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9. Mai 2019
Redaktion

Japan: 20 Jahre Orthopädieschuhtechnik am Kobe College

WOLFGANG BEST | EDUARD HERBST


Zwanzig Jahre gibt es den Kurs für Orthopädieschuhtechnik am Kobe College for Medical Welfare schon. Der IVO-Japan nahm dieses Jubiläum zum Anlass, seinen jährlichen Kongress in diesem Jahr in Kobe auszurichten. Design und Performance lautete das Motto der Veranstaltung am 23. und 24. Februar 2019, bei der sowohl Lösungen für Fußprobleme als auch gestalterische Aspekte im Mittelpunkt standen.

Foto: Christian Volk

Prof. Dr. Seiji Sawamura, einer der Direktoren des Kobe College, und seit vielen Jahren ein Förderer der Orthopädiehandwerke, eröffnete den Kongress, zu dem in diesem Jahr auch einige Referenten aus Europa eingeladen waren. Dr. Franz Landauer, Präsident der ISPO Österreich, befasste sich in seinem Vortrag mit Fehlbildungen am Fuß. Dabei erläuterte er nicht nur, wie Fehlbildungen entstehen, sondern zeigte anhand von Fallbeispielen, wie die Fehlstellungen operativ und mit Hilfsmitteln behandelt werden können.

Dr. Ullrich Illgner und Orthopädieschuhmachermeister Michael Möller ergänzten sich in ihren Vorträgen zum diabetischen Fuß. Dr. Illgner erläuterte den medizinischen Hintergrund des diabetischen Fußes und seine verschiedenen Ausprägungen. Michael Möller stellte das Konzept der Schuhversorgung nach Risikoklassen vor. Bei diesem 2006 in Deutschland entwickelten System, das inzwischen auch international immer mehr Beachtung erfährt, wird die Schuhversorgung immer exakt an das Stadium der Erkrankung angepasst.

Damit sollen Ulzerationen am Fuß und das Wiederauftreten dieser Verletzungen verhindert sowie der Heilungsprozess optimal unterstützt werden. Das System beginnt mit einfachen Konfektionsschuhversorgungen, wenn noch kein Diabetisches Fußsyndrom oder Fußdeformitäten vorliegen und geht bis zur Risikoklasse 7, in der Fußulzerationen mit Zweischalenorthesen versorgt werden. Das Ziel der Versorgung ist immer dasselbe: Gefährdete oder verletzte Fußregionen entlasten, indem der Druck durch die biomechanische Wirkung des Hilfsmittels reduziert beziehungsweise auf weniger gefährdete Fußregionen umverteilt wird.

Zuvor hatte Dr. Hiroto Terashi von der Universität Kobe in die speziellen Fragestellungen bei der Therapie des diabetischen Fußes eingeführt und auch da­rüber berichtet, wie sich Diabeteserkrankungen und das Diabetische Fußsyndrom regional und international verteilen. Angesichts der Zahl der Erkrankten gebe es noch immer zu wenige Fußspezialisten in Japan, die  sich dieses Problems annehmen könnten.

Schuhdesign für orthopädie­schuhtechnische Versorgungen

Den Bereich „Design“ im Kongress repräsentierten Orthopädieschuhmachermeisterin Anastasia Anastasiadou aus Deutschland und Saki Takimi aus Japan. Takimi ist Schuhdesignerin und präsentierte einen von ihr selbst entwickelten Damenschuh. Dieser soll durch seine spezielle Leistenform bequem und fußgerecht sein, obwohl er sehr elegant aussieht und einen Absatz hat.

Anastasia Anastasiadou hat sich in ihrer Heimat Deutschland eine Fangemeinde aufgebaut mit ihren außergewöhnlichen Kreationen für Schuhsohlen und Schuhschäfte. Das Besondere an der Arbeit von Anastasia Anastasiadou: Ihre kreativen Lösungen wendet sie nicht bei Konfektionsschuhen an, sondern bei orthopädischen Maßschuhen. Was zunächst unvereinbar erscheint, funktioniert in der Praxis nach der Erfahrung der jungen Orthopädieschuhmacherin sehr gut. Auch Menschen mit Behinderungen können sich für außergewöhnliches Design begeistern.

Die Themen Design und Performance waren auch bei den weiteren Kongressvorträgen bestimmend. In Kurzvorträgen, die auch von Absolventen des Kobe College gehalten wurden, standen sowohl Fallbeispiele mit konkreten Versorgungslösungen als auch ästhetisch anspruchsvolle Gestaltungen im Mittelpunkt. Was die Schüler und Absolventen handwerklich und ästhetisch leisten können, war in der begleitenden Ausstellung zu erleben, in der zahlreiche Arbeiten gezeigt wurden. Auf der einen Seite war die hochwertige Handwerkskunst aus einem Spezialkurs zu traditionellen handwerklichen Fertigungstechniken vertreten.

