Folgen Sie uns
26. Januar 2017
Redaktion

Betriebsnachfolge wurde teurer

Bereits Ende 2014 forderte das Bundesverfassungsgericht eine grundlegende Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Betriebsnachfolger, weil den Hütern des Grundgesetzes die Vorteile deutlich zu weit gingen.

Erbschaft-
Foto: kamasigns/Fotolia

Nachdem Bundestag und Bundesrat bis zur geforderten Frist Ende Juni 2016 noch immer kein Gesetz zustande gebracht hatten, drohten die Richter mit erneuter Verhandlung und Entscheidung.

Dem ist der Gesetzgeber nun mit einer Reform im Eiltempo zuvorgekommen. „Ein insgesamt minimalinvasiver Eingriff“, so Sebastian Siesenop, Rechtsanwalt und Diplom-Finanzwirt in der Kanzlei BRANDI, Hannover. „Der Anwendungszeitpunkt für das neue Recht bleibt bestehen“, so Prof. Christian Rödl von der Rödl Global Rechtsanwaltsgesellschaft in Nürnberg. „Dies bedeutet, dass für Übertragungen nach dem Stichtag 30. Juni 2016 das neue Recht gilt.“ Beide Experten raten Unternehmern, sich wegen vielfältiger Feinheiten bei der Nachfolge rechtzeitig mit ihrem Anwalt oder Steuerberater zusammenzusetzen, um das optimale Vorgehen zu besprechen.

 

85 Prozent steuerfrei

Für viele kleine und mittlere Firmen ist das Optionsmodell mit der steuerfreien Übergabe von 85 Prozent des Betriebsvermögens nach wie vor am attraktivsten. Beim beliebtesten Steuersparmodell für Nachfolger sind von vornherein 85 Prozent des Betriebsvermögens steuerfrei, wenn die nachstehend aufgeführten Bedingungen erfüllt sind.{pborder}

 

Betriebsvermögen nachweisen

Das übertragene Vermögen muss ganz überwiegend betrieblich genutzt sein. Zum Betriebsvermögen gehören vor allem das Firmengebäude, Maschinen, Werkzeuge, Fahrzeuge. Verwaltungsvermögen, das nicht unmittelbar der Produk­tion der Firma dient, ist in der Regel steuerpflichtig. Nicht begünstigt ist es auch, privat genutzte Gegenstände wie etwa Oldtimer, Gemälde oder Sammlungen noch vor der Übergabe auf den Betrieb zu übertragen.

 

Firma fortführen

Der Nachfolger muss den Betrieb mindes­tens fünf Jahre lang fortführen. Er darf weder die Firma insgesamt, noch Teilbereiche in dieser Zeit verkaufen. Eine Ausnahme gilt etwa dann, wenn der Betrieb zwar Teile verkauft, gleichzeitig aber wieder investiert. Hält sich der Nachfolger irgendwann im Fünfjahreszeitraum nicht an diese Regel, versteuert das Finanzamt die Übergabe rückwirkend ohne die Steuervorteile. Es bleibt dann nur der persönliche Freibetrag des Nachfolgers (400000 Euro für Sohn oder Tochter, 500000 Euro für Ehe- oder Lebenspartner), bevor das Finanzamt die Steuer neu berechnet.

 

Nicht zu viel entnehmen

Die großen Steuervorteile sind ebenfalls verloren, wenn der Nachfolger außer ­seinen Einlagen und dem Gewinn innerhalb des Fünfjahreszeitraums mehr als 150000 Euro entnimmt, oder sich bei einer GmbH ausschütten lässt. Verluste der Firma bleiben dabei unberücksichtigt.

 

Arbeitsplätze erhalten

Schließlich muss der Nachfolger mit 85 Prozent Steuerrabatt Arbeitsplätze in der übertragenen Firma erhalten. Konkret bemisst dies das Gesetz daran, ob die Summe aller Löhne am Ende des Fünfjahreszeitraums mindestens 400 Prozent der Lohnsumme am Anfang beträgt. Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern sind von der Lohnsummenregel befreit. Früher lag die Grenze bei 20 Mitarbeitern. Doch diesen Punkt hatte das Bundesverfassungsgericht besonders kritisiert, weil damit über 90 Prozent der Betriebe pauschal von der Nachweispflicht befreit wurden.

Die Reform enthält deshalb ein Stufenmodell: Bei bis zu fünf Beschäftigten gibt es keine Prüfung. Zwischen vier und zehn Mitarbeitern muss der Nachfolger am Ende des Fünfjahreszeitraums im Vergleich zum Beginn mindestens eine Lohnsumme von 250 Prozent nachweisen. Beschäftigt der Betrieb zwischen elf und 15 Mitarbeiter, muss die Lohnsumme 300 Prozent betragen. Und ab 16 Mitarbeitern soll die bisherige Regelung weiterhin gelten – der Arbeitsplatzerhalt wäre also auch künftig mit 400 Prozent der Lohnsumme nach dem Ablauf von fünf Jahren zu belegen.

