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6. Juni 2017
Redaktion

Taping-Socks für verschiedene Fehlstellungen entwickelt

Kinesiotapes am Fuß können bei verschiedenen Fußproblemen helfen, doch müssen sie häufig erneuert werden. Warum also nicht die Tapes in eine Socke einarbeiten? Mit dieser Idee entwickelte OSM Franz Fischer verschiedene „Taping Socks“, die bei Hallux valgus, Hammerzehen und Knick-Senkfuß eingesetzt werden können.

Seit eineinhalb Jahren sind sie nun auf dem Markt: Socken für Hallux valgus, in die OSM Franz Fischer in seinem Betrieb Kunststofftapes einarbeiten lässt. „Mich hat beschäftigt, wie ich meinen Patienten Hilfsmittel geben kann, die im Alltag nicht stören und bequem zu tragen sind“, erklärt er, wie er auf die Idee zu der Entwicklung kam. Hallux-valgus-Schienen können meist nicht in konfektionierten Schuhen getragen werden oder werden von den Patienten teilweise als störend oder drückend empfunden, so Fischer. Die Hallux-valugs-Keile in ihren verschiedenen Formen drängen die Kleinzehen nach außen und führen oft zu einer Luxation der zweiten Zehe. Ihm schwebte ein Hilfsmittel vor, das die Patienten mühelos den ganzen Tag tragen können, um möglichst lange Therapie- und damit Korrekturzeiten zu haben.

Mit Kinesiotapes hatte Franz Fischer bereits vorher sehr gute Erfahrungen gemacht. „Richtig am Fuß aufgebracht, können sie teilweise die Funktion insuffizienter Muskeln übernehmen“, erklärt der Orthopädieschuhmacher-­Meister aus Amberg – vorausgesetzt, die Fehlstellung ist nicht rigide und kann korrigiert werden. Doch Kinesiotapes haben aus seiner Sicht auch ihre Grenzen, können die Patienten sie doch selten selbst richtig aufbringen. Da es nach mehreren Tagen zu Hautreizungen kommen kann, müssen sie relativ häufig erneuert werden. So entstand Fischers Idee, die Tapes in eine Socke zu integrieren, die die Patienten ja sowieso tragen. Aus der Frage, ob es möglich ist, die elas­­tischen Kunststoffe in Socken einzuarbeiten, so dass der Strumpf eine therapeutische Funk­tion bekommt, entwickelte Franz ­Fischer ein Projekt, das zwei Jahre vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wurde.

„Wir mussten leider feststellen, dass es mit der bestehenden Stricktechnik nicht möglich war, unser Vorhaben umzusetzen“, berichtet Fischer. „Die Strickmaschinen können die erforderliche Elastizität und Spannkraft nicht erzeugen“.

Doch er wollte nicht aufgeben und kam auf den Gedanken, den Strumpf nachträglich mit einem Tape auszustatten. Fischer verwendete dafür eine Tabi-Halluxsocke, bei der die Großzehe extra gestrickt ist, und machte sich auf die Suche nach einem hochelastischen Kunststoff, der bei nicht allzu hoher Temperatur verarbeitet werden kann, um Schäden an der Socke zu vermeiden. „Der Prototyp der Socke lag zwei bis drei Jahre lang unfertig auf meinem Tisch, weil ich einen solchen Kunststoff nicht gefunden habe“, erzählt der Orthopädie­schuhmacher-Meister. „Ich habe auch an Silikon gedacht, aber es ist für diesen Einsatzzweck zu teuer und aufwändig in der Verarbeitung.“

Dann erinnerte sich Fischer daran, dass er einige Jahre zuvor mit einem Klinikarzt zusammengearbeitet hatte, der aus einem hochelastischen Material Produkte für die Dekubitus-Entlas­tung entwickelte. „Mir wurde klar, dass ich mit diesem Material alles habe, was ich brauche: Eine hohe Elastizität, eine Dehnfähigkeit von 500 Prozent und eine hohe Rückstellfähigkeit, so dass die Bänder nicht ausleiern. Der Kunststoff wird bei Temperaturen zwischen 150 und 180° verarbeitet, was die Socke gut aushält.“ Eine Woche, nachdem er mit dem Hersteller Kontakt aufgenommen hatte, hielt Fischer das Material in den Händen.

