Folgen Sie uns
25. Januar 2017
Redaktion

Wundtherapie beim diabetischen Fußulcus

Die Konzepte der lokalen Wundbehandlung unterscheiden sich nicht zwischen Diabetikern und Nicht-Diabetikern.


Grundzüge der Wundbehandlung wurden in den Leitlinien wie zum Beispiel der NVL zur Versorgung des diabetischen Fußsyndroms und der S3 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundtherapie zur Behandlung chronischer Wunden festgehalten und die allerdings spärliche Evidenz bewertet.

Vor jeder lokalen Behandlung chronischer Wunden stehen allerdings zuerst die Überlegungen zur Differenzialdiagnose der Wundheilungsstörung. Das spezielle Risiko des Diabetikers ist dabei zum einen die lokale Infektion, deren Ausbreitung und verspätete Erkennung durch die Neuropathie ebenso begüns-tigt wird, wie die Entstehung von Eintrittspforten durch unbemerkte Druckläsionen.

Zum anderen stellt die diabetische Stoffwechsellage ein besonderes Risiko für die Entstehung einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit dar, wobei die durch die Mangelperfusion entstehende Sauerstoffunterversorgung im Wund­gebiet wiederum die Ausbreitung von ­Infektionen ebenso begünstigt wie sie die Auffüllung von Wunddefekten durch die Fibroblastenmigration behindert.{pborder}

Das Risiko der Entstehung einer chronischen Wundheilungsstörung steigt somit mit einer Reihe von endogenen und exogenen Störfaktoren,  die in jedem Fall erkannt und dann – vor oder zumindest zeitgleich mit der Wundheilungsstörung – behandelt werden müssen.

Fußläsionen sind bei Diabetikern

das Ergebnis eines multifaktoriellen ­

Ge­schehens. Hauptrisikofaktoren für dia­betesassoziierte Ulzerationen und schließ­lich Extremitätenamputationen sind dabei:

– Schlechte Einstellung der diabetischen Stoffwechsellage;

– Vorhandene Neuropathie;

– Bestehende PAVK;

– Alter des Patienten;

– Mangelnde oder falsche Fußpflege;

– Medikamentöse Immunsuppression;

– Eingeschränkte Beweglichkeit der Füße;

– Ungeeignetes Schuhwerk.

Das diabetische Fußulcus ist auf jeden Fall eine epidemiologisch relevante Erkrankung. Die Prävalenz dieser Komplikation liegt – je nach Studie und Land – bei ­etwa zwei bis zehn Prozent der diabetischen Gesamtbevölkerung. Die jährliche Inzidenz soll bei zwei bis sechs Prozent der Diabetesbetroffenen liegen [1].

Ein Teil dieser Fußulzerationen führt im schlechtesten Fall zur Amputation von Zehen, des Fußes oder der gesamten Extremität. In Deutschland werden nach den Zahlen der AOK etwa 29000 Diabetiker jährlich amputiert [2; 3].

 

Therapiekonzept

Zu Beginn der Therapie stehen die ­Differenzialdiagnose der Wunde und die anschließende Behandlung der gegebenenfalls hinzukommenden Erkrankungen. Im Vordergrund steht hier die Revaskularisation (Säule Eins) bei ­einer peripheren Perfusionsstörung.

Anders als im Glomerulum der Niere oder der Retina am Fuß kommen mikroangiopathische Veränderungen nicht vor, sodass eine Revaskularisation durch Intervention oder Bypasschirurgie häufig sinnvoll ist und zur Abheilung der ­Ulzerationen führen kann (Abb. 1). In den meisten Fällen ist zumindest eine Verschiebung des Amputationsrandes nach distal möglich.

Die zweite Säule der Ursachenbehandlung ist die konsequente Druckentlastung des Fußes im Wundbereich durch entsprechendes Schuhwerk, für Diabetiker geeignete Schuhbettungen, beziehungsweise vollständige Druckentlastung durch Orthesen oder einen Total Contact Cast (TCC).