 

AWH-Verfahren

Doch bevor das Finanzamt die Steuer berechnet, muss erst einmal feststehen, wie viel die Firma eigentlich wert ist. Hierfür gibt es mehrere Modelle. Handwerksbetriebe können von einem Betriebsberater ihrer Kammer vorab das Betriebsvermögen im AWH-Verfahren berechnen lassen. Es dient zwar in erster Linie der Berechnung des möglichen Verkaufspreises, kann aber auch als erster Anhaltswert für steuerliche Überlegungen dienen. Das Kürzel AWH steht für „Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk“. Es berücksichtigt zum Beispiel das Anlagevermögen, die Abhängigkeit vom Unternehmer, die Mitarbeiterstruktur, das ­Leistungsangebot, die Kunden- und die Lieferantenstruktur.

Für die steuerliche Berechnung ist das vereinfachte Ertragswertverfahren maßgeblich. Vereinfacht ausgedrückt ergibt sich aus dem durchschnittlichen Jahresgewinn der vergangenen drei Jahre vor der Übergabe und einem Kapitalisierungsfaktor das Betriebsvermögen. ­Musste der Kapitalisierungsfaktor bisher jährlich neu berechnet werden und lag er infolge der Niedrigzinspolitik bei abgerundet 18 Prozent, hat ihn das Gesetz nun auf 13,75 Prozent festgeschrieben. Konkret heißt das: Betriebsvermögen fallen dadurch steuerlich geringer aus und mehr Firmen profitieren vom Vorteil.

Beispiel: Der Betrieb hat einen durchschnittlichen Jahresgewinn von 100000 Euro ausgewiesen. Sein Betriebsvermögen beträgt 100000 mal 13,75 und damit 1,375 Millionen Euro. Das sind immer noch hohe Werte. Experten empfehlen in Fällen, bei denen die Übergabe wegen des hohen Betrags nicht steuerfrei möglich ist, ein Gutachten einzuholen.

 

30 Prozent Abschlag

Wenn unsicher ist, ob der Nachfolger mindestens fünf Jahre lang die Lohnsummenregel einhalten und die Firma fortführen kann, empfiehlt es sich auf die Verschonung von 85 Prozent des Betriebsvermögens zu verzichten und einen anderen Vorteil zu nutzen: In reinen Familienunternehmen bleiben auf Antrag bis zu 30 Prozent des Betriebsvermögens steuerfrei, wenn Gesellschaftsvertrag oder Satzung mindestens zwei Jahre vor der Übergabe unter anderem regeln, dass nur ein Teil der Gewinne und kein Betriebsvermögen entnommen werden darf. Diese Vereinbarung müssen die Beteiligten 20 Jahre nach der Übergabe einhalten.

 

Stundung oder Erlass

Wer weder das Standardmodell noch den Abschlag von 30 Prozent nutzen kann, die Schenkung- oder Erbschaftsteuer jedoch nicht ohne Gefährdung der Firma aufbringen kann, bekommt vom Finanzamt die Stundung. Die Behörde kann sie für die Dauer von bis zu sieben Jahren gewähren. „Ab dem zweiten Jahr kostet das den in der Finanzverwaltung üblichen Zins von sechs Prozent, der bis jetzt nicht an die Marktzinsen angepasst wurde und eine erhebliche Belastung für die Nachfolger darstellt“, so Sebastian Siesenop.

Für die Nachfolgeregelung im Detail sollten Unternehmer mehrere Wochen bis Monate einplanen, je nachdem welche Besonderheiten in Firma und Familie zu berücksichtigen sind, und ihren Plan mit dem Steuerberater oder Rechtsanwalt besprechen. Mit diesem gehen sie zum Notar, der zusätzlich rechtlich berät und die Schenkung beurkundet. Der No­tar berechnet nur die Beurkundung, die gründliche Beratung liefert er inklusive.

Die meisten Nachfolger von Orthopädieschuhtechnikbetrieben können auch von den reformierten Vorteilen der Erbschaft- und Schenkungsteuer profitieren. „Nach wie vor ist die vorweggenommene Erbfolge, also die Übertragung des Vermögens zu Lebzeiten, die empfehlenswerte Alternative, weil sie besser planbar“ ist, weiß Experte Christian Rödl. Unternehmer sollten ihren Betrieb rechtzeitig darauf vorbereiten.

 

Ausgabe 11 / 2016

Vollständiger Artikel als PDF herunterladen:

Herunterladen

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
Zurück
Speichern
Nach oben