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13. Juni 2024
Redaktion
Eurocom-Mitgliederbefragung

Hilfsmittelhersteller: Innovationen in Deutschland gefährdet

„Die negative Einschätzung des Innovationsklimas in Deutschland nimmt rapide zu. Die Bedeutung des deutschen Marktes sinkt. Soll eine verlässliche Versorgung der Versicherten mit innovativen und hochwertigen Hilfsmitteln in Deutschland weiterhin möglich sein, sehen wir dringenden Handlungsbedarf.“ So lautet das Fazit von Oda Hagemeier, Geschäftsführerin der Eurocom, zu den Ergebnissen der im Mai durchgeführten Mitgliederbefragung 2024 der Herstellervereinigung.
Oda
Foto: Eurocom
Oda Hagemeier

94 Prozent der Mitglieder geben darin ihre Einschätzung zur Lage des Hilfsmittelmarktes und -standortes Deutschland ab.

78 Prozent der Befragten – und damit 15 Prozent mehr als im Vorjahr – bewerten das hiesige Innovationsklima als schlecht. Nur noch für 79 Prozent der Hersteller ist Deutschland zurzeit der wichtigste Markt. 2023 war er dies noch für 86 Prozent. Für ein Fünftel rangiert der deutsche Markt bereits jetzt zwischen Platz 2 und Platz 6. Größtes Standortrisiko mit 93 Prozent sind laut der Befragung bürokratische Hürden.

75 Prozent der Hersteller sehen in den Auswirkungen anhaltender, nicht abgedämpfter Kostensteigerungen eine Gefahr.

Aufnahmeverfahren ins Hilfsmittelverzeichnis langwierig

Das größte Markt- und Innovationsrisiko ist das unsichere und langwierige Aufnahmeverfahren neuartiger Produkte ins Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes. Traf dies im Vorjahr noch für 68 Prozent der Befragten zu, so steigt der Wert aktuell auf 83 Prozent an.

53 Prozent aller Anträge auf Aufnahme eines neuartigen Hilfsmittels ins Hilfsmittelverzeichnis sind in den vergangenen zehn Jahren abgelehnt worden – das ist mindestens jeder zweite Antrag. Schafft es ein neuer Siebensteller, dauert die Aufnahme mehrheitlich fünf bis zehn Jahre und länger. Dies betrifft 67 Prozent der Antragstellenden.

Für die Hälfte der Befragten ist die Refinanzierung erfolgreicher klinischer Studien zur Erlangung einer neuen Produktart im Hilfsmittelverzeichnis kritisch. Für 43 Prozent steht die Durchführung klinischer Studien bereits jetzt auf dem Spiel.

54 Prozent der Befragten sehen eine Beschleunigung und Standardisierung des Aufnahmeverfahrens als dringend geboten.

Die Eurocom weist darauf hin, dass das Antragsverfahren ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen aufweise, insbesondere im Kontext der vorgelagerten und aufwendigen Konformität mit der Medical Device Regulation (MDR). Den Umfrageergebnissen zufolge erzeugt die MDR für 90 Prozent der Befragten die größte regulatorische Kostenbelastung und für 68 Prozent den größten bürokratischen Aufwand.

Oda Hagemeier erklärt: „Es ist nicht hinnehmbar, dass Innovationsvorhaben durch überzogene zusätzliche Nachweispflichten unnötig gedehnt oder sogar im Keim erstickt werden. Hier muss eine Beweislastumkehr greifen. Fordert der GKV-Spitzenverband zur Aufnahme eines neuartigen Hilfsmittels ins Hilfsmittelverzeichnis zusätzliche Nachweise des medizinischen Nutzens über den bereits geführten Nachweis im Rahmen der MDR-Konformität hinaus, muss er die Notwendigkeit darlegen. Krankenversicherte müssen ungehinderten Zugriff auf innovative Hilfsmittel haben. Hersteller dürfen nicht auf ihren Studienkosten sitzenbleiben. Andernfalls steht zu befürchten, dass der Hilfsmittelstandort Deutschland kein Innovationsstandort bleiben kann.“

Standortschließungen nicht ausgeschlossen

Die seit Jahren anhaltenden Kostensteigerungen betreffen alle Hersteller und können im Vertragssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nicht oder nur teilweise weitergegeben werden. Dies wird als wachsende Gefahr für den Hilfsmittelstandort Deutschland eingestuft.

43 Prozent der Befragten geben an, Produktionen bereits jetzt oder zukünftig ins Ausland zu verlagern. Erstmals seit Einführung des Branchenbarometers halten die Befragten Standortschließungen für möglich. 14 Prozent geben an, diesen Schritt bei anhaltender Belastung in Erwägung ziehen zu müssen. 75 Prozent befürchten eine Einschränkung ihres Portfolios und damit auch der Versorgungsvielfalt.

Erschwerend hinzu kommt aus Sicht von 72 Prozent (2023: 47 Prozent) der Hersteller der immense Fachkräftemangel im Sanitätsfachhandel und in den orthopädie(schuh)technischen Betrieben, den es zu kompensieren gilt.

„Eine verlässliche und hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten, stellt für die Branche eine Herausforderung dar, mit der sie nicht allein gelassen werden darf. Damit langfristig verlässlich produziert und versorgt werden kann, dürfen Preissteigerungen nicht einseitig zu Lasten der Hersteller und Leistungserbringer gehen. Deshalb müssen Festbeträge als sinnvolles Instrument zur Ausgabenregulierung rechtssicher sein und – wie auch die Vertragspreise – jährlich marktgerecht angepasst werden. Verstetigt sich der Fachkräftemangel seitens der Leistungserbringer und damit das Defizit an qualifizierter Versorgung, wird dies von der Industrie konzeptionell aufgefangen werden müssen. Auch dies gilt es in marktgerechten Erstattungspreisen zu berücksichtigen“, sagt Oda Hagemeier.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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