Die dritte Säule ist die systemische Behandlung des Patienten durch konsequente Therapie des Diabetes ebenso wie eine konsequente dem Keimspektrum angepasste Antibiose, die beim immunsupprimierten Patienten sicher früher erfolgen muss als bei einem immunkompetenten Patienten.

 

Vorgehen nach System

Für die lokale Wundbehandlung ist eine systematische Vorgehensweise erforderlich, die zum einen eine nachvollziehbare Dokumentation ermöglicht und zum anderen auch zu rational nachvollziehbaren Therapieentscheidungen führen soll. In jedem Fall muss bei jedem Verbandswechsel der Wundzustand nach definierten Kriterien begutachtet werden [4; 6; 7). Beurteilt werden muss:

  1. Der Zustand des Wundgrundes, dies beinhaltet die Beurteilung der Wundheilungsphase ebenso wie die Belastung der Wunde durch Debris, Fibrin oder Biofilm.
  2. Der Grad einer möglicherweise vorliegenden Wundinfektion.
  3. Die Exsudation der Wunde.
  4. Der Zustand des Wundrandes.

Je nach Wundbeurteilungen ergeben sich hieraus dann die entsprechenden therapeutischen Konsequenzen.

 

Wie ist der Wundgrund beschaffen? 

Die Wundheilung verläuft in verschiedenen Phasen, die spezielle Anforderungen an die topische Wundbehandlung stellen. Am Anfang steht die Inflammationsphase mit einer katabolen Stoffwechselsituation, einer Entzündungsreaktion und daraus resultierender starker Exsudation (Abb. 2). Im Wundgrund findet sich Debris, reichlich Fibrinbeläge und durch die bakterielle Besiedlung gegebenenfalls auch ein Biofilm.

Aufgabe der Wundbehandlung in dieser Phase ist es zum einen, die autoch­thone Wundreinigung durch ein Wunddebridement zu unterstützen (Ent­fer-

nung von Gewebsteilen bis in intakte anatomische Strukturen hinein [12]), zum anderen die Wundumgebung vor der Exsudation zu schützen und eine Infektion zu bekämpfen.

Das Wunddebridement kann entweder chirurgisch, biochirurgisch oder physikalisch erfolgen. Bei der chirurgischen Therapie ist eine radikale Wundreinigung möglich (Abb. 3); nachteilig ist eine möglicherweise notwendige Anästhesie, die erforderliche Blutungskontrolle sowie die Notwendigkeit eines sterilen Instrumentariums und Eingriffsumfeldes. 

Unter biochirurgischem Debridement versteht man den Einsatz von steril gezüchteten Maden der Stubenfliege Lucilla sericata (Abb. 4). Diese Maden produzieren Verdauungsenzyme und durch ihre Bewegungen auf dem Wundgrund erfolgt eine mechanische Wundreinigung. Zudem nehmen sie nekrotisches Gewebe auf und ihre Darmflora wirkt bakterizid – vor allem auf grampositive Keime.

Der positive Effekt der Wundreinigung erfordert allerdings eine regelrechte arterielle Perfusion der Wunde, da die Reinigung sonst insuffizient und die Granulation unzureichend ist. Das rein neuropathisch bedingte Fußulcus des Diabetikers stellt die ideale Indikation zum Einsatz der Maden dar. Die Maden werden für drei Tage auf den Wunden belassen und können danach im normalen Müll entsorgt werden.

Zur physikalischen Wundreinigung beziehungsweise -debridement stehen neben der mechanischen Wundreinigung durch Mullkompressen (Nass-Trocken-Verband) und Wundspülungen die Ultraschallreinigung und die oberflächliche Behandlung mit Niedertemperaturplasma zur Verfügung.

