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3. Dezember 2018
Redaktion
Diabetes

Druckreduzierung auf diabetes-
adaptierten Fußbettungen

Diabetesadaptierte Fußbettungen spielen eine wichtige Rolle bei der Therapie des Diabetischen Fußsyndroms. Zum Schutz vor Ulzerationen oder Rezidiven sollen sie den Druck in gefährdeten Regionen reduzieren und auf belastbarere Bereiche des Fußes verlagern. In einer Studie wurde erstmals mit einer großen Zahl von Probanden (169) untersucht, wie gut die Druckreduktion durch diese besondere Art der Fußbettung, die mehrschichtig über einen individuellen Leisten gefertigt wird, gelingt. Der Vergleich zwischen einer Messung ohne und mit Fußbettung, zeigte, dass die mittlere
Druckreduktion von 30 Prozent unter Vorfuß und Rückfuß erreicht werden konnte, so wie sie vom GKV-Spitzenverband in der Produktgruppe 31 gefordert wird.
Auch die belastete Fläche des 
Fußes konnte signifikant erhöht werden. Allerdings wurde nur für gut 60  Prozent der Probanden eine Druckreduktion über 30 Prozent im Vorfußbereich erreicht. Dies zeigt die Notwendigkeit, die Diabetesadaptierte Fußbettung mit Hilfe der Druckverteilungsmessung zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren, um die angestrebte Druckreduktion zu gewährleisten. Hierbei ist es sinnvoll, den Fuß in einzelne Regionen aufzuteilen, um die Druckreduktion in den gefährdeten Bereichen genauer analysieren zu können.

Die Versorgung des Diabetischen Fuß­syndroms zählt in der Orthopädieschuhtechnik zu einem wichtigen
Versorgungsgebiet. Dabei steht die Entlastung des Fußes beziehungsweise die Entlastung von bestimmten Bereichen des Fußes bei Menschen mit Diabetes mellitus und einem Diabetischen Fußsyndrom im Vordergrund. Die schuhtechnische Versorgung von Diabetes mellitus Patienten ist von der „Interdisziplinären Arbeitsgruppe (AG Fuß) Schuhversorgung beim Diabetischen Fußsyndrom“ durch eine stadiengerechte Versorgung geregelt. Hier werden die jeweiligen schuhtechnischen Versorgungen nach Risikogruppeneinteilung beschrieben und empfohlen.

In frühen Stadien des Diabetischen Fußsyndroms soll eine Verschlimmerung der Beschwerden durch die Versorgung mit Einlagen und therapeutischen Schuhen verhindert werden. Als spezielle Versorgung werden in Deutschland diabetesadaptierte Fußbettungen 
(DaFOs) eingesetzt. Diese sind im Hilfsmittelverzeichnis unter der Hilfsmittelnummer PG 31.03.07.0 gelistet. Nach den neusten Änderungen vom September 2018 (Fortschreibung der PG 31 „Schuhe“ des Hilfsmittelverzeichnisses nach §139 SGB V vom 10.09.2018) sind DaFOs bei der Beeinträchtigung der Mobilität, bei Schädigung des Fußes nach abgeheiltem plantaren Fußulkus infolge eines Diabetes mellitus aufgrund des stark erhöhten Rezidivrisikos, bei Patienten mit diabetischer Neuropathie und ggf. zusätzlicher Angiopathie (Durchblutungsstörung) indiziert.

In der Indikation des Hilfsmittelverzeichnisses wird ebenfalls definiert, dass durch die Versorgung eine Druckreduzierung der Druckspitzen von 30 Prozent und eine gleichmäßige Druckverteilung gewährleistet werden muss (GKV-Spitzenverband 2018). Eine genauere Beschreibung, wie dieser Nachweis zu erbringen ist, und mit welcher Referenzmessung die Versorgung verglichen werden soll, ist im Hilfsmittelverzeichnis nicht weiter definiert. Eine Messung des Druckes mit Hilfe von Druckmessplatten ist in diesem Fall nicht sinnvoll, da hier die Interaktion zwischen Schuh und Boden gemessen wird. Soll aber der Effekt einer Einlage oder Bettung analysiert werden, so müssen Innensohlenmesssysteme zum Einsatz kommen, da nur sie in der Lage sind, die Druckentlastung direkt unter dem Fuß im Schuh zu messen. In diesem Fall wird dementsprechend die Interaktion zwischen Fuß und Einlage gemessen.

