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2. Juni 2023
Redaktion
Wissenschaft

Amputationen bei Diabetischem Fußsyndrom: Aktuelle Studien

MAXIMILIAN SPRAUL


Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Amputationszahlen beim Diabetischen Fußsyndrom (DFS) ausgewirkt? Und welchen Einfluss haben soziale Faktoren auf die Entwicklung des DFS? Dies sind einige der Fragen, mit denen sich aktuelle Studien beschäftigen. Außerdem konnten neue Erkenntnisse zu den Risikofaktoren für Ulzera und Amputationen gewonnen werden, auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes.


Foto: angkhan/Adobe Stock

Risiko von Fuß-Ulzera und Amputationen der unteren Extremität

Risk of Foot Ulcer and Lower-Extremity Amputation Among Participants in the Diabetes Control and Complications Trial/Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications Study. Boyko EJ, Zelnick LR, Braffett BH, et al. Diabetes Care. 2022 Feb 1;45(2):357-364. doi: 10.2337/dc21-1816.

Ziel

Eine intensive Kontrolle des Blutzuckerspiegels verringert das Risiko von Nieren-, Netzhaut- und neurologischen Komplikationen bei Typ-1-Diabetes (T1D), aber ob sie auch das Risiko für Komplikationen der unteren Extremitäten verringert, ist unbekannt. Die Forschungsgruppe hat untersucht, ob frühere intensive versus konventionelle Blutzuckerkontrolle und Insulintherapie bei der groß angelegten Studie „Diabetes Control and Complications Trial (DCCT)“ das langfristige Risiko für diabetische Fußulzera (DFU) und Amputationen der unteren Extremitäten in der endgültigen Auswertung der „Diabetes-Intervention und Komplikationen (EDIC) Studie“ verringert hat.

Forschungsdesign und Methoden

Die DCCT-Teilnehmer (n = 1.441) absolvierten durchschnittlich 6,5 Jahre einer intensiven bzw. konventionellen Diabetes-Behandlung. Die Intensivtherapie bestand aus drei oder mehr täglichen Insulininjektionen oder der Verwendung einer Insulininfusionspumpe – mit dem Ziel, den Blutzuckerspiegel so nahe wie möglich am nicht-diabetischen Bereich (HbA1c < 6,05 % [42,6 mmol/mol]) zu halten. Die konventionelle Therapie bestand aus ein bis zwei täglichen Insulininjektionen ohne spezifische Blutzuckerziele. Die Gruppe der Patienten mit intensivierter Diabetestherapie erreichte einen durchschnittlichen HbA1c von 7,0 %, während die konventionell Behandelten einen HbA1c von 9,0 % über den Zeitraum von 6,5 Jahren aufwiesen. Danach wurden 1.408 Teilnehmer in die EDIC-Studie aufgenommen und über einen Zeitraum von 23 Jahren jährlich auf diabetische Fußulzera und Amputationen der unteren Extremitäten untersucht. In diesem Zeitaum von 23 Jahren bestanden dann keine Unterschiede mehr in der erreichten Diabeteseinstellung zwischen den beiden Gruppen, da fast alle initial konventionell eingestellten Patienten auf eine intensivierte Therapie wechselten. Somit wurde untersucht wie sich eine bessere Diabeteseinstellung über 6,5 Jahre langfristig auf Ulzera und Amputationen auswirkt.

Ergebnisse

Eine intensive gegenüber einer konventionellen Blutzuckerkontrolle war mit einer signifikanten Risikoreduktion für alle DFU (Hazard Ratio 0,77 [95% CI 0,60, 0,97]) und einer ähnlich großen, aber nicht signifikanten Risikoreduktion für erstmals aufgetretene DFU (0,78 [0,59, 1,03]) und erste Amputationen der unteren Extremitäten (0,70 [0,36, 1,36]) assoziiert. In bereinigten Statistikmodellen waren klinische Neuropathie, niedrigere Nervenleitgeschwindigkeit und kardiovaskuläre autonome Neuropathie mit einem höheren Ulkus-Risiko verbunden; eingeschränkte Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate <60 mL/min/1,73 m2), Albuminurie und Makulaödem waren mit einem höheren Amputationsrisiko assoziiert. Eine schlechtere Diabeteseinstellung, entsprechend dem HbA1c-Wert, war mit einem höheren Risiko für das Auftreten von Ulzera und Amputationen (P < 0,05) assoziiert.

