von Erwachsenen mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung ausgerichtet sind (MZEB), seit Einführung dieser Versorgungsoption im Jahr 2015 in der Versorgungspraxis nur sehr selten zum Tragen kommen. „Die medizinische Versorgung Erwachsener mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung ist nach wie vor defizitär. Hier müssen wir adäquate Rahmenbedingungen schaffen, um den Auf- und Ausbau der MZEB-Strukturen zu unterstützen“, erklärt Pohl.

Zu dem Dr. Monika Lelgemann benannten Ziel, das komplexe Verfahren zur Verordnung für Menschen mit komplexen Behinderungen zu verkürzen und vereinfachen, erklärt Juliane Pohl: „Der BVMed bietet hier als maßgeblicher Verband der Hilfsmittel-Hersteller, Leistungserbringer und Homecare-Versorger seine Expertise und Mitwirkung an. Wir haben konkrete Vorschläge entwickelt und unterstützen den G-BA gerne bei diesem für die Betroffenen sinnvollen und notwendigen Vorhaben.“

Auch Versorgungen, denen keine individuellen Anfertigungen zugrunde liegen, erfordern nach Ansicht des BVMed eine individuelle Betrachtung der Bedürfnisse und Lebenssituationen. Die Rahmenbedingungen der Hilfsmittelversorgungen müssen aus Sicht des Verbandes daher so gestaltet sein, dass eine individuelle Grundversorgung unter Berücksichtigung dieser jeweiligen Anforderungen mehrkostenfrei – unter Beibehaltung des Sachleistungsprinzips – sichergestellt werden kann. „Dies setzt eine differenziertere Betrachtung beispielsweise in den entsprechenden Versorgungsverträgen voraus“, so Juliane Pohl abschließend.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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