Wenn es um die Vermeidung eines plantaren Fußulkus bei Diabetespatienten geht, so empfehlen unterschiedliche Quellen mit unterschiedlichen Evidenzgraden ebenfalls eine Reduktion des Spitzendruckes um 30 Prozent (Bus et al. 2018; Bus et al. 2016; Stumpf 2006). Es werden aber auch absolute, kritische Werte angegeben. So wird empfohlen, dass durch die Versorgung ein Spitzendruck unterhalb von 20 N/cm2 gewährleistet werden soll, um ein Wiederauftreten eines plantaren Fußulkus zu vermeiden (Cavanagh & Bus 2010; Owings et al. 2009). Die Angabe von absoluten Druckwerten wird jedoch kritisch hinterfragt, da sie abhängig vom verwendeten Messsystem und von der Validität und der Kalibrierung des jeweiligen Messsystems sind (Bus 2018; Peikenkamp 2018). Da in der Praxis unterschiedliche Messsysteme verschiedener Hersteller zum Einsatz kommen, ist die Angabe von absoluten Richtwerten problematisch.

Bei der Versorgung des Diabetischen Fußsyndroms wird die Verwendung von handwerklich gefertigten Einlagen empfohlen, auch wenn der Evidenzgrad für die Wirkung eher gering ist (Bus et al. 2016; Cavanagh & Bus 2010). So konnte der Vorteil einer handwerklich gefertigten Einlage gegenüber einer einfachen langsohligen Polstersohle oder einer konfektionierten Einlage schon mehrfach belegt werden (Hellstrand Tang et al. 2014; Bus et al. 2004). Zusätzlich konnte nachgewiesen werden, dass Einlagen, die auf der Grundlage von Barfuß-Druckmessungen gefertigt werden, gegenüber einer herkömmlichen Herstellung einen Vorteil in der Druckreduktion bieten (Ulbrecht et al. 2014; Owings et al. 2008). Die druckreduzierende Wirkung der Einlage kann zusätzlich erhöht werden, wenn die Einlage auf der Grundlage von Innenschuhdruckmessungen mit Einlage erneut modifiziert wird (Arts et al. 2015; Bus et al. 2011).

Im Bereich der DaFOs liegen bisher kaum Studien vor, die deren Einfluss auf die Druckreduzierung und die Druck­umverteilung des plantaren Drucks ausreichend untersuchen. Die Analyse von ausreichend großen Datensätzen ist notwendig, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, über einen möglichst großen Probandenpool zu analysieren, welchen Einfluss eine DaFO auf die plantare Druckverteilung hat und wie hoch die Druckreduktion und die Druckumverteilung sind.

Methodik

An der Untersuchung nahmen insgesamt 175 Probanden teil. Aufgrund von fehlenden Daten wurden letztlich 169 Probanden ausgewertet. Alle Probanden waren nicht Diabetiker mit einer nahezu homogen verteilten Altersspanne von 20 bis 60 Jahren. Unter ihnen waren 10 Prozent Frauen und 90 Prozent Männer. 
Alle Probanden gehörten zur arbeitenden Bevölkerung. Die physiologische Verfassung kann mit einer breiten und gleichmäßigen Fächerung von sehr sportlich über normal sportlich bis hin zu unsportlich bezeichnet werden. Damit deckt der Probandenpool einen Großteil der Bevölkerung ab. Ausschlusskriterium war eine akute Verletzung der Füße. Alle Probanden waren Teilnehmer unterschiedlicher Seminare zum Thema Diabetikerversorgung in der Orthopädieschuhtechnik nach den Richtlinien des Zentralverbandes Gesundheits­handwerk Orthopädie-Schuhtechnik. Die Semi­nare fanden über einen Zeitraum von etwa drei Jahren statt. In diesen Seminaren wurde auf der Grundlage der Seminarinhalte eine Selbstversorgung mit diabetesadaptierten Fußbettungen (DaFO) für jeden Teilnehmer gefertigt.

