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21. Mai 2024
Redaktion
13. Berliner Lymphologisches Symposium

Ödeme: Was ist gesichert, was bringt die Zukunft?

Beim 13. Berliner Lymphologischen Symposium ging es unter anderem um die neue Leitlinie zum Lipödem, die Funktionsweise des Lymphsystems und Neuerungen im Bereich der lymphologischen Diagnostik.
Die
Foto: Juzo
Die Referenten des 13. Berliner Lymphologischen Symposiums.

Das 13. Berliner Lymphologische Symposium startete dieses Jahr bereits am Freitagnachmittag mit diversen Workshops. So zeigten Prof. Jean-Paul Belgrado, PhD, Brüssel, und Assoc.-Prof. PD Dr. med. Chieh-Han John Tzou, MBA, Wien, im Workshop “ICG-guided decisions and visualization of lymphedema”, wie Lymphbahnen per “flush & fill”-Methode direkt unter der Haut sichtbar gemacht werden können. Dr. med. Gabriele Harke, Berlin, demonstrierte „Myofasziale Therapieoptionen bei Patientinnen und Patienten mit Lymphödem“. Dr. med. Christine Schwedtke, Berlin, stellte klinische Fälle aus dem stationären und ambulanten Bereich vor – mit Fokus auf der Erstellung der Diagnose und den Therapieoptionen. Einen Druckvergleich unterschiedlicher Kompressionsarten ermöglichte das „Kompressions-Labor“ mit Dr. med. Max Liebl, Berlin, und Emmanouil Tsatrafilis, Berlin. Interessierte bekamen außerdem praktische Einblicke in die „Entstauungstherapie zum Anfassen“.

Unter der Leitung von PD Dr. med. Anett Reißhauer von der Charité-Universitätsmedizin, Arbeitsbereich Physikalische Medizin, Berlin, referierten am Folgetag internationale Experten zu den drei Themenkomplexen: „Aktuelles aus Forschung und Praxis“, „Die konservative Lymphologie“ und „Die operative Lymphologie“. Dabei beschäftigten sie sich vor allem mit Fragestellungen rund um die neue Leitlinie zum Lipödem, die Funktionsweise des Lymphsystems und Neuerungen im Bereich der lymphologischen Diagnostik. In der lymphologischen Chirurgie und konservativen Ödem-Behandlung erwartete das Publikum ein Überblick zum aktuellen State of the Art inklusive Zukunftsausblick. Abgerundet wurde das Ganze durch eine Diskussionsrunde „Blitzlichter am Ende“.

Aktuelles aus Forschung und Praxis

Prof. Dr. med. Dieter Blottner, Berlin, eröffnete das Vortragsangebot mit einem „Journal Club Update: Struktur und Funktion von Lymphbahnen im Alter“. Aus der wissenschaftlichen Literatur gingen einige lymphatisch-relevante Altersveränderungen hervor, wie zum Beispiel eine reduzierte verminderte Wandspannung und weniger phasische Eigenbewegungen in lymphatischen Gefäßen. Auch der Flüssigkeitstransport sei verlangsamt und eine Abnahme perivaskulärer Bindegewebsfasern sowie ein Umbau der extrazellulären Matrix fänden im zunehmenden Alter statt.

Mit Antworten auf die Fragen „Bildgebende Diagnostik heute – und morgen?“ und „Wie kann beispielsweise KI die Lymphologie unterstützen?“ wagte Priv.-Doz. Dr. med. Claus C. Pieper, Bonn, einen Blick in die Zukunft. Die verschiedenen Bildgebungstechniken seien bereits heute ein gutes Rüstzeug für Bildgebung und Intervention, jedoch gebe es bisher wenige spezialisierte Zentren weltweit. Die Bildgebung von morgen beinhalte neue Technologien und Kontrastmittel, während eine breitere Verfügbarkeit der Basisbildgebung auch künftig fraglich sei. Die Bearbeitung großer Datenmengen mit Al-Algorithmen biete außerdem Unterstützung bei Diagnostik und Monitoring.

