Vergleich von Einlagenversorgungen bei Knieschmerzen
1. Einleitung
Ein häufig eingesetztes Therapiemittel im Bereich des Knieschmerzes ist die Versorgung mit Einlagen. Dabei wurde die Wirksamkeit von Einlagen auf das Knie während des Gehens und Laufens schon vielfach untersucht. Bisher gibt es allerdings keine klare Evidenz für deren Wirksamkeit bezogen auf das Knie (Hossain et al., 2011; MacLean et al., 2006). Zudem gibt es bisher keine Studien, die einen evidenzbasierten Wirkmechanismus bei Knieschmerzen belegen (MacLean et al., 2006). Im Bereich des Sports treten Knieschmerzen und Kniebeschwerden nicht nur beim Laufen, sondern auch bei anderen Sportarten und Bewegungen auf. Der Effekt von Einlagen auf andere Bewegungen wurde bisher kaum untersucht. Eine Bewegung, die häufig mit Knieschmerzen und Knieverletzungen verbunden ist, ist die Landung in den Einbeinstand, sogenannte single-leg landings (SLLs). Hier wird binnen kurzer Zeit die gesamte Last auf ein Bein übertragen. SLLs sind ein gängiges Mittel zur Untersuchung der dynamischen Kniestabilität (Ali et al., 2014; Herrington, 2014). Eine schlechte frontale Kniestabilität während der Landung ist mit einem erhöhten Verletzungsrisiko (Hewett et al., 2005) und dem Auftreten von Knieschmerzen (Herrington, 2014) verbunden. SLLs sind unter koordinativen Aspekten sehr anspruchsvolle Bewegungen und bedürfen daher einer hohen motorischen Kontrolle. Diese motorische Kontrolle ist bei Knieschmerzen verändert. So konnten Park et al. (2017) zeigen, dass durch Knieschmerzen die Aktivität des M. semitendinosus, M. gastrocnemius medialis und M. glutaeus medius während SLLs verringert wird. Knieschmerzen und Knieinstabilitäten sind dementsprechend mit biomechanischen und neuromuskulären Veränderungen verknüpft. Einlagen sollen in der Theorie genau diesen Veränderungen entgegenwirken. Wie oben bereits erwähnt, fehlt jedoch ein fundierter Nachweis einer Wirkung auf das Knie. Zudem fehlt ein evidenzbasierter Mechanismus, der diesen Effekt erklärt. Als mögliche Wirkmechanismen von Einlagen werden im Allgemeinen zwei bekannte Ansätze diskutiert:
- Mechanische Wirkung: Durch den Einsatz von gezielter Abstützung, z. B. der Längsgewölbestütze, soll die Stellung des Fußes mechanisch korrigiert werden (Nigg et al., 1999). Durch die mechanische Kopplung zwischen Fuß und Tibia soll die Wirkung auf das Knie übertragen werden (Inman, 1976; Mündermann et al., 2003). Die Wirksamkeit dieses Mechanismus wurde immer wieder in Frage gestellt und konnte bisher nicht abschließend bewiesen werden (Nigg et al., 2003).
- Sensomotorische Wirkung: Jede Modifikation oder Veränderung durch Schuhe oder Einlagen führt zu einem veränderten sensorischen Feedback, was zu einer veränderten neuromuskulären Reaktion führt und damit die Muskelaktivität verändert (Duncan, 1960; Nurse et al., 2005). Auch dieser Wirkmechanismus konnte bisher noch nicht eindeutig bewiesen werden (Mills et al., 2010).
Beide Wirkmechanismen könnten einen Nutzen haben und die Kniestabilität verbessern und Schmerzen lindern. Die beiden beschriebenen Ansätze gelten in der Theorie für alle verschiedenen Typen von Einlagen. Neben den konventionellen orthopädischen Einlagen kommen in den letzten 20 Jahren immer häufiger sogenannte sensomotorisch wirkende Fußorthesen zum Einsatz. Der postulierte Wirkmechanismus beruht auf dem Prinzip der sensomotorischen Wirkung. Laut dem DGOOC-Beratungsausschuss sollen diese Fußorthesen „Durch gezielte Reizsetzung (…) über spezielle Fußorthesen-Elemente Einfluss auf das sensomotorische System und somit auf die motorische Kontrolle“ nehmen (Greitemann et al., 2016). In der Praxis werden vielfach positive Ergebnisse durch den Einsatz von Einlagen im Bereich des Sports und im Besonderen bei Knieschmerzen erzielt. Dies gilt sowohl für konventionelle orthopädische Einlagen, als auch im Bereich der Privatzahler für sensomotorisch wirkende Fußorthesen. Für beide Einlagentypen fehlt allerdings ein Nachweis zum medizinischen Nutzen im Bereich des Kniegelenkes. Daher werden konventionell orthopädische Einlagen in diesem Fall häufig über die Diagnose Knick-Senk-Spreizfuß verordnet. Dementsprechend war das Ziel dieser Arbeit, den in der Praxis häufig gesehenen positiven Effekt auf den Knieschmerz wissenschaftlich zu untersuchen. Dazu wurden zwei unterschiedliche Einlagentypen miteinander verglichen. Da sowohl für die Weichbettungseinlagen als auch für die sensomotorisch wirkenden Fußorthesen noch kein klarer Wirkmechanismus nachgewiesen werden konnte, wurde neben dem Knieschmerz noch der Einfluss der beiden Einlagentypen auf die motorische Kontrolle durch die Analyse der Muskelaktivität während einer hochdynamischen Bewegung untersucht.
