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19. Oktober 2022
Redaktion
Rückenschmerz

Studie zur Rückenschmerz-Therapie: Um 84 Prozent gesteigerte Erfolgsquote

Geht eine Therapie gegen chronische Rückenschmerzen gezielt auf die persönlichen Bedürfnisse der Patienten ein, sind die Erfolgschancen deutlich größer als bei Standardbehandlungen. Kommt ergänzend ein psychotherapeutisches Verfahren dazu, die kognitive Verhaltenstherapie, lassen sich die Schmerzen sogar noch effektiver lindern. Dies ergab eine Metastudie der Goethe-Universität Frankfurt. Aus ihr lässt sich schließen: Entsprechend den Vorgaben der Nationalen Versorgungsleitlinie sollten multimodale Therapien im deutschen Gesundheitswesen stärker gefördert werden.
Foto: Markus Bernards/Goethe-Universität Frankfurt
Wer viel sitzt und sich wenig bewegt, entwickelt häufig Rückenschmerzen.

Bewegungsmangel, Fehlbelastung, Überbelastung, Dauerstress am Arbeitsplatz oder privat – es gibt viele Ursachen für die Volkskrankheit Rückenschmerz. Bei nicht wenigen Betroffenen sind die Beschwerden sogar chronisch. Das heißt, sie halten über lange Zeit an oder treten immer wieder auf. Linderung können angeleitete Sport- und Bewegungstherapien bringen. Zu den gängigen Behandlungsmethoden gehören Physiotherapie, Krafttraining und Stabilisationstraining. Doch wie kann die Therapie möglichst erfolgreich sein? Welche Vorgehensweise lindert den Schmerz am effektivsten? Dazu hat eine kürzlich im Journal of Pain veröffentlichte Metastudie der Goethe-Universität Frankfurt neue Erkenntnisse gebracht.

Als Datenbasis dienten 58 randomiserte, kontrollierte Studien (randomised controlled trials, RCTs) von mehr als 10.000 Patientinnen und Patienten weltweit, die unter chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich leiden. Zuerst wurden die für das Thema relevanten Daten aus den Originalmanuskripten herausgefiltert, dann zusammengefasst ausgewertet. Bei den Auswertungen ging es zum einen darum, ob und wie sehr sich Standardbehandlungen und personalisierte Behandlungen im Ergebnis voneinander unterscheiden. Personalisiert bedeutet, es gibt eine Art persönliches Coaching, bei dem Therapeuten gezielt auf Potenziale und Bedürfnisse der Patienten eingehen und gemeinsam mit ihnen entscheiden, wie die Therapie aussieht.

Schmerzlinderung: Personalisierte Behandlung hat stärkere Effekte als Standardbehandlung

Das Resultat der Studie: Eine personalisierte Behandlung führte zu einer deutlichen Steigerung der Effekte bei chronischen Rückenschmerzen im Vergleich zu Standard-Bewegungstherapien. Die Erfolgsquote bei der Schmerzlinderung lag 38 Prozent höher als bei einer Standardbehandlung. “Der höhere Aufwand der Personalisierung lohnt sich, da die Patienten in klinisch relevantem Ausmaß davon profitieren”, sagt der federführende Autor Privatdozent Dr. Johannes Fleckenstein vom Institut für Sportwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt.

Personalisierte Behandlung plus kognitive Verhaltenstherapie erzielte die größte Wirkung

Die Studie ging aber noch weiter. Das Frankfurter Forscher-Team verglich neben den Standardbehandlungen und den personalisierten eine dritte Gruppe von Behandlungen. Bei diesen wurden personalisierte Trainingseinheiten mit einer so genannten kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) kombiniert. Dieses Gesprächsverfahren geht davon aus, dass negative Gedanken und Verhaltensweisen rund um das Thema Schmerz schmerzverstärkend wirken. Also lernen Schmerzpatienten, ihren Umgang mit dem Schmerz zu verändern. Sie bauen Bewegungsängste ab oder bekommen Taktiken zur Schmerzbewältigung beigebracht. Dadurch merken sie, dass sie durchaus nicht hilflos sind. Doch was trägt die psychotherapeutische Unterstützung durch KVT tatsächlich zum Behandlungserfolg bei? Hier ergab sich bei der Datenanalyse folgendes: Wurden personalisierter Ansatz und KVT kombiniert, lag die Erfolgsquote in Hinblick auf die Schmerzlinderung beeindruckende 84 Prozent höher als bei einer Standardbehandlung. Die kombinierte Therapie, auch multimodale Therapie genannt, führte also zum mit Abstand besten Ergebnis.

Multimodale Therapie-Angebote stärken

Fleckenstein sieht in der Studie “den dringenden gesundheitspolitischen Appell”, kombinierte Angebote in der Versorgung und Vergütung zu stärken. “Im Vergleich zu anderen Ländern, etwa den USA, stehen wir in Deutschland zwar relativ gut da. Wir haben zum Beispiel eine geringere Verschreibung von starken Betäubungsmitteln wie Opiaten. Aber die Rate an unnötigen Röntgenuntersuchungen, die im Übrigen auch zur Chronifizierung von Schmerzen beitragen können, oder ungenauen OP-Indikationen ist noch immer sehr hoch.” Dies läge, so Fleckenstein, auch an den ökonomischen Anreizen, also der verhältnismäßig hohen Vergütung solcher Maßnahmen. Anders sei die Situation bei schmerztherapeutischen Einrichtungen. Die sind laut Fleckenstein zwar nicht defizitär, aber eben auch keine Cash Cow für Investoren. Hier gelte es, die ökonomischen Rahmenbedingungen zu verbessern. Denn: Langfristig spare Schmerztherapie aus gesundheitsökonomischer Sicht viel Geld, wohingegen Tabletten und Operationen eher selten zu einer mittel- und langfristigen Schmerzlinderung führten.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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