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3. April 2024
Annette Switala
Jahrestagung AG Fuß: Workshop Schuhversorgung

Risikoklassen überarbeitet, Zertifizierung für OSM geplant

Auf der Jahrestagung der AG Diabetischer Fuß DDG machte die Schuhversorgung einen wesentlichen Bestandteil aus: Im Workshop Schuhversorgung wurden die überarbeiteten Risikoklassen für die Versorgung des Diabetischen Fußsyndroms vorgestellt. Nach dem Vorbild der AG Fuß Rheinland-Pfalz/Saarland soll eine Zertifizierung „Orthopädieschuhmacher DDG“ mit einem entsprechenden Fortbildungsprogramm bundesweit eingeführt werden.
Workshop
Foto: C. Maurer Fachmedien

Wie kann ein Außenstehender die Qualifikation eines Orthopädieschuhtechnikers in der Diabetes-Versorgung erkennen? Eigentlich gar nicht! Mit diesem kritischen Statement eröffnete OSM Leo Lelgemann den gut besuchten Workshop Schuhversorgung auf der Jahrestagung der AG Fuß am 24. Februar in Osnabrück. In der AG Fuß Rheinland-Pfalz/Saarland gibt es schon seit über acht Jahren eine Zertifizierung für Orthopädieschuhmacher. Orientiert an diesem Vorbild möchte die AG Fuß nun eine bundesweite Zertifizierung „Orthopädieschuhmacher DDG“ einführen, die konkrete Qualitätsanforderungen, aber auch ein offizielles Label für den jeweiligen OSM mit sich bringt.

„Wir sehen darin viele Vorteile“, sagte Lelgemann, seit 2023 Vorstandmitglied der AG Fuß. „Wir können uns gegenüber Ärzten, Patienten und Krankenkassen als Spezialist in der Versorgung des Diabetischen Fußsyndroms von anderen abheben. Wir zeigen, dass wir eine Versorgung auf dem neuesten Stand machen und durch den regelmäßigen Besuch von Fortbildungen unser Wissen aktuell halten.“ Für die Zertifizierung wird ein Fortbildungsprogramm erarbeitet, für die Umsetzung soll das Gespräch mit den Berufs- und Meisterschulen gesucht werden.

Ziel sei, durch die Zertifizierung eine größere Flächendeckung an risikoklassengerechten Versorgungen zu erreichen, so Lelgemann. Auch der Nachwuchs soll damit angesprochen und für die besonderen Erfordernisse des DFS und die Vorteile einer Mitgliedschaft in der AG Fuß sensibilisiert werden.

Die Zulassungsvoraussetzungen

Voraussetzungen für die Zertifizierung sind die Meisterprüfung oder eine für die PG 31 F16 gleichgestellte Qualifikation sowie der Abschluss des bestehenden Curriculums 1 bis 4. Außerdem die Mitgliedschaft in der AG Fuß, Erfahrungen in der Charcot-, Amputations- oder Akutversorgung und eine Hospitation in einer zertifizierten Fußbehandlungseinrichtung. Voraussetzung ist auch der erfolgreiche Abschluss der Schulung „OSM DDG“, deren Module die AG Fuß bereits erarbeitet hat. Sollte künftig ein „Druckverteilungsmessungs-Nachweis“ eingeführt werden, wird auch dieser eine Bedingung für das DDG-Zertifikat.

Die Schulungen

Die Fortbildung soll hybrid durchgeführt werden – mit 4 zweistündigen Online-Schulungen und 2 je achtstündigen Präsenzveranstaltungen. Die Online-Schu­lungen behandeln Grundlagen des DFS, den Charcotfuß, Organisatorisches und Hygiene. Bei der Präsenzveranstaltung geht es um die Schuhversorgung, das Entitätenkonzept sowie psychosoziale und kommunikative Aspekte.

Lernerfolgskontrollen erfolgen durch Multiple-Choice-Tests während der Onlineveranstaltungen, das Demonstrieren einer korrekten Hilfsmittelabgabe online, durch eine erfolgreiche Hospitation in einer zertifizierten Fußbehandlungseinrichtung und das Vorstellen eines Falls aus der Hospitation und bis zu drei Versorgungen aus dem eigenen Betrieb. Das Zertifikat „Orthopädieschuhmacher DDG“, das man auf diese Weise erwirbt, ist drei Jahre gültig und kann durch jährlich 8 Fortbildungsstunden oder eine eintägige Hospitation in einer zertifizierten Fußbehandlungseinrichtung erneuert werden.

Die Modulbeschreibung wird nun beim Ausschuss Qualitätssicherung/Schulung/Weiterbildung (QSW) der DDG eingereicht und gegebenenfalls nochmals angepasst. Dann werden die Weiterbildungs- und Prüfungsordnung erstellt sowie Weiterbildungsstätten und Referenten gesucht.

Änderungen bei den Risikoklassen

Bereits vor drei Jahren hatten Vertreter der AG Fuß mit dem GKV-Spitzenverband in Berlin über die Überarbeitung der Risikoklassen für das Diabetische Fußsyndrom diskutiert. „Die Krankenkassen wollen Evidenz sehen, deswegen können wir nicht alles aufnehmen, was wir gerne hätten“, erklärte Dr. Karl Zink. Dennoch habe die AG Fuß viele wichtige Anliegen in die Überarbeitung der Risikogruppen einbringen können.

