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4. Juli 2019
Stefan Slaby
Ausbildung

„Ich hasse Füße“ – die Generation Z im Widerspruch

Von Stefan Slaby

Mit der Generation Z betritt eine Altersgruppe junger Menschen die Praxen und Betriebe, die völlig andere Werte, Erfahrungen und Vorstellungen haben als alle ihre Vorgänger.
Junge
Foto: Rawpixel.com/Adobe Stock

Ich hatte in meinem Seminar zur Prüfungsvorbereitung ein Beispiel aus dem Gesundheitssektor gewählt. Ein Betrieb des Orthopädiehandwerks mit integrierter Fußpflegepraxis sollte Möglichkeiten für ein neues Dokumentenmanagement ausarbeiten. Dazu war eine Ausgangssituation zu lesen. „Ich hasse Füße!“, bekannte die 21-jährige Laura lautstark in die Runde. Die anderen nickten und grinsten anerkennend. „Naja“, unterbrach ich, „aber auf den Händen können Sie schlecht laufen, oder?“ „Kann schon sein“, antwortete die junge Frau, „aber darüber mache ich mir in 50 oder 70 Jahren Gedanken.“ Allein bei der Vorstellung von „alten Füßen“ bekäme sie Kopfweh. Ich gebe zu: Das kleine Gespräch bereitete mir ebenfalls Kopfzerbrechen. Wie soll das gehen mit dieser Generation. Bei Themen rund um den Fuß…

Generation xyz: Was soll das überhaupt?

Der Generationen-Buchstabe-Begriff exis­tiert seit den 1950er-Jahren. Los ging es mit der  Generation X, die der Amerikaner Robert Capa benannte. Der US-amerikanische Fotograf prägte das Schlagwort für eine Foto-Reportage. Diese Generation folgte der Kriegsgene­ra­tion und den Nachkriegskindern. In Deutschland hieß sie auch Generation Golf. Da das Bild so eingängig war, wurde eine Generation nach der anderen nach Buchstaben benannt. Heute lassen sich diese Generationen wie folgt zuordnen:

  • Baby-Boomer: geboren zwischen 1953 und 1964
  • Generation X: geboren zwischen 1965 und 1978
  • Generation Y: geboren zwischen 1979 und 1995
  • Generation Z: geboren ab 1995

Schon die Generationen X und Y unterschieden sich stark in Verhalten und Wertvorstellungen von ihren Vorgängern. Generation X war ehrgeizig, diszipliniert und materialistisch, aber auch verunsichert durch dauernde Wirtschaftskrisen.

Generation Y (Mil­lennials) ist technikfixiert, ichbezogen und ihrem Arbeitgeber und Dienstleister weniger treu. Selbstbewusstsein ist bei der Generation Y im Übermaß vorhanden, Ansprüche auch. Und nun kommt die Generation Z als Kunde und Arbeitnehmer auf uns zu.

Die Demografie der Generation Z

Kurz gesagt: Diese Generation wird größer und einflussreicher als ihre Vorgänger. Sie macht jetzt bereits fast 20 Prozent der Bevölkerung aus. Sie wird  2020 40 Prozent der Konsumenten darstellen. Unsicherheiten der äußeren Verhältnisse prägen ihren Alltag. Aus eigener Anschauung kennen sie die Finanzkrise, Migrationsströme, Terrorismus sowie gesundheits- und umweltpolitische Krisen.

Das stresst, prägt und verunsichert sie, lässt sie länger bei den Eltern verweilen, deren Habitus diese Genera­tion prägt. Ihre Erziehung war weniger streng als bei den Vorgängern, was Disziplin und Selbstständigkeit  nicht unbedingt förderte. Grundsätzlich ist aber das Streben nach höherer for­maler Bildung zu beobachten.

Bei der Generation Z sind das Verhalten und die Ansprüche nicht immer deckungs­gleich. Anders gesagt: Erlebnisse und Konsum sind ihnen wichtig, die Bereitschaft angemessen dafür zu arbeiten, ist aber nicht immer in gleichem Maße vorhanden.

 

Wie erreiche ich die Generation Z: Medienverhalten

„Fußpflegepraxis sucht neugierige Praktikantin.“ So oder so ähnlich kam die Podologin auf mich zu: „Das schalte ich in der Rundschau bei den Kleinanzeigen!“ Ich riet der Inhaberin, dieses Vorhaben schnell zu vergessen. Generation Z informiert, recherchiert, lernt und rekrutiert digital. Sie wächst ja auch in einer digitalen Welt auf. Man ist 24 Stunden Teil einer vernetzten Online-Community.

Mit Freunden, Mitschülern und völlig Unbekannten. On­line-Kontakte werden oft gleichberechtigt mit persönlichen Kontakten gepflegt. Wer hier nur in der Lokalzeitung schaltet, um Kunden und Praktikanten zu finden, hat verloren. Sicher: Ab und zu lesen die Eltern die Anzeige und geben sie an die Z-Personen im Haushalt weiter. Auch das Auslegen von Handzetteln und Flyern gehört eher zu den weniger erfolgreichen Methoden.

