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29. November 2023
Redaktion
Gehwol Diabetes Report 2023

Einschätzungen von Diabetespatienten berücksichtigt

Menschen mit Diabetes steht inzwischen ein ganzes Netz an Versorgungsangeboten zur Verfügung, um die Erkrankung und ihre Begleiterscheinungen zu behandeln. Dennoch zeigt sich immer noch, dass ein Drittel der in Behandlung befindlichen Diabetespatienten ein hohes Risiko trägt, an einem Diabetischen Fußsyndrom zu erkranken. Der aktuelle Gehwol Diabetes-Report, der erstmals nun auch die Einschätzungen von 500 Diabetespatienten enthält, zeigt die Herausforderungen auf.
Bestimmung
Foto: memorisz/Adobe Stock

Noch immer finden etwa 70 Prozent aller Amputationen bei Menschen mit Diabetes statt. Immerhin: 5 von 6 Diabetes-Patienten wissen eigenen Angaben zufolge von der Erkrankung und sind vorgewarnt. Doch zwischen Selbst- und Ärzteeinschätzung klafft offenbar eine Lücke. Denn die befragte Ärzteschaft, zu der neben Hausärzten auch Diabetologen und Endokrinologen gehören, gibt indes an, dass im Schnitt immerhin 4 von 10 Patienten ihren Füßen keine besondere Beachtung schenken.

 

Vielfältige Begleitbefunde

Demnach beobachten die Ärzte bei ihren Patienten regelmäßig eine große Bandbreite an Beschwerden. Hierzu zählen Neuropathie, mangelnde Hautdurchblutung, trockene Haut und eine Druckfehlbelastung der Füße. All diese Befunde stellen begünstigende Faktoren für schwerwiegende Nervenerkrankungen, wie zum Beispiel den Diabetischen Fuß dar, der nach wie vor für einen Großteil der jährlichen Amputationen verantwortlich ist. Um schwerwiegende Begleiterkrankungen frühzeitig vorzubeugen, bedarf es regelmäßiger Untersuchungen sowie Sensibilisierung für die Diabeteserkrankung auf Seiten der Patienten. Hier äußern die befragten Ärzte, dass lediglich 60 Prozent der Patienten wissen, dass sie auf ihre Füße achten müssen. Jeder Vierte nimmt seltener als einmal im Jahr die empfohlenen Kontrolluntersuchungen in Anspruch. Das ist insofern bemerkenswert, als immerhin 94 Prozent der Patienten angeben, sie wüssten, dass eine Diabeteserkrankung auch zu Fußfolgekomplikationen führen kann. 61 Prozent haben Angst davor, dass sich der Zustand der eigenen Fußgesundheit verschlechtert.

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Grafik: Eduard Gerlach GmbH

Untersuchungsmaßnahmen weiter umfangreich

Im Rahmen eines Disease Management Programms (DMP) ist eine eingehende Untersuchung des Fußes vollumfänglich vorgesehen. Zu den ärztlichen Untersuchungen gehören neben der allgemeinen Anamnese das Messen der Hauttemperatur, das Prüfen der Schuhe oder die Palpation der Fußpulse. Bleiben Fußpulse aus, gilt dies als ein Warnzeichen für den Diabetischen Fuß. Beruhigend: Sind Fußpulse nicht tastbar, führen alle befragten Ärzte nach eigenen Angaben eine Anschlussdiagnostik durch oder überweisen direkt zum Spezialisten. 84 Prozent tun dies zumindest teilweise sogar, wenn die Fußpulse tastbar sind. Fast alle zur Verfügung stehenden Untersuchungsmaßnahmen werden von der überwältigenden Mehrheit der Ärzten befürwortet und nach eigenen Angaben auch angewandt. Einschränkend muss festgehalten werden, dass einige Maßnahmen wie die Kontrolle des Hautstatus, Überprüfung der Muskulatur, das Vorliegen von Fußdeformitäten sowie der Schuhqualität zwar von den Ärzten durchgeführt werden, die Kontrolle aber nicht bei jedem Arztbesuch erfolgt – so wie empfohlen.

Durch eine Gesetzesänderung haben Patienten seit Mai 2021 die Möglichkeit, sich eine Zweitmeinung bei drohender Amputation einzuholen. In diesem Zusammenhang geben 58 Prozent der im Gehwol Diabetes-Report befragten Ärzte an, dass sie jedem Patienten vor einer Fußamputation zu einer Zweitmeinung raten, unter den Diabetologen/Endokrinologen sind es sogar 67 Prozent. Nur 8 Prozent raten grundsätzlich von einer Zweitmeinung ab. Der Rest rät zumindest bestimmten Patienten zu dieser Absicherungsdiagnose.

Prävention auf mehrere Schultern verteilen

Zwei Drittel aller befragten Ärzte klären ihre Diabetes-Patienten über selbst durchzuführende Fußpflegemaßnahmen auf und empfehlen auch die Weiterbehandlung bei spezialisierten Podologen; in vielen Fällen (39 %) auch dann, wenn kein Rezeptanspruch besteht. Die Ärzteschaft spricht sich mehrheitlich für eine Evaluation der Präventionsangebote aus, die insbesondere die psychosoziale Situation der Patienten inkludiert. Zudem sollen eine bessere Vergütung der Spezialberufe bei gleichzeitiger Klärung der Kostenübernahme durch Erhöhung der Krankenkassenzuschüsse dazu beitragen, das Versorgungsangebot weiter zu verbessern. Als wichtigste Einzelmaßnahmen werden dabei Diabetes-Schulungen und die podologische Vorsorge genannt.

