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21. August 2024
Redaktion
Qualitätsverbund Hilfsmittel (QVH)

Ergebnisqualität messen und steigern

Was macht Ergebnisqualität in der Hilfsmittelversorgung aus und wie lässt sie sich standardisiert messen? Dieser Fragestellung widmet sich die neu gegründete Arbeitsgruppe „Ergebnisqualität in der Hilfsmittelversorgung“ des Qualitätsverbund Hilfsmittel e. V. (QVH) (wir berichteten). Bei ihrem zweiten Online-Treffen am 10. Juli 2024 gab Alexander Stirner anhand einer Studie der Hochschule Bielefeld Impulse dazu.
Kompassnadel
Foto: Robert Kneschke/Adobe Stock

Erneut fanden sich Vertreter der Krankenkassen, der Industrie und der Leistungserbringer zusammen, um die Ergebnisqualität der Hilfsmittelversorgung näher in den Blick zu nehmen. Diese ist aus Sicht des QVH deutlich weniger untersucht als die Prozess- und Strukturqualität, gewinnt aber gerade in Auseinandersetzungen um die Kostenerstattung von Hilfsmitteln immer mehr an Bedeutung.

Sabine Mertsch, zweite Vorsitzende, und OSM Jürgen Stumpf, Vorstandsmitglied des QVH, hatten diesmal Alexander Stirner für einen Impulsvortrag gewonnen. Mittlerweile an der Universität Münster tätig, hatte er 2022 an der Hochschule Bielefeld an einer Delphi-Studie zur Qualität in der Hilfsmittelversorgung mitgewirkt. Die dreistufig aufgebaute Studie zielte darauf ab, Kriterien für die Ergebnisqualität der Hilfsmittelversorgung zu entwickeln und dann eine einheitliche Definition von Hilfsmittelqualität zu formulieren.

Sie filterte zunächst 247 Kategorien heraus, die für die Qualität der Hilfsmittelversorgung aussagekräftig sein könnten. In einem nachfolgenden Auftragsprojekt, über das Stirner nun berichtete, wurden verschiedene Zielgruppen (Kostenträger, Hilfsmittelleistungserbringer, ärztliche und nicht-ärztliche Leistungserbringer, Hilfsmittelhersteller sowie Hilfsmittel-Nutzer und Angehörige) dazu befragt, für wie relevant sie einige dieser Kategorien zur Bestimmung der Qualität der Hilfsmittelversorgung halten. Die Stichprobe war allerdings nicht repräsentativ, die größte Gruppe der Befragten bildeten Hilfsmittelleistungserbringer, die zweitgrößte Nutzer und Angehörige, wohingegen verhältnismäßig wenige ärztliche Leistungserbringer, Kostenträger und Hilfsmittelhersteller befragt wurden.

Die Studie konnte jedoch Hinweise darauf geben, welche Kategorien die verschiedenen Zielgruppen für aussagekräftig halten. Interessant war, dass alle befragten Zielgruppen die Verarbeitung des Hilfsmittels als wichtigstes Qualitätskriterium nannten, an zweiter Stelle die Passung zwischen Hilfsmittel und Bedarf des Patienten. An dritter Position stand für alle Zielgruppen außer den Ärzten die Konstruktionsweise des Hilfsmittels (die Ärzte nannten stattdessen die Möglichkeit der Reparatur).

 

Qualitätskriterien in Bezug auf die beteiligten Akteure

Es wurde auch gefragt, welche Qualitätskategorien in Bezug auf die Leistung der jeweiligen Beteiligten (Leistungserbringer, Nutzer, Kostenträger) als relevant eingestuft werden.

In Bezug auf die Hilfsmittel-Nutzer/Patienten nannten alle befragten Zielgruppen die Compliance an erster Stelle – mit Ausnahme der Hilfsmittel-Nutzer selbst, welche die Compliance nicht als derart wichtig einstuften.

Als Qualitäts-Kategorien, die von Seiten der Hilfsmittel-Leistungserbringer ausschlaggebend sind, wurde von allen befragten Gruppen die Beratung, die Kommunikationsfähigkeit der Mitarbeitenden und ein zeitnaher Service als besonders wichtig angesehen.

Bei den weiteren Leistungserbringern (Ärzte, therapeutische Berufe) nannten alle Gruppen das Ausmaß der Motivation und des Engagements als eine der drei wichtigsten Kategorien. „Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Regelversorgung bzw. reiner Dienst nach Vorschrift nicht als ausreichend empfunden wird“, meinte Alexander Stirner. Auch eine ausführliche Aufklärung der Hilfsmittel-Nutzer wurde hier als eines der wichtigsten Qualitätskriterien genannt.