Doch was dann? Wer Generation Z in Zukunft einbinden will, kommt um Soziale Medien nicht herum. Dabei ist Facebook schon fast wieder veraltet. Die Jungen bewegen sich auf Instagram und WhatsApp. Besonders YouTube ist ein sicherer Kanal, um die Generation Z zu erreichen. Tutorials („Lehrvideos“) zu Kosmetik, Ausbildung und Berufsfindung sind hier ein guter Weg, um Botschaften an die Interessenten zu bringen. Nachhilfekanäle wie „The Simple Club“ stehen mit ihren Erfolgen für genau diese Strategie. Nur gut gemacht muss es sein. Sonst ernten die Macher schnell Hohn und Spott.

Ergänzt werden kann diese Strategie mit Praxisprofilen und Postings (Diskussionsbeiträgen in Sozialen Netzwerken). Gute Bilder sind hier der Schlüssel zum Erfolg, denn die Generation Z denkt und handelt visuell. Mit langen Texten hat sie es definitiv nicht so. Besser ist da schon, in und mit „Google“ zu arbeiten. Die Suchmaschine ist auch bei der Generation Z erste Anlaufstelle für Recherchen nach Jobs und Angeboten. Hier wären „Google AdWords“ und eine suchmaschinenoptimierte Website der Praxis Mittel der ersten Wahl.

Und wenn ich nun nicht in die So­zialen Medien möchte? Ich rate in diesen Fällen zu direkten Kontakten. Lokale Bildungsmessen, Girls- und Boys-Days sowie Informationsworkshops an Schulen sind eine brauchbare Alternative für diejenigen, die der Generation Z nicht nur digital begegnen möchten. Natürlich gibt es Ausnahmen, die Mentalität hängt von Elternhaus, Persönlichkeit und Milieu ab. Trotzdem: Für die Generation Z sind Austausch und Interaktion in Sozialen Medien Alltag. Und: „Es wird mehr verglichen, mehr hinterfragt als in früheren Generationen.“

Ein Leben in Widersprüchen – Generation Z als Praktikant und Kunde

Eine junge Vertreterin der Generation Z organisiert „Fridays for Future“, Schulstreiks für das Klima. Da müsste sie konsequent sein und ein Klima schonendes Leben vorleben. So denken die Nachkriegskinder und die Vertreter der Generation X. Sie denken falsch. Unsere Aktivistin, das offenbart ein Blick auf den Instagram Account, sieht keinen Widerspruch zwischen persönlichem Spaß erleben und ihrer Rolle als Klimaaktivistin. Von Südostasien bis Europa jettet die junge Frau, stets begleitet vom Selfie mit dem Smartphone, von Metropole zu Metropole …

Sicher: Schon bei den finanziellen Möglichkeiten hängt unsere junge Aktivistin aus gut situiertem Elternhaus ihre Altersgenossen ab. Doch im Kern ähneln sich die Geister: Verantwortlich für eigene und globale Probleme sind oft andere. Der Begriff Eigenverantwortung gehört nicht gerade zu den Lieblingsvokabeln der Generation Z.
Hinzu kommt, dass das Internet dieser Generation eine manchmal gefährliche Wissensillusion vermittelt.

Auch das macht den Umgang mit ihr nicht gerade einfach. Generation Z weiß oft alles besser, kommt mit vorgefertigten Meinungen an den Praktikumsplatz oder in die Praxis. Das kennen viele schon von der Generation Y? Mag sein, aber es erfährt hier noch einmal eine Steigerung.

Geschützte Freiheit auf dem Wunschzettel

Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Arbeits- und Kundeneinstellung. Man möchte sich frei entfalten, will aber dennoch auf den Schutz unbefristeter Verträge nicht verzichten. Der Job soll spannend und abwechslungsreich sein, aber nicht überfordern. Man will Geld verdienen, aber sich nicht überanstrengen. Freizeit spielt eine sehr wichtige Rolle, Social Media-Verbote am Arbeitsplatz sind für Generation Z eine Qual.

Tritt Generation Z als Kunde auf, ist sie anspruchsvoll. Aber allzuviel kosten sollte die Leistung nicht. Man sucht den Rat der Experten, behält sich aber jederzeit einen Einspruch vor. Wer sich widerspricht oder einmal einen Fehler macht, hat verloren. Generation Z ist „unbarmherzig“, wenn es um die Demontage von Schlechtleistern geht, oder besser, was sie als Schlechtleistung definiert. Unzählige Personen und Unternehmen können davon nach sogenannten „Shitstorms“ im Internet ein Lied singen. Politisch unkorrekte oder „peinliche“ Werbung wird kollektiv aufs Korn genommen und weggemobbt.

Die Unternehmen knicken in der Regel ein und rudern zurück. Dieser Trend hat die junge Netzgemeinde eher noch ermutigt. Also, einfach raushalten aus dem Netz? Das hilft nicht. Auch ungeschickte Schaufensterwerbung ist nicht sicher. Sie findet sich eventuell ebenfalls im Netz wieder. Hochgeladen vom Smartphone eines aufmerksamen Entdeckers.