Diabetesadaptierte
Foto: GeBioM
Individuell gefertigte diabetesadaptierte FuІbettung im Sandwichaufbau

Die DaFOs wurden über ein individuelles Fußpositiv erstellt. Für das Fußpositiv wurde ein Trittschaum angefertigt. Anschließend wurde der Trittschaum ausgegossen und das Fußmodell erstellt. Die Herstellung der DaFO fand in einem Tiefziehverfahren mit Sandwichaufbau
statt (Abb. 1). Die Einlagen bestanden aus mindestens drei Schichten, deren Shore-Härten von proximal weich nach distal hart zunahm. An der dünn­sten Stelle waren die DaFOs mindestens 8 mm stark.

Innenschuhmesssohle
Foto: GeBioM
Verwendetes Innenschuhdruckmesssystem GP MobilData der Firma GeBioM mbH mit beispielhafter Druckverteilung beim Gehen

Für jeden Probanden wurden zwei Druckmessungen mit einem Innensohlenmesssystem durchgeführt, wobei 
alle Daten anonymisiert ausgewertet worden sind. Zunächst wurde eine Ausgangsmessung barfuß durchgeführt. Hierzu wurde das Innensohlendruckmesssystem über ein eigens erstelltes Gurtsystem unter dem Fuß fixiert, so dass ein Verrutschen der Sohle vermieden werden konnte. Das Innensohlendruckmesssystem wurde deshalb für die Barfuß-Messung verwendet, da ein Vergleich der Daten von Innensohlendruckmesssystemen und Druckmess­platten nicht zulässig ist (Westphal et al. 2016; Chevalier et al. 2010; Barnett et al. 2001). Die zweite Messung fand anschließend mit den DaFOs in den jeweiligen Schuhen der Probanden statt. Für die beiden Messungen legte jeder Proband eine gerade Gangstrecke von etwa zehn Meter Länge mit einer selbst gewählten Geschwindigkeit zurück.

Für die Druckverteilungsmessungen wurde das Innenschuhdruckmesssystem „GP MobilData“ der Firma GeBioM mbH verwendet (Abb. 2). Das System verfügt über flexible Messsohlen, die je nach Größe 40 bis 64 resistive Sensoren enthalten. Die Messdaten wurden mit einer Frequenz von 200 Hz aufgezeichnet. Der Messfehler des Systems wird vom Hersteller mit maximal ± 5 Prozent angegeben. Die Datenübertragung von den Sohlen erfolgte über WLAN. Zur Auswertung wurde das Modul „GP Fußdruck“ verwendet. Mit dieser Software können unterschiedliche Druck-, Kraft- und Belastungsparameter abgebildet und ausgewertet werden. Für die Analyse wurden aus jeder Messung sechs bis acht Schritte ausgewertet. 
Damit die Druckreduktion und die 
Druckumverteilung ausreichend analysiert werden konnten, wurde der Fuß für die Auswertung in drei Bereiche aufgeteilt: Vorfuß, Mittelfuß und Rückfuß. Als 
Parameter wurden der maximale Druck, das Kraft-Zeit-Integral (Impuls) und die
belastete Fläche für die drei Bereiche analysiert. Zur Beurteilung der Ergebnisse wurde ein t-Test für abhängige Stichproben durchgeführt. Das Signifikanzniveau wurde auf 5 % festgelegt.

Grafik
Grafik: GeBioM
Vergleich des Kraft-Zeit-Integrals (Ns) gemittelt über alle Probanden (N = 169) für beide Bedingungen (DaFO = diabetesadaptiete Fußbettung) für die drei Fußbereiche. Signifikante Unterschiede wischen den Bedingungen sind mit einem "*" markiert (p<0.05)

Ergebnisse

Für den linken und rechten Fuß weisen die Ergebnisse ähnliche Tendenzen auf. Aus diesem Grund werden hier nur die Ergebnisse für den linken Fuß dargestellt. In Abbildung 3 ist der maximale Druck (N/cm2) in den drei analysierten Fußbereichen für die beiden Bedingungen barfuß und diabetesadaptierte Fußbettung (DaFO) dargestellt. Für den Vorfuß und den Rückfuß kann durch die DaFO eine
signifikante Reduktion des maximalen
Drucks erreicht werden. Dabei sinkt der maximale Druck signifikant im Mittel um 33 Prozent für den Vorfuß und um 46 Prozent für den Rückfuß bezogen auf die Werte der Barfußbedingung (Abb. 4). Für den Mittelfuß kann kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. Die Abbildung 4 zeigt eine mittlere Druck­erhöhung von 13 Prozent bei der Verwendung der DaFO, allerdings ist die Streuung der Daten hoch und damit der Unterschied nicht signifikant.