Bei den Kostenträgern unterschied sich die Eigen- und die Fremdwahrnehmung am stärksten. Die Bereitschaft zur Kostenübernahme wurde von allen befragten Gruppen als wichtiges Qualitätskriterium angesehen – nur von den Kostenträgern selbst nicht. Alle befragten Gruppen waren sich aber einig, dass die Kooperation zwischen Kostenträgern und Hilfsmittel-Nutzern ein Faktor ist, der die Qualität der Hilfsmittelversorgung beeinflusst.

Einigkeit, welche Kategorien für die Qualität der Hilfsmittelversorgung am wichtigsten sind, gibt es vor allem in Hinblick auf die Nutzer, resümierte Stirner. Gemeinsame Top-Kategorien aller befragten Zielgruppen sind die Erfüllung des Zwecks bzw. der Funktion des Hilfsmittels, die Passung zwischen Hilfsmittel und Bedarf des Nutzers, die bedarfsgerechte Versorgung, das Ausmaß der Lebensqualität und Teilhabe der Nutzer sowie die angebotene Beratung seitens der Leistungserbringer.

Beratung und Patientenedukation wichtig

Als bemerkenswert stufte Dr. Annette Kerkhoff, Leiterin des Kompetenzzen­trum Orthopädieschuhtechnik, in der anschließenden Diskussion ein, wie wenig verantwortlich sich die Hilfsmittel-Nutzer für das Erreichen von Ergebnisqualität fühlen. Sie fragte den Referenten, ob er Ideen habe, wie dies verändert werden könne. Alexander Stirner vertrat die Ansicht, dass es hier einen Paradigmenwechsel im Sinne eines Empowerments der Patienten brauche. Ihnen müsse bewusst gemacht werden, dass sie einen entscheidenden Beitrag zur Ergebnisqualität leisten. Seiner Erfahrung nach laufe es letztendlich immer auf die Edukation des Patienten und die Kommunikation mit ihm hinaus, damit dieser „raus aus dem Konsumverhalten und rein in die aktive Beeinflussung des Behandlungserfolges“ finde.

OSM Jürgen Stumpf wies darauf hin, dass es für die Ergebnisqualität wichtig sei zu erfassen, ob die Patienten das Hilfsmittel ordnungsgemäß nutzen. Um eine gute Adhärenz zu erzielen, müsse der Leistungserbringer die Bedürfnisse des Patienten viel stärker erfragen und gemeinsam mit ihm eine Lösung suchen.

Michael Hubert, Agentur Barrierefrei NRW, vertrat die Auffassung, dass die Beratung des Patienten besonders wichtig für die Ergebnisqualität ist. Hier müsse man herausarbeiten, was eine gute Beratung ausmacht und beinhalten sollte.

Systematische Datenerfassung und Studien notwendig

Alexander Stirner stellte klar, dass die von ihm vorgestellte Studie zwar Hinweise darauf gibt, was die einzelnen Akteure unter Ergebnisqualität in der Hilfsmittelversorgung verstehen und welche Faktoren die Qualität aus ihrer Sicht beeinflussen. Wie sich Ergebnisqualität messen lässt, könne auf Grundlagen der Daten nicht beantwortet werden.

Mit der Frage der Messbarkeit möchte sich die Arbeitsgruppe weiter beschäftigen. In der Diskussion wurde die Notwendigkeit gesehen, produktgruppenspezifische Fragebögen einzusetzen, da die Bandbreite an Hilfsmitteln immens sei. Krankenkassen führen selbst zwar bereits produktbezogene Patientenbefragungen durch, die Fragebögen seien jedoch nicht wissenschaftlich evaluiert, erklärte eine Krankenkassenvertreterin Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass eine wissenschaftliche Evaluierung von Messinstrumenten bzw. Fragebögen sehr aufwändig sei. Gegebenenfalls könne es sinnvoll sein, dies zunächst für ein Pilotprojekt ins Auge zu fassen, meinte OSM Jürgen Stumpf.

„In jedem Fall ist es wichtig, dass wir viel mehr Daten sammeln“, betonte Sabine Mertsch. Jürgen Stumpf bekräftigte, dass Kostenträger zunehmend fragen, ob es RCT-Studien zur Wirkung der Hilfsmittel gibt. Solche Studien könne man aber nur auf Grundlage strukturiert erhobener Daten und definierter Versorgungsziele ermöglichen. „Wir müssen das angehen, sonst besteht die Gefahr, dass manche Hilfsmittel aus dem Hilfsmittelverzeichnis gestrichen werden.“

Der QVH könne solche Studien zwar nicht selbst durchführen, aber ein Bewusstsein für ihre Notwendigkeit schaffen, beschrieb Sabine Mertsch das Anliegen der Arbeitsgruppe. Ein erstes Papier dazu soll beim 13. Qualitätsforum des QVH am 14. November 2024 in Berlin vorstellt werden.

Für das nächste Treffen der Arbeitsgruppe ist ein Vortrag von Dominik Stumpf zu gesundheitsökonomischen Aspekten der Ergebnisqualität geplant.

 

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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