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17. Februar 2021
Annette Switala
PG 08 (Einlagen) im Hilfsmittelverzeichnis

ZVOS bewertet die Fortschreibung als ernüchternd

„Es gibt ein paar kleine Schritte in die richtige Richtung, aber insgesamt gesehen ist die Fortschreibung der PG 08 im Hilfsmittelverzeichnis sehr enttäuschend“, sagt ZVOS-Vorstandsmitglied Uwe Branscheidt. Wesentliche Vorschläge, die der Zentralverband Orthopädieschuhtechnik und andere Fachverbände im Stellungnahmeverfahren gemacht hatten, seien unberücksichtigt geblieben.
Uwe
Foto: Andre Schrieber
Uwe Branscheidt

Im Rahmen des schriftlichen Stellungnahmeverfahrens hatte der ZVOS detaillierte Vorschläge zur Änderung des Entwurfs gemacht, den der GKV-Spitzenverband für die Fortschreibung der PG 08 vorgelegt hatte. In einer mündlichen Anhörung der stellungnahmeberechtigten Verbände hatte der GKV-Spitzenverband noch einmal Rückfragen zu den Eingaben des ZVOS gestellt.

„Wir haben 76 konkrete Vorschläge für Änderungen der PG 08 gemacht, die die Systematik, Formulierungen in einzelnen Produktuntergruppen und Zusatzpositionen betrafen. Von diesen Vorschlägen hat der GKV-Spitzenverband 60 schlichtweg unberücksichtigt gelassen. Zehn hat er übernommen, sechs nur halb umgesetzt“, berichtet Uwe Branscheidt. „Und leider muss man sagen: Unter den abgelehnten Vorschlägen waren unsere wichtigsten Anliegen.“

Sensomotorische Einlagen nicht mehr explizit ausgeschlossen

Immerhin habe man erreicht, dass sensomotorische Einlagen nun nicht mehr ausdrücklich aus dem Hilfsmittelverzeichnis ausgeschlossen werden. Bei der vorhergehenden Fortschreibung von 2017 hatte der GKV-Spitzenverband geschrieben: „Sensomotorische bzw. propriozeptive Einlagen sind im Hilfsmittelverzeichnis nicht berücksichtigt, da die hierfür erforderlichen Nachweise zum medizinischen Nutzen derartiger Produkte nicht vorliegen und darüber hinaus bei keiner Indikation die Behandlung mit sensomotorischen bzw. propriozeptiven Einlagen als dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend angesehen werden kann.“ Dieser Negativpassus, der auf vehemente Kritik von Fachverbänden, Leistungserbringern und Herstellern gestoßen war, wurde nun aus dem Hilfsmittelverzeichnis gestrichen.

„Der ZVOS begrüßt das“, sagt Branscheidt, „allerdings kritisieren wir, dass sensomotorische Einlagen erneut nicht als eigene Produktuntergruppe in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden sind.“ Der Arbeitskreis Sensomotorik der Eurocom, in dem auch der ZVOS aktiv ist, hatte dem GKV-Spitzenverband einen ausformulierten Vorschlag für eine solche Produktuntergruppe gemacht. Dabei hatte er auch Anforderungen an die Qualifikation der Leistungserbringer und die Ausführung der sensomotorischen Einlagen definiert sowie Indikationen genannt.

„Das ist in keiner Weise anerkannt worden“, stellt Branscheidt fest. „Der GKV-Spitzenverband lässt damit außer Acht, dass sensomotorische Einlagen bereits über viele Jahre bei unzähligen Patienten ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt haben. Mehrere Krankenkassen haben das erkannt und sie zum Bestandteil ihrer Verträge gemacht. Das Wirkprinzip der Sensomotorik ist allgemein anerkannt, sensomotorische Einlagen werden etwa in der ärztlichen Leitlinie S2k ,Kindlicher Knick-Senk-Fuß‘ bevorzugt empfohlen“, so Branscheidt. „Insofern hoffen wir, dass immer mehr Krankenkassen zur Kostenerstattung bereit sind. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass sensomotorische Einlagen bei der nächsten Fortschreibung ins Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden.“ Zudem werde der ZVOS daran festhalten, bei Vertragsverhandlungen immer auch ein Angebot für die Versorgung mit sensomotorischen Einlagen zu machen.

Einlagen sind individuelle Versorgungen – Klarstellung nötig

Der ZVOS kritisiert, dass Einlagen im Hilfsmittelverzeichnis nicht ausreichend als individuelle Versorgungen kenntlich gemacht worden sind. „Der Arzt begutachtet den Patienten, stellt eine Diagnose und verordnet eine Einlage mitsamt der Ausführung und Zusatzpositionen. Der Orthopädieschuhmacher macht eine individuelle Anamnese und fertigt die Einlage nach den Vorgaben des Arztes und individuell auf den Patienten zugeschnitten“, erläutert Branscheidt.

Daher sei es unverständlich, dass in der PG 08 immer wieder der Eindruck erweckt werde, dass Einlagen vorwiegend aus Rohlingen gefertigt werden. „Ein Rohling stellt nur die Materialgrundlage zur Herstellung individueller Einlagen dar; für die Herstellung von Einlagen werden eigens ausgewählte Materialien individuell eingesetzt“, erklärt Branscheidt. „Es muss daher im Hilfsmittelverzeichnis klargestellt werden, dass eine Einlage nach der PG 08 eine individuell hergestellte Orthese ist.“

Versorgungsintervall zu uneindeutig

Nach der fortgeschriebenen PG 08 bekommt der Patient zwei Einlagenpaare pro Jahr. Das sei zwar gut, befindet Branscheidt, allerdings hat der ZVOS in seiner Stellungnahme zum PG 08-Entwurf darauf hingewiesen, dass der Satz „Im Allgemeinen ist bei einer Versorgung mit zwei Einlagenpaaren von einer Nutzungsdauer von mindestens einem Jahr auszugehen“ zu uneindeutig ist. Denn einige Krankenkassen, erklärt Branscheidt, hätten dies so ausgelegt, als könne nach einer Wechselversorgung im Juni das nächste Einlagenpaar erst wieder im Juni des nächsten Jahres verordnet werden. Dies, so der ZVOS, könne zu Versorgungslücken führen, etwa, wenn der Patient im Januar eine Einlagenversorgung für seine Winterschuhe benötige.