Die Mittelwerte der DaFO-Bedingung zeigen auch für das Kraft-Zeit-Integral eine signifikante Reduktion der Belastung für den Vorfuß und für den Rückfuß (Abb. 5). Im Vorfußbereich wird das Kraft-Zeit-Integral im Mittel um 28 Ns (SD = 130 Ns) und im Rückfußbereich um 27 Ns (SD = 95 Ns) verringert (Ns =Newtonsekunden, SD = Standardabweichung). Auffällig ist hier die relativ große Streuung der Daten, angegeben durch die Standardabweichung. Eine 
signifikante Erhöhung des Kraft-Zeit-Integrals kann für den Mittelfuß detektiert werden. Im Mittel wird das Integral um 70 Ns (SD = 61 Ns) erhöht.

Grafik
Grafik: GeBioM
Vergleich der belasteten Fläche (cm2) gemittelt über alle Probanden (N = 169) für beide Bedingungen für die drei Fußbereiche. Signifikante Unterschiede zwischen den Bedingungen sind mit einem "*" markiert (p<0.05)

Die belastete Fläche wird im Vor- und Mittelfußbereich signifikant vergrößert (Abb. 6). Dabei wird sie im Mittel für den Vorfuß um 2 cm2 (SD = 4 cm2) vergrößert und für den Mittelfuß um 8 cm2 (SD = 
8 cm2). Im Rückfußbereich kann kein Effekt der DaFO auf die belastete Fläche des Fußes festgestellt werden. Die Ergebnisse des maximalen Drucks und des Kraft-Zeit-Intergrals zeigen relativ hohe Standardabweichungen. Auch die prozentuale Änderung des maximalen Drucks zeigt hohe Schwankungen. Um eine bessere Aussage über die Entlastung durch DaFOs zu erhalten, wurde zusätzlich die Anzahl an Probanden bestimmt, für die die Reduktion des maximalen Druckes mindestens 30 Prozent der Barfuß-Bedingung betrug oder der maximale Druck unter 20 N/cm2 lag.

Zudem wurde die Anzahl der Probanden bestimmt, bei denen eine Reduktion des Kraft-Zeit-Integrals festgestellt wurde. Tabelle 1 zeigt, dass für den Vorfuß 98 von 169 Probanden eine Reduktion des maximalen Druckes um mindestens 30 Prozent aufweisen. Für den Rückfuß ist diese Zahl deutlich höher. Hier kann bei 151 Probanden eine solche Druckreduktion detektiert werden. Eine Druckreduktion im Mittelfuß wird für 25 Probanden erreicht. Die Anzahl der Probanden mit einem maximalen Druck unter 20 N/cm2 liegt für den Vorfuß bei 80 und für den Rückfuß bei 138 von 169 Probanden. Für den Mittelfuß sind alle erfassten maximalen Drücke kleiner als 20 N/cm2. Nur bei 68 Probanden liegen im Vorfußbereich die Reduktion über 
30 Prozent und der maximale Wert unter 20 N/cm2. Im Rückfußbereich ist dies bei 127 von 169 Probanden der Fall. Für das Kraft-Zeit-Integral wird eine Reduktion durch die DaFOs bei 138 Personen im Vorfuß und bei 128 Probanden im Rückfuß erreicht. Auch hier ist die Anzahl an Probanden im Mittelfuß mit 10 von 169 Probanden deutlich geringer.