Schlussfolgerungen

Eine intensive gegenüber einer konventionellen Blutzuckerkontrolle war mit einer signifikanten Risikoreduktion für alle DFU (Hazard Ratio 0,77 [95% CI 0,60, 0,97]) und einer ähnlich großen, aber nicht signifikanten Risikoreduktion für erstmals aufgetretene DFU (0,78 [0,59, 1,03]) und erste Amputationen der unteren Extremitäten (0,70 [0,36, 1,36]) assoziiert. In bereinigten Statistikmodellen waren klinische Neuropathie, niedrigere Nervenleitgeschwindigkeit und kardiovaskuläre autonome Neuropathie mit einem höheren Ulkus-Risiko verbunden; eingeschränkte Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate <60 mL/min/1,73 m2), Albuminurie und Makulaödem waren mit einem höheren Amputationsrisiko assoziiert. Eine schlechtere Diabeteseinstellung, entsprechend dem HbA1c-Wert, war mit einem höheren Risiko für das Auftreten von Ulzera und Amputationen (P < 0,05) assoziiert.

Schlussfolgerungen

Eine frühzeitige intensive Blutzuckerkontrolle senkt das langfristige Ulkus-Risiko, die wichtigste Vorbedingung für das Auftreten von Amputationen.

Kommentar

Diese Interventionsstudie weist nun direkt nach, dass eine gute Diabeteseinstellung DFU und Amputationen verhindert. Zwar gibt es einige Studien, die den positiven Einfluss einer guten Stoffwechsellage auf die Entwicklung der diabetischen Neuropathie nachgewiesen haben, aber der direkte Bezug zu Fußulzera und Amputationen war bisher schwierig zu führen, da Fußulzera spät auftreten und auch andere Faktoren an der Genese beteiligt sind.

Amputationen bei Menschen mit Typ-1-Diabetes: Inzidenz und Risikofaktoren

Risk factors and incidence over time for lower extremity amputations in people with type 1 diabetes: an observational cohort study of 46088 patients from the Swedish National Diabetes Registry. Hallström S. et al. Diabetologia 2021 64(12) p83-91

Hintergrund

In Deutschland betreffen ca. zwei Drittel aller Amputationen Menschen mit Diabetes. Die überwiegende Zahl der Studien zum DFS unterscheidet nicht zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes mellitus. In einer kürzlich publizierten Studie fand sich, dass bei Typ-1-Diabetes im Vergleich zur nicht-diabetischen Bevölkerung ein besonders hohes relatives Risiko besteht, eine Amputation zu erleiden.

Ursächlich für die Entwicklung des DFS sind verschiedene Risikofaktoren wie Hyperglykämie und Bluthochdruck, die letztlich zur diabetischen peripheren Polyneuropathie und einer peripheren arteriellen Durchblutungsstörung (pAVK) führen. Studien zu den verantwortlichen Risikofaktoren für die Entwicklung von Amputationen bei Menschen mit Typ-1-Diabetes sind rar.

Studienziel und Methoden

In einer Kohorte von 46.088 Menschen mit Typ-1-Diabetes werden Risikofaktoren für Amputationen über einen Zeitraum von 12,4 Jahren erhoben. Alle Menschen mit Typ-1-Diabetes in Schweden, die älter als 18 Jahre waren (mittleres Alter 32,5 Jahre (SD [= Standardabweichung] 14,5)) und bisher noch keine Amputation erlitten hatten, wurden in die Studie eingeschlossen. Dies entspricht der überwiegenden Zahl der Menschen mit Typ-1-Diabetes in Schweden. Daten aus den schwedischen Registern wurden erhoben bezüglich Risikofaktoren wie Diabetesdauer, Güte der Diabeteseinstellung im Verlauf (HbA1c), Rauchen, Blutdruck, Hyperlipidämie, Geschlecht, Nephropathie und Bildungsstatus. Neben Amputationen wurde auch das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen erhoben. Es wurden alters- und geschlechtsstandardisierte Inzidenzen für Amputationen für verschiedene Zeiträume zwischen 1998 und 2019 berechnet. Cox-Regressionsanalysen wurden zum Nachweis des Einflusses der unterschiedlichen Risikofaktoren angewandt.