Daraus ergaben sich für die vorliegende Studie drei Forschungsfragen:
- Haben Einlagen einen Effekt auf den Knieschmerz?
- Haben Einlagen einen Effekt auf die motorische Kontrolle während der Landung in den Einbeinstand?
- Unterscheiden sich die beiden Einlagentypen in ihren Effekten?
2. Methodik
Die Abbildung 1 zeigt den Studienaufbau mit der Einteilung der 30 Probandinnen. Aufgrund von Fehlern in der Datenerhebung konnten die Daten von zwei Probandinnen nicht ausgewertet werden. Somit liegen den Ergebnissen die Daten von 28 Probandinnen zugrunde.
2.1 Probanden
Für die Studie wurden aktive Handball- oder Volleyballspielerinnen ausgewählt, die leichte bis mittlere Knieschmerzen aufwiesen. Dabei wurden die örtlichen Sportvereine der regionalen Ligen kontaktiert. Es wurden weibliche Probandinnen untersucht, da im Bereich des Ballsports Frauen ein erhöhtes Risiko für Kniebeschwerden aufweisen (Boling et al., 2010; Ingham et al., 2011).
Einschlusskriterien für die Teilnahme waren:
- weibliche, aktive Handball- oder Volleyballspielerinnen
- mindestens 1,5 Stunden Training pro Woche
- leichte bis mittlere Knieschmerzen; gemessen über eine Visuelle Analogskala [VAS] von 0 (kein Schmerz) – 10 (unerträgliche Schmerzen); Grenze: VAS maximal 6 cm
Ausschlusskriterien
- Kreuzbandverletzungen
- Meniskusschäden
- Akute Knieverletzungen
- Diagnostizierte Knie-Osteoarthrose
- Tragen von Einlagen während des letzten Jahres.
2.2 Einlagenversorgung
Zur besseren Lesbarkeit bezeichnet im Folgenden, wenn nicht explizit anders beschrieben, der Begriff Einlagen sowohl die konventionelle orthopädische Einlage als auch die sensomotorisch wirkende Fußorthese. Für jede Probandin fand jeweils vor der eigentlichen Messung ein Termin zum Maßnehmen statt. Bei diesem Termin wurden Blauabdrücke sowohl statisch als auch dynamisch genommen, anhand derer die Einlagen angepasst wurden. Zudem wurde der Bewegungsumfang der unteren Extremität sowie die Korrigierbarkeit der Fußstellung getestet. Zusätzlich fand eine visuelle Begutachtung der Beinachsen im Stand und beim Laufen statt. Anhand dieser Informationen wurden für jede Probandin ein Paar konfektionierte Weichbettungseinlagen in der passenden Größe ausgewählt und ein Paar sensomotorisch wirkende Fußorthesen individuell handwerklich hergestellt. Dabei variierten die genaue Position, die Form und die Größe der Elemente je nach Fußform und Größe. In ihrem Aufbau waren alle Einlagen identisch. Für beide Einlagen fand eine weitere Anpassung je nach Rückmeldung der Probandin statt. Eine exemplarische Abbildung der beiden Einlagen ist in Abbildung 2 zu finden.
2.3 Messzeitpunkte und Intervention
Damit sowohl der Kurzzeiteffekt als auch der Langzeiteffekt der Einlagen untersucht werden kann, wurde ein Test-Retest-Design gewählt. Dazu fand ein Messtermin bei Einlagenauslieferung (T1) und ein Messtermin nach 12 Wochen Tragezeit der Einlagen (T2) statt. Der gesamte Studienablauf ist in Abbildung 1 dargestellt. An beiden Messtagen wurden jeweils drei Bedingungen pro Probandin in randomisierter Reihenfolge analysiert:
- Kontrollbedingung ohne Einlagen (ohne)
- Weichbettungseinlagen (weich)
- Sensomotorisch wirkende Fußorthesen (senso).
