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10. Juli 2017
Christina Baumgartner
Materialien

Carboneinlegeschale für Bahnradsportler

Bahnradprofi Eric Engler geht bei Wettkämpfen mit einer Einlegeschale aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) an den Start, die an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg entwickelt wurde. Diese verhindert Bewegungen des Fußes im Schuh. Dadurch wird eine optimale Kraftübertragung während der Startphase ermöglicht.
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Foto: Brandenburgischen Technischen Universität (BTU)

Die Startphase ist im Bahnradsport der entscheidendste Teil des Wettkampfes. Zehntelsekunden können über einen Platz auf dem Podest entscheiden. „In zwei von vier Sprintdisziplinen erfolgt der Start aus dem Stand. Bei einer maximalen Strecke von einem Kilometer ist es wichtig, so schnell wie möglich die Höchstgeschwindigkeit zu erreichen“, erklärt Bahnradprofi Eric Engler. „In der Startphase wirken sehr hohe Druck- und Zugkräfte auf die Pedale und damit auch auf die Schuhe.“

Der Radsportler war unzufrieden, da sich seine Füße im Schuh minimal bewegten. „Dabei gehen natürlich Kräfte verloren, die eigentlich auf dem Pedal wirken sollten“. Der Cottbuser wandte sich an das Fachgebiet Leichtbau mit strukturierten Werkstoffen an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg.

Die Idee entstand aufgrund der Problematik des Sportlers

„Er hat uns gefragt, ob wir eine Lösung entwickeln können“, erinnert sich BTU-Forscher Niklas Vogt. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jonas Krenz und unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Holger Seidlitz nahm er sich des Themas an. „Die Entwicklung einer solchen Einlage war für uns etwas Neues“, sagt Krenz, die Idee dafür sei allein aufgrund der Problematik des Bahnradsportlers entstanden. Denn nur die Sohlen, wie bisher bei Schuhen für den Bahnradsport üblich, waren mit CFK (carbonfaserverstärktem Kunststoff) versteift. Der Schaft ist aus weicherem Material gefertigt und dadurch biegeschlaff. Er verformt sich insbesondere in der Zugphase. Dieses Problem galt es nun zu beseitigen. Das Ziel der Wissenschaftler: Ein Einbauteil zu entwickeln, das in verschiedene Schuhe passt und die Biegeschlaffheit des Oberschuhs verhindert. Die Lösung des Problems ist eine Einlegeschale, die direkt auf dem Fußspann aufliegt.

Knackpunkt war die Abbildung der Fußposition im Schuh

Obwohl sowohl Krenz als auch Vogt ihre Masterarbeiten zu Radsport-Themen anfertigten und selbst begeisterte Radfahrer sind – mit Bahnradsport hatten sie sich vorher noch nicht befasst. „Das Schwierigste war die Abbildung der Fußposition im Schuh. Hier lag der Knackpunkt“, erzählt Vogt. Denn die Position des Fußes, der auf dem ebenen Boden steht, ist nicht die gleiche wie im Schuh auf dem Rad. Die Prototypen, die sie zunächst am eigenen Fuß entwickelten, drückten deshalb noch stark: „Beim Radsport ist der Fuß in einer leicht vorgespannten Form, die Zehen befinden sich demnach nicht auf dem Untergrund“, so die Wissenschaftler.

Daran wurde die Form der Schale dann angepasst. Mittels 3D-Scan erfass­ten sie die Form des Fußes digital, an­schließend wurde die Werkzeugform ­anhand dieses Bildes mit einem 3D-Druck-Verfahren hergestellt. Dann folgte die Produktion der CFK-Einlegeschale mittels Handlaminieren und Vakuumverdichtung. Die Alternative wäre die Entwicklung eines komplett aus CFK bestehenden Schuhs gewesen, so Vogt, aber der Vorteil der Schale sei, dass diese für verschiedene Schuhe benutzt werden kann.

Ohne Socken im Schuh

„Der Sportler sollte sich wohlfühlen und die Kraftübertragung zugleich optimal sein“, beschreiben die Forscher eine der Schwierigkeiten bei der Entwicklung. Eine dämpfende Zwischenschicht kleidet die Schale zum Fuß hin aus. „Bahnrad­sportler sind aber hart im Nehmen“, bemerkt Krenz, denn Engler habe zunächst eine reine CFK-Schale nutzen wollen. Bei den einwirkenden Kräften hätte das aber mit ziemlicher Sicherheit einen blutigen Fuß gegeben. Und in den Schuh schlüpft der Sportler ohnehin ohne Socken.

Was hat sich nun für Eric Engler durch die Einlegeschale verändert? „Die Bewegungen der Füße im Schuh wurden so gut wie eliminiert“, sagt der Bahnradsportler. „Der Schuh sitzt jetzt angenehmer. Es entstehen keine Druckstellen mehr, da die Schalen genau der Form meiner Füße entsprechen. Insgesamt fühlt sich der Start dadurch viel stabiler und kraftvoller an.“{pborder}

Erfolge in Kolumbien und USA

Knapp drei Monate dauerte es vom ersten Kontakt zwischen Engler und den Wissenschaftlern bis zum fertigen Produkt. Vor Weihnachten fand ein erstes Gespräch statt, im Januar begann dann die Entwicklungsphase. Im März konnte die Einlegeschale bereits übergeben werden. Und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Bei den Worldcup Rennen in Cali, Kolumbien, und in Los Angeles, USA, holte Engler Gold und Silber im Teamsprint. Weniger erfolgreich lief die WM-Teilnahme in Hongkong: „Im Teamsprint haben wir uns durch einen Fehler beim Wechsel selbst ausgebremst“, meint Engler. „Dazu kam noch, dass ich einen Infekt bekam. Aus diesem Grund konnte ich im Sprint nicht mein volles Leistungsvermögen abrufen und über die 1000 Meter erst gar nicht an den Start gehen. Die Vorbereitung lief sehr gut für mich, umso trauriger ist es, dass ich meine Leis­tung nicht zeigen konnte.“

Auch während der Vorbereitungsphasen und  Trainingseinheiten auf der Radrennbahn haben die Carbonschalen  ihren festen Platz in den Schuhen des Cottbusers. Und auf diese möchte er auch künftig nicht mehr verzichten: „Ich werde die Einlagen weiterhin tragen. Ich habe einen guten Halt im Schuh und kann meine Kraft optimal übertragen“.

Wird es eine Serienfertigung der Einlegeschale geben?

Möglich, dass für die BTU-Forscher bald ein neues aufregendes Kapitel in Form einer Serienfertigung beginnen wird: „Wir hatten die Idee, die CFK-Einlegeschalen mit einer thermoplastischen Matrix herzustellen“, so Vogt. „Als Standard-Schalen können diese dann in erwärmten Zustand selbstständig an den Fuß angepasst werden.“

Im Moment befinden sich die Forscher in der Überführung der Technologie auf die konkrete Anwendung der Einlegeschale. Wenn alles klappt, könnte das neu entwickelte Produkt bald vielen Radsportlern zu mehr Tempo verhelfen.

Ausgabe 07 / 2017

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Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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