Ergebnisse

Die mittlere Diabetesdauer betrug 17,2 Jahre (SD 14,5), 45 % waren Frauen und 14 % Raucher. Der mittlere HbA1c betrug 8,2 % (SD 1,6). Während der Nachuntersuchungszeit wurden bei 1.519 Teilnehmern (3,3 %) eine Amputation durchgeführt, davon waren 609 (1,3 %) Minoramputationen und 585 (1,3 %) Majoramputationen. Bei 325 Teilnehmern (0,7 %) wurde sowohl eine Minor- als auch eine Majoramputation durchgeführt. Studienteilnehmer mit Amputationen waren beim Einschluss in die Studie im Mittel älter (50,1 Jahre, SD 12,4), hatten eine längere Diabetesdauer (34,9 Jahre, SD 13), einen höheren Anteil an Männern (67 %) und an Rauchern (19 %). Patienten mit Amputationen wiesen auch erheblich mehr kardiovaskuläre Erkrankungen auf.

Es fand sich im Zeitraum von 1998 bis 2019 ein signifikanter Abfall der Inzidenz von Amputationen. Im Zeitraum von 1998 bis 2001 betrug die standardisierte Inzidenz 2,84 pro 1.000 Personenjahre, im Zeitraum von 2017 bis 2019 nur noch 1,64. Während dieses Zeitraumes besserte sich auch die glykämische Einstellung und die Verschlechterung der Nierenfunktion wurde geringer.

Signifikante unabhängige Risikofaktoren waren neben Alter auch Rauchen mit einer HR von 1,36 (95 % CI 1,17, 1,58) und das Bestehen von kardiovaskulären Komorbiditäten. Ein erhöhter HbA1c-Wert war ein starker Risikofaktor mit einer HR von 1,78 für jeden Anstieg des HbA1c-Wertes um 1 %. Patienten mit einem HbA1c über 9,6 % hatten eine HR von 11,97 – und diejenigen mit einem HbA1c von 8,2 % bis 9,6 % hatten bereits ein fünffach höheres Risiko als diejenigen mit einem HbA1c unter 7,0 %. Außerdem war eine schlechtere Nierenfunktion ein ausgeprägter Risikofaktor (HR 1,24 (95 CI 1,21, 126) pro 10 ml Clearanceverlust. Auch die arterielle Hypertonie war ein signifikanter Risikofaktor (HR 1,28 pro 10 mmHG systolischer Anstieg und 1,18 pro 5 mmHG diastolischer Anstieg).

Im Gegensatz dazu zeigte sich kein Effekt bezüglich der LDL-Cholesterinwerte. Auch der Body mass index war kein Risikofaktor mit Ausnahme derjenigen mit Untergewicht, die ein erhöhtes Risiko aufwiesen.

Diskussion

Die Autoren zeigen in diesen Daten einen erheblichen Einfluss einer schlechten Diabeteseinstellung auf das Auftreten von Amputationen sowie ein erhöhtes Risiko bei Bestehen und/oder der Entwicklung einer Nephropathie. Im Laufe der kontinuierlichen Nachuntersuchung zeigte sich eine Verbesserung der Diabeteseinstellung, insbesondere bei den Patienten, die keine Amputation entwickelten. Auch die Nierenfunktion entwickelte sich besser über die Jahre bei den Teilnehmern, die keine Amputation erlitten, als bei den Teilnehmern mit Amputation.

Die Autoren sehen die verbesserte Betreuung der Menschen mit Typ-1-Diabetes als einen der wesentlichen Gründe für den Rückgang der Amputationen an. Darüber hinaus kommen sicher auch Effekte einer besseren Revaskularisation bei pAVK und die Einrichtung von multidisziplinären Behandlungseinrichtungen hinzu. Die Autoren sehen die verbesserten Therapiemöglichkeiten bezüglich der Diabeteseinstellung, der Nephropathievermeidung und der Behandlung der Hypertonie als entscheidend an.