Alle Probandinnen trugen während der Messungen die gleichen Schuhe in der passenden Größe (Adidas Samba). Die Vermessung der Probandinnen mit beiden Einlagen an beiden Messtagen wurde gewählt, um einen abhängigen Testaufbau für den statistischen Test zu erhalten. Dies gewährleistet, dass der Effekt der Einlage zunächst für jeden Probanden bestimmt werden kann und keine Gruppen miteinander verglichen werden. Dies erhöht die Zuverlässigkeit des Testdesigns und bietet einen Vorteil im Bereich des Wirksamkeitsnachweises. Dadurch werden Unterschiede zwischen den Einlagen häufig besser sichtbar. Nach dem ersten Messtag wurden die Probandinnen randomisiert einer der beiden Einlagentypen zugeteilt. Die Probandinnen erhielten dann die jeweiligen Einlagen für die Zeit der Intervention (12 Wochen). Beide Gruppen wurden darauf hingewiesen, dass die Tragedauer der Einlagen stufenweise innerhalb der ersten Woche erhöht werden sollte. Zudem wurden die Probandinnen instruiert, die Einlagen anschließend so häufig wie möglich beim Sport und im Alltag zu tragen. In dieser Studie wurde sowohl auf eine Kontrollgruppe ohne Einlage, als auch auf eine „Placebo“-Einlage verzichtet. Zum einen lag der Hauptfokus auf dem Vergleich der beiden Einlagentypen und zum anderen gestaltet sich die Verwendung beziehungsweise Gestaltung einer „Placebo“-Einlage als schwierig, da jede Änderung der plantaren Unterstützungsfläche vor allem sensorische Änderungen in welcher Art auch immer hervorrufen. Zusätzlich ist die Verblindung der Probandinnen schwierig, da die Einlagen unterschiedliche Reliefs aufweisen und damit allein durch die haptische Wahrnehmung unterschieden werden können. Die Probandinnen erhielten aber keinerlei Informationen zu den zwei Einlagentypen.
2.4 Testablauf
Für das Ziel der Studie wurde eine Landung in den Einbeinstand, sogenannte single-leg landings (SLLs), analysiert. Der Ablauf der Landung ist in Abbildung 3 schematisch dargestellt. Die Versuchsperson steht mit beiden Beinen auf einer 40 cm hohen Kiste. Die Hände sind in die Hüften gestützt und die Füße hüftbreit auseinander. Auf ein Startzeichen lässt sich die Versuchsperson nach vorne fallen und landet auf dem dominanten Bein auf einer Kraftmessplatte. Damit der Versuch gültig ist, dürfen die Hände nicht für Ausgleichbewegungen von der Hüfte genommen werden, es darf nicht nachgesprungen werden und die Versuchsperson muss mindestens drei Sekunden nach der Landung ruhig auf dem dominanten Bein stehen. Das dominante Bein wurde bestimmt, indem die Probandinnen zuvor ohne weitere Instruktion drei Mal von der Plattform in den Einbeinstand sprangen. Das am häufigsten gewählte Bein war demnach das dominante Bein. Bei allen Probandinnen war das dominante Bein auch das Bein, bei dem Knieschmerzen auftraten. Für jede Messbedingung wurden jeweils zehn gültige Landungen aufgenommen.
2.5 Datenerhebung
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden Elektromyographie (EMG)-Messungen durchgeführt. Die Muskelaktivität von insgesamt neun Ober- und Unterschenkelmuskeln wurde dazu über Oberflächenelektroden aufgenommen (Abbildung 4). Die Hautvorbereitung und die Platzierung der Elektroden erfolgte nach den Richtlinien der SENIAM-Gruppe. Die EMG-Daten wurden über das kabellose Noraxon System (Desktop DTS, Noraxon, USA) mit einer Messfrequenz von 1500 Hz synchron aufgenommen. Zusätzlich wurde die Bodenreaktionskraft über eine Kistler-Kraftmessplatte (Type: 9287C, Kistler, Schweiz, Messfrequenz: 800 Hz) gemessen.