Konsequent, kompetent und mit Lob nicht sparen

Konsequenz in der Führung, Kompetenz in der Leistung, so lautet denn auch der Rat für diejenigen, die Generation Z als Praktikanten, Kunden oder Mitarbeiter gewinnen und vor allem behalten wollen. Respekt vor Seniorität und Erfahrung ist hier eher selten. Eine beeindruckende Praxiseinrichtung zählt weit mehr als 40 Jahre Erfahrung am Fuß.

Und noch eins: Von Kindesbeinen an stand Generation Z, oft als Einzelkind aufgewachsen, im Mittelpunkt. Eltern gingen verschwenderisch um mit Lob, Förderung und Identitätsfindung. Das lässt sich im Beruf nicht wieder einfach zurückdrehen. Schrullige und unfreundliche Arbeitgeber und Dienstleister beißen hier auf Granit. Ein Lob, auch bei kleinen Fortschritten, die grundsätzlich positive Darstellung auch problematischer Situationen, ist dem Praktikanten und Kunden der Generation Z wichtig.

Sprüche wie „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ kann man getrost vergessen. Ein gutes „lockeres“ Arbeitsklima wird als extrem wichtig gesehen. Hier und da ist es den hochsensiblen Angehörigen dieser Generation manchmal wichtiger als der schnöde Mammon.

Und die Gesundheit?

Kommen wir zum für unseren Zusammenhang wichtigen Kapitel Gesundheit. Fußbewusstsein ist in dieser Altersgruppe natürlich noch kein Thema. „Damit beschäftigen wir uns, wenn es gar nicht mehr anders geht.“ So lautet eine typische Antwort, die ich erhalte, wenn ich die Frage nach den unteren Extremitäten stelle. Aber schauen wir zunächst etwas allgemeiner hin.

Generation Z sieht Sport als Mittel zum Zweck, um attraktiv und gesund zu bleiben. Leistungssportler bilden auch hier natürlich eine Ausnahme. Fitnessstudios besucht man gerne. Auf dem Land mag das Vereinsleben dabei noch eine Rolle spielen, Sportvereinsmeierei liegt der Generation Z aber eher nicht. Online-Gaming mit anderen zu Hause schon eher. Man sieht sich nicht, man hört sich. Das hat Folgen für die Gesundheit und für die Psyche, wie wir später sehen werden.

Die makellose Generation?

Und Attraktivität ist wichtig. Kleidung, Ernährung und Gesunderhaltung sind darauf ausgerichtet. Und so erscheint sie uns oft makellos – diese Generation. Zahnklammern und jugendmedizinische Fürsorge haben viele Probleme, die vorherige Generationen hatten, gar nicht erst entstehen lassen. Doch – und  der ein oder andere ahnt es vielleicht schon – die Widersprüchlichkeit setzt sich auch hier fort. Gute Ernährung, auch Bio, ist wichtig, aber vielen „zu teuer“. Vegane Ernährung ist gerade bei jungen Frauen hier und da „in“, aber Alkohol („Shots“ und Cocktails) sowie manchmal Zigaretten sind trotzdem überhaupt kein Problem.

Man kokettiert gerne mit gu­tem Aussehen, aber wehe es gibt dafür Komplimente von den Falschen. Vor­gesetzte sollten bei diesem delikaten Thema extrem vorsichtig sein. Die ­Generation Z hat – neben Y – die „Metoo“-Debatte um sexuelle Belästigung von Frauen mitgetragen und geprägt. Man beschränke sich beim Lob rein auf fachliche Aspekte!

Wir sprachen oben über die Freizeitaktivitäten. Gaming stand bei vielen im Fokus. Es gibt sie deswegen tatsächlich, die übergewichtigen Angehörigen der Generation Z. Hier treten auch typische zwischenmenschliche Probleme auf, also eine eher sperrige Kommunikation. Vielen muss man die Wörter förmlich aus der Nase ziehen. Taucht dieser Klient in der Praxis auf, ist viel Einfühlungsvermögen gefragt. Und wann taucht er in der Praxis auf, dieser Klient? Wenn es gar nicht mehr anders geht.

Eingewachsene Nägel, Pilz­erkrankungen, Warzen und Haltungsprobleme sind typische Indikationen. Turnschuhe haben die Probleme dieser Generation natürlich nicht gerade vermindert. Grundsätzlich geht auch hier Schönheit vor Nützlichkeit. Wer kennt sie nicht, die Sneakers-Träger mitten im Winter. Generation Z hat damit überhaupt kein Problem.

Dass alles als „ekelig“ empfunden wird, was nicht den eigenen ästhetischen Maßstäben entspricht, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Diese Angehörigen der Generation Z werden den Weg in die Podologie ohnehin nicht suchen. Die anderen können, mit den oben geschilderten Maßnahmen und etwas Einfühlungsvermögen, problemlos in den Betrieb integriert werden. 

Artikel aus Orthopädieschuhtechnik 7/8 2019

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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