Kommentar

Es gibt nur wenige Daten aus Interventionsstudien zu Amputationen, da diese relativ selten und meist erst nach langer Diabetesdauer und später im Leben auftreten. Die DCCT-Studie hat nachgewiesen, dass eine gute Diabeteseinstellung zu erheblich weniger mikrovaskulären Komplikationen führt, auch bezüglich des Auftretens einer peripheren diabetischen Polyneuropathie. Die Langzeitdaten der DCCT-Studie zeigen außerdem auch einen Einfluss der Zuckereinstellung auf makrovaskuläre Ereignisse und in der neuesten Auswertung (Boyko et al. 2022) auch für DFU und einen Trend für weniger Amputationen. Die vorliegende Kohorten-Studie zeigt sehr deutlich, wie ausgeprägt das Risiko steigt, eine Amputation zu erleiden, wenn der Diabetes nicht optimal eingestellt ist. Wird darüber hinaus auch der Blutdruck gut eingestellt, könnte dies durchaus zu deutlich weniger Amputationen bei Typ-1-Diabetes führen. Eine langfristig gute Diabeteseinstellung ist daher bei Typ-1-Diabetes und wahrscheinlich auch bei jüngeren Menschen mit Typ 2-Diabetes entscheidend für die künftige Reduktion von Amputationen.

Ätiologie, Epidemiologie und soziale Ungleichheiten in der Versorgung diabetischer Fußulzera

Etiology, Epidemiology, and Disparities in the Burden of Diabetic Foot Ulcers. McDermott K, Fang M, Boulton AJM, et al. Diabetes Care. 2023 Jan 1;46(1):209-221. doi: 10.2337/dci22-0043.

Diabetische Fußulzera (DFU) sind eine der Hauptursachen für vermeidbare Morbidität bei Erwachsenen mit Diabetes. Zu den Folgen von DFU gehören eine Verschlechterung des Funktionsstatus, Infektionen, Krankenhausaufenthalte, Amputationen der unteren Extremitäten und Tod. Das lebenslange Risiko eines Fußulkus liegt bei 19 bis 34 %, und diese Zahl steigt mit zunehmender Lebenserwartung und der medizinischen Komplexität von Menschen mit Diabetes. Die Morbidität nach DFU ist hoch, mit Rezidivraten von 65 % nach 3 bis 5 Jahren, lebenslanger Inzidenz der Amputation der unteren Extremitäten von 20 % und einer 5-Jahres-Mortalität von 50 bis 70 %.

Neue Daten deuten darauf hin, dass die Gesamthäufigkeit von Amputationen in einigen Regionen in den letzten Jahren um bis zu 50 % zugenommen hat, nachdem sie lange Zeit rückläufig war. Dies gilt insbesondere für junge Menschen und Angehörige rassischer und ethnischer Minderheiten.

DFU sind eine häufige und hochmorbide Komplikation von Diabetes. Der Weg zur Ulzeration, mit Gefühlsverlust, Ischämie und kleinem Trauma, ist gut bekannt. Amputation und die Sterblichkeit nach DFU sind Spätkomplikationen und stehen in engem Zusammenhang mit einer schlechten Diabetesbehandlung.

Die derzeitigen Bemühungen, eine bessere Versorgung von Ulkus-Patienten zu erreichen, haben nicht zu einer konsequenten Senkung der Amputationsraten geführt, und es gibt Hinweise auf zunehmende Ungleichheiten in der Diabetesversorgung, insbesondere hinsichtlich sozialer Schicht und Ethnizität. Prävention und Früherkennung von Ulzera durch leitliniengerechte multidisziplinäre Versorgung ist entscheidend, um die Morbidität und die mit DFU verbundenen Ungleichheiten zu verringern.

Dieses Review beschreibt die Epidemiologie, das Erscheinungsbild und die Folgen der DFU, fasst aktuelle evidenzbasierte Empfehlungen für Screening und Prävention zusammen und hebt Ungleichheiten in der Versorgung und bei den Ergebnissen hervor.

 

Auswirkungen sozialer Benachteiligung und des Zugangs zur Gesundheitsversorgung auf Majoramputationen nach diabetischen Fußulzera

Effects of social deprivation and healthcare access on major amputation following a diabetic foot ulcer in a French administrative area: Analysis using the French claim data. Bonnet JB. et al. Diabetic Medicine 2022;39:e14820.

Hintergrund

Die Ursachen für die Entwicklung von DFU sind komplex und nicht nur abhängig vom Vorhandensein einer diabetischen peripheren Neuropathie und/oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Fußdeformitäten, Aktivitätsniveaus und auch soziale Faktoren spielen eine Rolle. Auch der weitere Verlauf, ob eine Amputation notwendig wird, ist mitbedingt durch soziale Faktoren.