2.6 Datenaufbereitung und analysierte Parameter Trageverhalten
Das Trageverhalten wurde über ein Tragetagebuch erhoben, so dass ein Vergleich der beiden Tragezeiten zwischen den Gruppen durchgeführt werden kann. Dazu wurden die Probanden instruiert, das Tragetagebuch täglich auszufüllen. Zusätzlich wurden die Tragezeiten mit einem in der Einlage integrierten Temperatursensor (Orthotimer, Deutschland) aufgezeichnet. Die Daten des Temperatursensors dienten nur der Überprüfung der Tragetagebücher und werden in diesem Artikel nicht weiter betrachtet.
Schmerz + Stabilität
Der Knieschmerz wurde mittels einer Visuellen Analogskala (10 cm) von 0 keine Schmerzen bis 10 unerträgliche Schmerzen bestimmt. Dabei markierten die Probandinnen durch ein Kreuz auf einer Linie die Stärke des Schmerzes. Zusätzlich zum empfundenen Knieschmerz wurde die subjektive Kniestabilität mit Hilfe einer Visuellen Analogskala (10 cm) bestimmt. Dabei entsprachen ein Wert von 0 instabil und ein Wert von 10 stabil. Die Bestimmung der beiden Parameter Knieschmerz und Kniestabilität fand zum einen direkt am Anfang des ersten Messtages und zu Beginn des zweiten Messtages vor den jeweiligen Landungen statt.
Muskelaktivität
Die EMG-Daten wurden zunächst mit einem Bandpass-Butterworth-Filter (5 – 500 Hz) gefiltert, gleichgerichtet und geglättet (RMS; Fensterbreite 20 ms). Die Muskelaktivität wurde im Bereich der Stabilisierungsphase der Landung analysiert. Dazu wurde für den Start der Stabilisierungsphase der initiale Bodenkontakt über die Bodenreaktionskraft bestimmt. Für das Ende der Stabilisierungsphase wurde die „time to stabilize“ (TTS) ebenfalls über die vertikale Bodenreaktionskraft nach Colby et al. (1999) bestimmt. Sie beschreibt die Zeit, die man benötigt, um nach einer Landung auf einem Bein stabil zu stehen. Die Muskelaktivität während der Stabilisierungsphase wurde anschließend auf 100 % zeitlich normiert. Anschließend wurde der Mittelwertverlauf der Muskelaktivität für die zeitlich normierte Stabilisierungsphase über die zehn Messungen jeder Bedingung gebildet. Da die Muskelaktivität indirekt über eine Spannung gemessen wird, die von vielen Faktoren (z. B. Hautvorbereitung, Positionierung der Elektroden) abhängig ist, ist im Bereich der EMG-Messungen eine Normierung der gemessenen Daten sinnvoll und notwendig. Damit können zum einen die Probandinnen untereinander verglichen werden, zum anderen aber auch die beiden Messzeitpunkte. Um den Effekt der Einlagen auf die motorische Kontrolle zu untersuchen, wurde die Muskelaktivität nicht wie üblich auf die maximal willkürliche Muskelaktivität normiert (Burden, 2010), sondern die Muskelaktivität eines Muskels auf die Gesamtaktivität aller untersuchten Muskeln normiert. Die Abbildung 5 zeigt das Vorgehen bei der Normierung. Dazu wird das Summensignal über alle Muskeln berechnet und anschließend die Aktivität jedes einzelnen Muskels auf das Summensignal normiert. Die Aufsummierung aller normierten Muskelaktivitäten zu einem bestimmten Zeitpunkt ergibt dementsprechend 100 % der Gesamtmuskelaktivität. Auf diese Weise kann der Anteil eines Muskels an der Gesamtaktivität analysiert werden.
Als Parameter wurde das integrierte EMG analysiert und entspricht der Fläche unterhalb der EMG-Kurve. Dieser Parameter hängt nicht nur von der Amplitude eines Signals ab, sondern auch von der Zeitdauer des Signals, in diesem Fall der Dauer der Kontraktion. Er beschreibt die mittlere Aktivität des Muskels über den analysierten Zeitraum. Dieser Parameter wird als influence (Einfluss) bezeichnet (Kerkhoff et al., 2017), da er über die Art der Normierung einen Einblick in die Koordination und damit auf den Einfluss eines Muskels auf die motorische Kontrolle bietet.
Statistische Auswertung
Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS Statistics Version 24.0 (IBM). Für die Beurteilung der Ergebnisse wurde für das Trageverhalten ein unabhängiger t-Test und für die Auswertung des Knieschmerzes und der Kniestabilität jeweils abhängige (Messtag) und unabhängige (Gruppe) t-Tests durchgeführt. Für die Analyse der Muskelaktivität wurde eine mixed-design ANOVA durchgeführt. Das Signifikanzniveau lag bei 0.05 und wurde durch Bonferroni-Korrektur angepasst.