Um Patienten hierfür zu erreichen, ist für die befragten Ärzte besonders die breite Aufklärung in den Massenmedien von Bedeutung. Aber auch Fachpersonal und Krankenkassen wird diese Kompetenz zugeschrieben. Die Verteilung von Prävention auf die Schultern verschiedener Akteure kann demnach einen Beitrag dazu leisten, die tägliche Eigenkontrolle der Füße durch die Patienten zu erhöhen. Ein Bewusstsein zur Fußpflege ist hierfür Voraussetzung. Einmal mehr zeigt sich dabei jedoch eine Diskrepanz: Einerseits geben 85 Prozent der Patienten an, dass ihnen Fußpflege wichtig oder sehr wichtig ist, andererseits verteilen die meisten Ärzte (48 %) ihren Patienten bei diesem Thema allenfalls die Schulnote befriedigend. Auch wissen laut ärztlicher Einschätzung annähernd die Hälfte der Patienten nicht, dass sie auf ihre Füße achten müssen oder was ein Fuß-Ulkus ist und wie er entsteht. Die Schuhversorgung und Maßnahmen zur Druckentlastung beurteilen Mediziner ebenfalls mehrheitlich mit höchstens befriedigend.

Zusammenfassung: Risiko- und Fußpflegebewusstsein der Betroffenen

Bedeutung von Fußpflegeprodukten

Mehr Hingabe wünschen sich die meisten Ärzte für ihre Patienten auch bei der Verwendung von Fußpflegeprodukten. Ein gutes Fußpflegemittel sollte einen positiven Einfluss auf die Mikrozirkulation der Haut haben, sagen 82 Prozent der befragten Ärzte – wissend, dass etwa ein Drittel ihrer Patienten unter Neuropathie leidet, bei 26 Prozent mit Ausbildung einer Mikroangiopathie (mangelnde Hautdurchblutung) als diabetestypische Ursache von Hauttrockenheit (32 %). Diese sogenannte Xerosis steht häufig am Beginn einer Kaskade von Problemen, die sich zum Diabetischen Fußsyndrom weiterentwickeln können. Ein Nachweis der Wirksamkeit von Pflegeprodukten wird ebenfalls gern gesehen (74 %). Weiterhin ist der Urea-Gehalt ein Indikator für eine Empfehlung. Dieser sollte laut ärztlicher Einschätzung bei trockener Haut bei 10 Prozent und bei Hornhaut darüber liegen. Lipidhaltige Cremes werden unter den Formulierungen (38 %) favorisiert.

Doch die beste Creme hilft nichts, wenn sie nicht regelmäßig aufgetragen wird. Unter den am häufigsten angewandten Fußpflegemaßnahmen nennen die Patienten zu jeweils gut zwei Drittel das Eincremen und das regelmäßige Kontrollieren der Füße auf Verletzungen und Hautauffälligkeiten. Knapp ein Viertel (26 %) der Befragten pflegt die Füße hingegen unregelmäßig bis nie.

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Grafik: Eudard Gerlach GmbH

Sozioökonomischer Status spielt entscheidende Rolle

Die Patientenbefragung liefert für den Report erstmals Rückschlüsse hinsichtlich des Zusammenhangs von sozioökonomischem Status und Fußpflegemaßnahmen. 51 Prozent der Patienten mit einem Haushaltseinkommen von unter 2.000 Euro suchen generell keine podologische Praxis auf. Bei den Personen mit einem Haushaltseinkommen von über 4.000 Euro beträgt dieser Anteil nur 17 Prozent. Podologische Leistungen werden nur bei entsprechendem Hautbefund von der Krankenkasse übernommen. Knapp die Hälfte (46 %) der Befragten gibt an, dass sie alle podologischen Leistungen selbst zahlen, beim einkommensschwächsten Personenkreis sind es immerhin noch gut ein Viertel der Befragten. Andererseits empfehlen 39 Prozent der Ärzte eine podologische Komplexbehandlung auch nur dann, wenn ein Verordnungsanspruch besteht und ein Rezept ausgestellt werden kann. Gleiches gilt für biomechanische Untersuchungen in einer orthopädieschuhtechnischen Einrichtung, die ohne Rezept nur von 42 Prozent der Ärzte empfohlen wird.

Der Diabetes Report zeigt noch einmal deutlich, dass Patienten und Ärzte unterschiedliche Einschätzungen und Einstellungen zum Gesundheitsbewusstsein haben. Für die Prävention gilt laut den Ärzten Folgendes:

  • Praxen, die an ein Fußnetz angeschlossen sind, klären häufiger alle ihre Patienten auf als Praxen, die keinem Fußnetz angehören.
  • Zu den meist empfohlenen Maßnahmen, die der Patient selbst umsetzen kann, gehören die Untersuchung von Füßen und Schuhen, das Eincremen und das gerade Abschneiden der Zehennägel.
  • Das Risikobewusstsein von Patienten ist der entscheidende Faktor zur Verhinderung von Fußfolgekomplikationen.
  • Eine Verringerung des Risikos kann durch einfache Maßnahmen erreicht werden, wie beispielsweise Druckentlastung, Schulungen von Menschen mit Diabetes und eine adäquate podologische Versorgung.

Der Diabetes-Report

Der Diabetes-Report ist eine zweijährlich stattfindende Bestandsaufnahme der Eduard Gerlach GmbH (Gehwol) in Kooperation mit Statista. Über eine Online-Befragung konnten in der aktuellen Welle 120 Ärzten und erstmals 500 Patienten rekrutiert werden. Ärzte und Patienten erhielten jeweils zwei unterschiedliche Fragebögen mit vergleichbaren Fragestellungen. Die Rekrutierung der Patienten fand dabei durch einen Online-Fragebogen im Zeitraum Mai und Juni 2023 statt.

Quelle: Eduard Gerlach GmbH

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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