„Bei den ersten Versuchen haben wir das Tape außen an der Halluxsocke fest gemacht“, erzählt er. „Wir haben es am großen Zeh befestigt, außen am Fuß entlang und um die Ferse herumgehen lassen und vorn an der Fußaußenseite wieder befestigt.“ Das Tape hing lose an der Socke und geriet beim Anziehen der Socke unter Spannung. Der Kunststoff-Hersteller war es, der Fischer den Tipp gab, dass der Kunststoff in der Bekleidungsindustrie direkt auf den textilen Stoff aufgebracht wird. „Inzwischen bügeln wir es auf“, verrät Franz Fischer.{pborder}

Da die Socken schon gut auf dem Markt angenommen werden, ist sein Betrieb inzwischen sichtbar von der neuen Aufgabe geprägt. Der Kunststoff wird als Meterware geliefert und von Fischers Mitarbeitern zu Tapes zugeschnitten. Dazu schaffte Fischer zwei Laserschneidemaschinen an. Außerdem fertigte er Formen, in die die Socken gelegt werden, bevor die Tapes aufgebügelt werden. In seinem Betrieb sieht man nun an verschiedenen Stellen Mitarbeiter, die an den Socken arbeiten. „Wir tüfteln gerade daran, die Arbeitsabläufe zu verbessern“, erzählt Fischer und berichtet schmunzelnd, dass auch schon ein Staubsauger spaßeshalber zu einer „Umdreh-Maschine“ für die Socken umfunktioniert wurde, weil es zu lange dauert, die Socken händisch auf links zu drehen – die neue Aufgabe sorgt für gute Laune und findige Ideen im Betrieb.

Verschiedene Korrekturstärken

Entscheidend für die Funktion der Socken ist, wie das Tape verläuft und welche Stärke es hat. Fischer bietet die Taping-Socks in drei verschiedenen Stärken an. „Wir haben auch eine Messmethode entwickelt, um herauszufinden, welche Stärke der Patient benötigt“, berichtet er. ­Dazu hat er eine Zugwaage mit einer Schlinge versehen, die am Grundglied der Großzehe befestigt wird. Wenn die Zehe per Hand korrigiert wird, wird ein Kraftwert ersichtlich, der zeigt, wie stark der Zug des Tapes sein muss, um wirksam zu sein.

„Bei der Korrektur des Hallux valgus ist am wichtigsten, dass die große Zehe in der Bewegungsrichtung des Beines liegt“, erklärt Franz Fischer. „Denn wenn die Großzehe durch ihre Schiefstellung und die Abflachung im Längsgewölbe nach außen weg geht, wird sie durch den Bodendruck immer weiter in die Fehlstellung hineingedrückt.“ Sobald ein Spalt zwischen der Großzehe und der zweiten Zehe zu erkennen ist, ist es für ihn ein Anzeichen, dass die Socke wirkt, auch wenn der Patient oft erst einmal keine Veränderung spürt. „Viele Patienten merken erst nach einer Stunde etwas. Deshalb sollte man immer mit den Augen kontrollieren, ob die Socke wirkt“, rät er.

Doch Franz Fischer hat auch nachgemessen. Bei 50 Patienten mit unterschiedlich stark ausgeprägter Fehlstellung vermaß er den Hallux-valgus- Winkel (Winkel zwischen dem ersten Strahl und der Großzehe mit dem Großzehengrundgelenk als Drehpunkt) und ordnete ihnen Socken mit passender Tape-Stärke zu. Mit den Taping-Socks konnte er Korrekturen des Hallux-valgus-Winkels von durchschnittlich 8° erzielen, teilweise lagen die Werte sogar bei 17 bis 18°.

