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6. November 2017
Redaktion
Diagnos­tik, Therapie und Verlauf

Psoriasis-Arthritis am Vorfuß

Die nicht so seltene Arthropathie (Ge­lenk­erkrankung) bei Psoriasis (Schuppenflechte) manifestiert sich in Zerstörungen von Zehengelenken und -knochen. Die orthopädieschuhtechnische Herausforderung besteht in der ständigen Berücksichtigung der progredienten morphologischen und funktionellen Veränderungen am Vorfuß. Diagnos­tik, Therapie und Verlauf eines Falles, der über 20 Jahre beobachtet werden konnte, werden beschrieben.
Foto: Hans-Peter Kundert
Psoriasis der Kopfhaut.

Die Prävalenz der Psoriasis liegt in der Schweiz bei knapp 2 Prozent (Ivanova K et al., 2012), in Deutschland bei 2,5 Prozent (Schäfer I et al., 2011).

Eine amerikanische Studie beziffert den Psoriasis-Befall auf 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung, davon 8 bis 11 Prozent mit Arthropathie (Bibbo C et al., 1999).

Die Psoriasis tritt eher schleichend auf, beginnend in einem durchschnittlichen Alter von 32 Jahren (13 bis 50 Jahren). Sie betrifft vor allem hellhäutige Menschen. Frauen und Männer sind etwa gleich stark betroffen.

Das betroffene Hautareal ist bedeckt mit scharf begrenzten, silberweißen Schuppen, in Herden von verschiedener Größe und Gestalt. Bei der Psoriasis vulgaris werden ein pustulöser und ein Plaque-Typ unterschieden. Die Herde liegen gerne in Gelenknähe, aber auch am behaarten Kopf. Zehen- und Fingernägel werden atrophisch und brüchig. Der Verlauf kann akuteruptiv oder chronisch-stationär sein.

Die Ursache ist multifaktoriell, vieles spricht für eine Autoimmunerkrankung bei genetischer Prädisposition (Yawalkar N et al., 2006/FitzGerald O et al., 2009/ Conrad C et al., 2016).

Psoriasis-Arthritis

Diese Erkrankung ist eine eigene entzündliche Arthritisform, die mit der Haut­erkrankung Psoriasis kombiniert ist. Von der Psoriasis-­Arthritis betroffen sind in der Schweiz 24000 bis 80000 Personen (Frey D, 2016). Die Psoriasis-Arthritis verläuft in der Regel in Schüben. Das Durchschnittsalter bei Beginn ist 36 Jahre (14 bis 72 Jahre).

Bei zirka 20 Prozent der Psoriasis­erkrankten manifestieren sich nicht nur Veränderungen an Haut und Nägeln, sondern auch Entzündungen und Destruktionen an Gelenken und Knochen der Extremitäten und der Wirbelsäule (Germann DM, 2017). Auch Sehnenscheiden und Schleimbeutel an Lokalisationen mit erhöhter mechanischer Belas­tung können betroffen sein.

Etwa 5 Prozent der Patienten leiden an einem Mehrgelenkbefall (Frey D, 2016). Der Fuß ist mit 54,7 Prozent etwa dreimal häufiger als alle anderen Gelenke erstbefallen (Hammerschlag W et al., 1991).

Meist geht der Hautbefall dem des Bewegungsapparates voraus. Beides kann aber auch gleichzeitig auftreten (Germann DM, 2017). Bei etwa 14 Prozent  kommt der Gelenkbefall sogar vor den Hautsymptomen (Nossent JC, 2009). Zwischen dem Beginn der Psoriasis und der Psoriasis-Arthritis liegen durchschnittlich vier Jahre (Hammerschlag W et al., 1991).

Nichtentzündliche Arthritisformen (z.B. Gicht), chronisch-entzündliche Sys­temerkrankungen (z.B. Morbus Bechte­rew), Osteomyelitis, rheumatoide Arthritis, diabetische Osteoarthropathie und Nervenkompressionen können alternativ zu Fehldiagnosen führen und müssen klinisch, bildgebend und labormäßig ausgeschlossen werden.

Diagnostik

47 Prozent der Psoriasis-Patienten entwickeln innerhalb von zwei Jahren radiologisch sichtbare Gelenkschäden (Kane D et al., 2003). Eine Gelenkschädigung wird klinisch bei 41 Prozent der Psoriasis-­Arthritis-Patienten fast gleichzeitig oder noch vor der bildgebenden Diagnostik festgestellt (Siannis F et al., 2006).