3. Ergebnisse
Am ersten Messtag gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Einlagen-Gruppen (Tabelle 1). Auch gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Tragezeiten der Einlagen während der Intervention. Beide Gruppen haben die Einlagen im Schnitt sechs Stunden am Tag getragen.Vergleicht man die Differenzen zwischen den beiden Messtagen bezüglich der analysierten Parameter TTS (time to stabilize), Kniestabilität und Knieschmerz (Tabelle 2), so lässt sich erkennen, dass für die Parameter TTS und subjektive Kniestabilität keine signifikanten Unterschiede vorliegen. Die beiden Einlagen erhöhen weder die objektiv gemessene noch die subjektiv empfundene Stabilität des Knies nach dem Tragen der Einlagen für 12 Wochen. Betrachtet man die Ergebnisse für den Knieschmerz, so lässt sich eine Verringerung des Knieschmerzes für beide Gruppen erkennen. Jedoch ist nur die Schmerzreduktion zwischen den beiden Messzeitpunkten für die Gruppe der Weichbettungseinlage signifikant. Hier kann der Schmerz im Mittel um mehr als 1 cm auf der 10 cm langen Visuellen Analogskala verringert werden. Zum ersten Messzeitpunkt ist der Knieschmerz in der Weichbettungsgruppe leicht höher gegenüber der anderen Gruppe. Vergleicht man die beiden Gruppen, so kann jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen zum Beginn und zum Ende der Intervention festgestellt werden. Für die Analyse des Einflusses der Einlagen auf die Muskelaktivität während der Stabilisierungsphase zeigt nur die sensomotorisch wirkende Fußorthese einen signifikanten Effekt auf die motorische Kontrolle. Der Einfluss von insgesamt drei der neun analysierten Muskeln wird durch das Tragen der sensomotorisch wirkenden Fußorthese modifiziert. Dabei zeigt sich sowohl eine Erhöhung des Einflusses, als auch eine Verringerung des Einflusses auf die Gesamtaktivität. Die Abbildung 6 zeigt jeweils die mittlere Differenz zwischen zwei Bedingungen für die drei Muskeln, bei denen signifikante Unterschiede festgestellt wurden. Dabei zeigt ein positiver Wert an, dass der Einfluss des Muskels bei der zuerst genannten Bedingung größer ist als bei der zweiten Bedingung. Für den M. semitendinosus wird der Anteil des Muskels an der Gesamtaktivität im Vergleich zu beiden anderen Bedingungen signifikant erhöht. Dies zeigt sich in der negativen Differenz für den Vergleich ohne Einlagen minus sensomotorisch wirkende Fußorthese und der positiven Differenz für den Vergleich sensomotorisch wirkende Fußorthese minus Weichbettungseinlage. Für den M. peroneus longus wird eine Erhöhung des Einflusses durch die sensomotorisch wirkende Fußorthese beim Vergleich mit der Weichbettungseinlage gemessen. Auch der Vergleich zur Kontrollbedingung zeigt die Tendenz, dass sich der Einfluss durch die sensomotorisch wirkende Fußorthese erhöht. Dieser Unterschied ist allerdings nicht signifikant (p = 0.085). Im Gegensatz dazu, wird eine signifikante Verringerung des Einflusses für den M. tibialis anterior im Vergleich zur Bedingung ohne Einlage festgestellt. Für den Vergleich zwischen den Gruppen lässt sich kein Effekt der Einlagen erkennen. Nach 12-wöchiger Tragezeiterhöht sich ebenfalls der Einfluss des M. semitendinosus mit einer mittleren Differenz von 82,5 %*% und einer Standardabweichung von 62,9 %*%
(p = 0.012). Dabei ist dieser Effekt unabhängig von dem getragenen Einlagentyp während der Intervention. Der Effekt der Einlagenbedingung ist auch trotzdem weiterhin sichtbar.
Diskussion
Dieses ist die erste Studie, die den Einfluss von zwei verschiedenen Einlagentypen auf den Knieschmerz und auf die motorische Kontrolle durch die Analyse der Muskelaktivität während einer hochdynamischen Bewegung miteinander vergleicht. Dabei sollten drei Forschungsfragen beantwortet werden:
- Haben Einlagen einen Effekt auf den Knieschmerz?
- Haben Einlagen einen Effekt auf die motorische Kontrolle während der Landung in den Einbeinstand?
- Unterscheiden sich die beiden Einlagentypen in ihren Effekten?
