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14. Oktober 2020
Redaktion

Studie belegt Zusammenhang zwischen Achsfehlstellung der Beine, Übergewicht und Arthrose

Eine Achsabweichung der Beine begünstiget massiv die Entstehung einer Arthrose in den Kniegelenken, insbesondere im Zusammenspiel mit Übergewicht. Da der Druck sich nicht mehr gleichmäßig in den Gelenken verteilt, werden an hochbelasteten Stellen Knorpel und Knochen intensiver als an anderen Stellen abgebaut. Das haben Forscher und Orthopäden der Universität des Saarlandes in einer Studie nachgewiesen, die im Fachjournal „Science Translational Medicine“ veröffentlicht wurde.



Foto: ojoel/fotolia

Beim Menschen verhalte es sich ein wenig wie beim Auto, wenn die Reifen nicht genau ausgerichtet sind: „Wenn beim Auto die Spur falsch eingestellt ist und die Reifen einseitig abgefahren sind, nutzt es auch nichts, neue Reifen aufzuziehen. Solange die Spur nicht richtig eingestellt ist, wird sich auch der neue Satz Reifen schnell abfahren“, sagt Henning Madry, Professor für Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung an der Universität des Saarlandes. Sein Team, insbesondere die beiden Erstautoren Sophie Haberkamp und Tamás Oláh, und er haben nun in einer Studie nachgewiesen, dass sich eine Achsabweichung der Beine, zum Beispiel sogenannte O-Beine, massiv auf die Entstehung einer Arthrose in bestimmten Bereichen des Kniegelenks auswirkt.

Fünf Jahre lang wurden dazu detailreiche räumliche Aufnahmen der Kniegelenke von Arthrosepatienten mit O-Bein-Achsabweichung untersucht. Die Forscher haben zudem rund 100 Gewebeproben von explantierten Kniegelenken analysiert, die bei Patienten entnommen wurden, denen eine Prothese eingesetzt wurde.

Dabei habe sich eine der zentralen Hypothesen des Teams überraschenderweise nicht bestätigen können: „Wir sind davon ausgegangen, dass die Gradzahl der Abweichung“ – also der Winkel zwischen dem Ober- und Unterschenkel – „mit der Stärke der Arthrose auf der überlasteten Innenseite des Kniegelenks zusammenhängt, also dort, wo bedingt durch den Grad der Fehlstellung der meiste Druck lastet“, sagt Henning Madry. Das sei aber gar nicht so.

Obwohl sich der größte Schaden auf der Innenseite fand und der Knorpel dort bei den untersuchten Patienten so gut wie weg war, lag dort kein Zusammenhang mehr zwischen Achsabweichung und Knorpelzerstörung vor; ein Befund, den die Forscher mit einer fehlenden Adaptationsmöglichkeit dieses massiv überlasteten Gelenkanteils erklären. Diese Erkenntnis habe gravierende Konsequenzen, so Henning Madry, denn mögliche knorpelregenerative Therapien seien damit an dieser exponierten Stelle so gut wie wirkungslos. „Unsere Erkenntnisse sind auch sehr wichtig für künftige klinische Studien. Diese sollten sich nämlich in fortgeschrittenen Fällen gar nicht auf die sehr geschädigte Seite konzentrieren, da sich dort ja sowieso nichts mehr regenerieren kann, wie wir nun wissen.“ Hier sei man wieder beim Autoreifen und der falsch eingestellten Spur: „Denn eine Therapie hilft auch nichts, wenn die Ursache, nämlich die Achsabweichung, nicht korrigiert ist“, schlussfolgert Madry. Daher solle man in Frühstadien der Arthrose bei einer gleichzeitigen Achsabweichung immer auch parallel letztere behandeln, während man die Arthrose therapiert: “Also: Zuerst die Spur korrigieren, und dann kommen die neuen Reifen drauf, nicht umgekehrt”.

Außerdem zeigte sich in der Studie, dass sich bei Übergewicht die Arthrose noch verstärkt. Je mehr Gewicht auf ein nicht richtig stehendes Gelenk drückt, desto größer der Schaden. Ärzte raten übergewichtigen Patienten zwar schon längere Zeit, möglichst Gewicht zu verlieren, um den Druck auf die Gelenke zu verringern. „Nun haben wir aber mit unseren Daten auch eine wissenschaftliche Untermauerung für dieses medizinische Wissen, dass Übergewicht ein Treiber für das Fortschreiten der Arthrose ist“, unterstreicht Henning Madry.

Um diese Erkenntnisse zu gewinnen, war jahrelange Fleißarbeit nötig, die insbesondere Sophie Haberkamp als Doktorandin an seinem Lehrstuhl geleistet hat. So wurden zum Beispiel aus neun Knieexplantaten jeweils zehn Würfelchen mit einer Kantenlänge von zehn Millimetern herausgeschnitten. Von jedem dieser Zehn-mal-zehn-Millimeter-Würfelchen wurden dann zirka 1000 bis 2000 Schichtbilder im Mikro-Computertomographen aufgenommen, um den Knochen unter dem Knorpel zu beurteilen. Das dauert zwischen mehreren Stunden und einer Nacht pro Würfel. Die Bilder müssen dann rekonstruiert und ausgemessen werden, die Gewebeprobe muss histologisch mit verschiedenen Spezialfärbungen und auch biochemisch weiter untersucht werden. Schließlich müssen die Schichtaufnahmen ausgewertet und zusammen mit den anderen Ergebnissen, darunter auch klinische Daten von den Patienten, interpretiert werden.

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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