Für die Wundbehandlung durch in Salbenform aufgebrachte Kollagenasen (sogenannte enzymatische Wundreinigung durch Clostridopeptidase oder ­Streptokinase) die in verschiedenen Gale­niken auf die Wunde aufgebracht ­werden, liegen keine Studien vor, die ­eine effektive Wundreinigung oder gar eine Beschleunigung der Wundheilung be­legen können. Deshalb sollte auf den Einsatz dieser Präparate verzichtet werden.

Nach Durchführung der Wundreinigung kommt in der Inflammationsphase vor allem der Kontrolle der Exsudation eine entscheidende Rolle zu – die hierfür infrage kommenden Auflagen und Verfahren werden weiter unten erläutert.

Eine besondere Bedeutung hat in dieser Phase die Infektkontrolle der Wunde. Neben der systemischen Behandlung mit Antibiotika, die beim immuninkompetenten Diabetiker bei den ersten Zeichen des systemischen Infektes erforderlich ist, um eine Ausbreitung zu verhindern, kommt hierbei vor allem der ­lokalen antiseptischen Behandlung eine wichtige Rolle zu.

Das Wunddebridement ist sicher der erste und wahrscheinlich auch effektivs­te Weg zur Infektbekämpfung. Zusätzlich erfolgt hier der Einsatz lokaler Antiseptika, zum Teil als Spüllösungen.

Auf die Inflammationsphase folgt dann die Granulationsphase, in der es zu einer Transformation der im Wundgrund vorhandenen Zellen kommt. Es entsteht ein zunehmend sauber granulierender, aber immer noch stark exsudierender und sehr vulnerabler Wundgrund (Abb. 5).

Therapeutisch stehen hier vor allem der mechanische Schutz des Wundgrundes und wieder das Exsudatmanagement im Vordergrund. Für die Proliferation der Fibroblasten ist ein feuchtes Milieu erforderlich. Doch Achtsamkeit ist gefragt: Der Wundrand kann durch ein zu nasses Milieu erheblichen Schaden nehmen und den Fortschritt der Wundheilung erheblich verzögern. In dieser Phase muss eine Wundauflage sowohl polsternde, schützende als auch Exsudat regulierende ­Eigenschaften besitzen.

Ist der Wundgrund durch das saubere Granulationsgewebe aufgefüllt, so können sich nun vom Wundrand in der Epithelisationsphase die Hautzellen über den Wundgrund schieben (Abb. 6). In dieser Phase geht die Exsudation deutlich zurück, im Vordergrund der Anforderung an die Wundauflage steht nun der Schutz der zarten Einzellschicht vor mechanischer Belastung.

 

Behandlung der Wundinfektion

Die Wundinfektion wird je nach Stadium, das heißt Ausbreitung des Infektes, lokal oder lokal und systemisch behandelt. ­Ohne ins Detail der schwierigen Abgrenzung zwischen Entzündungsreaktion, Infektion und Infektionskrankheit einzugehen, sei darauf hingewiesen, dass die physiologischen Abwehrreaktionen des Körpers in dieser Phase der Inflammation nicht mit einer behandlungsbedürftigen Infektion verwechselt werden dürfen. Die Abgrenzung zwischen physiologischer Entzündungsreaktion und behandlungsbedürftiger Infektion ist hier im Einzelfall klinisch sehr schwer zu treffen (Abb. 7). Umso wichtiger ist es, beim Einsatz der ­topischen Therapeutika ein ­Augenmerk auf die Zytotoxizität des ­jeweiligen Therapeutikums zu haben.

In der Nationalen Versorgungsleitlinie zum diabetischen Fußulcus wird die Einteilung nach Lipsky verwendet, um dem komplexen Problem der Beurteilung einer Wundinfektion gerecht zu werden (siehe Tab. 1).

Bereits bei den klinischen Zeichen einer leichten Infektion besteht gegebenenfalls nach mechanischer und eventuell chirurgischer Reinigung der Wunde beziehungsweise Debridement die Indikaktion zur Anwendung lokaler Antiinfektiva. Hierfür stehen im Wesentlichen die in Tabelle 2 aufgezählten Substanzen zur Verfügung.