Diskussion

Die vorliegende Untersuchung ist die erste Studie, die den Effekt von DaFOs auf die Druckverteilung zwischen Fuß und Bettung anhand eines großen Probandenpools untersucht hat. Im Mittel konnte die geforderte Reduktion der Druckspitzen durch die DaFO um 30 Prozent im Vergleich zur Barfußmessung sowohl für den Vorfuß als auch für den Rückfuß erreicht werden. Ferner liegt der maximale Druck im Mittel nahe der geforderten Schwelle von 20 N/cm2, die als kritischer Wert für die Ulkusprävention angesehen wird. Dementsprechend scheint der Nachweis für die Krankenkassen erbracht worden zu sein. Jedoch ist die Anzahl der Probanden, für die diese Druckreduktion erreicht wurde, mit 98 von 169 Probanden für den Vorfußbereich gering. Es zeigt sich dementsprechend eine hohe Variabilität der Effekte. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Probanden unterschiedlich auf die Einlage reagieren. An diesen Ergebnissen lässt sich erkennen, dass die DaFOs häufig auf der Grundlage der Druckmessung noch modifiziert werden müssen, wenn die vorgeschriebene Druckreduktion nicht erreicht wird.

Fußbereiche
Reduktion des maximalen Drucks um mindestens 30%
Maximaler Druck unter 20 N/cm2
Reduktion des Kraft-Zeit- Integrals
Vorfuß
98
80
138
Mittelfuß
25
169
10
Rückfuß
151
138
128

Die Daten einer niederländischen 
Studie lassen darauf schließen, dass der Druck durch eine erneute Anpassung der DaFO noch eindeutiger reduziert werden kann. Es wurde zudem festgestellt, dass ein Ulkusrezidiv bei Patienten mit kürzlich abgeheiltem Ulkus nach der erneuten Anpassung verringert werden kann. Dabei konnte die Ulkusrezidivrate im Gegensatz zur Vergleichsgruppe, die nur eine Standardversorgung erhalten hatte, um elf Prozent gesenkt werden (Bus et al. 2011). Diese Ergebnisse sprechen für den Einsatz von Innenschuhdruckmesssystemen zur Verbesserung der Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms.

In der vorliegenden Studie wurde die Druckreduktion jeweils über den maxi­malen Druck, der in den drei analysierten Fußbereichen aufgetreten ist, analysiert. In der Versorgung wäre die Definition von sogenannten Regions of Interest (RoI) sinnvoll. Über diese kritischen Bereiche könnte dann der mittlere, maximale Druck bestimmt werden. Ein Vorteil hierbei wäre, dass nicht ein einzelner Wert (maximaler Druck), der im gesamten, analysierten Bereich auftreten kann, herangezogen wird, sondern ein Sensorbereich. Dieser Parameter kann ein besserer Indikator für eine Druckreduktion sein (Bus et al. 2011).

Es wird sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis immer wieder ein absoluter Schwellenwert für die Druckreduktion gefordert, da die Durchblutung eines Gewebes hauptsächlich vom wirkenden Druck abhängig ist und damit unter anderem einen Einfluss auf die Entstehung von Ulzerationen hat. Owings und Kollegen (2009) konnten zeigen, dass bei Patienten, die ein abgeheiltes Ulkus aufwiesen, im Mittel der Druck zwischen Einlage und Fuß bei 20,7 N/cm2 (SD = 6,8 N/cm2) lag. Daher wird häufig eine Schwelle von 20 N/cm2 genannt. Owings und Kollegen (2009) weisen aber ebenfalls wie Bus (2018) darauf hin, dass dieser Wert nur für validierte, kalibrierte Messsysteme mit einer bestimmten Sensorfläche gilt. Da in der Praxis unterschiedliche Messsysteme eingesetzt werden, die sich unter anderem im Messprinzip und der Sensorfläche unterscheiden, muss die Angabe von absoluten Werten kritisch hinterfragt werden. Im Mittel liegen in der vorliegenden Studie die absoluten maximalen Druckwerte mit der DaFO im Bereich von 20 N/cm2. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob dieser Schwellenwert das Wiederauftreten von Ulzerationen verhindert.

Die Studie von Owings und Kollegen (2009), die ebenfalls die Druckreduktion einer Diabetesversorgung mit Schuhen und Einlagen gegenüber dem Barfußgehen analysiert hat, fand eine Druckreduktion des maximalen Druckes um 36 Prozent bzw. 50 Prozent im Bereich des abgeheilten Ulkus. Hierbei ist aber zu beachten, dass die Barfußmessung mit einer Druckmessplatte und die Versorgungsmessungen mit zwei verschiedenen Innensohlendruckmesssystemen durchgeführt wurden. Dies macht eine Interpretation der Ergebnisse und einen Vergleich mit den vorliegenden Ergebnissen schwierig. Ein Vorteil der vorliegenden Studie ist, dass für beide Bedingungen dasselbe Messsystem verwendet wurde. Damit sind die Ergebnisse der beiden Bedingungen vergleichbar. Interessanterweise werden ähnliche Druckreduktionsraten ermittelt wie in der Studie von Owings und Kollegen (2009).