Alle drei Fragen können mit „Ja“ beantwortet werden. Jedoch muss festgehalten werden, dass sich die Effekte deutlich zwischen den beiden Einlagentypen unterscheiden. Die Unterschiede zeigen sich zum einen in einer Schmerzreduktion durch das Tragen von Weichbettungseinlagen und zum anderen in einer geänderten motorischen Kontrolle beim Tragen von sensomotorisch wirkenden Fußorthesen. Interessanterweise kann nur für die Weichbettungseinlagengruppe eine signifikante Schmerzreduktion nach der 12-wöchigen Intervention nachgewiesen werden. Es ist bereits mehrfach gezeigt worden, dass Einlagen in der Lage sind, Knieschmerzen während alltäglicher Bewegungen, wie dem Gehen oder dem Treppensteigen, zu reduzieren (Collins et al., 2017; Mills et al., 2012; Moyne-Bressand et al., 2017). Dabei zeigen an den Fuß angepasste Einlagen häufig jedoch keinen Vorteil zu einer flachen Einlage (Collins et al., 2017). Als mögliche Mechanismen für die Schmerzreduktion werden neuromuskuläre Änderungen, Änderung in der Kinematik und Kinetik oder ein stoßdämpfender Effekt genannt (Mills et al., 2010). Diese drei Mechanismen sollen im Folgenden für die Weichbettungseinlage diskutiert werden. Dass die Ursache für die Schmerzreduktion durch das Tragen der Weichbettungseinlage eine Folge einer geänderten Muskelaktivität ist, kann durch die vorliegende Studie nicht bestätigt werden. Die Weichbettungseinlagen zeigen keinen Effekt auf die Muskelaktivität. Moyne-Bressand et al. (2017) haben über die Analyse des H-Reflexes gezeigt, dass sich die neuronale Strategie durch das Tragen von korrigierenden Einlagen ändert. Welchen Einfluss diese eher statische Messung auf die Muskelaktivität in der Dynamik hat, wurde in der Studie nicht beantwortet. Die vorliegende Studie zeigt jedoch keinen Effekt der Weichbettungseinlage auf die Muskelaktivität und ist demnach keine Erklärung für die Schmerzreduktion. Bezüglich der Auswirkung von Einlagen auf die Kniegelenkwinkel und Kniegelenkmomente ist die Studienlage nicht einheitlich, da viele Studien keine Auswirkungen von Einlagen auf diese Parameter zeigen (Lack et al., 2014; MacLean et al., 2006; Mills et al., 2010). Hier sei darauf hingewiesen, dass es bei der Analyse der Kinematik und Kinetik bei hochdynamischen Bewegungen zu starken Weichteilbewegungen kommt, die große Artefakte verursachen. Daher können gerade Kniebewegungen und -belastungen in der Frontal- und Transversalebene nicht mit ausreichender Genauigkeit erfasst werden (Sankey et al., 2015). Hier müssen zunächst geeignete Messverfahren entwickelt werden, um eine abschließende Aussage zu treffen. Als letzter Mechanismus, der zu einer Schmerzreduktion führen kann, sei der stoßdämpfende Effekt genannt. Die Weichbettungseinlage ist im Gegensatz zur sensomotorisch wirkenden Fußorthese langsohlig gepolstert und kann daher einen größeren stoßdämpfenden Effekt erzielen, der zu einer Verminderung der Belastung und damit zur Verringerung der Knieschmerzen führen kann. Im Gegensatz zur Weichbettungseinlage kann für die sensomotorisch wirkenden Fußorthesen keine Reduzierung des Knieschmerzes nachgewiesen werden. Betrachtet man allerdings die Ergebnisse der Muskelaktivität, so wird interessanterweise nur durch die sensomotorisch wirkende Fußorthese die Muskelaktivität modifiziert. Der postulierte Wirkmechanismus der sensomotorisch wirkenden Fußorthese ist die Änderung der afferenten Rückmeldung (Greitemann et al., 2016; Ludwig et al., 2016). Für die sensomotorisch wirkende Fußorthese wurde der Einfluss auf die motorische Kontrolle von insgesamt drei Muskeln beeinflusst. Bezogen auf den Knieschmerz ist aber nur der M. semitendinosus ein kniegelenksübergreifender Muskel. In der Literatur wird eine verringerte Aktivität des M. semitendinosus mit Knieschmerzen verbunden (Park et al., 2017). Der erhöhte Einfluss des Muskels könnte dementsprechend im Umkehrschluss zu einer physiologischeren Muskelaktivität führen und die Knieschmerzen verringern. Es konnte aber keine Schmerzreduktion nachgewiesen werden. Demnach kann der gesetzte Reiz für eine Schmerzreduktion nicht ausreichend gewesen sein oder die Intervention von 12 Wochen war zu kurz.