Von den genannten Antiinfektiva zeigt das Polyhexanid bei In-vitro-Versuchen die geringste Zytotoxizität, bei breitem Wirkspektrum und stabiler Wirkung auch in Anwesenheit freier Eiweiße. Daher stellt das Polyhexanid ­heute in der Regel das topische Antiseptikum der ersten Wahl dar, wobei die für die Wirkung erforderliche Einwirkzeit zu beachten ist.

Octenidin stellt aufgrund seiner deutlich kürzeren Einwirkzeit eine interessante Alternative dar, wobei die Herstellerangaben bezüglich der Applikation in Hohlräume und der gesamten Anwendungsdauer zu beachten sind.

PVP-Jod ist das topische Antiinfektivum mit dem breitesten Wirkspektrum und wirkt gegen sporenbildende Bakterien, allerdings kommt es zu einer ­Resorption des Jods. Jod reagiert mit allen in der Wunde vorhandenen Eiweißen und verfärbt die Wunde und ihre Umgebung, was die Beurteilung weiter erschwert. Aus diesen Gründen ist die ­Indikation zur Langzeitbehandlung offener Wunden mit PVP-Jod sicher sehr eingeschränkt.

Silberionen reagieren mit SH-Gruppen sowohl in der Bakterienwand als auch in der Bakterien-DNA. Zudem reagieren die Silberionen mit allen SH Gruppen in anderen Eiweißen und vor allem in den ­Zytoblasten. Die hohe Zytotoxizität des Silbers (v. a. auf Monolayerkulturen = z.B. frisch epithelisierendes Gewebe) ist in zahlreichen In-vitro-Untersuchungen belegt [9; 10]. Die angebotenen Silberpräparate unterscheiden sich erheblich in der Technologie, in der das Silber mit der Auflage verbunden ist, und deshalb auch erheblich in der Kinetik der Freisetzung ­sowie der Menge der freigesetzten wirk­samen Silberionen. Vergleichende Studien zwischen Technologieformen liegen ebenso wenig vor, wie es Studien gibt, die die Sinnhaftigkeit der Freisetzung beziehungsweise Nichtfreisetzung von Ionen aus den Wundauflagen untersuchen. Abhängig von der Technik, mit der die Silber­ionen mit der Wundauflage verbunden sind, schwankt die Menge der aus der Wundauflage freigesetzten Silberionen von kaum messbar bis zu über 1000 ppm (Sellmer) (siehe Tab. 3). Studien darüber, wie hoch die Menge von freigesetzten Silber­ionen sein muss, um die Wunde zu desinfizieren, liegen nicht vor.

Die Toxizität sowie die Fragen zur Technologie müssen beim Einsatz von silberhaltigen Verbandsmaterialien be-rücksichtigt werden beziehungsweise dem Anwender überhaupt bekannt sein. Dann kann die Verwendung dieser Substanzen vor allem bei gramnegativen Wundinfektionen durchaus zu einer Besserung der Infektsituation führen. Silberhaltige Wundauflagen sollten daher allenfalls als Reserveantiseptika und nicht über einen längeren Zeitraum verwendet werden.

 