Es gibt bis lang keine genauen Richtlinien, wie die Druckreduktion nachgewiesen werden soll. Zum einen kann als Referenzmessung die Barfußmessung herangezogen werden, wobei diese kritisch zu betrachten ist, da Patienten mit einem erhöhten Ulkusrisiko nicht barfuß gehen sollten (Bus et al. 2016). Zudem kann durch die Barfuß-Messung als Referenzmessung der Effekt der Fußbettung nicht von dem Effekt, den das Tragen eines Schuhes allein auf die Druckverteilung hat, getrennt werden. Daher muss dringend ein Standard für die Messung von Druckverteilungen im Bereich des Wirkungsnachweises von ­DaFOs festgelegt werden.

Vom Spitzenverband wird zusätzlich eine Druckumverteilung durch die DaFOs gefordert. Auch hier fehlt eine 
genaue Definition des Nachweises der Druckumverteilung. In der vorliegenden Studie wurde die Druckumverteilung durch die zwei Parameter Kraft-Zeit-
Integral und die belastete Fläche nachgewiesen. Die belastete Fläche im Mittelfußbereich konnte deutlich erhöht werden. Zudem zeigte die Analyse des Kraft-Zeit-Integrals eine deutliche Umverteilung der Belastung. Der Mittelfuß wurde deutlich mehr belastet und der Vor- und Rückfußbereich deutlich entlastet. Es gibt derzeit keinerlei Vergleichswerte für die Druckumverteilung durch DaFOs. Weitere Studien müssen zeigen, welchen Effekt die Druckumverteilung auf das Entstehen und das Wiederauftreten von Fußulzerationen hat.

Grundsätzlich muss beachtet werden, dass die Probanden in der vorliegenden Studie keine Diabetespatienten waren. Es kann nach der Studie von Bus und Kollegen (2011) jedoch davon ausgegangen werden, dass der Druck bei Diabetes­patienten im gleichen Maße verringert werden kann, wie bei Nicht-Diabetikern.

Fazit und Ausblick

Die vorliegenden Ergebnisse haben gezeigt, dass durch eine diabetesadaptierte Fußbettung der Druck im Vor- und Rückfußbereich signifikant reduziert werden kann. Dabei liegt die mittlere Reduktion über den vom Spitzenverband der Krankenkassen geforderten 
30 % Druckreduktion. Zudem kann durch
das Kraft-Zeit-Integral und die belastete Fläche eine Druckumverteilung nachgewiesen werden. Auffällig ist aber, dass nur für gut 60 % der Probanden eine Druckreduktion über 30 % im Vorfußbereich erreicht wird. Dies zeigt, dass eine weitere Anpassung der Fußbettungen auf der Grundlage dieser Messungen erfolgen muss, um eine ausreichende Druckreduktion zu gewährleisten.

Zur Zeit fehlt eine genaue Richtlinie, zu welcher Referenz die Druckreduktion erreicht werden muss und wie die 
Druckumverteilung erfasst werden soll. Die Erstellung solcher Richtlinien können dem Versorger dabei helfen, die Wirksamkeit seiner Versorgung besser nachzuweisen. Zusätzlich kann eine erneute Anpassung der Versorgung auf der Grundlage der Vergleiche vorgenommen werden, um die Versorgung bestmöglich zu gestalten. Erst dann kann weiter analysiert werden, ob die diabetesadaptierte Fußbettung sinnvoll zur Vermeidung des Wiederauftretens von plantaren 
Fußulzerationen eingesetzt werden kann. Des Weiteren ist die Definition von kritischen Bereichen empfehlenswert, da diese Bereiche gezielt entlastet werden sollen, und diese Entlastung entsprechend durch standardisierte Druckmessungen nachgewiesen werden kann.

Anschrift für die Verfasser:
Dr. Jörg Natrup
GeBioM
Gesellschaft für Biomechanik Münster mbH
Johann-Krane-Weg 21
48149 Münster

 

 

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