In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob der soziale Status und der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in einer französischen Region Auswirkung auf die Häufigkeit von DFU, die Major-Amputationshäufigkeit (Mittelfuß und höher) und die Mortalität hat.

Patienten und Methoden

In der französischen Region Languedoc-Roussillon erfolgte eine retrospektive Kohortenanalyse anhand der elektronischen Patientendaten der Krankenhäuser und der ambulanten Versorgung. In dieser Region leben ca. 2,7 Millionen Menschen. Es wurde die Zahl der Menschen mit Diabetes und DFU sowie die Majoramputationshäufigkeit und Mortalität nach einem Jahr erhoben. Der soziale Status wird in Frankreich regional erfasst, in der Region Languedoc-Roussillon für 100 verschiedene Bezirke. Der French deprivation index (fDEP) misst Einkommen, Schulbildung, Anteil der Arbeiter und der Arbeitslosigkeit für einen Bezirk. In Frankreich besteht eine universelle Krankenversicherung, jedoch gibt es regionale Unterschiede in der Dichte der niedergelassenen Ärzte und der Krankenschwestern, welche in Frankreich für die primäre gesundheitliche Versorgung zuständig sind. Für diese beiden Parameter gibt es ebenfalls regional aufgeschlüsselte Daten.

Ergebnisse

In der 3-jährigen Einschlussphase fanden sich 197.832 Menschen mit Diabetes. Es kam zu 32.923 Fällen eines DFU bei 15.816 Menschen, die zu 7.204 Krankenhausaufenthalten führten. Das mittlere Alter betrug 70 ± 23 Jahre und 55 % waren Männer.

Die Inzidenz einer Majoramputation betrug 17,5 pro 1.000 Personenjahre und die der Mortalität 117 pro 1.000 Personenjahre im Jahr nach dem Auftreten eines DFU.

Das Quartil der Bezirke mit der besten sozialen Situation hatte am wenigsten Amputationen nach dem Auftreten eines Ulkus (relatives Risiko 0,46; 95 % CI 0,27 – 0,66). Eine schlechte Erreichbarkeit von Krankenschwestern war mit einem signifikant höheren Risiko für Amputationen verknüpft, während sich dies für die Erreichbarkeit von Ärzten nicht zeigte. Für die Mortalität nach dem Auftreten von DFU fand sich kein Einfluss der sozialen Situation in den Bezirken.

Schlussfolgerungen

Die Autoren konnten erstmals mit der Auswertung der elektronisch verfügbaren Patientendaten in Frankreich die Häufigkeit von DFU und deren stationärer Behandlung aufzeigen. Die Majoramputationshäufigkeit nach dem Auftreten von Ulzera war mit dem sozialen Status und der Verfügbarkeit von Krankenschwestern im ambulanten französischen Gesundheitssystem verknüpft.

Kommentar

Die Ursachen dafür, dass ein Patient mit DFS eine Majoramputation erleiden muss, sind vielfältig und gehen weit über die üblichen krankheitsbedingten Auslöser wie pAVK, PNP und Infektion hinaus. Die obige Studie zeigt eindeutig, dass der soziale Status, selbst in einem Gesundheitssystem mit freiem Zugang, wie in Frankreich, einen erheblichen Einfluss auf die Prävalenz von Fußulzera und auf die Amputationsrate ausübt. Außerdem sind Versorgungsstrukturen, die dazu führen, dass Patienten sich erst in einem weit fortgeschrittenen Zustand des DFS in spezialisierten Einrichtungen vorstellen, kontraproduktiv.

Die Häufigkeit der Amputationen variiert erheblich zwischen verschiedenen Gesundheitssystemen. Hierfür werden häufig Unterschiede in der Qualität der Versorgung von Patienten mit DFS verantwortlich gemacht. Wie eine Studie von Paisey zeigt, ist eine vorhandene Infrastruktur für die Versorgung des DFS entscheidend für die Häufigkeit von Majoramputationen in England. Die Studien von Holman und Paisey zeigen klar, dass in England eine Problematik hinsichtlich sehr unterschiedlicher regionaler Amputationshäufigkeiten besteht. Es bestehen auch in anderen Ländern Hinweise dafür, dass die Arbeitsweisen und Einstellungen von Chirurgen einen erheblichen Einfluss auf die Amputationshäufigkeit haben, insbesondere wenn sie nicht in ein multidisziplinäres Behandlungsteam eingebunden sind.