Honig in der Wundtherapie

Honig ist ein seit alter Zeit verwendetes Wundtherapeutikum. Die Anwendung von medizinischem Honig gehört zu den Verfahren der „osmotischen Wundreinigung“. Die in zahlreichen In-vitro-Untersuchungen nachgewiesene antimikrobielle Wirkung beruht zum einen auf der hohen Osmolarität (= die Konzentration osmotisch wirksamer Substanzen pro Liter einer Lösung) des enthaltenen Zuckers und der damit einhergehenden Membrandestabilisierung. Zum zweiten auf dem Gehalt an Wasserstoffperoxid,  welches durch das Enzym Glucose-Oxidase permanent gebildet wird sowie zum dritten aus größtenteils undefinierten phytochemischen Komponenten. Abgedeckt werden muss das Honiggel beziehungsweise der Honig genauso wie ein anderes ­Hydrogel mit einer nicht haftenden Wund­auflage, die ein effizientes Exsudat­management gewährleisten soll. Methodisch relativ gute Studien zeigen allerdings keine signifikant bessere Wundheilung unter Honigbehandlung im Vergleich mit wirkstofffreiem Hydrogel. Die in diesen Studien belegte Schmerzhaftigkeit der Behandlung sollte die Anwendung von Honig in der Wundtherapie auf jeden Fall einschränken.

 

Das Exsudatmanagement

Seit den sechziger Jahren ist bekannt, dass Wunden im feuchten Milieu schneller und besser heilen als unter trockenen Bedingungen. Ebenso ist bekannt, dass der Abtransport des mit toxischen ­Substanzen angereicherten Exsudates zur Verhinderung der Mazeration der Wund­umgebung ein ebenso wichtiges Kriterium darstellt.

Heutzutage gibt es ein breites Spektrum von Wundauflagen, die dazu dienen, dieses Exsudatmanagement zu erleichtern. Hier sollte man die Eigenschaften der einzelnen Wundauflagen kennen und sie entsprechend den aktuellen Bedürfnissen der Wunde einsetzen (Abb. 9).

 

Hydrogele

Hydrogele enthalten pflanzliche oder halbsynthetische Gelbildner, haben nur eine sehr geringe Aufnahmekapazität und werden zum Befeuchten von zu trockenen Wunden eingesetzt. Sie schaffen ein ideal feuchtes Wundmilieu, um die autolytische Wundreinigung zu ermöglichen. Die Studienlage zeigt eine Evidenz für schnellere Wundabheilung bei korrekt indizierter Anwendung von Hydrogelen [12]. Es gibt keine Studien, die den Unterschied zwischen den angebotenen Hydrogelen untersuchen.

 

Hydrokolloide

Dabei handelt es sich um dünne Poly­urethanfolien und/oder Schaumstoffe mit selbstklebender Masse (Carboxymethyl­zellulose, Pektin, Gelatine eingebettet in synthetische Kautschukarten). Die Exsudataufnahme führt zum Aufquellen der Hydrokoloidmasse und Schaffung des feuchten Wundmilieus. Die Feuchtigkeitsaufnahmekapazität ist höher als die der reinen Hydrogele. Anwendung finden sie bei flachen, wenig sezernierenden Wunden, zum Beispiel im Granulationsstadium der Wundheilung. Zu beachten ist die Gefahr der Mazeration des Wundrandes, wenn die Aufnahmekapazität des Verbandes ausgelastet ist.

 

Schaumstoffe

Bei den Schaumstoffen wird zwischen offenporigen Polyurethanen und hydrophoben Hydropolymeren unterschieden. Die Aufnahmekapazität der offen­porigen Schaumstoffe ist dabei höher. Es kann bei längerem Wundkontakt zum Einwachsen von Granulationsgewebe in die Schaumstoffporen kommen. Die Verbandswechsel führen daher zu einem mechanischen Debridement der Wunde, zur Verletzung der hochvulnerablen Oberfläche dieser frischen Wundflächen und sind zudem schmerzhaft. Offenporige Schaumstoffe werden auch für die Anlage von Unterdruck-Sogverbänden (NPWT) verwendet und ermöglichen in diesem Zusammenhang die Ableitung extremer Exsudatmengen.