Tabelle 1
Parameter zum Zeitpunkt T1
|
Gruppe
Sensomotorisch
wirkende
Fußorthesen
(n = 13)
|
Gruppe
Weichbettungseinlagen
(n = 15)
|
p-Werte
|
---|---|---|---|
Knieschmerz [cm]
|
2.3 (2.3)
|
3.2 (2.8)
|
0.406
|
Kniestabilität [cm]
|
8.1 (1.6)
|
7.2 (2.2)
|
0.263
|
Time to stabilize [s]
|
1.6 (0.2)
|
1.7 (0.2)
|
0.490
|
Durchschnittliche Tragezeit während
Intervention / Tag [Stunden]
|
6.1 (1.5)
|
6.1 (2.6)
|
0.968
|
Tabelle 1: Daten für den Knieschmerz, die Kniestabilität und die time to stabilize (TTS) am ersten Messtag (T1) für die beiden Einlagen-Gruppen. Die erhobenen Daten zeigen zum Beginn der Studie keine signifikanten Unterschiede zwischen den zwei Einlagen-Gruppen.
Tabelle 2
Parameter
|
Sensomotorisch wirkende
Fußorthese
|
Weichbettungseinlage
|
||||
---|---|---|---|---|---|---|
Messzeitpunkt 1
|
Messzeitpunkt 2
|
p-Wert
|
Messzeitpunkt 1
|
Messzeitpunkt 2
|
p-Wert
|
|
TTS [s]
|
1.6 (0.2)
|
1.6 (0.2)
|
0.934
|
1.7 (0.2)
|
1.7 (0.2)
|
0.546
|
Kniestabilität [cm]
|
8.1 (1.6)
|
8.3 (1.4)
|
0.508
|
7.2 (2.2)
|
8.2 (1.4)
|
0.085
|
Knieschmerz [cm]
|
2.3 (2.3)
|
2.1 (2.0)
|
0.509
|
3.2 (2.8)
|
1.9 (1.9)
|
0.031
|
Tabelle 2: Einfluss der 12-wöchigen Intervention auf die Parameter time to stabilize (TTS), subjektive Kniestabilität und Kniestabilität innerhalb der beiden Einlagen-Gruppen.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen deutlich, dass die beiden Einlagen unterschiedliche Effekte aufweisen. Diese Unterschiede gerade im Bereich der Muskelaktivität unterstützen die Hypothese, dass die Einlagen zwei unterschiedliche Wirkmechanismen aufweisen. Es gibt keine Studie, die in diesem Umfang den Einfluss von zwei grundsätzlich verschiedenen Einlagentypen auf die motorische Kontrolle untersucht hat. Bei der Betrachtung der motorischen Kontrolle steht das Zusammenspiel der einzelnen Muskeln an erster Stelle. Deshalb wurde in dieser Arbeit durch die Art der Normierung der Einfluss eines Muskels auf die Gesamtaktivität betrachtet. Dies ist im Bereich der Einlagenversorgung ein bisher noch nicht eingesetzter Parameter. Ein ähnlicher Ansatz wurde schon erfolgreich im Bereich der Koordinationsmuster der Rückenmuskulatur beim Gehen eingesetzt (Anders et al., 2009). Dieser Parameter bietet ganz neue Einblicke in die motorische Kontrolle von Bewegungen. Ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Unterschied zur „normalen“ Normierung der EMG-Daten ist die Interpretation der Ergebnisse. Bei dem neuen Parameter influence (Einfluss) kann eine Erhöhung des Wertes auf zwei Arten entstehen. Zum einen kann der untersuchte Muskel seine Aktivität erhöhen und damit der Anteil an der Gesamtaktivität erhöht werden. Auf der anderen Seite kann aber auch die Reduzierung der Aktivität eines oder mehrerer anderer Muskeln zu einer Erhöhung des Anteils des untersuchten Muskels an der Gesamtaktivität führen. Daher ist ein Vergleich mit der bisherigen Literatur schwierig. Im Bereich der sensomotorisch wirkenden Fußorthesen konnten Ludwig et al. (2016) zeigen, dass es durch den Einsatz des lateralen Druckelementes zu einer Erhöhung der M. peroneus longus-Aktivität während der mittleren Standphase beim Gehen kommt. Sie führten dies auf einen erhöhten Druck auf die Sehne des M. peroneus longus während der Belastung zurück. Dieses laterale Druckelement ist auch auf der in dieser Studie untersuchten sensormotorisch wirkenden Fußorthese vorhanden. Auch in dieser Studie konnte ein erhöhter Einfluss des M. peroneus longus während der Stabilisierungsphase nachgewiesen werden. Die beiden Parameter TTS und subjektive Kniestabilität unterstützen die Ergebnisse von Collins et al. (2017), dass die beiden Einlagen keinen direkten Einfluss auf die Kniestabilität haben. Die Ergebnisse der Muskelaktivität zeigen keinerlei signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen nach der 12-wöchigen Tragezeit. Dies deutet daraufhin, dass es keinen Gewöhnungseffekt gibt. Beide Einlagen (im Besonderen die sensomotorisch wirkende Fußorthese) wirken nur genau dann, wenn sie getragen werden. Auch nach einer 12-wöchigen Tragezeit findet keine Adaption statt. Dies bedeutet auf der einen Seite, dass derselbe Reiz immer noch zu derselben Reaktion führt und auf der anderen Seite, dass nicht, wie häufig postuliert, neue Bewegungsmuster „gelernt“ werden, die dann auch ohne Fußorthese beibehalten werden.