Die mit Hilfe des DRG-Systems gewonnenen Daten zeigen, dass es nachweisbar zu einer Reduktion von Majoramputationen in Deutschland in den letzten Jahren gekommen ist. Dies ist eine überaus erfreuliche Entwicklung und bestätigt die diversen Anstrengungen, die zur Verbesserung der Versorgung der Patienten mit DFS in den letzten Jahren erreicht worden sind.

Andere Studien zur Amputationshäufigkeit weisen darauf hin, dass ca. 60 – 70 % aller Amputationen in Deutschland bei Diabetikern durchgeführt werden. Das relative Risiko amputiert zu werden ist derzeit bei Diabetikern 7 bis 8-mal höher als bei Nichtdiabetikern. Dies ist insgesamt positiv zu bewerten, da das relative Risiko in den 1990er-Jahren in den Leverkusen-Studien noch bei ca. 20 lag. Das bedeutet, dass das Risiko, in Deutschland amputiert zu werden, für Diabetiker in den letzten 20 Jahren stärker sank als für Nichtdiabetiker. Dies ist sicherlich den verbesserten Behandlungsstrukturen für Menschen mit Diabetes zu verdanken.

Dennoch liegt die absolute Anzahl an Amputationen in Deutschland deutlich höher als in anderen vergleichbaren Ländern, wie in Korea, den Niederlanden oder England. Entsprechend einer internationalen Vergleichsstudie zu Amputationen liegt Deutschland im Jahr 2015, sowohl bei Major- als auch bei Minoramputationen, bei den absoluten Zahlen pro 100.000 Personen/Jahr in der Spitzengruppe. Dafür könnte einerseits die breite Verfügbarkeit von chirurgischen Krankenhausabteilungen in Deutschland verantwortlich sein und andererseits die Tatsache, dass bis heute keine Notwendigkeit besteht, interdisziplinäre Strukturen oder andere Qualitätsmaßnahmen bei Amputationen vorzuhalten, und jede Amputation von den Krankenkassen vergütet wird.

Die vorliegenden Ergebnisse sollten uns ermutigen, für unsere Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom qualitätsgesicherte Strukturen zur Diagnose und Therapie des Diabetischen Fußsyndroms weiter auszubauen, da die absolute Anzahl der Amputationen in Deutschland weiterhin viel zu hoch ist.

Hospitalisierungsrate und Mortalität von Menschen mit und ohne Diabetes während der Corona-Pandemie

Hospitalisation rate and mortality among people with and without diabetes during the Covid-19 pandemic year 2020. Narres M. et al. European Journal of Epidemiology 2022;37:587-590.

Hintergrund

In früheren Studien konnte gezeigt werden, dass eine verzögerte spezialisierte Behandlung von diabetischen Fußulzera meist mit höheren Amputationsraten verknüpft ist. Im Rahmen der Covid-19 Pandemie war die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems von vielen Patienten mit chronischen Erkrankungen gesunken. Teilweise aus Angst vor Ansteckung, da bei Menschen mit Diabetes eine erhöhte Sterblichkeit bei Corona-Infektionen besteht, teils wegen der Überlastung des Gesundheitssystems. Für Deutschland gibt es hierzu bisher kaum Daten, insbesondere nicht für Patienten mit Diabetes und diabetischen Fußproblemen.

Patienten und Methoden

In dieser Studie wurde die Zahl der stationären Aufnahmen und die Mortalität und Morbidität von Menschen mit und ohne Diabetes untersucht. Dabei wurde das Jahr 2020, als Zeitraum der Corona Pandemie, mit dem Zeitraum 2017 bis 2019 verglichen. Daten der AOK Rheinland/Hamburg mit 3,2 Millionen versicherten Patienten wurden ausgewertet. Alters- und geschlechtsadjustierte Raten wurden berechnet für Mortalität, stationäre Aufenthalte wegen koronarer Herzerkrankung, akuten Myokardinfarkten, Diabetischem Fußsyndrom sowie Major- und Minoramputationen. Aus dem Zeitraum von 2017 bis 2019 wurden Wahrscheinlichkeiten für das Jahr 2020 berechnet und diese mit den tatsächlich aufgetretenen Ereignissen verglichen.

