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10. August 2023
Wolfgang Best
Convention

Digitale Manufaktur – Neue Technologien sinnvoll nutzen

Am 15. September lädt die Springer Aktiv AG Geschäftsführer und interessierte Werkstattleiter unter dem Titel „Digitale Manufaktur“ zu einer Convention nach Berlin ein. Bei dieser kostenfreien Veranstaltung wird es unter anderem um digitale Mess- und Fertigungstechniken sowie um die Prozessoptimierung gehen. Im Interview erklärt Frank Hepper, Vorstand der Springer Aktiv AG, warum es so wichtig ist, sich mit den modernen Technologien und den Prozessen im Betrieb auseinanderzusetzen.
Frank
Foto: Springer Aktiv AG
Frank Hepper

Herr Hepper, die Springer Aktiv AG ist seit vielen Jahren in beiden Welten unterwegs: in der klassischen Einlagenversorgung auf der Basis von Rohlingen und im Bereich CAD und computergestützte Fertigung. Nun veranstalten Sie an Ihrem Sitz in Berlin eine Convention mit dem Thema „Digitale Manufaktur“. Liegt die Zukunft in der digitalen Fertigung?

Aufgrund von zunehmendem Mangel an Fachkräften wird die digitale Fertigung auch im Orthopädiehandwerk enorm an Relevanz gewinnen. Ein entscheidender Vorteil liegt in der Reproduzierbarkeit der Produkte. Für uns als Hersteller und Anbieter rund um die Wertschöpfungskette „Einlage“ sind beide Welten, analog und digital, bedeutungsvoll. Heute bilden die Einlagenrohlinge bei unseren Kunden oftmals den Standardbereich ab, die digitalen Einlagen, gefräst oder gedruckt, werden Patienten meist im Comfort- oder Premiumbereich mit höheren Eigenanteilen angeboten. Wenn, wie die Prognose sagt, im Jahre 2030 weniger Einlagenpatienten im Geschäft stehen und der regionale Wettbewerb der Orthopädiebetriebe zunimmt, wird es noch entscheidender sein, aus den vorhandenen Möglichkeiten „mehr“ zu machen: mehr Umsatz je Rezept, mehr Beratung, mehr digitale Kommunikation. Es gilt, einfach besser zu sein als die Konkurrenz und auch die neue Generation an Patienten und Kunden abzuholen. Glühwürmchen oder Leuchtturm? Die Außenwirkung eines Unternehmens zeigt sich bereits heute vor allem in fokussierter Marktbearbeitung in der Region, gepaart mit Kundennähe, Effizienz und tatsächlichen Versorgungserfolgen. 24% der Kunden sind lt. Allensbach-Umfrage bereit, für Premiumversorgungen (Analyse plus Produkt) zu zahlen. Um dies effizient und zielführend „unter einen Hut zu bringen“, spielen digitalisierte Abläufe in der Fertigung von Einlagen eine zunehmende Rolle. Diese Erfahrungen und diese Zukunftsdenke haben wir auch in unser neues, sich kontinuierlich weiterentwickelndes Kinder-Orthesenkonzept „proprio AFO“ mit einfließen lassen.

Digitalisierung hilft, Prozesse zu optimieren

Im Programm fällt auf, dass es nicht nur um digitale Gestaltung und Produktion, sondern auch um Wertschöpfungsketten und Prozesse im Betrieb geht? Wie wichtig sind diese Punkte künftig für die Betriebe?