Fazit
Die vorliegende Studie hat gezeigt, dass Weichbettungseinlagen Knieschmerzen über eine regelmäßige Tragedauer von 12 Wochen verringern und damit im Bereich der Akutversorgung von Knieschmerzen sinnvoll sind, auch wenn der Mechanismus dahinter weiterhin nicht vollständig geklärt ist. Muskuläre Veränderungen können durch die vorliegende Studie allerdings ausgeschlossen werden. Die sensomotorisch wirkenden Fußorthesen haben keinen Einfluss auf den Knieschmerz gezeigt. Es konnte aber ein Effekt auch auf die kniegelenksübergreifende Muskulatur nachgewiesen werden. Diese Anpassung kann langfristig zu einer verbesserten Kniestabilität führen. Aus diesem Grund wäre eine Kombination aus beiden Einlagentypen sinnvoll. Weichbettungseinlagen können akute Knieschmerzen verringern und sensomotorisch wirkende Fußorthesen langfristig die Kniestabilität verbessern.
Zusammenfassung
Knieschmerzen im Bereich des Sports werden vielfach in einem ersten Schritt mit Einlagen therapiert. In der Praxis kommen häufig zwei verschiedene Einlagentypen zum Einsatz: über die Krankenkasse gezahlte Weichbettungseinlagen oder privat gezahlte sensomotorisch wirkende Fußorthesen. Mit beiden Einlagentypen werden in der Praxis positive Ergebnisse erzielt. Ein Nachweis auf wissenschaftlicher Ebene besonders bezogen auf den Wirkmechanismus der verschiedenen Einlagentypen steht aber noch aus. Insbesondere die sensomotorisch wirkenden Fußorthesen sollen in der Theorie Einfluss auf die motorische Kontrolle nehmen.
In einer randomisierten Test-Retest-Studie wurde der Effekt der beiden unterschiedlichen Einlagentypen auf die motorische Kontrolle über die Analyse der Muskelaktivität während der Landung in den Einbeinstand und auf den Knieschmerz untersucht. Dabei erfolgte sowohl eine Analyse des Kurzzeiteffekts der Einlagen als auch des Langzeiteffekts nach einer 12-wöchigen Tragezeit.
Durch das Tragen der Weichbettungseinlagen konnte eine signifikante Schmerzreduktion nach 12 Wochen erreicht werden. Es konnte aber kein Effekt auf die motorische Kontrolle nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu verändern die sensomotorisch wirkenden Fußorthesen die motorische Kontrolle während der Landung in den Einbeinstand signifikant. Es konnte jedoch keine Schmerzreduktion nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse unterstützen die These, dass die Einlagentypen unterschiedliche Wirkmechanismen haben.
Interessenkonflikt und Danksagung
Alle Schuheinlagen dieser Studie wurden von der Firma Möller Orthopädie-Schuh-Technik bereitgestellt bzw. wurden durch die Autorin vor Ort gefertigt. Die Firma hatte keinen Einfluss auf die wissenschaftliche Erhebung der Daten. Die Firma stand mit ihrer Expertise beratend zur Seite und ermöglichte die Durchführung der Studie durch eine kostenlose Herstellung der Einlagen. Dafür möchten wir uns recht herzlich bedanken. Ein besonderer Dank gilt Stephan Krämer und Sascha Wigge für ihre hilfreichen Kommentare zum Skript.
Anschrift für die Verfasser:
Dr. rer. nat. Annette Kerkhoff
Labor für Biomechanik
Fachhochschule Münster
Bürgerkamp 3
48565 Steinfurt
a.kerkhoff@fh-muenster.de