Es gab aber auch viele Schuhe zu sehen, die für Patienten gefertigt wurden. Den dazu bereitgestellten Infotafeln konnten die Besucher das Krankheitsbild und die Aufgabenstellung entnehmen. Eduard Herbst, fachlicher Leiter der Kurses für Orthopädieschuhtechnik am Kobe College, freute sich besonders, dass die Schüler nicht nur ihre Leistungsfähigkeit mit dieser Ausstellung unter Beweis stellten, sondern sich auch vorbildlich in der Organisation des Kongresses und der Betreuung der Gäste engagierten. Mit etwa 170 Gästen und den Schülern beider Klassen konnte der Kongress über 200 Besucher verzeichnen.

Diese bekamen nicht nur interessante Fachvorträge geboten, sondern auch eine umfangreiche Fachausstellung. Der Dank von Eduard Herbst galt deshalb nicht nur den Helfern, sondern auch den Ausstellern und Sponsoren. So sei es mit Hilfe der beiden Goldsponsoren, Nora und Renia, als auch den Silbersponsoren Nitta und Lucky Bell erst möglich gewesen, die Referenten aus Europa nach Kobe einzuladen. Den Besuch der Referenten aus Europa nutzte das Kobe College, um seinen Schülern und Verbandsmitgliedern an den zwei Tagen vor dem Kongress verschiedene Workshops anzubieten.

Franz Landauer gab den Schülern einen Einblick, wie Muskelfehlfunktionen das Wachstum des Skeletts beeinflussen können. Michael Möller und Ullrich Illgner zeigten anhand von praktischen Beispielen, wie man beim diabetischen Fuß gefährdete Regionen entlastet. Anastasia Anastasiadou hatte viele Beispiele für kreative Sohlengestaltungen mitgebracht und auch Material, mit dem Schüler selber gestalterisch tätig werden konnten.

20 Jahre Orthopädieschuhtechnik-Kurs

1999 startete der erste Kurs für Orthopädieschuhmacher am Kobe College for Medical Welfare. Als fachlicher Leiter war OSM Eduard Herbst seit Anfang an dabei. Der Orthopädieschuhmacher, der in Österreich ausgebildet wurde und dort seine Meisterprüfung abgelegt hat, lebt seit über 25 Jahren in Japan und hat im Kurs am College nicht nur unterrichtet, sondern ihn über die Jahre immer weiter entwickelt, um die Schüler bestmöglich auf ihr späteres Berufsleben vorzubereiten.

Viel Zeit bleibt ihm dafür nicht. In der zweijährigen Schulausbildung sollen den Schülern sowohl das medizinische Fachwissen als auch die handwerklichen Fertigkeiten vermittelt werden, die ihnen erlauben, selbstständig nach Anweisung des Arztes, ein Hilfsmittel – Einlage oder Schuh – zu entwickeln und selber zu bauen. Etwa 460 Schüler haben den Kurs in den letzten zwanzig Jahren absolviert. Die meisten, die im Beruf geblieben sind, arbeiten heute bei Orthopädietechnik-Betrieben, wo sie die Spezialisten für Schuhe und Einlagen sind.

Selbstständigkeit ist derzeit leider nur bedingt eine Option, da Orthopädieschuhmacher in Japan ihre Leistungen noch nicht mit den Krankenkassen direkt abrechnen können. Eduard Herbst, der inzwischen fachlicher Leiter des Kurses ist, berichtete, dass die Absolventen des Kurses auch in anderen Bereichen gefragte Experten sind. Einige Schüler würden im Forschungszentrum des Sportschuhherstellers Asics in Kobe arbeiten und seien dort unter anderem für die individuelle Versorgung der Spitzenathleten zuständig.

Auch bei Schuhherstellern, insbesondere bei jenen, die fußgerechte Schuhe oder Therapieschuhe herstellen, seien die Absolventen gefragt. Einige Absolventen fänden ihre berufliche Heimat auch in spezialisierten Schuhgeschäften, wo sie für Beratung und die Einlagenversorgung zuständig seien. Mehrere Schüler hätten ihren Weg auch schon nach Deutschland gefunden wo sie zum Beispiel bei Franz Fischer oder Michael Möller in den Betrieb aufgenommen wurden, um ihre Kenntnisse und Fertigkeiten zu er­weitern.

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Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
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