Prof. Jean-Paul Belgrado, PhD, Brüssel, Belgien, stellte in seinem Vortrag „ICG-guided decisions and visualization of lymphedema“, die Methode „flush and fill“ mittels ICG zur Ermittlung des abtransportierten Ödemvolumens vor. Neben Beispielbildern und -videos veranschaulichte eine Live-Demonstration an einem Probanden die Fluoroskopie und den Lymphfluss von der Hand bis zur Schulter.

Die konservative Lymphologie

Die wissenschaftliche Leiterin des Symposiums PD Dr. med. Anett Reißhauer, Berlin, und Dr. med. Max Liebl, Berlin, begannen den zweiten Themenblock. Die Leiterin Arbeitsbereich Physikalische Medizin referierte über die Inhalte der konservativen Lymphologie wie Manuelle Lymphdrainage, Kompression und KPE. Dabei betonte sie die Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit. Die Ursachen, Symptome und Therapieformen von Lymphödemen seien vielfältig, daher müsse das Fachpersonal perfekt ausgebildet sein. Dr. med. Max Liebl ging anschließend auf den Nutzen der innovativen Medizinischen adaptiven Kompressionssysteme (MAK) ein, die sowohl für die Entstauungs- als auch Erhaltungsphase geeignet seien. Die Hauptvorteile der MAK seien die einfache und zeitsparende Anwendung und Nachjustierbarkeit – nach Einweisung sogar im Selbstmanagement. Die Wirkung der MAK komme der einer Bandagierung gleich. Generell würden MAK gut angenommen. Für eine Kostenerstattung müsse als Indikation „initiale Entstauung“ angegeben werden.

Christine Hemmann-Moll, Bad Rappenau, wagte eine Prognose für „Individuelle Möglichkeiten der Kompressionsversorgung heute – und morgen?“. Die Voraussetzung für die Kompressionsversorgung sei eine vollständige Verordnung ärztlicherseits – mit exakter Ausführung einschließlich aller Zusätze und der genauen Diagnose. Die Bandagisten-Meisterin stellte Möglichkeiten und Grenzen in der Kompressionsversorgung vor und betonte, dass patientenorientierte Weiterentwicklung bzgl. Diversität und Flexibilität zu stärkerer Akzeptanz führe. Abschließend stellte sie fest, dass die Versorgung nach mikro-chirurgischer Therapie aktuell noch nicht als Standard definiert sei.

IPK als additive Option? – dieser Frage widmete sich Dr. med. Anya Miller, Berlin. Intermittierende pneumatische Kompression (IPK) sei für viele Patientinnen und Patienten eine sinnvolle Ergänzung zur manuellen Lymphdrainage (MLD) und Kompression. Der an- und abschwellende Druck erhöhe die Kontraktionssequenz der Lymphangiome. Die Leistung der gesunden Lymphgefäße werde bei verletzten Lymphangiomen gesteigert. Mehrkammersysteme mit MLD-ähnlichen Programmen seien besonders effektiv und die Kombination mit Unterpolsterung steigere die Wirksamkeit.

Dr. med. Gabriele Faerber, Hamburg, äußerte sich zur neuen S2k Leitlinie Lipödem. Die grundlegenden Änderungen seien: Das Lipödem werde nun als eine schmerzhafte, disproportionale symmetrische Fettgewebsverteilungsstörung der Extremitäten definiert, bei der Druck- und Berührungsschmerz sowie Spontanschmerz und Schweregefühl auftreten. Alle Therapiemaßnahmen, die in der neuen Leitlinie genannt würden, zielten auf eine Reduktion des Schmerzes bzw. der Beschwerden ab und sollten der Erhaltung bzw. Erlangung von Mobilität, Funktionalität und Lebensqualität dienen. Die Maßnahmen seien Kompression, Physiotherapie (Bewegung, MLD, IPK), Ernährung, Psychosoziale Therapie sowie chirurgische Eingriffe. Eine weitere große Neuerung sei die Abschaffung der Stadien, da keine Korrelation zwischen morphologischer Ausprägung und Beschwerdeintensität bestehe.