Die konventionellen Röntgenbilder zeigen zu Beginn meist keine Auffälligkeiten. Den späteren Verlauf – mit oberflächlichen bis taschenförmigen, später bleistiftspitzenartigen Erosionen und Gelenkspaltverschmälerungen bis zur vollständigen Gelenkdestruktion – dokumentieren die Abbildungen 5 bis 7. Ultraschall, Magnetresonanztomographie oder Computertomographie sind zusätzliche Hilfsmittel zur Frühdiagnose der Psoriasis-Arthritis oder zum Ausschluss beziehungsweise Nachweis anderer Erkrankungen.

Wenn der Patient sich mit oder ohne hausärztliche oder dermatologische Voruntersuchung beim Orthopäden oder Rheumatologen vorstellt, hat die Psoriasis-Arthritis oft bereits einigen Schaden angerichtet. Der weitere Verlauf zieht sich mit oder ohne spezifische Therapie über Jahre hin und erfordert daher auch eine regelmäßige Überprüfung der ortho­pädieschuhtechnischen Versorgung.

Verlauf

Der Erstautor, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, speziell des Fußes, hat den typischen Verlauf bei einem seiner Patienten über 20 Jahre klinisch und bildgebend dokumentiert. Durch den an­schließenden Wegzug des Patienten ins Ausland ist der weitere Verlauf aktuell nicht mehr verfolgbar.

1. Untersuchung

Bei der ersten Vorstellung war der Patient 35 Jahre alt, die Psoriasis dauerte bereits 10 Jahre. Betroffen waren in der Reihenfolge des Auftretens der behaarte Kopf, dann Ellbogen, Knie und linker Außenknöchel. Der Patient wies keine Rückenbeschwerden und keine Gelenkschmerzen an den oberen und unteren Extremitäten auf. Der Neurostatus der unteren Extremitäten war unauffällig. Es waren keine Nebenerkrankungen, wie Diabetes, bekannt. Die bisherige Behandlung erfolgte mit topischen Anwendungen (z.B. mit Harnstoff, Salicylsäure, Betamethason-Schaum), meist in Intervallen.

Die Diagnose Psoriasis war einfach zu stellen: Gut sichtbar ist der typische Befall der Kopfhaut (Abb. 1). Die Haut am Außenknöchel ist gerötet, ödematös und zeigt die typischen Schuppen (Abb. 2). Die Größe der Zehen 3 und 4 ist etwa auf die Hälfte der Norm verkleinert, die Zehen­nägel sind atrophisch und brüchig (Abb. 3). Der podoskopische Fußabdruck (Abb. 4) zeigt eine Überlastung des 1. und vor allem des 2. Strahles. Dem­gegenüber besteht eine massive Minderbelastung des Kleinzehenballens. Metatarsalgien werden dennoch nicht be­klagt, Schmerzen nur seitens der kontrakten Hammerzehe 2. Es besteht eine fast schmerzfreie Gehfähigkeit von 6 bis 7 Stunden in Normalschuhen mit uralten Standard-Einlagen.

 

Foto: Hans-Peter Kundert
Befall des distalen Unterschenkels und Außenknöchels.
Foto: Hans-Peter Kundert
Beide Füße im Stehen, Befall des linken Fußes.
Foto: Hans-Peter Kundert
Podoskopische Untersuchung.

Im Röntgenbild (Abb. 5) zeigt sich, dass die Metatarsalia 3 und 4 verschmächtigt sind und ihre Köpfchen beginnen sich aufzulösen. Die 3. Zehe ist im Grundgelenk nach lateral hin luxiert. An der Großzehe beginnt sich der proximale Teil des Endgelenkes aufzulösen, es entwickelt sich ein Hallux interphalangeus.

Foto: Hans-Peter Kundert
Röntgenbild linker Fuß antero-posterior stehend. Zustand nach zirka 10-jährigem Psoriasis-Verlauf.

2. Untersuchung

Sechseinhalb Jahre später ist vom distalen Drittel der Mittelfußknochen 3 und 4 fast nichts mehr übrig geblieben (Abb. 6).

Foto: hans-Peter Kundert
Röntgenbild linker Fuß antero-posterior stehend. Zustand nach zirka 16-jährigem Psoriasis-Verlauf.