Der ZVOS tritt dafür ein, in die PG 08 zu schreiben, dass Versicherten zwei Einlagenpaare pro „Kalenderjahr“ zustehen, unabhängig davon, wann das letzte Einlagenpaar im Vorjahr verordnet wurde. „Dadurch können wir Versorgungslücken vermeiden und die Krankenkasse muss trotzdem nicht mehr als zwei Einlagenpaare im Jahr erstatten“, betont Uwe Branscheidt.

Indikationen teilweise falsch und zu eng formuliert

Als äußerst problematisch sieht er die Art und Weise an, wie die Indikationen für die jeweiligen Einlagentypen in der PG 08 angegeben werden. Der ZVOS habe sich immer dafür eingesetzt, dass Indikationen nur beispielhaft genannt werden und klargestellt wird, dass die Komplexität der Beschwerdebilder, die mit Einlagen versorgt werden müssen, über diese Indikationsbeispiele hinausgeht. Eine solche Klarstellung sei nötig, weil einige Krankenkassen die genannten Indikationen fälschlicherweise als Positivliste verstünden und keine anderen Diagnosen auf der Verordnung akzeptierten.

Umso schlimmer sei es, sagt Branscheidt, dass einige Indikationen in der PG 08 so formuliert seien, dass sie keinen Sinn ergeben oder zu einschränkend sind, etwa die Indikation „Knick-Senk-Spreizfuß kontrakt“ bei der „Bettungseinlage elastisch“. „Dass hier ,kontrakt‘ steht und vom Arzt aufgeschrieben werden muss, wird dieser Fußfehlstellung und der Verordnungspraxis nicht gerecht“, so das ZVOS-Vorstandsmitglied. Ebensowenig „Hallux rigidus mit Spreizfußbeschwerden“, denn beides trete in der Regel getrennt voneinander auf. Es gebe mehrere solcher Beispiele in der PG 08.

Noch zugespitzter sei dieses Problem bei den Zusatzpositionen. „Hier wird jeweils nur eine einzige Indikation genannt und nicht als Beispiel dargestellt!“, kritisiert Branscheidt. Supinations- und Pronationskeile etwa seien auf „Fehlstellung der Fußachse und damit verbundene Funktionsstörungen beim Abrollen“ eingeschränkt worden. Langsohlige Weichbettungen auf „schmerzhafte Schwielen im Sohlenbereich“.

„Wenn der Arzt diese eine Diagnose nicht in die Verordnung schreibt, dann kann ich keine Weichpolsterbettung machen“, so Branscheidt. Damit würden zum Beispiel auch sämtliche arthrotische Veränderungen, die eine weiche, dämpfende Polsterschicht auf der Einlage benötigen, ausgeschlossen. „Es ist uns unverständlich, weshalb der GKV-Spitzenverband unsere Stellungnahme hinsichtlich der Indikationen unberücksichtigt gelassen hat. Wenn sich die Krankenkassen wörtlich an die jetzigen Bestimmungen halten, macht das viele notwendige Versorgungen unmöglich“, warnt Branscheidt.

Kleine Fortschritte

Erreichen konnte der ZVOS unter anderem, dass bei Schaleneinlagen kein 3D-Formabdruck gefordert wird (im Entwurf des GKV-Spitzenverbands war dies noch der Fall). „Das wäre eine Versorgungsveränderung gewesen, die noch dazu in der Kostenerstattung nicht abgebildet ist“, erklärt Branscheidt. Nach wie vor ist es möglich, Schaleneinlagen auch an Erwachsene abzugeben.

Positiv sieht er auch, dass die PG 08 nicht mehr so materialbezogen formuliert wird. Der ZVOS habe sich mit der Auffassung durchsetzen können, dass es in der heutigen Zeit viele Materialien gebe, die neuer, besser, stabiler und verformbarer als Leder sind und besser nachgeben. Auch wenn an einigen Stellen immer noch auf Leder Bezug genommen werde, so würden die Materialien nun immerhin eher durch ihre Eigenschaften definiert.

Für neue Technologien, wie den 3D-Druck oder das Fräsen, habe sich die PG 08 schon bei der letzten Fortschreibung geöffnet. „Wir würden uns allerdings wünschen, dass in Zukunft auch beschrieben wird, wie eine Fräseinlage angefertigt wird und worauf dabei zu achten ist“, so Branscheidt. Positiv sei zu bewerten, dass man die PG 08 nun so verstehen kann, dass es weniger auf die Methode der Einlagenfertigung ankommt, sondern vielmehr darauf, dass die geforderten Eigenschaften der Einlage erzielt werden.

Insgesamt resümiert Uwe Branscheidt: „Es hat sich nichts Wesentliches geändert in der PG 08 – weder hat sich etwas grundlegend verschlechtert, noch verbessert. Um hier beim nächsten Mal weiterzukommen, möchten wir den GKV-Spitzenverband dazu anregen, die Expertise der Fachverbände stärker in die Fortschreibung miteinzubeziehen und fachlich begründete Vorschläge nicht einfach abzulehnen. Wir sind jederzeit zum Austausch bereit.“

 

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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