Ergebnisse

Die durchschnittliche Prävalenz an Diabetes betrug 10,3 %. Im Jahr 2020 starben 42.117 Personen, davon 14.459 mit Diabetes. In diesem Jahr fand sich bei 615.015 Menschen wenigstens ein Krankenhausaufenthalt (134.040 bei Menschen mit Diabetes). Die tatsächlich aufgetretene Häufigkeit an Krankenhausaufenthalten lag in 2020 für Menschen mit Diabetes signifikant niedriger als die hochgerechnete Häufigkeit aus den Jahren 2017 bis 2019 für Gesamt-Krankenhausaufenthalte (RR 0,84 (95% Konfidenzintervall 0,84-0,85), p<0,001), Krankenhausaufenthalte wegen koronarer Herzkrankheit (RR 0,88 (0,85-0,92), p<0,001) und Krankenhausaufenthalte wegen Myokardinfarkt (RR 0,89 (0,83-0,95), p<0,001).

Die Häufigkeit der stationären Einweisung wegen Diabetischem Fußsyndrom war besonders deutlich zurückgegangen (RR 0,77 (0,71-0,83), p<0,001), während es zu deutlich mehr stationären Aufenthalten zwecks Durchführung einer Majoramputation kam (RR 1,36 (1,12-1,65), p=0,002). Für Minoramputationen, Schlaganfälle und Mortalität fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen der berechneten und der tatsächlichen aufgetretenen Häufigkeit für Menschen mit Diabetes.

Bei Menschen ohne Diabetes fanden sich ebenfalls signifikant geringere stationäre Aufenthalte für Koronare Herzkrankheit und akute Myokardinfarkte. Hingegen war die Mortalität (RR 1,04 (1,02-1,05), p<0,001) und die Rate der Minoramputationen (RR 1,15 (1,02-1,30), p=0,02) signifikant erhöht. Bezüglich Majoramputationen und Schlaganfällen fanden sich keine signifikanten Unterschiede.

Schlussfolgerungen

Die Autoren konnten nachweisen, dass sowohl bei Menschen mit Diabetes als auch ohne Diabetes die Rate der Krankenhausaufenthalte während der Covid-19-Pandemie in 2020 signifikant geringer war als in den Vorjahren. Bei Menschen mit Diabetes lagen die stationären Krankenhausaufenthalte zur Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms fast um ein Viertel niedriger als in den Jahren davor, während die Anzahl der Krankenhausaufenthalte mit Majoramputationen deutlich höher lag. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in anderen europäischen Ländern berichtet.

Als mögliche Ursachen hierfür diskutieren die Autoren die Angst vor Infektion mit Corona und in der Folge eine geringere Inanspruchnahme der ambulanten und stationären Gesundheitseinrichtungen. Auch eine eingeschränkte Möglichkeit zur Behandlung aufgrund der Einschränkungen während der Corona Pandemie werden als Ursache diskutiert.

Kommentar

Daten aus Italien zeigten sogar, dass Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom, die während des COVID-19-Lockdown in ein spezialisiertes Behandlungszentrum überwiesen wurden, ein dreifach höheres Amputationsrisiko hatten, im Vergleich mit Patienten im Jahr 2019.

Die häufigste Ursache für eine Majoramputation bei Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom ist die verzögerte Behandlung eines diabetischen Fußulkus. Tiefere Ulzera bis auf den Knochen oder massive Infektionen sind oft die Folge und machen eine Amputation dann unausweichlich. Auch wir beobachteten während der initialen Phase der Pandemie im Jahr 2020 eine verringerte ambulante Vorstellungshäufigkeit und eine große Angst der Patienten, sich zur Behandlung in ein Krankenhaus zu begeben. Aber auch heute sehen wir leider noch gravierende Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die stationären Möglichkeiten zur Behandlung des diabetischen Fußes. Durch die erheblichen Personalengpässe in vielen Kliniken ist es gerade im Jahr 2022 schwierig geworden Patienten für eine stationäre konservative Therapie des Diabetischen Fußes einzuweisen.

Anschrift des Verfassers:
Prof. Maximilian Spraul
Diabetespraxis Rheine
Frankenburgstr. 31
48431 Rheine

 

 

Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
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