3. Untersuchung

Nach weiteren dreieinhalb Jahren ist der Prozess zum Stillstand gekommen. Die Stümpfe der Metatarsalia 3 und 4 haben sich weiter verkürzt und beginnen sich abzurunden. Die stark verminderte Belastbarkeit dieser beiden Strahle versucht der 2. Strahl nun biomechanisch auszugleichen. Er hat seinen Kalkgehalt massiv erhöht, der Schaft ist spindelförmig aufgetrieben, wohl nach einer asymptomatischen Ermüdungsfraktur ohne Disloka­tion (Abb. 7). Der funktionelle Beitrag des 1. Strahls ist durch die Osteoarthropathie des Endgelenks ohnehin beeinträchtigt.

Foto: Hans-Peter Kundert
Röntgenbild linker Fuß antero-posterior stehend. Zustand nach zirka 20-jährigem Psoriasis-Verlauf.

4. Untersuchung

Wieder sind 7 Jahre vergangen. Inzwischen wurden immer wieder topische Anwendungen, aber auch Phototherapie und verschiedene systemische Therapien durchgeführt (zum Beispiel mit Adalimumab, Ciclosporin, Methotrexat usw.). Fußbezogen hat sich der Zustand bildgebend stabilisiert.

Orthopädieschuhtechnische Versorgung

Die Versorgung war bis zur 3. Untersuchung sukzessive der fortschreitenden Arthropathie und der Knochendestruktion mit den folgenden Maßnahmen anzupassen:

  •  breitflächige Unterstützung der funktionslos gewordenen Strahlen 3 und 4,
  •  retrokapitale Entlastung des 5. und des 1./2. Strahles mit Weichbettung des 1. Mittelfußköpfchens,
  •  Mittelfußrolle und Pufferabsatz.

 

Von Hans-Peter Kundert und René Baumgartner

Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Hans-Peter Kundert
FussZentrum, Klinik Hirslanden Zürich
Bergstraße 12
CH 8044 Zürich, Schweiz

Literatur
  • Ivanova K, Müller S, Itin P, Häusermann P. Psoriasis. Teil 1: Pathogenese-Klinik-Komor­biditäten. Schweiz Med Forum 2012; 12(20-21): 410-415.
  • Schäfer I, Rustenbach SJ, Radtke M, Augustin J, Glaeske G, Augustin M. Epidemiologie der Psoriasis in Deutschland – Auswertung von Sekundärdaten einer gesetzlichen Krankenversicherung. Gesundheitswesen 2011; 73: 308-313.
  • Bibbo C, Lin SS, Berberian WS. Medical and surgical management of seronegative diseases. Foot Ankle Clin 1999; 4(2): 249-274.
  • Yawalkar N, Braathen LR.  Psoriasis vulgaris: von der Pathogenese zur Therapie. Schweiz Med Forum 2006; 6:549-554.
  • FitzGerald O, Winchester R. Psoriatric arthri­tis: from pathogenesis to therapy. Arthritis Resarch & Therapy 2009; 11:214-222.
  • Conrad C, Gilliet M.  Psoriasis: Was gibt es Neues, und was bringt die Zukunft?  Swiss Medical Forum 2016; 16(21): 462-468.
  • Frey D, Tyndall A.  Reaktive Arthritiden – was gibt es Neues? Schweiz Med Forum 2002;24:577-580.
  • Frey D. Psoriasis-Arthritis, in: Rheumaliga Schweiz (Hg.): Rheuma, 7. überarbeitete Auflage, 2016.
  • Germann DM. Psoriasisarthritis. SPV-ASP-info 2017; 143: 5-7.
  • Nossent JC, Gran JT. Epidemiological and clinical characteristics of psoriatic arthritis in northern Norway. Scan J Rheumatol 2009; 38(4): 251-255.
  • Hammerschlag WA, Rice JR, Caldwell DS, Goldner JL. Psoriatic arthritis of the foot and ankle: analysis of joint involvement and diagnostic errors. Foot Ankle 1991; 12: 35-39.
  • Kane D, Stafford L, Bresnihan B, FitzGerald O.  A prospective, clinical and radiological study of early psoriatic arthri­tis: an early synovitis clinic experience.  Rheumatology 2003; 42(12): 1460-1468.
  • Siannis F, Farewell VT, Cook RJ, Schentag CT, Gladman DD, Clinical and radiological damage in psoriatic arthritis. Ann Rheum Dis 2006; 65: 478-481.
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Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
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