Opa sagte: „Der Gewinn liegt im Einkauf!“ Vater meinte: „Die Zufriedenheit des Kunden ist entscheidend!“ Heute und künftig gilt mehr denn je: „Im optimierten Prozess liegen unsere Chancen“! Und das nicht erst in der Zukunft, sondern schon heute, um nicht im Vergleich mit dem Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. Sowohl am POS als auch in der Werkstatt bieten digitalisierte Prozesse enorme Vorteile in Bezug auf Prozesssteuerung, Fehlerminimierung, Kosteneffizienz und routinierte, standardisierte Abläufe. Auch der Punkt „Dokumentation“ nimmt immer mehr an Bedeutung zu und frisst wertvolle Zeit. Hier kann Dank Digitalisierung enorm gespart werden. Gleiches gilt für den Austausch von Vorgangsdaten mit der Abrechnungssoftware. Der digitalisierte Prozess bietet die maximale Transparenz und macht eine effiziente Verzahnung von Verwaltung, Produktion und POS möglich.

Fachliche Expertise ist weiterhin gefragt

In der Diskussion über digitale Techniken wird manchmal der Eindruck erweckt, im Zeitalter der Smartphones mit leistungsfähigen Kameras könne bald jeder einen Fuß scannen und eine Einlage konfigurieren. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Diese Entwicklung birgt m.E. Chancen und Risiken: die Chance des Fachhandels bleibt es, sich durch kompetente Beratung und mit medizinisch-handwerklichem Knowhow sowie einschlägigen Erfahrungen selbst mit komplexesten Aufgabenstellungen als „Problem-Löser“ und „Wünsche-Erfüller“ für Kunden und Patienten zu profilieren. Digitalisierte Werkzeuge unterstützen und helfen v.a. bei jüngeren Zielgruppen zusätzliches Vertrauen aufzubauen. Sie schaffen Transparenz in der Beurteilung von Krankheitsbildern sowie im Begründen von Therapien und Hilfsmittelversorgungen. Online-Anbieter haben es im Bereich „Brille“ in den vergangenen 10 Jahren, insbesondere mit der Einstärken-Brille, lediglich auf 11% Marktanteil gebracht. Menschen kaufen auch weiter bei Menschen. Allein die Möglichkeit, Füße und Körperteile einfacher und besser zu scannen und Analysen durchzuführen, ist aber noch nicht die Lösung. Es bleibt der Experte oder die Expertin, die auf Basis der Messergebnisse ein gutes und wirkungsvolles Hilfsmittel herstellt. Keine KI der Welt wird durch einen Algorithmus die 100%ige Problemlösung generieren. Die Fachleute werden gebraucht, aber bitte an der richtigen Stelle. Nicht bei der Umsetzung von einfachen Standards, dem Hin- und Herschieben von Pelotten oder der Dokumentation, sondern da, wo echte Expertise und Spezialisierung benötigt wird.

Zukunftsfähig aufstellen

Wenn sich Betriebe auf künftige Herausforderungen einstellen wollen: Welche sind aus Ihrer Sicht die Bereiche, in denen sich die Betriebe fit machen müssen?

Die Herausforderungen für das Orthopädiehandwerk, bei denen die Digitalisierung eine entscheidende Rolle spielt, sind meines Erachtens vielfältig.

Zunächst geht es in allen Betrieben darum, Fachkräfte zu rekrutieren, zu motivieren und zu halten. Für die sogenannte „next generation“ ist die Nutzung von Stift und Papier obsolet, die digitalen Anwendungen im privaten Bereich sind selbstverständlich. Natürlich müssen die Betriebe den jungen Mitarbeitenden zeitgemäße Tools an die Hand geben, die sie im täglichen Umgang mit Freude benutzen. Auch spielt es eine nicht zu unterschätzende Rolle, dass an dieser Front die „Jungen“ den „Alten“ mal was vormachen können und ihre Bedeutung im und für den Betrieb erfahren.

