Folgen Sie uns
28. August 2024
Wolfgang Best
75 Jahre Fachzeitschrift

Einlagen: Auf die Wirkung kommt es an!

Nach welchen Prinzipien wirkt ein Hilfsmittel? Und stimmen die beobachtete Wirkung und das angenommene Wirkprinzip auch wirklich überein? Mit dieser Fragestellung, die auch heute noch bei jeder wissenschaftlichen Studie zu Hilfsmitteln relevant ist, beschäftigte sich Prof. Wilhelm Thomsen bereits im Jahr 1961 in unserer Zeitschrift.
Wilhelm
Breymann/C. Maurer Fachmedien
Prof. Wilhelm Thomsen

Und man könnte meinen, er habe damals schon die heutigen Diskussionen um sensomotorische Einlagen vorweggenommen. Thomsen, der als Prüfungsvorsitzender der Meisterschule in Frankfurt mit der Orthopädieschuhtechnik gut vertraut war, berichtete zunächst von den „verfeindeten“ Anhängern des statischen und dynamischen Prinzips. Während die einen den Fuß mit starren Materialien vor allem stützen wollten, plädierten die anderen für elastisches Material und eine Aktivierung der Fußbewegung.

Thomsen schlägt sich weder auf die eine noch die andere Seite, sondern zeigt mit zahlreichen Beispielen, dass sich die Wirkung von stützenden und aktivierenden Elementen auf einer Einlage oder in einem Schuh gar nicht immer so einfach trennen lassen. Stützelemente könnten aktivierend wirken und aktivierende Element könnten auch eine Stützwirkung entfalten, so Thomsen.

Er folgert daraus: „Wenn es nach dieser Erkenntnis schon zweifelhaft ist, dass eine nach der Verordnung eines Mittels eingetretene Besserung überhaupt diesem Mittel zu verdanken ist, so ist noch die strengere Einsicht notwendig, dass selbst in den Fällen, wo das verordnete Mittel half, noch lange nicht unsere Vorstellung von dem Wirkungsmechanismus, von der Art und Weise der Hilfe richtig sein muss.“

Meist gehe man aber gerade davon aus und sei dann überrascht, wenn sich nach einiger Zeit herausstellt, dass das Hilfsmittel zwar immer noch wirkt, der gedachte Wirkmechanismus aber falsch ist. Als Beispiel nennt er eine Einlage, die den Fuß durch eine Stütze aufrichten soll. Weil sie aber schmerzhaft an die aufzurichtende Stelle drückt, aktiviert der Patient seine Muskulatur, um dem Schmerz auszuweichen. Ähnlich, so Thomsen, wirke auch die bekannte Spitzy-Einlage, bei der eine Kugel unter der medialen Ferse für eine Aufrichtung des Fußes sorgen soll.

Thomsen plädiert in seinem Beitrag dafür, in der Beurteilung der Einwirkung von technischen Mitteln auf den Fuß stets kritisch zu fragen, wie die Wirkung im Einzelnen tatsächlich gewesen ist. „Die Vertreter der passiven Richtung werden uns stets beweisen müssen, dass die Wirkung ihrer Erfindung tatsächlich rein passiv war und dass nicht irgendein aktives Element sich in den Mechanismus eingeschlichen hat. (…) Die Vertreter der aktiven Richtung dagegen müssen uns erst beweisen, dass sich kein passives Element in den Wirkungsmechanismus ihres Hilfsmittels eingeschlichen hat.“

Bereits 2014 haben wir diesen auch heute noch lesenswerten „Schatz“ aus der Geschichte unserer Zeitschrift ausgegraben und wiederveröffentlicht – ergänzt durch Einschätzungen von Experten aus Biomechanik, Orthopädie und Handwerk, wie Thomsen Ausführungen aus heutiger Sicht zu bewerten sind.

Den Beitrag mit den Einschätzungen finden Sie hier zum Download:

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
Zurück
Speichern
Nach oben