Die Fachärztin für physikalische Medizin und Rehabilitation und Physiotherapeutin Isabelle Hoffmann, Charité-Universitätsmedizin Berlin, präsentierte die Ergebnisse der Studie „Bewegung und Lymphödem“. Dabei verdeutliche die Studie, dass sportliche Aktivität die Gefahr eines Rezidivs bei unterschiedlichen Krebserkrankungen mindere und zu sinkenden Mortalitätsraten führen könne.

Die operative Lymphologie

In seinem Onlinevortrag verschaffte Dr. med. Axel Baumgartner, Lübeck, den Gästen einen Überblick zum State of the Art bei der operativen Therapie des Lipödems. Er erklärte, dass es mittlerweile schonende Verfahren der Liposuktion gebe und die Gesamtbeeinträchtigung der Patientinnen durch die Liposuktion gesenkt werden könne. Auch in der neuen Leitlinie sei die Liposuktion eine wichtige Behandlungsmethode, welche jedoch immer in eine gesamthafte, individuelle Therapie inklusive Maßnahmen zur Gewichtsreduktion eingegliedert werden solle.

Assoc.-Prof. PD Dr. med. Chieh-Han John Tzou, MBA, Wien. Bei der hybriden Technik würden chirurgischen Verfahren wie Liposuktion beim Lymphödem oder Lymphovenöse Anastomosen (LVA) bei gleichzeitiger Kontrolle des Lymphabflusses über ICG-Bildgebung durchgeführt. Außerdem berichtete er über die Möglichkeiten der resektiven und rekonstruktiven Lymphödem-Chirurgie und zeigte dazu beeindruckende Vorher-Nachher-Bilder.

Anhand von Patientenbeispielen stellte Prof. Dr. med. Gunther Felmerer, Göttingen, die chirurgischen Therapieoptionen bei Genitallymphödemen vor. So sei eine Rekonstruktion aus nicht betroffenem Gewebe (Lymphgefäßtransplantationen) möglich. Von einer operativen Entfernung großer Ödeme rät der Präsident der Deutschsprachigen Gesellschaft für Lymphologie ab, da extreme Wundheilungsstörungen auftreten können. Zusammenfassend seien Resektionsverfahren geeignet, um die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten wiederherzustellen, wobei begleitend eine lebenslange konservative Therapie erfolgen solle.

OÄ Dr. med. Julia Roka-Palkovits, Wien, stellte vergleichend lymphatische Malformation und Lymphödem gegenüber und betonte den Stellenwert einer frühzeitigen Diagnosestellung, Klassifikation und Graduierung. Im Anschluss sei eine prognose- und symptomorientierte Therapie mit einem engmaschigen, lebenslangen Monitoring erforderlich. Bei ausgedehnten und komplexen Läsionen sei eine Behandlung langwierig und selten vollständig möglich. Bei komplexer Malformation solle immer eine ausführliche Lymphödem-Diagnostik erfolgen.

Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Fischer, Berlin, sprach über die Möglichkeiten und Grenzen der Lymphknotendiagnostik mit multiparametrischem Ultraschall. Diese Methode der Wahl für periphere Lymphknoten sei ab einer Größe von 2 Millimetern anwendbar. Die Grenzen bei retroperitonealer Lage beinhalte eine Bildfusion zur Beurteilung des Therapieerfolges. Beim Einsatz des multiparametrischen Ultraschalls bei pathologischen Lymphknoten seien Form und Gefäßarchitektur als wichtige Kriterien zu beachten.

Diskussionsrunde zum Schluss

Den Schlusspunkt bildete die Diskussionsrunde “Blitzlichter” mit Beiträgen von Dr. med. Mario Marx, Radebeul zu Narbenkorrektur in der Axilla, Dr. med. Anya Miller, Berlin zu Tätowierung, Dr. med. Max Liebl, Berlin zu Konservativer Therapie und Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Fischer, Berlin zu Bildgebung.

Im Anschluss ermutigte Prof. Dr. med. Anett Reißhauer sich für den mit 5.000 Euro dotierten Innovationspreis Lymphologie zu bewerben, der beim 14. Berliner Lymphologischen Symposium am 28. und 29. März 2025 verliehen wird.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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