Hammerzehen-Socken kamen dazu

Nachdem die Hallux-Socke gut funk­tionierte, entstand die Idee, auch für Hammer­zehen-Deformitäten Taping-Socks anzubieten. Dazu verwendete ­Fischer Tabi-Socken, bei denen nicht nur die Großzehe, sondern auch die zweite Zehe extra gestrickt ist, und arbeitete ­neben dem Hallux-Tape ein weiteres ­Tape zur Korrektur der Hammerzehe ein, das die Funktion der kurzen Fußmuskulatur, die bei Hammerzehen häufig insuffizient ist, übernimmt – es zieht die Zehe nach unten.

„Es ist nicht so, dass die Tapes insuffiziente Muskeln aktivieren“, erklärt Franz Fischer, „sie haben eine rein passive, korrigierende orthopädische Wirkung.“ Der große Vorteil gegenüber anderen Hilfsmitteln sei die lange Therapiezeit, weil der Patient die Socke den ganzen Tag trägt. Auf diese Weise könne einer Verschlechterung der Fehlstellungen oder Entzündungen entgegengewirkt werden. Auch zur Stabilisierung post-operativer Ergebnisse seien die Socken geeignet; eine Klinik hat sie bereits dafür getestet.

Grundsätzlich korrigieren können die Taping-Socks die Fehlstellung jedoch nicht. „Dafür muss der Patient zusätzlich aktiv etwas tun – zum Beispiel in der Physiotherapie“, so Fischer. Als überzeugter Anhänger der Spiraldynamik bietet er seinen Patienten ergänzend zur Socke eine Broschüre mit Übungen aus der Spiraldynamik an, die die Fußmuskeln aktivieren und den Fuß in Richtung einer gesünderen Fußstellung trainieren. Die Übungen dazu entwickelte der Spiraldynamik-Experte Dr. Jens Wippert, mit dem Franz Fischer schon viele Jahre zusammenarbeitet.

„PronationControl“ für Sportler

Gemeinsam mit Dr. Wippert entstand auch die Idee, eine dritte Socke zu entwickeln. Unter dem Namen „PronationControl“ soll sie in Kürze auf den Markt kommen und die Füße von Sportlern mit Neigung zu Knick-Senkfüßen unterstützen. Hier wählte Fischer keine Tabi-Socke, sondern eine normale Sportsocke, um die Anforderungen, die hinsichtlich des Klimakomforts und der Druckstellenvermeidung bei Sportlern bestehen, gerecht werden zu können. Das in der „PronationControl“ verwendete Tape bringt das Fersenbein über die Stabilisierung der Längswölbung aus der Valgusstellung. Gleichzeitig wird der erste Strahl, wie es die Spiraldynamik fordert, am Boden fixiert, so dass die gewünschte Verschraubung des Fußes entsteht. „Wir haben in Druckmessungen auf dem Laufband gesehen, dass sich der Fuß mit der Socke sehr schön stabilisiert“, beschreibt Fischer den aktuellen Stand. Jetzt startet eine Pilotphase, in der er 100 Paar Socken an Sportler mit Knick-Senkfuß-Problemen sowie an Physiotherapeuten oder biomechanisch Interessierte verteilt. Dann werden bei den Probanden später mit einem detaillierten Fragebogen Rückmeldungen eingeholt. Wenn alle Anforderungen gelöst sind, möchte Fischer die PronationControl-Socken in Serie fertigen.

Die Taping-Socks vertreibt er inzwischen auf mehreren Wegen. Der Fachhandel steht hier im Vordergrund. Die Firma Schein war der erste Vertriebs­partner und bietet Fischers Taping-Socks seit gut eineinhalb Jahren an. Für Darco entwickelte Fischer die Hallux-Socken für die postoperative Versorgung weiter, da Darco individuell einstellbare Taping- Socks wünschte. In diesen Produkten ist das Tape wieder locker außen an der Socke befestigt und kann mit Klettverschlüssen individuell angepasst werden.

Nach den eineinhalb Jahren, in denen die Hallux-Socken schon auf dem Markt sind, hat Franz Fischer viele positive Rückmeldungen von den Patienten bekommen. Die schönste Bestätigung ist für ihn: „Die Patienten kaufen am Anfang ein Paar und probieren es aus. Und nach zwei Wochen stehen sie dann wieder bei uns und wollen zwei Wechselpaare“.

Ausgabe 06 / 2017

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Von Annette Switala

Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
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