Eine große Veränderung gibt es in der Risikoklasse II, die in IIa und IIb geteilt worden ist. IIa betrifft Diabetespatienten mit Sensibilitätsverlust durch Polyneuropathie (PNP) oder relevanter PAVK. Sie sollen keine Spezialschuhe, sondern „für DFS geeignete Schuhe mit herausnehmbarer Weichpolstersohle“ erhalten, letztendlich also geeignete Bequemschuhe.

In Risikogruppe IIb müssen zu Sensibilitätsverlust durch PNP und/oder pAVK folgende Zusatzkriterien hinzukommen: drohende dorsale Ulzera, präulzerative Veränderungen oder eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz. Dann kann ein Spezialschuh mit diabetesadaptierter Fußbettung (DAF) verschrieben werden. „Im Unterschied zu früher kann hier jetzt immer eine DAF mitverordnet werden, das ist ein Plus an Versorgung“, sagte Dr. Zink. War dies früher nur nach plantaren Ulzerationen möglich, so ist es dies jetzt schon bei drohenden, auch dorsalen Ulzera. „Wahrscheinlich wird der Medizinische Dienst aber bei drohenden Ulzera Fotos sehen wollen“, meinte er.

In Risikoklasse III (Zustand nach Ulkus) spielt es keine Rolle mehr, wo am Fuß das Ulkus aufgetreten ist – es werden Spezialschuhe mit DAF und gegebenenfalls orthopädischer Schuhzurichtung empfohlen.

In Risikogruppe V (inaktiver Charcotfuß mit erkennbaren radiologischen Gelenk- und/oder Knochenzerstörungen, Pseudoexostosen und Fehlstatik) sollen knöchelübergreifende orthopädische Maßschuhe mit DAF, Innenschuhe oder Orthesen verschrieben werden. „Wenn der Fuß nicht stark deformiert ist, wieder abgekühlt und kein aktiver Charcotfuß gewesen ist, kann man ihn auch mit einem Spezialschuh und DAF versorgen“, erläuterte Zink.

Akutversorgung gemäß IWGDF- Leitlinien

Große Änderungen gab es in der Risikoklasse VII, hier orientierten sich die Experten der AG Fuß an den aktuellen Leitlinien der International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF). Die Risikoklasse wurde aufgeteilt in VII a, b, c und d.

VIIa umfasst nicht-plantare Läsionen, für die Verbandschuhe vorgesehen sind. Wenn der Patient eine suffiziente orthopädieschuhtechnische Versorgung hat, die in Verbindung mit dem Wundverband die Ulkusregion entlastet, dann kann diese Schuhversorgung weiter genutzt werden.

Risikogruppe VIIb beinhaltet den aktiven Charcotfuß ohne Läsion, für den individuelle kniehohe Orthesen mit DAF oder TCC verordnet werden sollen. Dabei sind nicht-abnehmbare Versorgungen den abnehmbaren überlegen. Konfektionierte Orthesen dürfen nur bei nicht-deformierten Füßen verordnet werden.

Risikogruppe VIIc umfasst plantare Läsionen (außer an der Ferse), hier soll mit kniehohen, nicht-abnehmbaren Orthesen versorgt werden. Die Passform muss
allerdings gewährleistet und Gewichtslimitierungen eingehalten sein, sonst sollten individuelle Orthesen gewählt werden. Möglich ist auch ein Interimsschuh oder TCC. Bei infizierten Ulzerationen, AVK oder starker Exsudation sind nicht-abnehmbare kniehohe Orthesen mit besonderer Vorsicht anzuwenden. Als zweite Wahl sind abnehmbare Orthesen, als dritte Wahl Verbandsschuhe mit Druckentlastung (Filz oder Fußbettung) möglich.

Risikogruppe VIId beinhaltet plantare Fersenläsionen, hier sind nicht-abnehmbare, kniehohe individuelle Fersenentlastungsorthesen oder ein TCC vorgesehen. Eine Kondylenführung sollte vorhanden sein, Ziel ist, die axialen Kräfte zu reduzieren. Liegen infizierte Ulzerationen, eine AKV oder starke Exsudation vor, sind nicht-abnehmbare kniehohe Entlastungsorthesen mit besonderer Vorsicht anzuwenden.

In der gesamten Risikoklasse VII sollte vor der Hilfsmittelverordnung gegebenenfalls die Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention abgeklärt werden. Im Einzelfall ist eine Abweichung von dem in den Risikoklassen beschriebenen Versorgungsschema (i. S. einer einfacheren oder aufwändigeren Versorgung) mit ärztlicher Begründung möglich.

Neuer Schuhverordnungsbogen

Wie Dr. Zink zeigte, wurde auch der Schuhverordnungsbogen an die überarbeiteten Risikoklassen angepasst und bei dieser Gelegenheit übersichtlicher gestaltet. Er wird in verschiedenen, ausdruckbaren oder online ausfüllbaren Versionen bereitgestellt.

Sowohl die Risikoklassen als auch der Schuhverordnungsbogen sind bereits auf der Internetseite der AG Fuß zu finden. In Kürze sollen sie auch in der Fachzeitschrift publiziert werden. Erläuternde Gespräche mit den Krankenkassen sollen folgen.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
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