Folgen Sie uns
6. März 2023
Redaktion
Schuhverkauf

Kontaktaufbau ist Wertschätzung

Wie können Verkaufsberater den „Magic Moment“ – die erste Begegnung – nutzen und einen individuellen Kontakt zu Kunden aufbauen? Corina Bernstein vermittelt und trainiert die Profitechnik der Kundenansprache.
Schuhhändlerin
Foto: Schuhhaus Bauer
Corina Bernstein (r.) in ihrem Schuhhaus Bauer in Zwickau.

Eine Frau poltert ins Schuhgeschäft und unterbricht, ohne es zu bemerken, ein Kundengespräch: „Ich habe da ein Rezept für Einlagen. Ich weiß gar nicht, was ich damit soll und bin hier wahrscheinlich sowieso nicht richtig.“ Boff! Wie reagieren Sie als Mitarbeiter? Erzieherisch? Denn so ein Verhalten gehört sich ja nicht. Oder holen Sie die Kundin in ihrer offensichtlichen Verärgerung und Unsicherheit freundlich ab? „Prima, dass Sie mit Ihrem Rezept zu uns gekommen sind. Ich kümmere mich gleich sehr gerne um Sie. Sicherlich finden wir gemeinsam eine Lösung.“ Für Corina Bernstein ist es selbstverständlich, dass Mitarbeiter im Verkauf wertschätzend und wohlwollend mit Kunden umgehen. Das ist ihre „Berufung“, die Freude macht, ein konstruktiver, freundlicher Austausch mit dem Gegenüber. Dieses Zusammenspiel funktioniert nur, wenn es ehrlich ist, denn auch Tonlage, Mimik und Gestik spiegeln Einstellung und Sichtweise auf Kunden wider.

 

 

0,15 Sekunden für den „Magic Moment“

Corina
Foto: Ulrike Kossessa
Corina Bernstein

„Wir haben 0,15 Sekunden Zeit – nutzen wir sie“, betont die Trainerin den „Magic Moment“ des ersten Eindrucks, für den es keine zweite Chance gibt. Auch wo Wille und Einstellung grundsätzlich positiv sind, kann es sein, dass die Verkaufskraft beispielsweise vom Poltern der Kundin überrascht und zunächst sprachlos ist. Oder sie reagiert nicht schnell genug auf die Kundin, die zum Beispiel mit den Worten „Ich schaue mich nur mal um“ das Geschäft betritt und nach einer kurzen Runde schon wieder raus ist. Chance vertan! Wie kann dieser „Magic Moment“ bestmöglich genutzt werden? Sensibilisierung ist das eine, Übung das andere, weiß Corina Bernstein. Die gelernte Hotelfachfrau und Handelsfachwirtin weiß, wovon sie redet: Sie ist seit über 20 Jahren Inhaberin und Geschäftsführerin des Schuhhauses Bauer in Zwickau. Ihre Praxiserfahrungen gibt sie überzeugend weiter, unter anderem als Trainerin des Deutschen Schuhinstituts und während eines Workshops auf der Messe „ORTHOPÄDIE SCHUH TECHNIK“ im vergangenen Oktober.

Veränderung braucht Übung

Zum ersten Eindruck gehören Warenpräsentation, Sauberkeit, Geruch und Atmosphäre im Geschäft. Letztere wird vor allem von den Menschen geprägt, die hier arbeiten. „Hallo, schön, dass Sie da sind!“ – ein zeitgemäßer Aufbau des Kundenkontaktes ist heute deutlich anspruchsvoller als noch vor zehn Jahren. Die Konkurrenz ist größer, die Zeit knapper und die Erwartungshaltungen sind höher. Formulierungen wie „Kann ich Ihnen helfen?“ werden meist als leere Floskeln und Desinteresse gewertet. „Kunden wollen niveauvoll abgeholt werden“, rät Corina Bernstein: Ganz an den Anfang der Kommunikation gehört die Vermittlung von Wertschätzung durch Gesten, ein echtes Lächeln und die passende, individuelle -Ansprache. Für Letzteres gibt es hilfreiche Strategien, die sich einüben lassen. Die Trainerin empfiehlt als Profi-Trick die Zwei-Phasen-Technik:

  • 1. Phase: Anklopfen (AN)
    Zeigen Sie, dass Sie gesprächsbereit und für den Kunden da sind. Geben Sie ihm Zeit.
  • 2. Phase: Aktivator (AK)
    Mit dem Aktivator bauen Sie eine Brücke ins Gespräch. Anklopfen und Aktivator sind „im Fluss“.

Beispiele für die Zwei-Phasen-Technik:

AN: Schön, dass Sie sich einen Überblick verschaffen.
AK: Wie gefallen Ihnen die neuen Modelle?

AN: Ich sehe, Sie interessieren sich für…
AK: Wie kann ich Sie in Ihrer Auswahl unterstützen?

AN: Ich sehe, Sie haben noch nichts Passendes für sich gefunden.
AK: Worauf legen Sie denn Wert?

AN: Der Schuh, den Sie in der Hand haben, ist chic und ausgesprochen komfortabel.
AK: Wie sollte ein Schuh für Sie sein, sodass Sie sich damit richtig wohl fühlen?

Corina Bernstein rät, Fragen zu stellen, die die Kunden auch beantworten können, ohne eine genaue Vorstellung davon zu haben, was sie kaufen wollen. Denn oft ist es so, dass kein konkreter Bedarf besteht, aber durchaus Lust, sich inspirieren und bewusst verführen zu lassen. Hier kann das Verkaufspersonal ein angenehmer Motivator und Gesprächspartner auf Augenhöhe sein: „Wie gefallen Ihnen unsere neuen Modelle? Worauf legen Sie besonderen Wert?“ Fragen Sie dezent nach Interessen und Bedürfnissen: Hat die Kundin einen Hund, geht sie wandern oder ist sie mit dem Rad in die Stadt gefahren? Hören Sie gut zu und gehen Sie auf das Gesagte ein. Bauen Sie eine Brücke. Hier öffnen sich in der Regel sogar „Austern“, also Menschen, die sehr zurückhaltend sind. Sie spüren, wenn sie als Individuum wahrgenommen und mit echtem Interesse und Wohlwollen angesprochen werden. Auch wenn es nicht zum Kauf kommt, so bleibt der angenehme Austausch in guter Erinnerung und die Kunden kommen gerne wieder in das Geschäft.

Eine ältere Dame mit Rollator betritt das Geschäft. Sie schaut verunsichert. „Wie denkt wohl das Personal über mich? Schon wieder jemand, der nur schaut?“ – auch Kunden fühlen sich beobachtet und beurteilt. Achten Sie auf deren Körpersprache. Ein offener, lächelnder Blick und ein paar freundliche Worte des Verkaufspersonals können hier zu einer menschlichen Begegnung führen, die beiden Seiten Freude und Wertschätzung vermittelt. Veränderung braucht Übung – spielen Sie typische Situationen mit Ihren Mitarbeitern durch. Das ist sehr wertvoll für die Teambildung und bringt dem Personal ebenfalls Anerkennung entgegen. Vor allem: Leben Sie den wertschätzenden und verständnisvollen Kontakt mit Menschen vor!

Ulrike Kossessa

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
Zurück
Speichern
Nach oben