 

Kalcium-Alginate und ­Hydrofaserverbände

Kalcium-Alginate und Hydrofaserverbände sind watteartige Alginat- oder Celluloseverbindungen, die in die Wunde eingelegt werden und eine sehr hohe Aufnahmekapazität haben. Die Alginate bilden mit dem Wundsekret ein Gel, welches wie Eiter imponiert, allerdings leicht aus der Wunde entfernt werden kann, wenn diese keine weiteren Entzündungszeichen aufweist. Zu beachten ist die Dochtwirkung der Alginate, die die aufgenommene Flüssigkeit in der gesamten Auflage verteilen. Die Hydrofasern nehmen dagegen die Flüssigkeit nur bis zum Oberrand des Flüssigkeitsstandes auf. Daraus resultiert ein suffizienter Schutz des Wundrandes vor Mazeration, wohingegen die Alginate beim Überschreiten des Wundrandes diesen auch mit Nässe belasten (Abb. 8).

 

Kollagenverbände

Diese zeichnen sich durch ein sehr hohes Aufnahmevermögen für Flüssigkeiten aus, zudem wirken sie blutstillend. Sie sind resorbierbar und können daher in der Wunde belassen werden.

Die Unterdrucksaugbehandlung (NPWT) unter Verwendung eines Wundfüllers (meist offenporiger Schaumstoff), einer Folienabdeckung und einer den permanenten Sog aufrechthaltender Pumpe ­ermöglicht große Exsudatmengen aus einem Wundgebiet abzuleiten und gleichzeitig die Granulation in der Wunde zu stimulieren. Bei dieser Therapieform ist zu beachten, dass diese nicht zum Selbstzweck wird und bei der Verminderung der Exsudatmenge auch wieder auf eine andere angepasste Wundauflage gewechselt wird.

 

Der Schutz des Wundrandes

Der Wundrand wird durch Infektion, Feuchtigkeit aber auch allergische Reaktionen belastet (Abb. 10). Zu seinem Schutz vor Feuchtigkeit können die oben genannten Hydrofaserverbände ebenso eingesetzt werden wie Acrylatkleber. Infektionen beziehungsweise allergische Reaktionen können eine Behandlung mit korticoidhaltigen Topika erfordern. Zinksalben bieten einen guten Schutz, können allerdings – je nach Galenik der Salbe – erhebliche Probleme beim Entfernen des Topikums verursachen.

Zum Abschluss noch ein Hinweis: Bei Wundauflagen handelt es sich um Medizinprodukte, für deren Zulassung weder eine Beurteilung der Toxizität noch ein Nachweis der Wirksamkeit erforderlich ist. Dies steigert nochmals die Bedeutung einer kritischen und regelmäßigen klinischen Wunduntersuchung, um gegebenenfalls die unerwünschten Effekte der ausgewählten Wundauflagen frühzeitig korrigieren zu können. Ebenfalls sei vor der großzügigen Kombination verschiedener Wundauflagen gewarnt – Untersuchungen über Wechselwirkungen oder Allergieentstehung liegen nämlich nicht vor.

Zusammenfassung

Diabetiker sind stark gefährdet, chronische Fußwunden zu entwickeln. Das liegt an einer Reihe von Faktoren, die für eine erfolgreiche Therapie unbedingt beachtet werden müssen. Wichtig ist vor allem, die Perfusion des Wundgebietes sicherzustellen, den Blutzucker im Griff zu ­haben und die Wunde konsequent zu entlas­ten. Hindernisse für eine gute Wundheilung wie eine Infektion müssen so gut wie möglich kontrolliert und möglichst beseitigt werden. Und: Methode der Wahl ist die feuchte, nicht die nasse Wundtherapie, wobei die benachbarte Haut im Blick behalten werden muss.

 

 

Literatur beim Verlag

 

Anschrift des Verfassers:

Dr. Andreas Maier-Hasselmann

Chefarzt Klinik für Gefäßchirurgie,

vaskuläre und endovaskuläre Chirurgie

Städtisches Klinikum München GmbH

Klinikum Bogenhausen

Englschalkinger Str. 77

81925 München

 

Ausgabe 11 / 2016

 Vollständiger Artikel als PDF herunterladen:

Herunterladen

 

Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
Zurück
Speichern
Nach oben