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8. Februar 2018
Annette Switala
Diabetes

Druckverteilungsmessung gezielter einsetzen

Die Druckverteilungsmessung wird vom Kostenträger, aber auch von den maßgeblichen Fachgesellschaften, für die Versorgung des diabetischen Fußsyndroms gefordert. 
Lohnt sich der Aufwand und verbessert sie die Behandlungsergebnisse wirklich? Hierzu präsentierte Dr. Sicco Bus, AMC Amsterdam, auf der 4. ORTHOPÄDIE SCHUH TECHNIK 
die wichtigsten Studien.
Sicco
Foto: Sicco Bus
Dr. Sicco Bus forderte Orthopädieschuhmacher dazu auf, die Druckverteilungsmessung schon während des Fertigungsprozesses als Kontrollinstrument zu nutzen. Nur so lasse sich die bestmögliche Schuhversorgung für das Diabetische Fußsyndrom erreichen.

Die Veranstalter der 4. ORTHOPÄDIE SCHUH TECHNIK freuten sich, mit Dr. Sicco Bus einen der derzeit aktivsten Forscher zur Schuhversorgung beim Diabetischen Fußsyndrom als Keynote-Speaker des Kongresses begrüßen zu dürfen. Die Zahlen zum Diabetischen Fußsyndrom sind brisant, machte er klar: 50 Prozent der Diabetespatienten entwickelt eine Neuropathie, 19 bis 34 Prozent ein Fußulcus. Über 50 Prozent der diabetischen Fußulcera infizieren sich und 20 Prozent der infizierten ­Ulcera münden in eine Amputation. 85 Prozent aller Amputationen überhaupt geht ein Fußulcus voraus. Pro Ulcus seien mit durchschnittlichen Behandlungskosten von über 10.000 Euro zu rechnen.

Druckverteilungsmessung in der Orthopädieschuhtechnik unverzichtbar

Umso wichtiger sei es, eine systematische, evidenz- und datenbasierte Herangehensweise an die Schuhversorgung zu wählen, betonte der renommierte Wissenschaftler aus den Niederlanden. Da erhöhter plantarer Druck eines der 
größten Risiken für die Entstehung von Ulcera ist und die Druckumverteilung die wichtigste präventive und therapeutische Maßnahme darstellt, sei der Einsatz der Druckverteilungsmessung in der Schuh- und Einlagenversorgung unverzichtbar.

Zur Entlastung bestehender Ulcera sind orthopädische Maßschuhe nicht das Mittel der Wahl, stellte Bus mit Rückgriff auf Studien zu diesem Thema dar. TCC und abnehmbare Walker erreichen hier wesentlich bessere Ergebnisse. Doch seien orthopädische Schuhe und individuell gefertigte Einlagen äußerst wichtig, wenn das Ulcus abgeheilt und es um die Vermeidung von Rezidiven geht. Denn  innerhalb eines Jahres nach Abheilen des Ulcus erleiden rund 40 Prozent der Patienten ein Rezidiv, innerhalb von zwei Jahren sogar 60 Prozent, wie Bus anhand einer Studie zeigte.

Bei der Auswertung von Daten aus den Jahren 2007 und 2008 stellte seine Arbeitsgruppe fest, dass bei orthopädischen Maßschuhen und individuell gefertigten Einlagen erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. 60 Prozent der untersuchten Schuhe verwendeten keine relevante druckentlastende Einlagenkomponente. Nur ein Viertel der Schuhe erreichte bei der Druckverteilungsmessung Werte unter 200 Kilopascal, wie es in vielen Studien empfohlen wird (der Wert bezieht sich auf ein Messsystem mit einer Sensordichte von einem Sensor pro Quadratzentimeter).

Druckverteilungsmessung im Fertigungsprozess mehrfach anwenden

Dies war der Anlass für die Arbeitsgruppe, eine Methode zu entwickeln, die durch den gezielten Einsatz der Druckverteilungsmessung die Schuhversorgung verbessert. So zeigte sich, dass es sich besonders positiv auf die Vorbeugung plantarer Ulcera auswirkt, wenn die Druckverteilungsmessung nicht nur vor und nach der Versorgung als Kon­trollinstrument eingesetzt wird, sondern in den Fertigungsprozess integriert und darin mehrfach angewendet wird, um den Schuh oder die Einlage nachzubessern.

Dementsprechend wurden in der 
DIAFOS-Studie, an der mehrere Zentren in den Niederlanden beteiligt waren, bei Patienten mit kürzlich abgeheiltem Ulcus bis zu drei Nachbesserungen der Versorgungen aufgrund von Druckverteilungsmessungen im Schuh gemacht. Gemessen an der Vergleichsgruppe, die eine Standardversorgung erhielt, konnten mit dieser Methode Ulkusrezidive um 11 Prozent reduziert werden. Bei den Patienten, die die Schuhe über 80 Prozent des Tages trugen, traten sogar 46 Prozent weniger Rezidive auf. Zu den besten Erfolgen komme man 
also, wenn man die Druckverteilungsmessung zur Optimierung der Schuhversorgung nutzt, gleichzeitig aber auch auf eine gute Adhärenz des Patienten hinwirkt, folgerte Sicco Bus in seinem Vortrag.

In einer Folgestudie zeigte seine Arbeitsgruppe, dass eine gezielte Verbesserung des Schuhdesigns, die auf den Erfahrungen der vorhergehenden Studien beruhte, bei Hochrisikopatienten fast immer die angestrebte Druckreduktion im Schuh erreicht. Hier wurde auch deutlich, dass nicht jeder Patient drei Schuhmodifikationen brauchte, sondern im Schnitt 1,2 Modifikationen, so dass sich der Aufwand bei der Fertigung in Grenzen hielt.

Effekte orthopädieschuhtechnischer Maßnahmen: Gute Datenlage

Sicco Bus wies darauf hin, dass es dank der Möglichkeit der Druckverteilungsmessung im Schuh und der guten Studienlage mittlerweile recht genaue Daten dazu gibt, welchen Grad der Entlastung einzelne schuhtechnische Maßnahmen (wie Sohlenrolle, Sohlenversteifung, verschiedene Materialien und Einlagenelemente) erreichen und welche schuhtechnischen Maßnahmen für die verschiedenen Lokalisationen am Fuß, an denen Ulcera auftreten, geeignet sind.

Das Erfahrungswissen in der Orthopädieschuhtechnik sei nach wie vor wichtig, schloss Sicco Bus. Doch für die gezielte Verbesserung der Schuhversorgung sei der dargestellte, verstärkte Einsatz der Druckverteilungsmessung unverzichtbar.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
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