Ein zweiter Punkt ist die Herausforderung, bisherige analoge Abläufe digital abzubilden und die damit verbundenen Transformationsprozesse anzugehen. Konkret gesprochen heißt das, die individuelle Hilfsmittelfertigung reproduzierbar zu machen und damit bei Folgeversorgungen und Dokumentationen Zeit zu sparen. Das ist ein „Muss“ auf Grund von Kostendruck und Qualitätsanspruch. Ein „Aber“, weil der Mensch gerne unersetzlich ist und am liebsten auf dem Weg weitergeht, den er kennt. Die Herausforderung an dieser Stelle ist es sicher, leidenschaftliche Handwerker aus dem eigenen Team zu überzeugen, dass digitale Werkzeuge ihnen das Arbeiten erleichtern können. Nicht zu unterschätzen ist das innere Sträuben der eigenen Leute gegen neue Prozesse und die Angst, das persönliche Können wird durch Maschinen ersetzt. Jeder Unternehmer und jede Unternehmerin sollten deshalb die Entscheidungen für digitale Tools nicht nur den Mitarbeitenden wirtschaftlich begründen, sondern ihnen auch die Chancen und Vorteile für deren eigene Arbeit aufzeigen.

Punkt drei: „Tue Gutes und sprich darüber“. Über verschiedene digitale Kommunikationskanäle z.B. auf Social Media, kann die Eigenmarke bei regionalen Kunden gestärkt und ein modernes Image sichtbar gemacht werden. Nicht die Arbeit in der verborgenen Werkstatt – so gut sie auch sein mag – wird von den Kunden und Interessenten wahrgenommen. In der überladenen Medienwelt wird der gesehen, der kontinuierlich und geschickt auf sein Angebot aufmerksam macht. Die große Herausforderung ist an diesem Punkt, ein planvolles Herangehen und eine gewisse Professionalität. Das ist zeitintensiv, bringt aber heute und künftig entscheidende Wettbewerbsvorteile.

Punkt vier, das e-Rezept kommt ganz sicher, Einzelkassenverträge zu digitalen Angeboten sind nicht auf ewig vom Tisch. Das Netzwerk, Ärzte, Therapeuten und Patienten, müssen wissen, dass die Betriebe in der digitalen Welt angekommen sind und digitale Versorgungswege bedienen können. Dabei dient die eigene Website als Visitenkarte, die in der Mehrzahl aller Orthopädie(schuh)technik-Domains bisher keinerlei digitale Assoziation schafft. Als wichtigste Werkzeuge gelten eine leistungsstarke Branchensoftware sowie die Anbindung von Analysetools über entsprechende Schnittstellen. Die Herausforderung: es braucht in den Unternehmen dazu IT-Spezialisten, die eine digitale Transformation überblicken und begleiten. Auch Springer als Anbieter ist hier gefragt, gute Angebote sowie professionellen Support bereitzustellen, um die Ressourcen in den kleineren und mittleren Betrieben zu schonen.

Und noch ein fünfter, wichtiger Punkt am Ende: die Digitalisierung hilft, die Ertragssicherheit durch optimierte Prozesse zu gewährleisten, beispielsweise durch die Vernetzung von Werkstatt, Büro und Verkauf.

Abschließend sei gesagt, dass vor allen konkreten Entscheidungen zur Digitalisierung anhand der Mission eines Betriebes die Unternehmensstrategie definiert und nach innen gelebt werden sollte. Einfach gesprochen ist also die Frage zu klären, ob der jeweilige Fokus des Betriebes auf „Masse“ oder „Klasse“ liegt. Daraus leiten sich dann im Konkreten die entsprechenden Produktlösungen und damit einhergehenden Serviceleistungen ab. Beide Geschäftsmodelle zu leben, wird künftig zum Scheitern verurteilt sein. Es werden langfristig nur Unternehmen im Markt bestehen können, die mit einem klaren Profil die richtigen Entscheidungen treffen und an der richtigen Stelle investieren. Diesen Punkt im Fokus entwickeln wir bei Springer alle unsere digitalen Produktkonzepte in beide Richtungen weiter, um – egal wie die strategische Ausrichtung aussieht – mit einem passenden Angebot als Partner bereitzustehen.

Das Programm der Convention „Digitale Manufaktur“ finden Sie auf der Internetseite der Springer Aktiv AG.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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